Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Feb. 2016 - 8 K 247/14

ECLI:ECLI:DE:VGAC:2016:0224.8K247.14.00
bei uns veröffentlicht am24.02.2016

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin ab dem 16. April 2013 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Feb. 2016 - 8 K 247/14

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Feb. 2016 - 8 K 247/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Feb. 2016 - 8 K 247/14 zitiert 31 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 30 Offensichtlich unbegründete Asylanträge


(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. (2) Ein Asylantrag ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 26 Dauer des Aufenthalts


(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindesten

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 10 Aufenthaltstitel bei Asylantrag


(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann ertei

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 4


(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1592 Vaterschaft


Vater eines Kindes ist der Mann,1.der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,2.der die Vaterschaft anerkannt hat oder3.dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke


Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn1.er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besit

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1600 Anfechtungsberechtigte


(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:1.der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,2.der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,3.die Mutter und4

Strafgesetzbuch - StGB | § 164 Falsche Verdächtigung


(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Abs

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Feb. 2016 - 8 K 247/14 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2015 - 19 B 15.1066

bei uns veröffentlicht am 09.12.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 19 B 15.1066 Im Namen des Volkes Urteil vom 9. Dezember 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365) 19. Senat Sachgebiet

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2015 - 19 C 15.820

bei uns veröffentlicht am 20.10.2015

Tenor Unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 5. März 2015 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Becker, Nürnberg, beigeordnet. Gründe Die zuläss

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Aug. 2015 - 11 S 1500/15

bei uns veröffentlicht am 25.08.2015

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juni 2015 - 6 K 2550/13 - wird abgelehnt.Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.Der Streitwert für das Zulassungsverfa

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 10. Dez. 2014 - 1 C 15/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2014

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 04. Nov. 2014 - 11 S 1886/14

bei uns veröffentlicht am 04.11.2014

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2014 - 1 K 1465/14 - wird zurückgewiesen.Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert für das Beschwerdeverfah

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 15. Okt. 2014 - 17 A 1150/13

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Tenor Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin zu 1. bezüglich ihres Antrags vom 27. Januar 2011 auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauf

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 17. Dez. 2013 - 1 BvL 6/10

bei uns veröffentlicht am 17.12.2013

Tenor § 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 08. Nov. 2010 - 11 S 1873/10

bei uns veröffentlicht am 08.11.2010

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2010 – 12 K 1141/09 – geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde.Die Beklagte wird verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis vom 11.03.2010 auch rückwirk
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Apr. 2017 - 2 O 31/17

bei uns veröffentlicht am 24.04.2017

Gründe 1 Die zulässige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die beantragte Prozesskostenhilfe zu Unrecht versagt. 2 Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO Abs. 1 Satz 1 erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirts

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 13. Sept. 2016 - 3 K 5322/15

bei uns veröffentlicht am 13.09.2016

Tenor Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Bescheid der Bekl

Referenzen

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau.

2

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Im Dezember 2002 wurde er in Hamburg ohne Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen, vorläufig festgenommen und im Februar 2003 wegen illegalen Aufenthalts ausgewiesen. Der Kläger reiste dann nach eigenen Angaben in die Türkei aus. Im April 2011 sprach er erneut bei der Ausländerbehörde der Stadt Hamburg vor und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, um seine Verlobte, eine deutsche Staatsangehörige, heiraten zu können. Er gab an, im März 2010 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist zu sein und hier Arbeit gesucht zu haben. Die Beklagte erteilte dem Kläger im April 2011 eine Duldung, die fortwährend verlängert wurde. Im August 2011 heiratete er seine Verlobte. Gegen die Ausweisung aus dem Jahr 2003 erhob der Kläger Widerspruch. Daraufhin teilte ihm die Beklagte mit, sie betrachte die Ausweisungsverfügung aus dem Jahr 2003 als nicht erlassen, da eine ordnungsgemäße Zustellung bis heute nicht erfolgt und auch nicht mehr beabsichtigt sei. Die Ausweisung werde daher im Register gelöscht.

3

Durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11. August 2011 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in Tateinheit mit illegalem Aufenthalt von März 2010 bis April 2011 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Mit Bescheid vom 1. September 2011 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie zurück.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 10. April 2014 (InfAuslR 2014, 426) die verwaltungsgerichtliche Entscheidung geändert und die Beklagte verpflichtetet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Den Hilfsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger erfülle nicht nur die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 30 AufenthG, sondern zugleich die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG. Dies gelte auch für die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen darf. Ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege dann vor, wenn einer der Tatbestände der §§ 53 bis 55 AufenthG erfüllt sei. Das sei hier zwar der Fall. Der Kläger habe durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt bis April 2011 einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begangen. Allerdings liege hier eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Die besonderen, einen atypischen Sachverhalt begründenden Umstände beruhten darauf, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebe und der Ausweisungsgrund allein in der Einreise ohne das erforderliche Visum und dem anschließenden Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bestehe. In diesem Fall sei es nicht erforderlich, zur Abwehr von Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, weil derartige Beeinträchtigungen nicht mehr zu erwarten seien. Dem Ausweisungsgrund der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts komme hier seine typisierte Gefahrenabwehrfunktion nicht mehr zu. Eine zukünftige Wiederholung der Verstöße gegen die Einreisevorschriften sei bei einem deutschverheirateten Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere auch nicht daran, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist sei. Zwar erfülle er die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht. Doch lägen die Voraussetzungen vor, nach denen hiervon gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne. Denn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seien erfüllt. Dies sei auch dann der Fall, wenn zwar eine regelhaft zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung - hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - nicht vorliege, dies jedoch unschädlich sei, weil ein Ausnahmefall gegeben sei.

6

Die Entscheidung der Beklagten, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abzusehen, sei fehlerhaft. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG eröffnete Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt. Da eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers nicht vorliege, sei die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut zu entscheiden und dabei das ihr zustehende Ermessen (erneut) auszuüben.

7

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Sie vertritt die Auffassung, das Berufungsurteil beruhe auf einem fehlerhaften Verständnis vom Regelfall eines Ausweisungsgrundes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Für die Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG komme es nicht darauf an, ob aufgrund der konkreten Umstände eine Ausweisung möglich sein, sondern darauf, ob objektiv und abstrakt einer der gesetzlichen Ausweisungsgründe vorliege. Das sei hier in Gestalt der begangenen Straftat der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts der Fall (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Auf die Gefahr der Begehung erneuter Straftaten komme es insoweit nicht an. Auch die Nichteinhaltung des Visumverfahrens stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen.

8

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Urteile. Ergänzend weist er darauf hin, dass im vorliegenden Fall vom Erfordernis des Visumverfahrens abgesehen werden könne, weil ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestehe. Ein Rechtsanspruch liege vor, wenn alle gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen, auch wenn es sich um Ausnahmetatbestände handele. Im Übrigen sei die Ermessensentscheidung der Beklagten fehlerhaft, weil sie die persönlichen Interessen des Klägers - u.a. an einer Vermeidung einer langen Trennung infolge des von ihm in der Türkei abzuleistenden Wehrdienstes - nicht zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt habe. Für den Fall, dass seinem Hauptbegehren auf Zurückweisung der Revision nicht entsprochen werde, beantragt der Kläger hilfsweise die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu mehreren Fragen, die sich auf die Auslegung der Stillstandsklauseln des Assoziationsrechts EWG-Türkei sowie auf Art. 6 und Art. 10 ARB 1/80 beziehen (vgl. den in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom 9. Dezember 2014).

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgerichts beteiligt sich an dem Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zustehe.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Einreise des Klägers und sein angestrebter Aufenthalt der Visumpflicht unterliegen (1.). Es hat aber unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG erfüllt sind, wenn sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lediglich aus dem Vorliegen einer Ausnahme von einer Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 AufenthG ergibt und deshalb von dem Visumerfordernis abgesehen werden kann (2.). Da es an einer Voraussetzung für den klageweise geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehlt, waren die vorinstanzlichen Urteile zu ändern und die Klage abzuweisen. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es nicht (3.).

11

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, Urteil vom 30. Juli 2013 - BVerwG 1 C 15.12 - BVerwGE 147, 278 = Buchholz 402.242 § 36 AufenthG Nr. 5, jeweils Rn. 7). Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung deshalb zutreffend die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und anderer registerrechtlicher Vorschriften zum Zweck der Zulassung der elektronischen Antragstellung bei Erteilung einer Registerauskunft vom 6. September 2013 (BGBl I S. 3556), zu Grunde gelegt. Seitdem hat sich die Rechtslage nicht geändert.

12

1. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer Deutschen nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Es fehlt jedoch an der allgemeinen Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

13

Der Kläger ist im Jahr 2010 ohne Visum nach Deutschland eingereist. Er unterliegt als türkischer Staatsangehöriger aber der Visumpflicht für die Einreise und den Aufenthalt sowohl zum Zweck der Arbeitsaufnahme als auch zum Zweck der Familienzusammenführung nach §§ 4, 6 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABI EG Nr. L 81 S. 1) und deren Anhang I. Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 1, jeweils Rn. 19).

14

a) Der Kläger war von der Visumpflicht nicht nach den Standstill-Regelungen des Assoziationsrechts EWG-Türkei befreit. Auf die Stillhalteklausel des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 (BGBl 1972 II S. 385) - Zusatzprotokoll (ZP) - kann der Kläger sich nicht berufen, denn er beabsichtigte zu keiner Zeit, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er strebt vielmehr die Aufnahme einer unselbständigen Arbeit an, wie vom Berufungsgericht festgestellt und vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt wurde. Die für türkische Arbeitnehmer geschaffenen Stillhalteregelungen des Art. 7 ARB 2/76 und des Art. 13 ARB 1/80 setzen jedoch einen ordnungsgemäßen Aufenthalt des Arbeitnehmers im Aufnahmestaat voraus, über den der Kläger nicht verfügt. Denn er ist illegal nach Deutschland eingereist, besitzt keine Aufenthaltserlaubnis und wird hier nur vorübergehend geduldet. Ein ordnungsgemäßer Aufenthalt liegt aber nur dann vor, wenn der türkische Staatsangehörige die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet hat, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (so EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - Rs. C-225/12, Demir - NVwZ-RR 2014, 115 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger kann auch von seiner Ehefrau kein Recht auf Beachtung der Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 oder des Art. 13 ARB 1/80 ableiten mit der Folge, dass es allein auf deren ordnungsgemäßen Aufenthalt ankäme (vgl. dazu Urteil vom 6. November 2014 - BVerwG 1 C 4.14 - Rn. 15). Denn die Ehefrau ist deutsche und nicht türkische Staatsangehörige und kann daher ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht vermitteln. Damit kommt es nicht auf die Frage an, ob sich die Rechtslage hinsichtlich der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige seit Inkrafttreten der Stillstandsregelungen zu Lasten der Betroffenen verändert hat.

15

b) Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise erlangen. Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Es kann offenbleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 60a AufenthG erfüllt, denn er hat während seines Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben, wie dies § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetzt. Denn unter einem „Anspruch“ im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ist - ebenso wie bei § 39 Nr. 3 AufenthV - grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. Urteil vom 16. November 2010 a.a.O., jeweils Rn. 24 m.w.N.). Einen solchen Anspruch hat der Kläger jedoch nicht erworben, da er die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt (dazu im Einzelnen Rn. 18 ff.). Auch insoweit kann sich der Kläger aus den oben ausgeführten Gründen nicht auf eine für ihn mögliche Veränderung der Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des assoziationsrechtlichen Stand-Still berufen.

16

2. Vom Visumerfordernis kann - entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - im vorliegenden Fall auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

17

a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es für den Kläger nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich nicht aus der verfahrensbedingten Trennung des Klägers von seiner Ehefrau. Zwar ist es möglich, dass es infolge der Nachholung des Visumverfahrens zu einer Trennung der Eheleute von 15 Monaten kommt, wenn der Kläger das Verfahren von der Türkei und nicht von einem Drittland zu betreiben hat und dann in der Türkei seiner Verpflichtung zur Wehrdienstleistung nachkommen muss. Der Senat verkennt nicht, dass eine mögliche Trennungszeit von dieser Dauer einen nicht unerheblichen Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK geschützte eheliche Lebensgemeinschaft darstellt. Das Oberverwaltungsgericht sieht diesen Eingriff aber mit Recht als nicht unverhältnismäßig an. Denn der Kläger kommt mit der Wehrdienstleistung einer staatsbürgerlichen Pflicht nach, die auch bei Eheführung im Heimatland zu einer entsprechenden Trennung der Eheleute führen kann. Zudem war den Eheleuten bei Eingehung der Ehe bekannt, dass es wegen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes in der Türkei zu einer hierdurch bedingten, zeitlich begrenzten Trennung kommen könnte - worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat. Der Kläger hat keine Gegenrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erhoben, aus denen es das Fehlen von Gründen für eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG abgeleitet hat.

18

b) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass ein Absehen vom Erfordernis der Durchführung des vorgeschriebenen Visumverfahrens auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil hier kein Anspruch auf Erteilung der erstrebten Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliegt.

19

Unter einem „Anspruch“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist ebenso wie bei vergleichbaren Formulierungen im Aufenthaltsrecht - etwa in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG oder in § 39 Nr. 3 AufenthV - grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 1, jeweils Rn. 24 zu § 39 Nr. 3 AufenthV; Urteil vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 = Buchholz 402.242 § 10 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 21 ff. zu § 10 Abs. 3 AufenthG). Von dieser Rechtsprechung des Senats weicht das Berufungsurteil ab, indem es auch im Fall einer Ausnahme von einer regelhaft zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzung einen Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bejaht (UA S. 24).

20

Das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren dient dem Zweck, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können (vgl. Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 20 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BTDrucks 15/420 S. 70). Ausgehend von diesem Zweck sind Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen (so auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: August 2013, § 5 Rn. 121). Das bedeutet für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis, dass sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben muss und Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt auf diese Weise generalpräventiv dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten (so schon Urteil vom 11. Januar 2011 a.a.O., jeweils Rn. 25).

21

Für den vorliegenden Fall kann daher offenbleiben, ob die vom Berufungsgericht als bedeutsam gewerteten Umstände der ehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer Deutschen und die dadurch verminderte oder ganz entfallene Gefahr, dass der Kläger erneut Verstöße gegen Einreisevorschriften begehen wird, eine Ausnahme vom Regelerfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen. Denn es fehlt jedenfalls an der Regelvoraussetzung dieser Vorschrift, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen darf, da der Kläger durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt (vgl. Urteil vom 16. Juli 2002 - BVerwG 1 C 8.02 - BVerwGE 116, 378 <385> = Buchholz 402.240 § 21 AuslG Nr. 1 S. 6). Deswegen ist er im Übrigen auch strafgerichtlich verurteilt worden und diese Verurteilung ist auch noch nicht im Bundeszentralregister getilgt.

22

3. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Vorlage mehrerer Fragen an den Gerichtshof für den Fall angeregt, dass die Revision der Beklagten nicht zurückgewiesen wird. Die ersten drei Fragestellungen (1a, b und c) beziehen sich auf die Vereinbarkeit bestimmter nationaler Regelungen zur Visumerteilung und zu den Folgen von visumrechtlichen Verstößen mit den Stillhalteklauseln des Art. 13 ARB 1/80 und des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei. Die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung zu diesen Fragen liegen jedoch nicht vor, weil sie nicht entscheidungserheblich sind. Wie oben bereits ausgeführt (Rn. 14) kann sich der Kläger auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteregelungen nicht berufen. Art. 41 des Zusatzprotokolls findet auf ihn keine Anwendung, denn er hatte zu keiner Zeit die Absicht, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80 fehlt es am ordnungsgemäßen Aufenthalt des Klägers in Deutschland. Mit der vierten Fragestellung (Frage 2) möchte der Kläger geklärt wissen, ob bestimmte Verfahrensregeln in einem zukünftigen Visumverfahren bei einem subjektiven Anspruch auf Familienzusammenführung zu beachten seien. Eine Anrufung des Gerichtshofs zu dieser Frage scheidet deshalb aus, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen eines künftigen Visumverfahrens nicht Streitgegenstand der vorliegenden Klage sind. Diese ist vielmehr auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Durchführung eines Visumverfahrens gerichtet.

23

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 11. Juni 2015 - 6 K 2550/13 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO rechtzeitig gestellte und begründete, auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Es kann offen bleiben, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung rechtzeitig gestellt wurde bzw. ob dem Kläger insoweit Wiedereinsetzung hätte gewährt werden müssen. Denn der Antrag ist jedenfalls in der Sache nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl. 2004, 838, vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744, vom 12.11.2002 - 7 AV 4.02 - juris, vom 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - DVBl. 2003, 401, und vom 14.06.2002 - 7 AV 1.02 - DVBl. 2002, 1556). Mit anderen Worten: Sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2510, Kammerbeschluss vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Dabei ist davon auszugehen, dass das Zulassungsverfahren das Berufungsverfahren nicht vorwegnehmen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21.12.2009 - 1 BvR 812/09 - NJW 2010, 1062), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), sofern nicht seinerseits andere Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden (vgl. hierzu Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124 Rdn. 22). Dabei sind auch nach Erlass der angegriffenen Entscheidung und bis zum Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) neu eingetretene Tatsachen sowie erhebliche Änderungen des maßgeblichen Rechts zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.06.2002 und vom 15.12.2003, jew. a.a.O.).
Zur Darlegung ernstlicher Zweifel ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht. Das Maß der zu leistenden Substantiierung kann dabei von der jeweiligen Begründungsdichte und dem Begründungsaufwand der Entscheidung abhängig sein.
Gemessen hieran zeigt die Antragsbegründung nicht auf, dass das angegriffene Urteil ernstlich zweifelhaft sein könnte. Sie geht schon nicht in dem gebotenen Maße auf die konkrete, die Entscheidung tragende Argumentation des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil ein, das ausgeführt hat, dass der Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel zwingend die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehe und auch keine Ausnahmemöglichkeit nach Absatz 3 Satz 2 gegeben ist. Das Verwaltungsgericht stellt gerade nicht infrage und übersieht - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht, dass nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vom entgegenstehenden Ausweisungsgrund bzw. Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden kann; es weist insbesondere darauf hin, dass hier auch in Betracht zu ziehen sei, von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen (vgl. UA S. 9 unten), weshalb auch die Ausländerbehörde die Erteilung einer Vorabzustimmung in Aussicht gestellt habe. Das Verwaltungsgericht hat aber ebenfalls in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zu Recht) ausgeführt, dass eine Ermessensreduzierung nicht auf einen Anspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG hinführen könne. Mit alledem setzt sich die Antragsbegründung nicht hinreichend auseinander.
Dem angegriffenen Urteil lässt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht entnehmen, dass es - in unzulässiger Weise - allein auf die Sichtweise des Vaters und nicht auch auf die des Kindes abgestellt haben könnte, wenn es um die Beurteilung einer Unzumutbarkeit der vorübergehenden Trennung geht. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Trennung nicht unverhältnismäßig lang sein werde, weil zum einen die Ausländerbehörde eine Vorabzustimmung konkret in Aussicht gestellt und, wie bereits oben angesprochen, den familiären Belangen mit hohem Gewicht von der Auslandsvertretung Rechnung getragen werden müsse. Diese Einschätzung ist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vom Kläger erschüttert worden.
Sollen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gerade hinsichtlich einer Tatsachen- oder Beweiswürdigung – wie sie auch im vorliegenden Fall erfolgt ist – geltend gemacht werden, sind besondere Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe zu stellen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - AuAS 2008, 150; BayVGH, Beschlüsse vom 29.07.2009 - 11 ZB 07.1043 - juris und vom 21.01.2013 - 8 ZB 11.2030 - juris; NiedersOVG, Beschlüsse vom 18.01.2001 - 4 L 2401/00 - juris und vom 23.01.2013 - 8 LA 226/12 - juris; SächsOVG, Beschluss vom 08.01.2010 - 3 B 197/07 - juris). Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Verwaltungsgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist bei der Würdigung aller erheblichen Tatsachen - nicht nur des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten förmlichen Beweisaufnahme, sondern auch des Inhalts der Akten, des Vortrags der Beteiligten, eingeholter Auskünfte usw. - frei, d.h. nur an die innere Überzeugungskraft der in Betracht kommenden Gesichtspunkte und Argumente, an die Denkgesetze, anerkannten Erfahrungssätze und Auslegungsgrundsätze gebunden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, § 108 Rdn. 4 m.w.N.). Ist das Gericht unter umfassender Würdigung des Akteninhalts und der Angaben der Beteiligten (sowie gegebenenfalls des Ergebnisses einer Beweisaufnahme) zu der Überzeugung gelangt, dass entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen oder nicht, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung nicht schon durch die Darlegung von Tatsachen hervorgerufen werden, die lediglich belegen, dass auch eine inhaltlich andere Überzeugung möglich gewesen wäre oder dass das Berufungsgericht bei einer Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach Aktenlage zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte; für die umfassende Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht fehlt dem Berufungsgericht im Zulassungsverfahren ohnehin regelmäßig der im Einzelfall wesentliche persönliche Eindruck von den Beteiligten und Zeugen. Vielmehr bedarf es der Darlegung erheblicher Fehler bei der Tatsachen- oder Beweiswürdigung, die etwa dann vorliegen können, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen Denkgesetze verstoßen, gesetzliche Beweisregeln missachtet hat oder die entscheidungstragenden Erwägungen nicht nachvollzogen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - InfAuslR 1994, 424; Beschluss vom 28.03.2012 - 8 B 76.11 - juris m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 12.07.2012 - 2 S 1265/12 - NVwZ-RR 2012, 778, vom 27.03.2008 - 11 S 2194/07 und vom 02.04.2008 - 13 S 171/08 - a.a.O.; Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 124 Rdn. 18 und 20). Derartige Mängel zeigt die Begründung des Zulassungsantrags nicht auf. Auch sieht der Senat keinen ausreichenden Ansatz dafür, dass eine hier nur kurzfristige Trennung mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Ehe- und Familienschutzes nicht mehr zu vereinbaren sein könnte. Eine Ausnahmesituation derart, dass im konkreten Fall eine ständige Anwesenheit des Klägers erforderlich wäre, ist nicht substantiiert dargelegt.
Wenn die Richtigkeit der amtsgerichtlichen Verurteilung unter Berufung auf die Auskunft des Generalkonsulats Lagos vom 01.08.2012 infrage gestellt wird, so liegt dieser Einwand offensichtlich neben der Sache. Der Kläger trat zunächst unter dem Namen „Emeka Nduka MADUABUCHI, geb. 10.04.1971 in Nnewi auf. Das Generalkonsulat bestätigte später die Personalien mit „Mmaduabuchukwu Chukwuemeka NDUKA, geb. 17.06.1982 in Nnewi“. Selbst unter Berücksichtigung gewisser phonetischer Verschiebungen kann auch mit Blick auf die unterschiedlichen Geburtsdaten offensichtlich von keiner Identität ausgegangen werden.
Aus den Ausführungen im Zulassungsantrag ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich, dass dieses im Hinblick auf die Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I, S. 1386) nunmehr ernstlichen Zweifeln ausgesetzt sein könnte. Zwar wurde insoweit der Begriff des „Ausweisungsgrundes“ durch den des „Ausweisungsinteresses“ ersetzt. Es ist jedoch nicht - auch nicht aufgrund der Ausführungen im Zulassungsverfahren - ersichtlich, dass damit eine materielle Änderung verbunden sein sollte. Denn es entsprach bislang allgemeinem Konsens, dass die Bejahung eines Ausweisungsgrundes nicht voraussetzt, dass etwa auch im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei hätte erlassen werden dürfen (vgl. GK-AufenthG § 5 Rn. 56 m.w.N.). Dass nunmehr etwa ein Ausweisungsinteresse nur dann bejaht werden dürfte, wenn auch eine Ausweisung im konkreten Fall zulässig wäre, ist nicht ausreichend dargetan und auch nicht ersichtlich. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es nämlich lapidar, „es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Es liegt daher nahe, wie bisher von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG n.F.). Die Ausführungen im Zulassungsverfahren lassen keinen ausreichend tragfähigen Ansatz für eine andere Interpretation erkennen. Der aktuellen Anwendbarkeit der Vorschrift des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht auch nicht entgegen, dass gem. Art. 9 des Gesetzes vom 27.07.2015 die §§ 53 ff. erst zum 01.01.2016 in Kraft treten werden. Denn hieraus folgt nur, dass auf der Grundlage der neuen §§ 53 ff. vor dem 01.01.2016 noch keine Ausweisungsentscheidung ergehen darf (vgl. auch Zühlcke, in: HTK-AuslR, zu § 25 b Abs. 2 Ziff. 3).
10 
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 3 VwGO).
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Zusammenlebens mit seiner deutschen Ehefrau.

2

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Im Dezember 2002 wurde er in Hamburg ohne Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen, vorläufig festgenommen und im Februar 2003 wegen illegalen Aufenthalts ausgewiesen. Der Kläger reiste dann nach eigenen Angaben in die Türkei aus. Im April 2011 sprach er erneut bei der Ausländerbehörde der Stadt Hamburg vor und beantragte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, um seine Verlobte, eine deutsche Staatsangehörige, heiraten zu können. Er gab an, im März 2010 mit Hilfe eines Schleppers auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist zu sein und hier Arbeit gesucht zu haben. Die Beklagte erteilte dem Kläger im April 2011 eine Duldung, die fortwährend verlängert wurde. Im August 2011 heiratete er seine Verlobte. Gegen die Ausweisung aus dem Jahr 2003 erhob der Kläger Widerspruch. Daraufhin teilte ihm die Beklagte mit, sie betrachte die Ausweisungsverfügung aus dem Jahr 2003 als nicht erlassen, da eine ordnungsgemäße Zustellung bis heute nicht erfolgt und auch nicht mehr beabsichtigt sei. Die Ausweisung werde daher im Register gelöscht.

3

Durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 11. August 2011 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in Tateinheit mit illegalem Aufenthalt von März 2010 bis April 2011 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Mit Bescheid vom 1. September 2011 lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie zurück.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 10. April 2014 (InfAuslR 2014, 426) die verwaltungsgerichtliche Entscheidung geändert und die Beklagte verpflichtetet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Den Hilfsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht weiterverfolgt.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger erfülle nicht nur die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 30 AufenthG, sondern zugleich die für jeden Aufenthaltstitel erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG. Dies gelte auch für die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen darf. Ein Ausweisungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege dann vor, wenn einer der Tatbestände der §§ 53 bis 55 AufenthG erfüllt sei. Das sei hier zwar der Fall. Der Kläger habe durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt bis April 2011 einen nicht geringfügigen Rechtsverstoß im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG begangen. Allerdings liege hier eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Die besonderen, einen atypischen Sachverhalt begründenden Umstände beruhten darauf, dass der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebe und der Ausweisungsgrund allein in der Einreise ohne das erforderliche Visum und dem anschließenden Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bestehe. In diesem Fall sei es nicht erforderlich, zur Abwehr von Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit die Aufenthaltserlaubnis zu versagen, weil derartige Beeinträchtigungen nicht mehr zu erwarten seien. Dem Ausweisungsgrund der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts komme hier seine typisierte Gefahrenabwehrfunktion nicht mehr zu. Eine zukünftige Wiederholung der Verstöße gegen die Einreisevorschriften sei bei einem deutschverheirateten Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheitere auch nicht daran, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist sei. Zwar erfülle er die weitere Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht. Doch lägen die Voraussetzungen vor, nach denen hiervon gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden könne. Denn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seien erfüllt. Dies sei auch dann der Fall, wenn zwar eine regelhaft zu erfüllende Anspruchsvoraussetzung - hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - nicht vorliege, dies jedoch unschädlich sei, weil ein Ausnahmefall gegeben sei.

6

Die Entscheidung der Beklagten, von der Einhaltung des Visumverfahrens nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abzusehen, sei fehlerhaft. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden das ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG eröffnete Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt. Da eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers nicht vorliege, sei die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erneut zu entscheiden und dabei das ihr zustehende Ermessen (erneut) auszuüben.

7

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Sie vertritt die Auffassung, das Berufungsurteil beruhe auf einem fehlerhaften Verständnis vom Regelfall eines Ausweisungsgrundes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Für die Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG komme es nicht darauf an, ob aufgrund der konkreten Umstände eine Ausweisung möglich sein, sondern darauf, ob objektiv und abstrakt einer der gesetzlichen Ausweisungsgründe vorliege. Das sei hier in Gestalt der begangenen Straftat der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts der Fall (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Auf die Gefahr der Begehung erneuter Straftaten komme es insoweit nicht an. Auch die Nichteinhaltung des Visumverfahrens stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen.

8

Der Kläger verteidigt die angefochtenen Urteile. Ergänzend weist er darauf hin, dass im vorliegenden Fall vom Erfordernis des Visumverfahrens abgesehen werden könne, weil ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bestehe. Ein Rechtsanspruch liege vor, wenn alle gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen, auch wenn es sich um Ausnahmetatbestände handele. Im Übrigen sei die Ermessensentscheidung der Beklagten fehlerhaft, weil sie die persönlichen Interessen des Klägers - u.a. an einer Vermeidung einer langen Trennung infolge des von ihm in der Türkei abzuleistenden Wehrdienstes - nicht zur Kenntnis genommen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt habe. Für den Fall, dass seinem Hauptbegehren auf Zurückweisung der Revision nicht entsprochen werde, beantragt der Kläger hilfsweise die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu mehreren Fragen, die sich auf die Auslegung der Stillstandsklauseln des Assoziationsrechts EWG-Türkei sowie auf Art. 6 und Art. 10 ARB 1/80 beziehen (vgl. den in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom 9. Dezember 2014).

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgerichts beteiligt sich an dem Verfahren und schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zustehe.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Einreise des Klägers und sein angestrebter Aufenthalt der Visumpflicht unterliegen (1.). Es hat aber unter Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG erfüllt sind, wenn sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lediglich aus dem Vorliegen einer Ausnahme von einer Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 AufenthG ergibt und deshalb von dem Visumerfordernis abgesehen werden kann (2.). Da es an einer Voraussetzung für den klageweise geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehlt, waren die vorinstanzlichen Urteile zu ändern und die Klage abzuweisen. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es nicht (3.).

11

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, Urteil vom 30. Juli 2013 - BVerwG 1 C 15.12 - BVerwGE 147, 278 = Buchholz 402.242 § 36 AufenthG Nr. 5, jeweils Rn. 7). Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung deshalb zutreffend die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes und anderer registerrechtlicher Vorschriften zum Zweck der Zulassung der elektronischen Antragstellung bei Erteilung einer Registerauskunft vom 6. September 2013 (BGBl I S. 3556), zu Grunde gelegt. Seitdem hat sich die Rechtslage nicht geändert.

12

1. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte einer Deutschen nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Es fehlt jedoch an der allgemeinen Voraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

13

Der Kläger ist im Jahr 2010 ohne Visum nach Deutschland eingereist. Er unterliegt als türkischer Staatsangehöriger aber der Visumpflicht für die Einreise und den Aufenthalt sowohl zum Zweck der Arbeitsaufnahme als auch zum Zweck der Familienzusammenführung nach §§ 4, 6 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABI EG Nr. L 81 S. 1) und deren Anhang I. Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 1, jeweils Rn. 19).

14

a) Der Kläger war von der Visumpflicht nicht nach den Standstill-Regelungen des Assoziationsrechts EWG-Türkei befreit. Auf die Stillhalteklausel des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen vom 12. September 1963 (BGBl 1972 II S. 385) - Zusatzprotokoll (ZP) - kann der Kläger sich nicht berufen, denn er beabsichtigte zu keiner Zeit, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er strebt vielmehr die Aufnahme einer unselbständigen Arbeit an, wie vom Berufungsgericht festgestellt und vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt wurde. Die für türkische Arbeitnehmer geschaffenen Stillhalteregelungen des Art. 7 ARB 2/76 und des Art. 13 ARB 1/80 setzen jedoch einen ordnungsgemäßen Aufenthalt des Arbeitnehmers im Aufnahmestaat voraus, über den der Kläger nicht verfügt. Denn er ist illegal nach Deutschland eingereist, besitzt keine Aufenthaltserlaubnis und wird hier nur vorübergehend geduldet. Ein ordnungsgemäßer Aufenthalt liegt aber nur dann vor, wenn der türkische Staatsangehörige die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet hat, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (so EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - Rs. C-225/12, Demir - NVwZ-RR 2014, 115 Rn. 35 m.w.N.). Der Kläger kann auch von seiner Ehefrau kein Recht auf Beachtung der Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 oder des Art. 13 ARB 1/80 ableiten mit der Folge, dass es allein auf deren ordnungsgemäßen Aufenthalt ankäme (vgl. dazu Urteil vom 6. November 2014 - BVerwG 1 C 4.14 - Rn. 15). Denn die Ehefrau ist deutsche und nicht türkische Staatsangehörige und kann daher ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht vermitteln. Damit kommt es nicht auf die Frage an, ob sich die Rechtslage hinsichtlich der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige seit Inkrafttreten der Stillstandsregelungen zu Lasten der Betroffenen verändert hat.

15

b) Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 39 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise erlangen. Gemäß § 39 Nr. 5 AufenthV kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Es kann offenbleiben, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 60a AufenthG erfüllt, denn er hat während seines Aufenthalts in Deutschland keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben, wie dies § 39 Nr. 5 AufenthV voraussetzt. Denn unter einem „Anspruch“ im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ist - ebenso wie bei § 39 Nr. 3 AufenthV - grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. Urteil vom 16. November 2010 a.a.O., jeweils Rn. 24 m.w.N.). Einen solchen Anspruch hat der Kläger jedoch nicht erworben, da er die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt (dazu im Einzelnen Rn. 18 ff.). Auch insoweit kann sich der Kläger aus den oben ausgeführten Gründen nicht auf eine für ihn mögliche Veränderung der Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des assoziationsrechtlichen Stand-Still berufen.

16

2. Vom Visumerfordernis kann - entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - im vorliegenden Fall auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden.

17

a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es für den Kläger nicht im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich nicht aus der verfahrensbedingten Trennung des Klägers von seiner Ehefrau. Zwar ist es möglich, dass es infolge der Nachholung des Visumverfahrens zu einer Trennung der Eheleute von 15 Monaten kommt, wenn der Kläger das Verfahren von der Türkei und nicht von einem Drittland zu betreiben hat und dann in der Türkei seiner Verpflichtung zur Wehrdienstleistung nachkommen muss. Der Senat verkennt nicht, dass eine mögliche Trennungszeit von dieser Dauer einen nicht unerheblichen Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK geschützte eheliche Lebensgemeinschaft darstellt. Das Oberverwaltungsgericht sieht diesen Eingriff aber mit Recht als nicht unverhältnismäßig an. Denn der Kläger kommt mit der Wehrdienstleistung einer staatsbürgerlichen Pflicht nach, die auch bei Eheführung im Heimatland zu einer entsprechenden Trennung der Eheleute führen kann. Zudem war den Eheleuten bei Eingehung der Ehe bekannt, dass es wegen des noch nicht geleisteten Wehrdienstes in der Türkei zu einer hierdurch bedingten, zeitlich begrenzten Trennung kommen könnte - worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat. Der Kläger hat keine Gegenrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erhoben, aus denen es das Fehlen von Gründen für eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG abgeleitet hat.

18

b) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass ein Absehen vom Erfordernis der Durchführung des vorgeschriebenen Visumverfahrens auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil hier kein Anspruch auf Erteilung der erstrebten Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliegt.

19

Unter einem „Anspruch“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist ebenso wie bei vergleichbaren Formulierungen im Aufenthaltsrecht - etwa in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG oder in § 39 Nr. 3 AufenthV - grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - BVerwGE 138, 122 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 1, jeweils Rn. 24 zu § 39 Nr. 3 AufenthV; Urteil vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 C 37.07 - BVerwGE 132, 382 = Buchholz 402.242 § 10 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 21 ff. zu § 10 Abs. 3 AufenthG). Von dieser Rechtsprechung des Senats weicht das Berufungsurteil ab, indem es auch im Fall einer Ausnahme von einer regelhaft zu erfüllenden Tatbestandsvoraussetzung einen Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bejaht (UA S. 24).

20

Das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren dient dem Zweck, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können (vgl. Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 23.09 - BVerwGE 138, 353 = Buchholz 402.242 § 6 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 20 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BTDrucks 15/420 S. 70). Ausgehend von diesem Zweck sind Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen (so auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: August 2013, § 5 Rn. 121). Das bedeutet für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des Vorliegens eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung der angestrebten Aufenthaltserlaubnis, dass sich ein solcher aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben muss und Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt auf diese Weise generalpräventiv dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten (so schon Urteil vom 11. Januar 2011 a.a.O., jeweils Rn. 25).

21

Für den vorliegenden Fall kann daher offenbleiben, ob die vom Berufungsgericht als bedeutsam gewerteten Umstände der ehelichen Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer Deutschen und die dadurch verminderte oder ganz entfallene Gefahr, dass der Kläger erneut Verstöße gegen Einreisevorschriften begehen wird, eine Ausnahme vom Regelerfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen. Denn es fehlt jedenfalls an der Regelvoraussetzung dieser Vorschrift, dass kein Ausweisungsgrund vorliegen darf, da der Kläger durch seine illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt (vgl. Urteil vom 16. Juli 2002 - BVerwG 1 C 8.02 - BVerwGE 116, 378 <385> = Buchholz 402.240 § 21 AuslG Nr. 1 S. 6). Deswegen ist er im Übrigen auch strafgerichtlich verurteilt worden und diese Verurteilung ist auch noch nicht im Bundeszentralregister getilgt.

22

3. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Vorlage mehrerer Fragen an den Gerichtshof für den Fall angeregt, dass die Revision der Beklagten nicht zurückgewiesen wird. Die ersten drei Fragestellungen (1a, b und c) beziehen sich auf die Vereinbarkeit bestimmter nationaler Regelungen zur Visumerteilung und zu den Folgen von visumrechtlichen Verstößen mit den Stillhalteklauseln des Art. 13 ARB 1/80 und des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG-Türkei. Die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung zu diesen Fragen liegen jedoch nicht vor, weil sie nicht entscheidungserheblich sind. Wie oben bereits ausgeführt (Rn. 14) kann sich der Kläger auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteregelungen nicht berufen. Art. 41 des Zusatzprotokolls findet auf ihn keine Anwendung, denn er hatte zu keiner Zeit die Absicht, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80 fehlt es am ordnungsgemäßen Aufenthalt des Klägers in Deutschland. Mit der vierten Fragestellung (Frage 2) möchte der Kläger geklärt wissen, ob bestimmte Verfahrensregeln in einem zukünftigen Visumverfahren bei einem subjektiven Anspruch auf Familienzusammenführung zu beachten seien. Eine Anrufung des Gerichtshofs zu dieser Frage scheidet deshalb aus, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen eines künftigen Visumverfahrens nicht Streitgegenstand der vorliegenden Klage sind. Diese ist vielmehr auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Durchführung eines Visumverfahrens gerichtet.

23

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 19 B 15.1066

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 9. Dezember 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365)

19. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte:

Aufenthaltsrecht

Eigenständiges Aufenthaltsrecht des geschiedenen

Ehegatten nach einem Jahr (hier: verneint)

Ausweisungsgrund

Ausweisungsinteresse

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Stadt ..., vertreten durch den Oberbürgermeister, ...

- Beklagte -

beteiligt: Landesanwaltschaft ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen Ausländerrechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 19. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Thumann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof König aufgrund mündlicher Verhandlung am 24. November und am 9. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 26. August 1950 geborene Kläger (vietnamesischer Staatsangehöriger) reiste im Jahr 1991 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylverfahren sowie ein Asylfolgeverfahren blieben erfolglos. Die am 19. Juli 2002 mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossene Ehe des Klägers wurde am 24. September 2010 geschieden. Die letzte dem Kläger wegen dieser Ehe erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 2. Mai 2012 gültig. Vor deren Ablauf (am 20. April 2012) beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Am 23. Februar 2012 verurteilte das Amtsgericht S. den Kläger wegen eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit einem Vergehen der Nötigung, dieses in Tateinheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung und einem Vergehen der Bedrohung, in Tateinheit mit einem Vergehen der Beleidigung in Tatmehrheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 4. Oktober 2012 rechtskräftig. Festgesetzt wurde eine Bewährungszeit von vier Jahren. Den Gründen des Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger an einem nicht mehr genauer zu bestimmenden Tag im Februar 2006 seine am 27. August 1991 geborene Adoptivtochter (die Nichte seiner damaligen Ehefrau) sexuell missbraucht und diese im September sowie Dezember 2009 geschlagen, bedroht und beleidigt hat.

Mit Bescheid vom 4. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf „Erteilung“ einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Nr. 3) und drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe vor allem die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei gegeben. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege kein Ausnahmefall vor. Der Umstand, dass der Kläger mit seinem Opfer in einem Haushalt gelebt habe, begründe keinen Ausnahmefall. Dies gelte auch für die Tatsache, dass sich der Kläger seit 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Besonders schützenswerte familiäre Bindungen lägen im Bundesgebiet nicht vor. Selbst bei Annahme eines Ausnahmefalls wegen des über 20-jährigen Aufenthaltes wäre nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ablehnung des Verlängerungsantrags ebenfalls geboten. Im Übrigen stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert sei. Nicht in Betracht komme auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Am 29. April 2013 erhob der Kläger gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht und trug zur Begründung vor, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Soweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, lägen in seiner Person Umstände vor, die die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls rechtfertigten. Bezüglich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelte es zu berücksichtigen, dass eine aktuelle Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gegeben sei. Der Ausweisungsgrund sei daher unbeachtlich. Aufgrund der konkreten und individuellen Situation des Klägers sei es ausgeschlossen, dass er nochmals vergleichbare oder andere Straftaten begehen werde. Jedenfalls ergebe sich eine Ausnahme von dieser Regelerteilungsvoraussetzung aus der langen Aufenthaltszeit des Klägers, seinem fortgeschrittenen Alter, seiner schlechten Gesundheit, seinen familiären Bindungen in Deutschland (zwei Nichten) und Europa (zwei Söhne in Tschechien) sowie der Tatsache, dass er in Vietnam keine Möglichkeit habe, sein wirtschaftliches Auskommen zu sichern.

Mit Urteil vom 27. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2013 aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei insoweit rechtswidrig, als diese zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass einem Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG entgegen stünden. Da die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen jedoch grundsätzlich im Ermessen stehe, sei die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen gewesen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen, da ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Zwar habe der Kläger in der Vergangenheit trotz Rente und eines Nebenverdienstes bereits öffentliche Leistungen bezogen und dürfte nach der insoweit anzustellenden Prognose auch zukünftig auf solche Leistungen (ergänzend) angewiesen sein. Allerdings bestehe bei ihm wegen einer Schwerbehinderung von 50% eine volle Erwerbsminderung. Diese vom Kläger unverschuldete Erwerbsunfähigkeit und die damit verbundene Unfähigkeit, seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, begründe beim Kläger zusammen mit den Umständen, dass er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befinde, er sich seit über 20 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und seit August 2002 hier auch seinen rechtmäßigen Aufenthalt habe, einen Ausnahmefall. Auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden. Es könne dahinstehen, ob der Ausweisungsgrund dabei überhaupt noch aktuell sei, da der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eine Tat vom Februar 2006 zugrunde liege. Jedenfalls sei auch insoweit von einem Ausnahmefall auszugehen. Der Kläger halte sich seit 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt sei seit August 2002 auch durchgehend rechtmäßig gewesen. In den über 20 Jahren seines Aufenthalts sei der Kläger abgesehen von der bereits genannten Verurteilung lediglich zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Diebstahl). Schwerer wiege die Verurteilung vom 23. Februar 2012. Die Kammer gehe davon aus, dass die begangenen Straftaten, die dieser Verurteilung zugrunde lägen, den besonderen familiären Umständen geschuldet gewesen seien. Eine entsprechende Gefährdungslage bestehe durch die Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau sowie der damit einhergehenden auch räumlichen Trennung von seiner Adoptivtochter nicht mehr und werde im Hinblick auch auf das fortgeschrittene Lebensalter des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch nicht wieder eintreten. Zu berücksichtigen gelte es dabei zudem, dass die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs erst 6 Jahre nach der eigentlichen Tatbegehung erfolgt sei. Zwar sei es in der Folgezeit im Jahr 2009 noch zweimal zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Adoptivtochter und der damaligen Ehefrau gekommen, eine auch nur annähernd so schwere Verfehlung habe der Kläger jedoch seit 2006 nicht mehr begangen. Auch hier könnten schließlich der besondere Umstand, dass der Kläger zu 50% schwerbehindert sei und bei ihm eine volle Erwerbsminderung vorliege, sowie eine gewisse Entfremdung von seinem Heimatland aufgrund des über 20 Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unberücksichtigt bleiben.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei nicht wegen eines Ausnahmefalls unbeachtlich. Dafür reiche, anders als das Verwaltungsgericht meine, die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht aus, zumal der Kläger demnächst das gesetzliche Rentenalter erreiche. Es sei auch zweifelhaft, woher das Verwaltungsgericht die Erkenntnis nehme, es liege eine unverschuldete Erwerbsunfähigkeit vor. Auch könne der Kläger trotz rechtlicher Erwerbsminderung tatsächlich arbeiten und ein gewisses Einkommen erzielen. Hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nehme das Verwaltungsgericht ebenfalls unrichtig eine Ausnahme an. Trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen sexueller Nötigung leugne der Kläger die Straftat nach wie vor. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Gericht zu der Annahme habe gelangen können, dass die begangenen Straftaten sich auf das soziale Umfeld des Klägers beschränkten. Die Geschädigte der Straftaten habe sich gerade einmal sechs Monate im Familienverband des Klägers befunden, als es zu den Straftaten gekommen sei. In diesem kurzen Zeitraum seien noch keine solchen familiären Bindungen entstanden, die sich nennenswert vom bloßen außerfamiliären Kontakten unterschieden. Es handele sich um keine Straftaten, die ein familiäres Umfeld voraussetzten. Das Verwaltungsgericht habe die Annahme einer Atypik einseitig auf den persönlichen Eindruck gestützt, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Auch der zeitliche Abstand zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung rechtfertige keine Ausnahme von der Regel. Die Beklagte habe im wohlverstandenen Sinne des Klägers die Rechtskraft des Strafurteils abgewartet. Die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 50% und die Erwerbsminderung könnten eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht rechtfertigen. Auch mit der Schwerbehinderung und der Erwerbsminderung sei dem Kläger die Begehung von Sexualstraftaten und sonstigen Straftaten möglich. Ebenso wenig könne hier der Aufenthalt des Klägers seit dem Jahr 1991 im Bundesgebiet eine Ausnahme rechtfertigen. Der Kläger spreche bis heute so gut wie kein Wort Deutsch. Er habe sich weder in die Gesellschaft integriert noch hier soziale Bindungen aufgebaut. Berücksichtige man nur den rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers seit August 2002, so ergebe sich ein deutliches Mehrgewicht für die Straftaten. Weiter sei zu beachten, dass das (letzte) Strafverfahren aufgrund der Leugnung der Taten durch den Kläger länger als üblich gedauert habe. Hätte der Täter die Taten zugegeben, wäre die Einholung von psychologischen Gutachten und die Auseinandersetzung mit diesen entbehrlich gewesen. Insofern könne auch die Dauer des Strafverfahrens nicht eine dem Kläger vorteilhafte Ausnahme rechtfertigen. Völlig außer Acht gelassen habe das Gericht die Tatsache, dass der Kläger keine schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet besitze. Auch könne er aus der ihm zustehenden Rente in Vietnam seinen Lebensunterhalt mit einem überdurchschnittlichen Einkommen bestreiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2014 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, er beziehe derzeit keine ergänzenden öffentlichen Leistungen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, er sei vielmehr als Küchenhilfe erwerbstätig. Er sei auch nicht mehr straffällig geworden.

Die Vertreterin des öffentlichen Interesses teilt die Auffassung der Beklagten, stellt jedoch keinen Antrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO), weshalb das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 AufenthG, hilfsweise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG; er hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über sein Begehren erneut zu entscheiden.

Hinsichtlich § 31 AufenthG zielt das Begehren des Klägers auf die Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, nachdem die in § 31 Abs. 1 AufenthG geregelten, der Gewinnung einer eigenständigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage dienenden 12 Monate infolge des Ablaufs der letzten ehebedingten Aufenthaltserlaubnis am 2. Mai 2012 bereits seit mehr als 2 Jahren verstrichen sind (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2011 - 1 C 5/10 - juris, Rn. 13).

Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 hat der Kläger auch den seit 1. August 2015 in Kraft befindlichen § 25b AufenthG angesprochen. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er allerdings deutlich machen lassen, dass er damit keine Änderung des Streitgegenstands herbeiführen wollte (zum Ausweisungsinteresse, das nach § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch diesem Aufenthaltstitel entgegensteht, vgl. nachfolgend Nr. 1).

Der Kläger erfüllt die für beide Anspruchsgrundlagen geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, wonach kein Ausweisungsinteresse bestehen darf (1.). Der Kläger erfüllt die für den Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach der Lebensunterhalt gesichert sein muss (2.). Auch dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG steht die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Von ihr kann zwar insoweit abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Es fehlt jedoch an einer Grundlage für eine solche Ermessensausübung zugunsten des Klägers, denn die in Frage kommenden Absehens-Gründe sind, soweit sie nicht identisch sind mit den für eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung in Frage kommenden Gründen, die nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen (vgl. Nr. 2 lit. b), an den Schwierigkeiten zu orientieren, denen sich aus humanitären Gründen aufgenommene Personen bei der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegenübersehen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 135) und denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenübergestanden hat. Die Erwerbsminderung des Klägers hat andere Ursachen und sie hat Erwerbsmöglichkeiten belassen, die der Kläger nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten nur teilweise und mit Blick auf Sozialleistungen genutzt hat und nutzt (vgl. Nr. 2 lit. a, dd und lit. b). Im Übrigen steht dem Kläger der Anspruch nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht zu, weil seine Ausreise nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (vgl. die Ausführungen mit Blick auf Art. 8 EMRK unter Nr. 1 lit. a, aa, bbb).

1. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Das hier als Regelversagungsgrund festgelegte Ausweisungsinteresse liegt vor (a) und es fehlt an einem atypischen Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre (b).

a) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der mit Wirkung vom 1.8.2015 durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 - BGBl. I S. 1386 - geänderten Fassung - AufenthG n. F. -, die wegen der vorliegenden Verpflichtungsklage anzuwenden ist). Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses finden sich in § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 AufenthG n. F., die allerdings gemäß Art. 9 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 erst am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Diese derzeit bestehende Rechtslage wirft die Frage auf, ob solche noch nicht in Kraft gesetzten Bestimmungen zur Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. herangezogen werden können, oder ob trotz der Neufassung dieser Bestimmung zur Zeit noch die zu ihrer Altfassung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze anzuwenden sind, da die begriffliche Bezugnahme ins Leere geht. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben, weil sowohl im erstgenannten Fall (aa) als auch im anderen Fall (bb) die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vorliegen.

aa) Ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. liegt bei Heranziehung der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Es ist zwar nicht vollkommen eindeutig, ob das Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. bei dieser Auslegung bereits dann vorliegt, wenn das in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. genannte öffentliche Interesse an der Ausweisung (das im Ausweisungsfall noch mit den privaten Belangen - dem Bleibeinteresse - abgewogen werden müsste) gegeben ist (hierzu lit. aaa), oder erst dann, wenn als Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vorgesehenen Abwägung die Ausweisung verfügt werden könnte (hierzu lit. bbb). Dies kann aber offen bleiben, denn vorliegend hat das Bleibeinteresse des Klägers kein Gewicht, das das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiegt. Allerdings spricht für eine Auslegung des Begriffs „Ausweisungsinteresse“ in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. im Sinne eines öffentlichen Interesses an der Ausweisung, dass der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (Stand 7.4.2014, www.ggua.de, recherchiert im August 2015) sowohl im Rahmen des § 5 AufenthG als auch für die Überschrift des § 54 AufenthG noch den Begriff „öffentliches Aufenthaltsinteresse“ verwendet hat (vgl. die Änderungsvorschläge Nrn. 4 und 27, S. 8 und 13 ff. des Referentenentwurfs), dass die Begründungen hierzu (S. 34 ff. und S. 43 ff. des Referentenentwurfs) die Absicht belegen, insoweit die bisherigen Strukturen aufrechtzuerhalten, und dass auch die zum Teil zum 1. August 2015 und zum Teil zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Neufassung - auch wenn sie insoweit den Begriff „Ausweisungsinteresse“ ohne das Beiwort „öffentlich“ gebraucht - dadurch, dass sie den Textgehalt des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. in die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „Bleibeinteresse“ aufspaltet (vgl. § 54 Abs. 1 a. A. sowie § 55 Abs. 1 a. A. AufenthG n. F.), darauf hindeutet, dass der Begriff des Ausweisungsinteresses nicht das Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. beschriebenen Abwägung bezeichnet. Dafür spricht weiter, dass die Bundesregierung in der Gesetzesentwurfsbegründung die Umformulierungen in § 5 AufenthG lediglich als „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ bezeichnet (BT-Drs.18/4097, S. 35) und die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „öffentliches Ausweisungsinteresse“ in § 54 AufenthG gleichsetzt (BT-Drs. 18/4097, S. 50 bis 52). Dementsprechend spricht vieles dafür, unter einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. einen Tatbestand zu verstehen, der in dem erst ab 1. Januar 2016 geltenden § 54 AufenthG n. F. definiert ist (so auch Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 8), und demgemäß von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen ist, wenn der Aufenthalt des Ausländers im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet (so VGH Baden-Württemberg, B. v. 25.8.2015 - 11 S 1500/15 - juris), ohne dass zu prüfen ist, ob im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und frei von Ermessensfehlern erlassen werden könnte.

aaa) Wegen der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers vom 23. Februar 2012 liegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n. F. ein schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Amtsgerichts S. vom 23. Februar 2012 ergebende Ausweisungsinteresse noch beachtlich.

Ein Ausweisungsinteresse ist so lange beachtlich, wie aktuell eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist, mithin noch erheblich ist (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.2, Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 11). Der Umstand, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, schließt eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht aus (vgl. zur alten Rechtslage BayVGH, B. v. 3.1.2007 - 24 CS 06.2634 - juris; Huber, AufenthG, Stand 2010, § 5 Rn. 6). Auch ist das Ausweisungsinteresse unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes nicht verbraucht. Die Beklagte hat dem Kläger keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erteilt und auch sonst nicht zu erkennen gegeben, dass sie in den Straftaten des Klägers keinen Ausweisungsgrund (bzw. kein Ausweisungsinteresse) sieht. Auch der Zeitablauf zwischen der Haupttat (2006) und der Verurteilung (2012) führt nicht zum Verbrauch des Ausweisungsinteresses (zum Verbrauch eines Ausweisungsgrundes vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn.10).

Die Annahme einer aktuellen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist angesichts von Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der Straftaten, die der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. zugrunde liegen, sowie im Hinblick auf sein übriges Verhalten gerechtfertigt. Er hat seine Adoptivtochter, ein zur Tatzeit vierzehnjähriges Mädchen, sexuell missbraucht, in dem er u. a. mit seiner Zunge in das Geschlechtsteil seines Opfers eindrang. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wiegen schwer. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualdelikten stellt wegen der besonderen Empfindlichkeit dieser Personengruppe eine überragend wichtige Aufgabe der Gesellschaft dar. Zur Schwere der Tat trägt weiter bei, dass sie gegenüber einer Schutzbefohlenen begangen worden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den als glaubhaft begutachteten Aussagen seines Opfers (Zeugenvernehmung der KPI S. vom 19.9.2009) schon vor und auch nach der zentralen, im Februar 2006 begangenen Tat die körperliche Nähe seines Adoptivkindes gesucht hat, indem er öfters ohne Anklopfen in das Zimmer seines Opfers gekommen ist, um sie „anzuschauen und zu begutachten“, sie zudem mehrfach unsittlich berührt und gestreichelt hat. Im September 2009 hat er dann erneut versucht, sie zu küssen; er hat sie genötigt, körperlich misshandelt und explizit mit dem Tode bedroht, wenn er „nichts verlangen“ dürfe. Im Dezember 2009 hat der Kläger seine Adoptivtochter noch einmal körperlich misshandelt und beleidigt. Angesichts der weiteren Vorfälle in den Jahren 2006 und 2009 teilt der Senat nicht die auf das zentrale Geschehen im Februar 2006 eingegrenzte, ein Augenblicksversagen nahelegende Sichtweise des Verwaltungsgerichts (vgl. Seite 10 des Urteils). Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Straftaten seien in einem familiären Umfeld geschehen und würden sich nach der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter wohl nicht mehr wiederholen, greift nicht durch. Der Kläger hat in den Terminen vom 3. August 2010, 14. Februar 2012 und 23. Februar 2012 der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht S. die im Februar 2006, September 2009 und Dezember 2009 begangenen Straftaten geleugnet. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2014 hat er gemäß der dort gefertigten Niederschrift erklärt, die Tat nicht begangen zu haben, und ausgeführt, seine Tochter habe manchmal verlangt, dass er sie küsse, vor Gericht habe sie etwas anderes gesagt, er könne das Gegenteil aber nicht beweisen. Insbesondere angesichts der vorliegenden aussagepsychologischen Begutachtung ist eine tatsächliche Grundlage für die Leugnung des Klägers nicht zu erkennen. Er hat sich mit seinen Taten nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine psychologische oder medizinische Behandlung zur Abklärung oder Therapie seines sexuellen Fehlverhaltens in Anspruch genommen. Das Rückfallrisiko besteht unabhängig von der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter. Gelegenheiten zum sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen können sich dem Kläger jederzeit bieten; insbesondere ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass der Kläger erneut Beziehungen zu Personen aufnimmt, in deren Obhut sich Kinder befinden. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf das fortgeschrittene Alter des Klägers greift nicht durch. Der Kläger ist nunmehr 65 Jahre alt. Die Straftaten vom Dezember 2009 hat er im Alter von 59 Jahren begangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es in der dazwischenliegenden Zeit bei dem Kläger zu mentalen oder kontitutionellen Veränderungen gekommen ist, die Straftaten der von ihm begangenen Art und Weise unwahrscheinlich machen. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich seine Persönlichkeitsstruktur in einer das Rückfallrisiko herabsetzenden oder gar beseitigenden Weise geändert haben könnte. Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das vom Ausweisungsverfahren vorausgesetzte Strafurteil erst im Jahr 2012 ergangen ist. Im Übrigen bestehen für eine säumige Verfahrensführung keine Anhaltspunkte. Das vom Kläger unter Druck gesetzte minderjährige Opfer hat sich erst im September 2009 der Polizei offenbart. Die Dauer des Strafverfahrens beruht auf einer umfassenden Beweisaufnahme. Da der Kläger seine Taten geleugnet hat, konnten seinem Opfer die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens und das damit verbundene Wiederaufrufen des Tatgeschehens nicht erspart werden. Das Verteidigungsvorbringen des Klägers hat darüber hinaus eine umfangreiche Begutachtung auch seiner Person erforderlich gemacht.

Der Umstand, dass das Amtsgericht S. in seinem Urteil vom 21. Februar 2012 die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat und der Kläger innerhalb der noch laufenden Bewährungszeit bisher nicht erneut straffällig geworden ist, räumt die Anhaltspunkte für vom Kläger ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10, NVwz 1997, 1119,1120, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - BverwGE 112, 185,193, Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40 und - soweit ersichtlich - zuletztvom 13.12.2012 - 1 C 20/11 - InfAuslR 2013, 169; vgl. auch Discher in GK AufenthG, Stand Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241ff) sind zwar die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Strafvollziehung zur Bewährung von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von solchen strafgerichtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die Prognose, ob der Ausländer eine Gefahr für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, die sein Fernhalten rechtfertigt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten (auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung) und muss daher von den zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten eigenständig getroffen werden. Das nunmehrige Wohlverhalten des Klägers räumt die Anhaltspunkte für von ihm ausgehende Sicherheitsgefahren nicht aus, weil ab dem Jahr 2009 zunächst das Strafverfahren stattgefunden hat, sodann die Bewährungszeit und das ausländerrechtliche Verfahren.

bbb) Ein der Titelerteilung entgegenstehendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. besteht auch dann, wenn es zur Voraussetzung hätte, dass eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Sicherheitsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers zu dem Ergebnis kommt, dass eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei erlassen werden könnte. Es bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Insbesondere wäre eine Ausweisungsverfügung nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger ist im Alter von einundvierzig Jahren (im Jahr 1991) in das Bundesgebiet gekommen. Er hat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen. Zu einer Aufenthaltsbeendigung ist es nicht gekommen, weil er eine Mitwirkung an der für die Rückführung erforderlichen Passausstellung verweigert hat (Bl. 70 ff der Ausländerakte). Auch nach dem bestandskräftigen Abschluss eines Asylfolgeverfahrens ist er seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen. Am 12. Januar 2001 (kurz vor dem Ablauf der ihm bis 20.1.2001 gesetzten Frist) hat er gegenüber dem Landratsamt S. erklärt, er wolle (nach der Scheidung von seiner vietnamesischen Ehefrau) nunmehr eine deutsche Staatsangehörige heiraten. Nach der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen G. ist ihm im August 2002 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Im Februar 2006 hat er die im August 2005 eingereiste, im Vorfeld der Einreise von ihm und seiner Ehefrau adoptierte Tochter seiner Schwägerin missbraucht. Angesichts dieser Umstände kann sich der Kläger auf weniger als 4 Jahre im Bundesgebiet berufen, in denen sein Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gestanden und ihn zur Begründung eines Privatlebens im Sinne des Art 8 EMRK befugt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden Gerichtshof) hat festgestellt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention Ausländern nicht das Recht zusichert, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, und dass ein Staat berechtigt ist, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (EGMR, U. v. 18.10.2006 <Üner> Nr. 46410/99 - juris). Demzufolge kommt den nationalen Vorschriften über die Erteilung von Aufenthaltsrechten maßgebliches Gewicht zu. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 EMRK ein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet auch dann in Betracht, wenn sich die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach den Umständen aufdrängt (vgl. u. a. U. v. 31.1.2006 Nr. 50435/99 - InfAuslR 2006, 298). Vorliegend hat sich vor August 2002 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aufgedrängt. Bis zum Jahr 2002 hat sich der Kläger zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet aufgehalten, das er mit der unzutreffenden Behauptung, von Verfolgung bedroht zu sein, und u. a. mit der Vorlage gefälschter Unterlagen betrieben hat (zum geringen Gewicht von Asylverfahrenszeiten im Rahmen des Art. 8 EMRK vgl. EGMR, U. v. 8.4.2008 Bw.-Nr. 21878/06 Rn. 76). Ab Februar 2006 hat der Kläger eine gewichtige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dargestellt und durch den geschaffenen Ausweisungsgrund die ihm in behördlicher Unkenntnis hiervon erteilten Aufenthaltserlaubnisse entwertet. Nachdem der Kläger bis zum Jahr 2002 auf einen Fortbestand seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht vertrauen durfte, hat seine Tätigkeit als Fliesenleger in dieser Zeit nicht zu berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Bindungen an das Bundesgebiet geführt. In den Jahren 2003 bis 2009 hat der Kläger nicht gearbeitet, vielmehr seinen Lebensunterhalt aus seinem Rentenbezug und dem Einkommen seiner damaligen Ehefrau bestritten. Ab dem Jahr 2009 ist er zwar wieder (in wechselndem Umfang, jedoch nicht vollschichtig) berufstätig gewesen. Die Missbrauchstat hatte hier jedoch bereits stattgefunden, das Ermittlungs-, Straf- und Ausweisungsverfahren war eingeleitet. Die weitgehend fehlenden Deutschkenntnisse des Klägers, die in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Tage getreten sind, sprechen ebenfalls gegen starke Bindungen an das Bundesgebiet. Einen zu berücksichtigenden privaten Belang des Klägers stellt allerdings der Umstand dar, dass ihm seit September 2002 die Schwerbehinderten-Eigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt ist sowie zunächst eine vollständige Erwerbsminderung und - wie in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist - nach dem Jahr 2013 eine teilweise.

Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht verheiratet, er hat hier keine Kinder. Dem von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 behaupteten näheren Kontakt seit mehr als 15 Jahren zu seinen beiden in Tschechien wohnenden erwachsenen Söhnen (mit denen er im Bundesgebiet nie zusammengewohnt hat) steht seine eidesstattliche Versicherung vom 22. Mai 2013 (vorgelegt im Verwaltungsgerichtsverfahren) gegenüber, der zufolge jedenfalls bis zu diesem Tag kein engerer Kontakt zu den Söhnen bestanden hat. Auch sein Hinweis auf zwei im Bundesgebiet lebende Nichten begründet nicht die Annahme wesentlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet. Der behauptete wöchentliche Kontakt reicht hierfür nicht aus, so dass die Frage der Richtigkeit dieser Behauptung offen bleiben kann. Gegen sie sprechen die Pauschalität der Behauptung sowie die offensichtliche Unrichtigkeit der Angaben betreffend die Beziehungen zu den Söhnen.

Es ist nicht dargetan, dass sich der Kläger von seinem Heimatland weitgehend entfremdet hätte. Dort hat er vor seiner Ausreise nach Europa 38 Jahre gelebt. Er war in Vietnam nach seinem Vortrag 18 Jahre berufstätig. Dort wohnen nahe Verwandte (zwei Schwestern). Mit seinen im Bundesgebiet erworbenen Rentenansprüchen von voraussichtlich mindestens 343,93 Euro ab dem 1. Januar 2016 (vgl. Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 2.12.2015 an die Beklagte) ist es ihm möglich, in Vietnam finanziell abgesichert zu leben. Hinzu kommen seine in Vietnam erworbenen Rentenansprüche (vgl. Bl. 26, 46 ff, 89 der Verwaltungsgerichtsakte).

Insgesamt bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, inwieweit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 seit September 2002 (und einer sich ab Oktober 2003 anschließenden vollen, sodann nach dem Jahr 2013 teilweisen Erwerbsminderung) medizinisch gerechtfertigt ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI kann, wer voll erwerbsgemindert ist, nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten. Der Kläger hat zwar (bezogen auf die entsprechende sozialrechtliche Feststellung) nach dem Bekanntwerden der Straftaten vom Februar 2006 und nach der Trennung von seiner erwerbstätigen Frau wieder gearbeitet, dann aber teilweise (ab dem Jahr 2013 und nunmehr erneut) in einem Ausmaß jenseits der Grenzen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (5,5 bzw. 5 Stunden am Tag). Im Termin vom 9. Dezember 2015 zur mündlichen Verhandlung ist zur Sprache gekommen, dass die Absenkung der sozialrechtlichen Feststellung einer vollständigen Erwerbsminderung auf eine teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag erfolgt ist. Eine gesundheitliche Entwicklung, die der Abänderung zugrunde gelegen haben könnte, hat der Kläger trotz entsprechender Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht genannt. Nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom 10. Mai 2004 (Bl. 267 der Ausländerakte) liegen beim Kläger u. a. eine Gebrauchsminderung des rechten Arms, degenerative Veränderungen im Ellenbogen des rechten Arms, eine Nervenschädigung im rechten Arm mit Taubheit/Lähmung sowie körperliche Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund vor. Hierzu heißt es in dem neurologischen Gutachten des Dr. M. vom 25.10.2011 (Bl. 241 ff. der Strafakte), dem Kläger gelinge es nur sehr schlecht, eine fast vollständige Gebrauchsunfähigkeit seines rechten Arms und seiner rechten Hand zu zeigen, es spreche mehr dafür, dass die vom Kläger demonstrierte Funktionsstörung der freien Willensbestimmung im Sinne einer Simulation unterliege, selbst ein amputierter Arm könne nicht alleinig Erwerbsunfähigkeit begründen, auch eine im Jahr 2002 operierte Magenerkrankung führe erfahrungsgemäß nicht zur Erwerbsunfähigkeit, letztlich bleibe als möglicherweise relevant und eine Erwerbsunfähigkeit begründend allein die subjektive Schmerzangabe, der Kläger mache keineswegs den Eindruck von Schmerzgequältheit, ohne konkrete plausibilisierende Diagnose könne die alleinige subjektive Angabe von Schmerzen eine Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.

bb) Soweit für das Bestehen eines Ausweisungsinteresses auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung abzustellen ist, liegen die Voraussetzungen ebenfalls vor. Wie sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. vom 23. Februar 2012 ergibt, hat dieser im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. In einem solchen Fall genügt auch ein vereinzelter Verstoß (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 55 AufenthG Rn. 22, Graßhof in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 13, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 55.2.2.2). Durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat der Kläger einen Ausweisungsgrund verwirklicht (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 6,7). Das Gesetz in seiner bisherigen Fassung unterstellt, dass vom Kläger bereits deshalb eine künftige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, weil er den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt hat (vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., § 5 AufenthG Rn. 11). Nach den bis zum Inkrafttreten der Neufassung geltenden Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn ein Ausweisungsgrund gegeben ist, ohne dass eine Ausweisungsabwägung erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. U. v. 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris Rn. 13 m. w. N.).

b) Gründe für ein Abweichen von der Regel, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels das Fehlen eines Ausweisungsinteresses voraussetzt, liegen nicht vor. Ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalls nach Sinn und Zweck als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (vgl. Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 20, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.4). Davon ausgehend unterscheiden sich die Delinquenz des Klägers, die von ihm ausgehenden Gefahren, seine privaten Belange und seine Gesamtsituation nicht von der Mehrzahl der Fälle, in denen das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses (Ausweisungsgrunds) der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei ein Ausnahmefall gegeben, da ein Fortbestehen einer Gefährdungslage durch den Kläger in Anbetracht der aus dem Jahr 2006 stammenden, familiären Umständen geschuldeten Haupttat nicht mehr bestehe, er sich nach einem Aufenthalt von über zwanzig Jahren im Bundesgebiet in einem fortgeschrittenen Alter befinde, zu 50 Prozent schwerbehindert sei und von einer gewissen Entfremdung von seinem Heimatland auszugehen sei. Eine umfassende Einordnung und Abwägung der gegenläufigen Interessen führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass eine Ausnahme von der Regel nicht vorliegt. Bezug genommen wird auf die Ausführungen zu den öffentlichen und privaten Belangen unter aaa) und bbb).

2. Der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Anschluss an den hier gegebenen Ablauf von einem Jahr nach der spätestens im Jahr 2009 erfolgten Aufhebung der Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau steht zudem § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht gesichert (a) und ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor (b).

a) Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (vgl. zusammenfassend Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 25 m. w. N.).

Diese Prognoseentscheidung fällt zulasten des Klägers aus.

aa) Der Kläger war zwischen den Jahren 1994 und 2003 als unselbstständiger Arbeitnehmer, sodann wieder (zunächst in geringem Umfang) ab dem Jahr 2009 erwerbstätig. Vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Oktober 2013 ging er einer Beschäftigung als Küchenhilfe in dem Imbiss T. nach. Zuletzt hat er dort ab dem 1. März 2013 bei einer Arbeitszeit von 25 Stunden in der Woche 600 Euro verdient (Arbeitsvertrag, Bl. 442 ff. der Ausländerakte). In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er berichtet, dass der Arbeitsvertrag zum 31. Oktober 2015 geendet und er sich im Anschluss daran als arbeitssuchend gemeldet hat. Er hat den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass er am 6. November 2015 im Amt für soziale Leistungen der Beklagten vorgesprochen hat, um einen Antrag zu stellen. Er hat einen Arbeitsvertrag vorgelegt, nach dem er nunmehr seit dem 15. November 2015 in einem anderen Betrieb als Küchenhilfe arbeitet mit einem Monatslohn von 1000 Euro brutto. Die in dem Vertrag nicht vermerkte Arbeitszeit beträgt nach seiner Aussage fünf Stunden am Tag.

bb) Der Kläger hat vom 1. Mai 2010 bis zum 31. August 2012 vom Sozialamt des Landratsamts S. Sozialleistungen in Höhe von monatlich 112,00 bis 509,74 Euro erhalten (Bescheinigung des Landratsamtes S. vom 25.11. 2015). Sodann stand er bis Mai 2013 im Leistungsbezug des Amtes für soziale Leistungen der Beklagten (Auszahlungen von 104,49 bis 373,53 Euro). Dieses Amt hat am 16. November 2015 eine Probeberechnung für die künftige Grundsicherung des Klägers vorgelegt (künftiger Auszahlungsbetrag 595,36 Euro). Die Beklagte hat in Anbetracht neuer Erkenntnisse über die künftigen Rentenansprüche des Klägers am 8. Dezember 2015 (allerdings noch in Unkenntnis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrags) mitgeteilt, dass der Kläger in Zukunft voraussichtlich einen Sozialleistungsbedarf von ca. 380 Euro haben werde.

cc) Davon ausgehend wird der Kläger seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet in Zukunft nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen können. Es ist nicht zu erwarten, dass er auf Dauer Arbeitseinkünfte erzielen wird, die seinen Bedarf von ca. 720 Euro decken (vgl. die Probeberechnung der Beklagten vom 16.11.2015). Dies ergibt sich zum einen aus einer rückschauenden Betrachtung auf die geringe Erwerbstätigkeit und den Sozialleistungsbezug des Klägers in den vergangenen Jahren. Ein Bemühen, die verbliebene Erwerbsfähigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI) zur Erzielung von Einkommen zu nutzen, hat der Kläger ab dem Jahr 2004 bis zur Trennung von seiner damaligen Ehefrau, die im Wesentlichen für den Familienunterhalt gesorgt hat, nicht gezeigt. Nach sich steigernden Arbeitstätigkeiten in den Folgejahren hat er sodann Anfang November 2015 im Hinblick auf seinen Renteneintritt und die einvernehmliche Beendigung seiner Tätigkeit als Küchenhilfe zum 31. Oktober 2015 bei der Beklagten einen weiteren Sozialleistungsbezug beantragt. Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die nunmehr aufgenommene Tätigkeit ab dem 15. November 2015 im Zusammenhang damit steht, dass der Kläger das Renteneintrittsalter erst zum 1. Januar 2016 erreicht, und damit ihre Annahme zum Ausdruck bringt, der Kläger werde wegen des dann eintretenden Grundsicherungsanspruchs die Erwerbstätigkeit nicht lange fortsetzen. Beim Bezug von Grundsicherung (§§ 42 ff. SGB XII) sind die Arbeitseinkünfte des Klägers nach §§ 85 ff. SGB XII grundsätzlich einzusetzen. Die Arbeitsaufnahme mag zudem dem ausländerrechtlichen Verfahren geschuldet sein.

dd) Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert ist, kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „unverschuldet“ Leistungen nach dem hier anzuwendenden SGB XII in Anspruch nimmt. Eine derartige Einschränkung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung ist (anders als im Einbürgerungsrecht oder bei § 9 Abs. 2 S. 3, 6 AufenthG) für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 31 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 AufenthG den gesetzlichen Regelungen, welche den fiskalischen Interessen, die mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt werden, ein großes Gewicht einräumen, nicht zu entnehmen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 46 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N.).

b) Ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Regelvoraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U. v. 30. 4. 2009 - 1 C 3.08 - juris, BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.528 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Recht beseitigen, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der Ausländer zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa Alter oder Gebrechen) nicht in der Lage ist, ist kein derartiger atypischer Umstand (vgl. OVG Berlin, U. v. 21.5.2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 23 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N., Heilbronner, AuslR, Stand September 2013, § 5 AufenthG Rn.18). Ein solches Hindernis liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag künftig bei einer Arbeitszeit von 5 Stunden am Tag ein Einkommen von 1000 Euro im Monat erzielen will. Damit bringt er zum Ausdruck, dass weder sein Alter noch die festgestellte Schwerbehinderung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts entgegenstehen. Ebenso wenig kann deshalb ein Ausnahmefall angenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung ab dem Jahr 2004 nur noch beschränkt Erwerbseinkünfte erzielen und deshalb umfangreichere Rentenansprüche nicht erwerben konnte. Der Kläger konnte zwar als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Von dieser Möglichkeit hat er aber während des ehelichen Zusammenlebens mit seiner damaligen Ehefrau keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr von deren Einkünften und seiner Rente gelebt. Diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen eines atypischen Falls, weil der Kläger kein Bemühen gezeigt hat, seine verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung von Einkommen zu nutzen. Auch der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet als solcher begründet keinen Ausnahmefall, nachdem das Erwerbsverhalten des Klägers während seines Aufenthalts nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,
2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,
3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,
4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,
5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,
6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder
7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.

(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,
2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,
3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,
4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,
5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,
6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder
7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.

(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen.

(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.

(3) Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn

1.
in wesentlichen Punkten das Vorbringen des Ausländers nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird,
2.
der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert,
3.
er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat,
4.
er den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen,
5.
er seine Mitwirkungspflichten nach § 13 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 oder § 25 Abs. 1 gröblich verletzt hat, es sei denn, er hat die Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht zu vertreten oder ihm war die Einhaltung der Mitwirkungspflichten aus wichtigen Gründen nicht möglich,
6.
er nach §§ 53, 54 des Aufenthaltsgesetzes vollziehbar ausgewiesen ist oder
7.
er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.

(4) Ein Asylantrag ist ferner als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Abs. 2 vorliegen oder wenn das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.

(5) Ein beim Bundesamt gestellter Antrag ist auch dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn es sich nach seinem Inhalt nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 handelt.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.

(2) Ein nach der Einreise des Ausländers von der Ausländerbehörde erteilter oder verlängerter Aufenthaltstitel kann nach den Vorschriften dieses Gesetzes ungeachtet des Umstandes verlängert werden, dass der Ausländer einen Asylantrag gestellt hat.

(3) Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2014 - 1 K 1465/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.08.2014 hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass vorläufig eine Abschiebung auf der Grundlage der Verfügung vom 26.03.2014 nicht durchgeführt werden darf. In dem am 02.04.2014 zugestellten Bescheid, gegen den der Antragsteller am 02.05.2014 Widerspruch eingelegt hat, hat die Antragsgegnerin die Rücknahme der am 19.06.2006 von der Ausländerbehörde P... erteilten und bis 18.06.2007 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sowie der am 19.06.2007 bis 18.06.2009 von der Ausländerbehörde W... verlängerten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und der am 11.05.2009 von der Ausländerbehörde A...-W... verlängerten und bis zum 11.05.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt (Ziffer 1), den Antrag vom 05.05.2011 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 2) und dem Antragsteller die Abschiebung nach Vietnam angedroht (vgl. näher Ziffern 3 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO als statthaft angesehen, weil der eigentlich rechtzeitig unter der Geltung der Aufenthaltserlaubnis vom 11.05.2009 gestellte Verlängerungsantrag aufgrund deren wirksamer Rücknahme (ex tunc) nicht die Fiktionen des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG habe auslösen können und daher vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht komme.
Der am 05.05.2011 gestellte Verlängerungsantrag hat an sich die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Mit der Ablehnung dieses Antrags in Ziffer 2 der Verfügung der Antragsgegnerin ist die infolge der Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung erloschen. Da zugleich in dem Bescheid die Rücknahme der bisher bestehenden Aufenthaltserlaubnisse mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt worden ist, könnte damit - selbst wenn wie hier ein Sofortvollzug der Rücknahme nicht angeordnet worden ist - aufgrund der Wirksamkeit der Rücknahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nachträglich die Grundlage der Fortgeltungsfiktion entfallen sein. Ob in einer solchen Konstellation vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (so BremOVG, Beschluss vom 22.11.2010 - 1 B 154/10 - juris Rn. 13) oder nach § 123 VwGO (so etwa SächsOVG, Beschluss vom 18.11.2013 - 3 B 331/13 - juris Rn. 5; GK-AufenthG, § 81 Rn. 61 f.) zu gewähren ist und ob es bei der Frage nach dem statthaften Rechtsschutz ggfs. eine Rolle spielen kann, dass die Geltungsdauer der zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnisse bei Erlass des angefochtenen Bescheids längst abgelaufen und die Ausreisepflicht daher nicht unmittelbar durch deren Rücknahme, sondern durch die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgelöst worden ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Denn unabhängig davon, ob das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu prüfen ist, was vom Antragsteller im Haupt- und Hilfsverhältnis jeweils beantragt ist, hat der Antrag bei jeder möglichen Betrachtung in der Sache keinen Erfolg. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die Gerichte gehalten sind, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen und die im Einzelfall gebotene Prüfungsintensität ggfs. auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewährleisten ist (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.09.2014 - 1 BvR 23/14 - juris Rn. 23 f.; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 80 ff. Rn. 3).
Ausgehend hiervon und mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, wonach das Beschwerdegericht bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe prüft, sind die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und die Androhung der Abschiebung nach Vietnam mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.03.2014 voraussichtlich nicht zu beanstanden.
I.
Der am 05.05.2011 beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dürfte der Versagungsgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegenstehen (1.). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Vorausaussetzungen für eine Titelerteilung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG tatbestandlich vorliegen (2.).
1. Nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird der Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Von dieser Vorschrift werden nicht nur sog. Scheinehen und Zweckadoptionen erfasst, sondern auch Scheinvaterschaften, bei denen der ausschließliche Zweck der Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB darin besteht, dem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller die Vaterschaft für das am 05.10.2003 geborene deutsche Kind I... H. mittlerweile wirksam anerkannt hat (§§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB). Die am 11.01.2006 ausgestellte Geburtsurkunde des Standesamts S... weist ihn als Vater aus. Die Vaterschaftsanerkennung begründet unabhängig von der biologischen Erzeugerschaft oder der tatsächlichen familiären Lebenssituation die rechtliche Vaterschaft (Pelzer, Keine Vaterschaftsanfechtung mehr durch Behörden, NVwZ 2014, 700). Die Aufzählung der Gründe für die Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1594 ff. BGB sind abschließend, so dass sogar die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit führt (Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1598 Rn. 2; Nickel, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., 2014, § 1598 Rn. 11; OVG LSA, Beschluss vom 25.08.2006 - 2 M 228/06 - juris; OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2007 - 1 Ss 58/07 - juris). Dies gilt selbst dann, wenn mit der Anerkennung der Vaterschaft ausschließlich aufenthaltsrechtliche Zwecke verfolgt werden (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - juris Rn. 10, 15; OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - InfAuslR 2009, 19).
Die elterliche Sorge steht der Kindesmutter S... H. und dem Antragsteller gemeinsam zu. Die entsprechende Sorgerechtserklärung nach § 1626a BGB vom 03.07.2003 enthält zwar zum Zeitpunkt ihrer Abgabe wahrheitswidrig die Angabe, dass Frau H. rechtskräftig geschieden ist, denn tatsächlich ist ihre Ehe mit M... H. erst am 08.06.2004 rechtskräftig geschieden worden. Dies hat jedoch nur dazu geführt, dass die Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1626b Abs. 2 BGB aufgrund der noch bestehenden Ehe der Kindesmutter zunächst schwebend unwirksam gewesen ist (BGH, Beschluss vom 11.02.2004 - XII ZB 158/02 - NJW 2004, 1595). Da jedoch das Scheidungsurteil mittlerweile wirksam geworden und auch die gesetzliche Vaterschaft von M... H. für das Kind I... (§ 1592 Nr. 1 BGB; vgl. insoweit die Geburtsurkunde vom 19.08.2005) zugunsten der Vaterschaftsanerkennung des Antragsteller beseitigt ist, ist jedenfalls ab Januar 2006 von einer rechtsverbindlichen Sorgerechtserklärung auszugehen. Dass der Antragsteller und Frau H. bei Abgabe der Sorgerechtserklärung ebenfalls wahrheitswidrig erklärt haben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben und ein gemeinsames Kind zu erwarten, steht der Gültigkeit der Erklärung nicht entgegen. Durch die Vorschrift des § 1626e BGB werden andere als die in §§ 1626a bis 1626d BGB genannten - und im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Unwirksamkeitsgründe für Sorgerechtserklärungen und Zustimmungen ausgeschlossen (Hamdan, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1626e Rn. 3).
10 
b) Die Vaterschaftsanerkennung und Abgabe der gemeinsamen Sorgerechtserklärung sind in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und der deutschen Kindesmutter allein deshalb erfolgt, um dem Antragsteller zu einem sonst nicht erreichbaren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Der Antragsteller hat sich die Vaterschaft durch eine Zahlung von 5.000 Euro erkauft.
11 
Nach den Feststellungen des Landgerichts D... in dem gegen den Antragsteller ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 27.06.2013 - 11 Ns 150 Js 2709/10 - suchte dieser nach dem negativen Ausgang seines Asylverfahrens im Jahre 2001 und der deswegen drohenden Abschiebung - durch die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen oder die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Kindes - nach Möglichkeiten, um weiter in Deutschland zu verbleiben. Über einen Landsmann stellte er den Kontakt zu S... H. her. Dieser kannte H... W., den damaligen Lebensgefährten vom S... H. Mit seinem Landsmann suchte er in Bad Sch... H... W. auf, der zu diesem Zeitpunkt wusste, dass man damit Geld in einer nicht unbeträchtlichen Höhe erzielen kann. Nach den Vorstellungen des Antragstellers wollte er mit S... H. eine Ehe eingehen. Weil S... H. zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, konnte dieses Vorhaben nicht zeitnah realisiert werden. Als bei S... H. eine Schwangerschaft eintrat, wobei H... W. der biologische Vater war, vereinbarte der Antragsteller mit S... H., dass er die Vaterschaft für das noch ungeborene Kind anerkennt, um so legal weiter in Deutschland bleiben zu können. Im Gegenzug wollte der Antragsteller 5.000 Euro an S... H. zahlen. Entsprechend dem Vorhaben besorgte der Antragsteller für den 03.07.2003 einen Termin für die Abgabe einer Sorgerechtserklärung. Schon bei der Abgabe der Sorgerechtserklärung wussten S... H. und der Antragsteller, dass diese nicht ernst gemeint ist, sondern allein dazu diente, sie bei Behörden vorzulegen und so ein Bleiberecht für den Antragsteller zu erzwingen (vgl. im Einzelnen Bl. 2 bis 4 Strafurteils).
12 
Dass Frau H. und der Antragsteller nie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, „sie nichts miteinander hatten, die Beziehung rein geschäftlich war und sie die versprochenen 5.000 Euro bar gekriegt hat“, folgt auch aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 über ihre Vernehmung als Zeugin.
13 
Es gibt keine durchgreifenden Gründe, weshalb diese strafgerichtlichen Feststellungen, nach denen die Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung durch den Antragsteller tatsächlich gerade und auch nur auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile abzielten, nicht für das ausländerrechtliche Verfahren zugrunde gelegt werden könnten.
14 
Soweit der Antragsteller auf die mit Verfügung der Berichterstatterin vom 14.10.2014 erfolgten Hinweise zu den Feststellungen des Landgerichts D... vorträgt, Frau H. agiere wechselnd, situationsangepasst und erscheine - wie sich aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 25.05.2011 ergebe - nur eingeschränkt in der Lage, ihre prozessualen Rechte wahrzunehmen, fehlt es an einer näheren Darlegung, weshalb dies auch für die zwei Jahre später gewonnenen Erkenntnisse - die Hauptverhandlung des Landgerichts D... war am 27.06.2013 - gelten sollte. Im Übrigen lässt etwa der in der Ausländerakte enthaltene Vermerk einer am Amtsgericht P... tätigen Richterin über ein Gespräch mit Frau H. (Bl. 1651 und Bl. 1633 ff.) zu einer vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter dem Namen von Frau H. vorgelegten Erklärung vom 05.01.2014 erkennen, dass Frau H. durchaus zu einem geordneten Vortrag in der Lage ist. Des Weiteren hat der Antragsteller die strafgerichtlichen Feststellungen zum Kauf der Vaterschaft gegen Geldzahlung nicht durch einen substantiierten eigenen Vortrag im Rahmen der ausländerrechtlichen Verfahren erschüttert. So war schon im Urteil des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 der „Kaufpreis“ von 5.000 Euro enthalten. Die Begründung der Berufung des Antragstellers gegen dieses Strafurteil vom 27.03.2013 (vgl. Bl. 1519 der Behördenakte) und auch die Anwaltsschreiben im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Email vom 24.11.2013 mit Hinweis auf die Urteile des OLG Hamm vom 20.11.2007 und des OLG D... vom 29.06.2012, Bl. 1555 ff. der Behördenakte) stellen diese tatsächliche Feststellung nicht in Frage, sondern greifen mit rechtlicher Argumentation die erfolgte Verurteilung an. Das Landgericht D... hat ihn - nach Einstellung einer gleichgelagerten Tat im Berufungsverfahren - wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er anlässlich der jeweils beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wahrheitswidrige und angeblich von der Kindesmutter herrührende Bestätigungen über die Ausübung der elterlichen Sorge bei der Ausländerbehörde vorgelegt hatte. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verurteilungen seien falsch, weil - wie das OLG Hamm mit Urteil vom 20.11.2007 entschieden habe - das Bürgerliche Gesetzbuch im Vaterschaftsrecht gerade keine Pflicht des Vaters zur Begründung der Lebensgemeinschaft mit dem von ihm anerkannten Kind statuiere. Deshalb könne einem Vater, der keine Lebensgemeinschaft mit dem Kind unterhalte, dies unter strafrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Falsche Erklärungen seien nicht erheblich, da die konstitutive, nicht anfechtbare Vaterschaftsanerkennung allein den Aufenthaltsstatus sichere (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 22). Er habe eine Tat gestanden, die er aus Rechtsgründen gar nicht begangen habe (Email vom 24.11.2013). Diese Argumentation verkennt allerdings die Rechtslage im Aufenthaltsrecht. Der Aufenthalt des Sorge- bzw. Umgangsberechtigten wird nicht deshalb erlaubt, weil er diese familienrechtliche Stellung innehat, sondern nur wenn er diese tatsächlich ausübt (siehe nachfolgend unter 2.). Täuscht der Ausländer hierüber, so erfüllt dieses Verhalten den objektiven Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
15 
Die Ausführungen im Schriftsatz vom 20.10.2014 geben ebenfalls keinen Anlass für eine andere Betrachtung, insbesondere sind in ihnen andere Gründe als die Verschaffung eines Aufenthaltsrechts für die Vaterschaftsanerkennung nicht plausibel dargelegt. Der Antragsteller trägt vor, aus dem Umstand, dass gemäß dem Strafurteil des Landgerichts D... sein Wunsch nach einem Verbleib im Bundesgebiet auslösendes Moment für die Anerkennung der Vaterschaft von I... gewesen sein soll, könne nicht der Schluss gezogen werden, es stehe mit dem im summarischen Verfahren maßgebenden Grad von Gewissheit fest, die Vaterschaft sei ausschließlich zum Zwecke des Familiennachzugs begründet worden. Zweck der Anerkennung sei eben auch gewesen, dass das Kind einen Vater habe, der die Erstausstattung zahle, wofür das Geld auch verwendet worden sei, und dass der Kindesunterhalt gewährleistet sei. Letztlich sei er auch an seinen aufwendigen Bemühungen zu messen, den Umgang mit dem Kind zu stabilisieren. Dass Frau H. die Vaterschaftsanerkennung als eine Art „Patenschaft“ begriffen haben mag (vgl. hierzu den Schriftsatz vom 20.10.2014 sowie die damit indirekt in Bezug genommene Äußerung von Frau H. in der polizeilichen Vernehmung vom 03.06.2010, Bl. 1487 ff. der Behördenakte) und das vom Antragsteller erhaltene Geld zur Finanzierung des Lebensunterhalts auch von I... genommen hat, nimmt der Vaterschaftsanerkennung nicht ihren Charakter als ausschließlich ausländerrechtlich motiviert. So ist im Protokoll über die genannte polizeiliche Vernehmung die Angabe von Frau H. wiedergegeben, sie habe 5.000 Euro als Gegenleistung für die Vaterschaftsanerkennung angeboten bekommen, damit der Antragsteller nicht abgeschoben werde und sie dem aufgrund ihrer beengten finanziellen Verhältnisse als arbeitslose Mutter mehrerer Kinder nicht habe widerstehen können („…So wie das Geld kam, war es auch gleich wieder ausgegeben. Kinder kosten viel Geld. Ich bekam das Geld und es war auch gleich wieder alle….“).
16 
c) § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG schließt einen familienbezogenen Aufenthaltstitel an den Scheinvater im Fall der ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB aus (ebenso OVG R-Pf, Urteil vom 06.03.2008 - 7 A 11276/07 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2009 - 11 A 389/08 - juris; Zeitler, HTK- AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinvaterschaft 07/2014 Nr. 3.2; Hailbronner, AuslR, § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 27 AufenthG, Rn. 50; Welte, AktAR, § 27 AufenthG, Rn. 32s; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts - Fortsetzung -, ZAR 2007, 381 f.; vgl. auch BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, 877), 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG).
17 
aa) Die Regelung wurde durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) eingefügt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift in der 2. Alternative (Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses ausschließlich zu dem Zwecke, dem Nachziehenden Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen) umfasst der Tatbestand die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung (so auch OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - juris und Hofmann/Hoffmann, AuslR 2008, § 27 Rn. 19). Die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses kann auch durch eine Anerkennung der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB erfolgen. Mit dieser Vaterschaftsanerkennung wird der rechtsgeschäftliche Wille bekundet, Vater eines bestimmten Kindes zu sein (näher Palandt, a.a.O., § 1594 Rn. 4). Dass zwischen der gesetzlichen, anerkannten oder gerichtlich festgestellten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 bis 3 BGB) hinsichtlich der Rechtsfolgen für das Kind kein Unterschied besteht, hindert nicht, die rechtsgeschäftliche Begründung der Vaterschaft der ebenfalls durch Willenserklärung begründeten Ehe oder Adoption gleichzustellen.
18 
Die systematische Stellung der Vorschrift spricht ebenfalls für diese Auslegung. Die Regelung ist den konkreten und nach ihren unterschiedlichen Zwecken ausdifferenzierten familiären Aufenthaltstitel (§§ 28 ff. AufenthG) vorangestellt und erhebt damit den Anspruch, für jede Art des Familiennachzugs zu gelten. Auch der Sinn und Zweck der Regelung, nämlich rechtlich wirksame, aber nur zur Erlangung von aufenthaltsrechtlichen Vorteilen eingegangene familiären Beziehungen von Familiennachzug und Aufenthalt im Bundesgebiet generell auszuschließen, gilt für Scheinehen, Zweckadoptionen und Vaterschaftsanerkenntnisse gleichermaßen.
19 
Die ab 28.08.2007 geltende Regelung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist schließlich Ausdruck eines schon zuvor geltenden allgemeinen ausländerrechtlichen Grundsatzes. Auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 setzte der Familiennachzug das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft bzw. die Absicht, eine solche aufzunehmen, voraus (vgl. etwa § 27 Abs. 1 AufenthG i.d.F. vom 01.01.2005 sowie § 17 Abs. 1 AuslG 1990). Es war bereits damals gefestigte Rechtsprechung, dass aufenthaltsrechtliche Ansprüche nicht bestehen, wenn Ehe oder Vaterschaftsanerkennung allein deshalb erfolgen, um dem Ausländer einen ihm sonst verwehrten Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.03.1982 - 1 C 20/81 - juris zur „Scheinehe“ und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.03.2005 - 13 S 3035/04 - juris zur rechtsmissbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung). Die Norm kann daher als besondere Kodifikation eines Missbrauchsgedankens verstanden werden, der sich im Übrigen unmittelbar aus § 27 Abs. 1 AufenthG herleiten ließe. Der Einführung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist eine Signalfunktion beigemessen worden, um das Unrechtsbewusstsein der Betroffenen und das Problembewusstsein der Rechtsanwender zu erhöhen sowie den Anreiz zu verringern, Scheinehen zu schließen oder Scheinverwandtschaftsverhältnisse zu begründen (so ausdrücklich Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, a.a.O., S. 382 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/5498, S. 4 f. vom 25.05.2007 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage).
20 
bb) Soweit eingewandt wird, die Gesetzgebungsgeschichte belege eindeutig, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG sei nur für die Fälle der Scheinehe und Zwangs-adoption geschaffen worden, während das Problem der Vaterschaftsanerkennung allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels (bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit) ausschließlich durch die Gewährung eines behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch gelöst werden sollte und daher die Bestimmung nicht auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung erstreckt werden dürfe, weil dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspreche (OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23; wohl auch OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - juris; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 90 ff.; GK-AufenthG, § 27 Rn. 201; Hofmann/Hoffmann, AuslR, § 27 Rn. 19; vgl. auch Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, ZuwG, 2. Aufl. 2008, § 27 AufenthG Rn. 16 ff.), teilt der Senat diese Auffassung nicht.
21 
Primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Wortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist auch die Grenze der Auslegung. Die Gesetzesbegründung als Argument für die Auslegung eines Gesetzes in einem bestimmten Sinn hat allenfalls dann eine gewisse Berechtigung, wenn sie im Gesetzestext selbst irgendwie zum Ausdruck gelangt (BVerfG, Beschlüsse vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 2 BvL 12 BvL 11/60 - juris Rn. 16 ff; vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - juris Rn. 100; LSG NRW, Beschluss vom 20.11.2013 - L 11 KA 81/13 B ER - juris Rn. 70 f.; Ossenbühl, Staatshaftung bei überlangen Gerichtsverfahren, DVBl 2012, S. 857, 860). Der Wille des Gesetzgebers kann daher nicht alleiniges oder entscheidendes Kriterium der Auslegung sein. Gegenstand der Auslegung durch die Gerichte sind die Gesetze selbst und nicht der wie auch immer manifestierte Wille des Gesetzgebers. Es ist nicht maßgebend, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2001 - 1 BvL 6/01 - juris Rn. 22).
22 
In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union heißt es bzgl. § 27 Abs. 1 a Nr. 1 (BT-Drs. 16/5065, S. 170):
23 
„Durch Absatz 1a Nr. 1 wird ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert. Damit entfällt der Anreiz, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen. Mit dem ausdrücklichen Ausschluss von Zweckadoptionen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts werden zudem Formen des „Handels“ mit Kindern aus Armutsregionen bekämpft. Eine Zweckadoption liegt nicht vor, wenn das Ziel der Adoption das Zusammenleben mit der adoptierenden Familie in einer Eltern-Kind-Beziehung ist und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet günstiger sind als im Herkunftsland eines der Motive, aber nicht das alleinige Motiv der Adoption darstellt. Die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU Nr. L 251 S. 12) eröffnet in Artikel 16 Abs. 2b den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abzulehnen, wenn feststeht, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde oder die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise zu ermöglichen. Die Regelung gilt auch für den Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen, da hier gleichfalls die Gefahr besteht, dass Zweckehen geschlossen werden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfaltet die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung.“
24 
Aus dem Vorstehenden lässt sich schon nicht herleiten, der Gesetzgeber habe nur die Zweckehe und die Zweckadoption dem Ausschlussgrund unterwerfen wollen. Dass Art. 16 Abs. 2d Richtlinie 2003/86/EG genannt worden ist, dient zur Dokumentation ihrer Umsetzung, besagt aber nicht, dass es der Gesetzgeber gerade hierbei belassen wollte. Vielmehr wird die Norm auf den Familiennachzug zu Deutschen erstreckt, der von der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht erfasst wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 -1 C 7.09 - juris Rn. 13). Auch wird nicht der enge Begriff der Adoption verwandt, sondern derjenige des Verwandtschaftsverhältnisses, dem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein umfassenderes Verständnis zugrunde liegt.
25 
Dass der Gesetzgeber das ihm bei der Formulierung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG bekannte Problem einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels ausschließlich durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl S. 313) mit dem in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB normierten behördlichen Anfechtungsrecht lösen wollte, kann nicht angenommen werden. Zwar ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung („Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft“) bereits am 01.09.2006 vorgelegt worden (BRat-Drs. 624/06; vgl. ferner BT-Drs. 16/3291 vom 08.11.2006) und daher im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum 1. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 bekannt gewesen. Auch sind durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl. I S. 313) im Aufenthaltsgesetz Vorschriften in §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 6 sowie § 90 Abs. 5 AufenthG eingefügt bzw. neu gefasst worden, die das der anfechtungsberechtigten Behörde im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeräumte Vaterschaftsanfechtungsrecht ausländerrechtlich flankieren (so OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012, a.a.O.). Weiterhin hat sich die Begründung dieses Gesetzes ausdrücklich mit der aufenthaltsrechtlichen Problemlagen bei der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung befasst (BRat-Drs. 624/06, S. 7, 11 f., 15). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber des 1. Richtlinienumsetzungsgesetzes habe mit Blick auf ein erst noch zu schaffendes zukünftiges behördliches Anfechtungsrecht der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG einen restriktives Anwendungsbereich beigemessen; solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Norm. Davon abgesehen ist der Aspekt des Aufenthaltstitels für Scheinväter nur einer unter mehreren Gesichtspunkten für das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 gewesen. Ausgehend davon, dass das Abstammungsrecht eine grundsätzliche Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtgebieten entfaltet (wie etwa Unterhalts-, Erbrecht, Staatsangehörigkeits-, Ausländer- und Sozialrecht) und daher eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit bedarf, hat der Gesetzgeber im Interesse der Einheit der Rechtsordnung ein behördliches Anfechtungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch konzipiert (BRat-Drs. 624/06, S. 16; Zypries/Cludius, Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln, ZRP 2007, 1, 3), ohne jedoch den Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Satz 4 AufenthG zu verwehren. So lässt sich § 79 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz AufenthG entnehmen, dass im Fall einer Vaterschaftsanfechtung das Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht auszusetzen ist, wenn über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden kann. Dass nach der gesetzgeberischen Konzeption die sich spezifisch aufenthaltsrechtlich stellende Problematik der missbräuchlichen Scheinvaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB ausschließlich familienrechtlich gelöst werden sollte, lässt sich daher nicht belegen.
26 
Selbst wenn man ungeachtet dessen unterstellen würde, es wäre der (objektivierte) Wille des Gesetzgebers gewesen, das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltsrechts (allein) durch die Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen, so kommt dem keine Bedeutung mehr zu, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - die Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 16 Abs. 1, gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1, gegen Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und gegen Art. 6 Abs. 1 GG festgestellt hat. Ein Gesetz bzw. eine Gesetzesbegründung, die übergeordneten Rechtsnormen widerspricht, kann kein Argument für die Auslegung eines anderen Gesetzes sein.
27 
cc) Ob eine ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung einen familienbezogenen Aufenthaltstitel auf Dauer ausschließt oder ob ein solcher dennoch in Betracht kommt, wenn sich ungeachtet der einmal erkauften Vaterschaft tatsächlich eine gelebte Vater-Kind-Beziehung entwickelt hat und vorliegt, bedarf im konkreten Fall mangels Entscheidungserheblichkeit keiner näheren Prüfung.
28 
Würde man der Vorschrift (auch) einen aufenthaltsrechtlichen Sanktionscharakter beimessen, könnte der Scheinvater dauerhaft von einem Titel auszuschließen sein. Die Überlegung, dass in einer solchen Konstellation der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch ist (vgl. hier BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 103) und - ausnahmsweise - erfolgten väterlichen Hinwendungen aufenthaltsrechtlich ggfs. allein durch eine Duldung nach § 60a AufenthG noch hinreichend entsprochen werden könnte, könnte ebenfalls anzuführen sein. Allerdings dürfte die Norm auch als reine Missbrauchsregelung begriffen werden können. Ist der Missbrauch quasi entfallen, könnte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. den durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechten auch eine restriktive Anwendung der Vorschrift gebieten - mit der Folge, dass bei einer im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden und dem sozial Üblichen entsprechenden Vater-Kind-Beziehung die Erteilung eines familienbezogenen Aufenthaltstitels in Betracht käme. Welchen Charakter die Norm aufweist, kann hier offen bleiben, denn es fehlt an einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung (siehe dazu nachfolgend 2.).
29 
2. Für die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist allein das Vorliegen einer Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB mit den sich daraus ergebenden (unterhalts-) rechtlichen Pflichten nicht ausreichend. Da die familienbezogene Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung und Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet dient (§ 27 Abs. 1 AufenthG), bedarf es einer schon vorliegenden oder jedenfalls beabsichtigten und alsbald tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft zwischen dem Kind und dem Elternteil, der ein auf die Personensorge gestütztes Aufenthaltsrecht beansprucht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 02.09.2010 - 1 B 18/10 - juris Rn. 5 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 - juris Rn. 23; GK-AufenthG, § 28 Rn. 93 ff.; Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 Rn. 18 ff.).
30 
Ob im konkreten Fall eine familiäre Lebensgemeinschaft anzunehmen ist, ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG zu bestimmen (vgl. insb. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14 ff., vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 28 ff. und vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16 ff.). Die maßgebenden allgemeinen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt (BA S. 5 bis einschl. 1. Absatz S. 6). Hierauf nimmt der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.
31 
Schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist derzeit nicht ersichtlich, dass zwischen ihm und I... ein Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten besteht, der zumindest dem entspricht, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist (etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.12.2008, a.a.O., Rn. 35; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 59). Der Senat hat dabei eingestellt, dass die Art und Weise, wie Eltern ihren Pflichten gegenüber ihrem Kind nachkommen und die Beziehung zu ihm gestalten, grundsätzlich allein von diesen selbst bestimmt und organisiert wird und es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft verbietet, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen familiärer Beziehungen zu formulieren (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.05.2013 - 1 B 25/12 - juris Rn. 4). Es stellt prinzipiell eine durch Art. 6 GG gedeckte Entscheidung dar, wenn die Eltern das Leben des Kindes so regeln, dass es bei der Mutter lebt, und die typischen bei einem Kind erforderlichen Betreuungsleistungen und Erziehungsaufgaben von ihr erbracht werden. Soweit seit Jahren zwischen dem Wohnort des Kindes in P... und demjenigen des Antragstellers mehrere hundert Kilometer liegen, entspricht dies einer sozialen Realität, wie sie in der Lebenslage nichtehelicher Väter bzw. Kinder anzutreffen ist. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller aufgrund einer freiwilligen Entscheidung, die nach seinem Vortrag zur Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt erfolgt ist, diese räumliche Distanz aufgebaut hat, ist als solches kein Kriterium, das von vornherein einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung entgegenstehen würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Antragsteller aufgrund seiner im Jahre 2008 erfolgten Heirat mit einer vietnamesischen Staatsangehörigen und der Geburt der gemeinsamen Tochter am 14.12.2008 nunmehr in seiner eigenen Familie lebt.
32 
Besteht zwischen dem nichtehelichen Vater und seinem Kind keine häusliche Gemeinschaft, bedarf es allerdings eines konkreten Vortrags, aus dem sich eine tatsächliche hinreichend intensive Anteilnahme des Vaters am Leben und Aufwachsen des Kindes ergibt. Das Verwaltungsgericht hat mit detaillierter Begründung ausgeführt, weshalb von regelmäßigen Kontakten des Antragstellers mit I..., die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen oder Teil einer emotionalen Verbundenheit zwischen Vater und Sohn sind, nicht ausgegangen werden kann. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Sichtweise.
33 
Der Antragsteller trägt in der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 vor, es habe Telefonkontakte am 19. September 2013, 17. November 2013, ca. 21. Dezember 2013, am 02.,15. und 26. Februar 2014 sowie am 19. und 26. April 2014, 25. Juni und 25. August 2014 gegeben. Es fehlt allerdings ein dem Antragsteller nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegender substantiierter Vortrag, dass dies überhaupt (längere) Kommunikationen zwischen Vater und Sohn gewesen sind und was ggfs. hierbei besprochen worden ist. Möglicherweise handelt es sich dabei nur jeweils um Kurznachrichten per sms, wie sie auf Seite 7 der Beschwerdebegründung aufgeführt sind. Aus diesen Kurznachrichten - wie etwa derjenigen vom 17.11.2013 mit dem Wortlaut „bei meiner Tochter“, oder derjenigen vom 15.02.2014 „hab eine Jacke für M... kann ich 16 Uhr kommen“ oder derjenigen vom 19.04.2014 „morgen bin ich zu Hause“ - lässt sich schon nicht ersehen, dass diese tatsächlich mit dem Sohn gewechselt worden sind, geschweige denn belegen sie eine hinreichend intensive Anteilnahme am Aufwachsen und den emotionalen Bedürfnissen des Sohnes. Auch aus der Nennung von „Tagen mit Papierbelegen“ folgt nichts anderes. Der Antragsteller gibt der Sache nach an, persönlichen Kontakt mit dem Kind zuletzt an folgenden Tagen gehabt zu haben – und zwar im Jahre 2013: 18. und 19. September, 3. Oktober, 16. November, 8. Dezember und im Jahre 2014: 5. Januar, 7. und 16. Februar, 23. März, 26. April, 16. und 22. Mai sowie 26. Juli. Hierzu werden Tankbelege (vom 22.06.2014 in P..., vom 16.05.2014 und 23.03.2014 in R... und vom 08.12.2013 in W...) und Fahrkarten beigefügt. Allerdings sind nur diejenigen vom 16.02.2014 und 20.09.2014 für die Strecke P... - M... ausgestellt. Die übrigen Fahrkarten betreffen die Strecken M... - D... oder M... - Bad Sch..., wobei D... bzw. Bad Sch... jeweils etwa 20 km von P... entfernt sind. Weder mit der Nennung von Daten noch mit „Papierbelegen“ wird aber hinreichend dargetan, dass es tatsächlich zu Treffen zwischen dem Antragsteller und seinem in P... lebenden Sohn gekommen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung meint, das Verwaltungsgericht mache es sich mit der Bemerkung, die Bewandtnis der Zugtickets bleibe unklar, zu leicht und es spreche lebensnah wenig für die Annahme, er fahre lediglich zur Vorspiegelung von Kontakten zwischen beiden Orten hin- und her, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsteller hat viele Jahre in Sachsen gelebt, so etwa von 2001 bis 2005 in P... Dass Fahrten nach Sachsen auch aus anderen Gründen als zur Kontaktpflege mit dem Sohn erfolgen können, ist daher durchaus nicht von der Hand zu weisen - zumal auch im Beschwerdeverfahren jegliche Schilderungen, wie Kontakte zwischen Vater und Sohn ablaufen, was besprochen oder wie Zeit miteinander verbracht wird, fehlen. Über den Sohn wird seitens des Antragstellers nichts konkretes berichtet, außer dass er „nach Aktenlage geistig behindert“ sei. Abgesehen davon ist im Übrigen auch schon die Angabe der Kontakte im Jahre 2013 und 2014 so nicht schlüssig, da der Antragsteller in dem Antrag an das Amtsgericht - Familiengericht - P... vom 22.09.2014, mit dem er einen Umgang mit I... jeweils samstags von 11 Uhr bis 19 Uhr im vierzehntägigen Turnus begehrt, vortragen lässt, die Kindesmutter verwehre ihm den Umgang mit dem Kinde seit 2012 ganz.
34 
Zwar hat das OVG B... mit Beschluss vom 19.05.2005 die Abschiebung des Antragsteller ausgesetzt und seinerzeit eine schützenswerte familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn angenommen. Daraus kann der Antragsteller aber schon deshalb nichts für sich herleiten, weil heute die Tatsachengrundlage eine völlig andere ist.
35 
Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, der derzeitige Zustand, bei dem Unterhalt geleistet werde und überhaupt ein rechtlicher Vater mit den sich aus dem Familienrecht ergebenden Pflichten für das Kind existiere, entspreche dem Kindeswohl und gebiete, da eine Anfechtung seiner Vaterschaft zu keinem Zeitpunkt in die Wege geleitet worden sei, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, verkennt er, dass allein die rechtliche Stellung als Vater nicht ausreichend ist und - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allein geleistete Unterhaltszahlungen nicht für die Annahme einer schutzwürdigen familiären Beziehung genügen.
36 
3. Auf die Frage der Ausweisungsgründe - der Antragsteller hat am 15.01.2014 erneut eine nicht von Frau H. stammende Erklärung der Ausländerbehörde zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgelegt, weswegen gegen ihn ein nicht rechtskräftiger Strafbefehl wegen Urkundenfälschung ergangen ist - kommt es nicht mehr an.
II.
37 
Sollte der Antragsteller - worauf die Ausführungen auf S. 10 der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 hindeuten - der Auffassung sein, ihm stehe hilfsweise eine Duldung zu, so ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht gestellt worden. Abgesehen davon wäre für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO) und damit das Land Baden-Württemberg richtiger Antragsgegner. Eine Erweiterung oder Änderung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist nach § 146 Abs. 4 VwGO aber grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, § 146 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2013 - 11 S 785/13 - juris und vom 04.08.2010 - 11 S 1376/10 - juris).
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 5. März 2015 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Becker, Nürnberg, beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für den Antrag der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ihr deutsches Kind ist begründet, denn die im Sinne der Prozesskostenhilferegelungen bedürftige Klägerin hat mit ihrer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO (die Aufenthaltserlaubnis darf zwar nicht - wie beantragt - auch für Zeiträume erteilt werden, in denen ein entsprechender Antrag noch nicht vorgelegen hat, jedoch hat die insoweit anzunehmende Erfolglosigkeit im Falle eines ansonsten bestehenden Anspruchs keine tatsächliche Bedeutung). Erfolgsaussichten im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO liegen bereits dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht; hierzu genügt bereits eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.

Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin (vietnamesische Staatsangehörige), für deren im Jahr 2006 geborenes Kind ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft anerkannt hat, stehe die Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen (Ablehnung des Familiennachzugs, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet worden sind, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen). Nach Auffassung des Senats ist die Bestimmung jedoch nicht anwendbar. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Überzeugungsbildung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts dem erhöhten Überzeugungsmaßstab für das Vorliegen des Versagungsgrundes genügt, dessen Beachtung die Bestimmung mit der Formulierung „feststehen“ fordert.

Die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt durch einen Deutschen - mit der Wirkung, dass das Kind deutscher Staatsangehöriger wird - findet in der Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Erwähnung. Die Bestimmung befasst sich nach ihrem Wortlaut nicht mit jedwedem aufenthaltsrechtlichen Missbrauch von Familienrechtsinstituten, sondern betrifft Ehen und Verwandtschaftsverhältnisse, durch die Nachziehenden grundsätzlich die Einreise in das und der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird. Sie regelt Ausnahmefälle, in denen der Nachzug nicht erlaubt wird. Vorliegend wird der Nachziehenden (der Klägerin) der Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch nicht durch eine Ehe und auch nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - durch die Anerkennung ihres Kindes seitens eines deutschen Staatsangehörigen ermöglicht, sondern durch die Tatsache der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes, deren aufenthaltsrechtliche Wirkungen - anders als es bei den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen von Ehe und Verwandtschaft der Fall ist - vom Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft o.ä. nicht abhängen. Der vorliegende Fall wird somit von der Bestimmung nicht erfasst. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970, mit Wirkung vom 28.8.2007) bestätigt, durch das der Absatz 1a in die Bestimmung des § 27 AufenthG eingefügt worden ist. Die Entwurfsbegründung erwähnt lediglich die Zweckehe und die Zweckadoption als Ziel der Neuregelung, nicht aber eine „Zweckanerkennung“ (BT-Drs. 16/5065 S. 170). Das Verwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung zwar auf entsprechende Ausführungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2008 (7 A 11276/07 - AuAS 2008,194, juris Rn. 28 ff.); auch diese sind jedoch nicht überzeugend. Die Entscheidung vom 6. März 2008 nimmt Bezug auf die Hinweise des Bundesministerium des Inneren vom 2. Oktober 2007 zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 (BMI-Hinweise). Diese gehen zwar davon aus, die Neuregelung erfasse auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen (S. 47/48 Rn. 183), begründen diese Auffassung jedoch nicht anhand des Gesetzes. Den Ausführungen unter Rn. 184 der BMI-Hinweise ist zu entnehmen, dass die in Rn. 183 geäußerte Auffassung in Zusammenhang mit dem Umstand steht, dass sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur behördlichen Anfechtung von Scheinvaterschaften bereits im Gesetzgebungsverfahren befunden hat (Gesetz v. 13.3.2008, BGBl I S. 313, m.W. v. 1.6.2008). Diese Überschneidung rechtfertigt jedoch keine Auslegung des § 27 Abs. 1a AufenthG über den klaren Wortlaut hinaus. Sie spricht eher gegen eine solche erweiternde Auslegung, weil es bei deren Richtigkeit nicht erforderlich gewesen wäre, eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft zu ermöglichen (vgl. OVG NRW, U. v. 23.8.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23, juris Rn. 49 ff.). Im Übrigen besteht der genannte Zusammenhang nicht mehr, so dass es nunmehr an jeglicher Grundlage für die in Rn. 183 der BMI-Hinweise geäußerte Auffassung fehlt. Die am 1. Juni 2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB betreffend eine behördliche Anfechtung von Vaterschaften ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 6/10 - BGBl 2014 I S. 110) für nichtig erklärt worden. Weiterhin stützt sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auf eine entsprechende Äußerung in der Darstellung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 von Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner (ZAR 2007,381). Jedoch wird auch hier die Auffassung, Vaterschaftsanerkennungen unterfielen der Regelung des § 27 Abs. 1a AufenthG, auf den von den BMI-Hinweisen angenommenen Zusammenhang gestützt (Fußnote 2 zu ZAR 2007,381), der jedenfalls jetzt nicht mehr besteht.

Schließlich wäre die Bestimmung des § 27 Abs. 1a AufenthG vorliegend selbst dann unanwendbar, wenn sie die vom Verwaltungsgericht angenommene Bedeutung hätte. Das am 6. September 2006 geborene Kind der Klägerin ist aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen selbst deutscher Staatsangehöriger. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Sache „Zambrano“ (C-34/09) erwächst den drittstaatsangehörigen Eltern eines minderjährigen Kindes, das - wie im Falle eines deutschen Kindes - Unionsbürger ist, aus dessen Unionsbürgerschaft ein Aufenthaltsrecht (ohne dass vom Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht worden sein muss), weil im Falle der Verweigerung eines solchen Aufenthaltsrechts im Wohnsitzmitgliedstaat des Kindes dem Kind der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt würde (dasselbe gilt für die Verweigerung einer Arbeitserlaubnis, die zur Unterhaltssicherung erforderlich ist). Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil die Klägerin Inhaberin der Personensorge für das Kind ist und zwischen diesem und dem deutschen Staatsangehörigen, der die Vaterschaft anerkannt hat, keine familiären Beziehungen bestehen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die Sorge und Betreuung durch die Mutter zu ersetzen und dadurch den faktischen Zwang zur Ausreise (auch) des Kindes zu beseitigen. In seiner Entscheidung vom 6. März 2008 (a. a. O.) hat auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Zwangslage erkannt, die für das Kind im Falle einer Aufenthaltsbeendigung der Mutter entstehen würde. In Unkenntnis der erst am 8. März 2011 ergangenen Entscheidung „Zambrano“, die in einem solchen Fall die Erteilung eines Aufenthaltsrechts fordert, hat es jedoch eine Duldung der Mutter zur Vermeidung dieser Zwangslage als ausreichend angesehen (juris Rn. 36 ff.).

Dreh- und Angelpunkt des Aufenthaltsanspruchs der Klägerin ist somit die deutsche Staatsangehörigkeit ihres Kindes. Die Beklagte hat deshalb zunächst eine behördliche Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung beabsichtigt. Bis zum bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013, durch den die Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen einer zu weiten Fassung des Tatbestandes für nichtig erklärt und somit die Möglichkeit einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung beseitigt worden ist, ist eine Vaterschaftsanfechtung jedoch nicht erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber für Vaterschaftsanerkennungen, die gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielen, die Möglichkeit einer Behördenanfechtung vorsehen kann (Rn. 47 bis 51) und der Freistaat Bayern hat beantragt, der Bundesrat möge einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen (BR-Drs. 330/14 vom 13.7.2014). Der Bundesrat hat jedoch am 19. September 2014 beschlossen, einen solchen Gesetzentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen. Die Bundesratsmehrheit ist dabei einer zuvor abgegebenen Stellungnahme der Bundesratsvertretung des Landes Sachsen-Anhalt gefolgt, der zufolge ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht besteht, weil die im Jahr 2008 eingeführte behördliche Vaterschaftsanfechtung in der Praxis nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt habe (Protokoll der 925. Bundesratssitzung, S. 285,302 ff.). Auf die Fragen, ob die Ausländerbehörden in den einschlägigen Fällen andere Wege gegangen sind (etwa den in Nr. 183 der BMI-Hinweise genannten) und ob Fallzahlen aus Zeiträumen, in denen mit einer Behördenanfechtung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen gerechnet werden muss, für eine Abschätzung derjenigen Fallzahlen geeignet sind, zu denen es nach der Beseitigung dieser Anfechtungsmöglichkeit kommt, geht die Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt nicht ein. Sie befasst sich auch nicht mit dem im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 8. November 2006 angegebenen Umfang des Bereichs, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche stattfinden können. Dem Gesetzentwurf zufolge erhielten zwischen dem 1. April 2003 und dem 31. März 2004 insgesamt 1694 unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, aufgrund der Vaterschaftsanerkennung einen Aufenthaltstitel (BT-Drs. 16/3291 S. 2). Für eine erhebliche aufenthaltsrechtliche Relevanz spricht auch die Zahl der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu nachgewiesenen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche, die zur Veröffentlichung gelangt sind (insbesondere OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 1.10.2004 - 2 M 441/04 - InfAuslR 2006, 56; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 6.3.2008, a. a. O.; VG Oldenburg, U. v. 22.4.2009 - 11 A 389/08 - NVwZ-RR 2009,739; OVG NRW, U. v. 23.8.2012, a. a. O.; BVerfG, B. v. 17.12.2013, a. a. O., dessen Sachverhalt im Vorlagebeschluss des AG Hamburg-Altona vom 15.4.2010 < 350 F 118/09, StAZ 2010,306 > ausführlicher dargestellt ist; VG Stuttgart, B. v. 24.7.2014 - 11 K 2149/14; VGH Baden-Württemberg, B. v. 4.11.2014 - 11 S 1886/14 - InfAuslR 2015,45).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) keinen Kostentitel für die Stattgabe einer Prozesskostenhilfe-Beschwerde enthält. Eine Kostenerstattung findet im Beschwerdeverfahren nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO). Aus den vorgenannten Gründen bedarf es auch keiner Festsetzung eines Streitwertes.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 5. März 2015 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Becker, Nürnberg, beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für den Antrag der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ihr deutsches Kind ist begründet, denn die im Sinne der Prozesskostenhilferegelungen bedürftige Klägerin hat mit ihrer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO (die Aufenthaltserlaubnis darf zwar nicht - wie beantragt - auch für Zeiträume erteilt werden, in denen ein entsprechender Antrag noch nicht vorgelegen hat, jedoch hat die insoweit anzunehmende Erfolglosigkeit im Falle eines ansonsten bestehenden Anspruchs keine tatsächliche Bedeutung). Erfolgsaussichten im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO liegen bereits dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht; hierzu genügt bereits eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.

Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin (vietnamesische Staatsangehörige), für deren im Jahr 2006 geborenes Kind ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft anerkannt hat, stehe die Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen (Ablehnung des Familiennachzugs, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet worden sind, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen). Nach Auffassung des Senats ist die Bestimmung jedoch nicht anwendbar. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Überzeugungsbildung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts dem erhöhten Überzeugungsmaßstab für das Vorliegen des Versagungsgrundes genügt, dessen Beachtung die Bestimmung mit der Formulierung „feststehen“ fordert.

Die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt durch einen Deutschen - mit der Wirkung, dass das Kind deutscher Staatsangehöriger wird - findet in der Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Erwähnung. Die Bestimmung befasst sich nach ihrem Wortlaut nicht mit jedwedem aufenthaltsrechtlichen Missbrauch von Familienrechtsinstituten, sondern betrifft Ehen und Verwandtschaftsverhältnisse, durch die Nachziehenden grundsätzlich die Einreise in das und der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird. Sie regelt Ausnahmefälle, in denen der Nachzug nicht erlaubt wird. Vorliegend wird der Nachziehenden (der Klägerin) der Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch nicht durch eine Ehe und auch nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - durch die Anerkennung ihres Kindes seitens eines deutschen Staatsangehörigen ermöglicht, sondern durch die Tatsache der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes, deren aufenthaltsrechtliche Wirkungen - anders als es bei den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen von Ehe und Verwandtschaft der Fall ist - vom Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft o.ä. nicht abhängen. Der vorliegende Fall wird somit von der Bestimmung nicht erfasst. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970, mit Wirkung vom 28.8.2007) bestätigt, durch das der Absatz 1a in die Bestimmung des § 27 AufenthG eingefügt worden ist. Die Entwurfsbegründung erwähnt lediglich die Zweckehe und die Zweckadoption als Ziel der Neuregelung, nicht aber eine „Zweckanerkennung“ (BT-Drs. 16/5065 S. 170). Das Verwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung zwar auf entsprechende Ausführungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2008 (7 A 11276/07 - AuAS 2008,194, juris Rn. 28 ff.); auch diese sind jedoch nicht überzeugend. Die Entscheidung vom 6. März 2008 nimmt Bezug auf die Hinweise des Bundesministerium des Inneren vom 2. Oktober 2007 zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 (BMI-Hinweise). Diese gehen zwar davon aus, die Neuregelung erfasse auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen (S. 47/48 Rn. 183), begründen diese Auffassung jedoch nicht anhand des Gesetzes. Den Ausführungen unter Rn. 184 der BMI-Hinweise ist zu entnehmen, dass die in Rn. 183 geäußerte Auffassung in Zusammenhang mit dem Umstand steht, dass sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur behördlichen Anfechtung von Scheinvaterschaften bereits im Gesetzgebungsverfahren befunden hat (Gesetz v. 13.3.2008, BGBl I S. 313, m.W. v. 1.6.2008). Diese Überschneidung rechtfertigt jedoch keine Auslegung des § 27 Abs. 1a AufenthG über den klaren Wortlaut hinaus. Sie spricht eher gegen eine solche erweiternde Auslegung, weil es bei deren Richtigkeit nicht erforderlich gewesen wäre, eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft zu ermöglichen (vgl. OVG NRW, U. v. 23.8.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23, juris Rn. 49 ff.). Im Übrigen besteht der genannte Zusammenhang nicht mehr, so dass es nunmehr an jeglicher Grundlage für die in Rn. 183 der BMI-Hinweise geäußerte Auffassung fehlt. Die am 1. Juni 2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB betreffend eine behördliche Anfechtung von Vaterschaften ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 6/10 - BGBl 2014 I S. 110) für nichtig erklärt worden. Weiterhin stützt sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auf eine entsprechende Äußerung in der Darstellung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 von Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner (ZAR 2007,381). Jedoch wird auch hier die Auffassung, Vaterschaftsanerkennungen unterfielen der Regelung des § 27 Abs. 1a AufenthG, auf den von den BMI-Hinweisen angenommenen Zusammenhang gestützt (Fußnote 2 zu ZAR 2007,381), der jedenfalls jetzt nicht mehr besteht.

Schließlich wäre die Bestimmung des § 27 Abs. 1a AufenthG vorliegend selbst dann unanwendbar, wenn sie die vom Verwaltungsgericht angenommene Bedeutung hätte. Das am 6. September 2006 geborene Kind der Klägerin ist aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen selbst deutscher Staatsangehöriger. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Sache „Zambrano“ (C-34/09) erwächst den drittstaatsangehörigen Eltern eines minderjährigen Kindes, das - wie im Falle eines deutschen Kindes - Unionsbürger ist, aus dessen Unionsbürgerschaft ein Aufenthaltsrecht (ohne dass vom Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht worden sein muss), weil im Falle der Verweigerung eines solchen Aufenthaltsrechts im Wohnsitzmitgliedstaat des Kindes dem Kind der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt würde (dasselbe gilt für die Verweigerung einer Arbeitserlaubnis, die zur Unterhaltssicherung erforderlich ist). Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil die Klägerin Inhaberin der Personensorge für das Kind ist und zwischen diesem und dem deutschen Staatsangehörigen, der die Vaterschaft anerkannt hat, keine familiären Beziehungen bestehen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die Sorge und Betreuung durch die Mutter zu ersetzen und dadurch den faktischen Zwang zur Ausreise (auch) des Kindes zu beseitigen. In seiner Entscheidung vom 6. März 2008 (a. a. O.) hat auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Zwangslage erkannt, die für das Kind im Falle einer Aufenthaltsbeendigung der Mutter entstehen würde. In Unkenntnis der erst am 8. März 2011 ergangenen Entscheidung „Zambrano“, die in einem solchen Fall die Erteilung eines Aufenthaltsrechts fordert, hat es jedoch eine Duldung der Mutter zur Vermeidung dieser Zwangslage als ausreichend angesehen (juris Rn. 36 ff.).

Dreh- und Angelpunkt des Aufenthaltsanspruchs der Klägerin ist somit die deutsche Staatsangehörigkeit ihres Kindes. Die Beklagte hat deshalb zunächst eine behördliche Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung beabsichtigt. Bis zum bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013, durch den die Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen einer zu weiten Fassung des Tatbestandes für nichtig erklärt und somit die Möglichkeit einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung beseitigt worden ist, ist eine Vaterschaftsanfechtung jedoch nicht erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber für Vaterschaftsanerkennungen, die gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielen, die Möglichkeit einer Behördenanfechtung vorsehen kann (Rn. 47 bis 51) und der Freistaat Bayern hat beantragt, der Bundesrat möge einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen (BR-Drs. 330/14 vom 13.7.2014). Der Bundesrat hat jedoch am 19. September 2014 beschlossen, einen solchen Gesetzentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen. Die Bundesratsmehrheit ist dabei einer zuvor abgegebenen Stellungnahme der Bundesratsvertretung des Landes Sachsen-Anhalt gefolgt, der zufolge ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht besteht, weil die im Jahr 2008 eingeführte behördliche Vaterschaftsanfechtung in der Praxis nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt habe (Protokoll der 925. Bundesratssitzung, S. 285,302 ff.). Auf die Fragen, ob die Ausländerbehörden in den einschlägigen Fällen andere Wege gegangen sind (etwa den in Nr. 183 der BMI-Hinweise genannten) und ob Fallzahlen aus Zeiträumen, in denen mit einer Behördenanfechtung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen gerechnet werden muss, für eine Abschätzung derjenigen Fallzahlen geeignet sind, zu denen es nach der Beseitigung dieser Anfechtungsmöglichkeit kommt, geht die Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt nicht ein. Sie befasst sich auch nicht mit dem im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 8. November 2006 angegebenen Umfang des Bereichs, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche stattfinden können. Dem Gesetzentwurf zufolge erhielten zwischen dem 1. April 2003 und dem 31. März 2004 insgesamt 1694 unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, aufgrund der Vaterschaftsanerkennung einen Aufenthaltstitel (BT-Drs. 16/3291 S. 2). Für eine erhebliche aufenthaltsrechtliche Relevanz spricht auch die Zahl der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu nachgewiesenen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche, die zur Veröffentlichung gelangt sind (insbesondere OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 1.10.2004 - 2 M 441/04 - InfAuslR 2006, 56; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 6.3.2008, a. a. O.; VG Oldenburg, U. v. 22.4.2009 - 11 A 389/08 - NVwZ-RR 2009,739; OVG NRW, U. v. 23.8.2012, a. a. O.; BVerfG, B. v. 17.12.2013, a. a. O., dessen Sachverhalt im Vorlagebeschluss des AG Hamburg-Altona vom 15.4.2010 < 350 F 118/09, StAZ 2010,306 > ausführlicher dargestellt ist; VG Stuttgart, B. v. 24.7.2014 - 11 K 2149/14; VGH Baden-Württemberg, B. v. 4.11.2014 - 11 S 1886/14 - InfAuslR 2015,45).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) keinen Kostentitel für die Stattgabe einer Prozesskostenhilfe-Beschwerde enthält. Eine Kostenerstattung findet im Beschwerdeverfahren nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO). Aus den vorgenannten Gründen bedarf es auch keiner Festsetzung eines Streitwertes.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2014 - 1 K 1465/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.08.2014 hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass vorläufig eine Abschiebung auf der Grundlage der Verfügung vom 26.03.2014 nicht durchgeführt werden darf. In dem am 02.04.2014 zugestellten Bescheid, gegen den der Antragsteller am 02.05.2014 Widerspruch eingelegt hat, hat die Antragsgegnerin die Rücknahme der am 19.06.2006 von der Ausländerbehörde P... erteilten und bis 18.06.2007 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sowie der am 19.06.2007 bis 18.06.2009 von der Ausländerbehörde W... verlängerten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und der am 11.05.2009 von der Ausländerbehörde A...-W... verlängerten und bis zum 11.05.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt (Ziffer 1), den Antrag vom 05.05.2011 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 2) und dem Antragsteller die Abschiebung nach Vietnam angedroht (vgl. näher Ziffern 3 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO als statthaft angesehen, weil der eigentlich rechtzeitig unter der Geltung der Aufenthaltserlaubnis vom 11.05.2009 gestellte Verlängerungsantrag aufgrund deren wirksamer Rücknahme (ex tunc) nicht die Fiktionen des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG habe auslösen können und daher vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht komme.
Der am 05.05.2011 gestellte Verlängerungsantrag hat an sich die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Mit der Ablehnung dieses Antrags in Ziffer 2 der Verfügung der Antragsgegnerin ist die infolge der Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung erloschen. Da zugleich in dem Bescheid die Rücknahme der bisher bestehenden Aufenthaltserlaubnisse mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt worden ist, könnte damit - selbst wenn wie hier ein Sofortvollzug der Rücknahme nicht angeordnet worden ist - aufgrund der Wirksamkeit der Rücknahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nachträglich die Grundlage der Fortgeltungsfiktion entfallen sein. Ob in einer solchen Konstellation vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (so BremOVG, Beschluss vom 22.11.2010 - 1 B 154/10 - juris Rn. 13) oder nach § 123 VwGO (so etwa SächsOVG, Beschluss vom 18.11.2013 - 3 B 331/13 - juris Rn. 5; GK-AufenthG, § 81 Rn. 61 f.) zu gewähren ist und ob es bei der Frage nach dem statthaften Rechtsschutz ggfs. eine Rolle spielen kann, dass die Geltungsdauer der zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnisse bei Erlass des angefochtenen Bescheids längst abgelaufen und die Ausreisepflicht daher nicht unmittelbar durch deren Rücknahme, sondern durch die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgelöst worden ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Denn unabhängig davon, ob das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu prüfen ist, was vom Antragsteller im Haupt- und Hilfsverhältnis jeweils beantragt ist, hat der Antrag bei jeder möglichen Betrachtung in der Sache keinen Erfolg. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die Gerichte gehalten sind, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen und die im Einzelfall gebotene Prüfungsintensität ggfs. auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewährleisten ist (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.09.2014 - 1 BvR 23/14 - juris Rn. 23 f.; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 80 ff. Rn. 3).
Ausgehend hiervon und mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, wonach das Beschwerdegericht bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe prüft, sind die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und die Androhung der Abschiebung nach Vietnam mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.03.2014 voraussichtlich nicht zu beanstanden.
I.
Der am 05.05.2011 beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dürfte der Versagungsgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegenstehen (1.). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Vorausaussetzungen für eine Titelerteilung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG tatbestandlich vorliegen (2.).
1. Nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird der Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Von dieser Vorschrift werden nicht nur sog. Scheinehen und Zweckadoptionen erfasst, sondern auch Scheinvaterschaften, bei denen der ausschließliche Zweck der Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB darin besteht, dem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller die Vaterschaft für das am 05.10.2003 geborene deutsche Kind I... H. mittlerweile wirksam anerkannt hat (§§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB). Die am 11.01.2006 ausgestellte Geburtsurkunde des Standesamts S... weist ihn als Vater aus. Die Vaterschaftsanerkennung begründet unabhängig von der biologischen Erzeugerschaft oder der tatsächlichen familiären Lebenssituation die rechtliche Vaterschaft (Pelzer, Keine Vaterschaftsanfechtung mehr durch Behörden, NVwZ 2014, 700). Die Aufzählung der Gründe für die Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1594 ff. BGB sind abschließend, so dass sogar die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit führt (Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1598 Rn. 2; Nickel, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., 2014, § 1598 Rn. 11; OVG LSA, Beschluss vom 25.08.2006 - 2 M 228/06 - juris; OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2007 - 1 Ss 58/07 - juris). Dies gilt selbst dann, wenn mit der Anerkennung der Vaterschaft ausschließlich aufenthaltsrechtliche Zwecke verfolgt werden (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - juris Rn. 10, 15; OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - InfAuslR 2009, 19).
Die elterliche Sorge steht der Kindesmutter S... H. und dem Antragsteller gemeinsam zu. Die entsprechende Sorgerechtserklärung nach § 1626a BGB vom 03.07.2003 enthält zwar zum Zeitpunkt ihrer Abgabe wahrheitswidrig die Angabe, dass Frau H. rechtskräftig geschieden ist, denn tatsächlich ist ihre Ehe mit M... H. erst am 08.06.2004 rechtskräftig geschieden worden. Dies hat jedoch nur dazu geführt, dass die Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1626b Abs. 2 BGB aufgrund der noch bestehenden Ehe der Kindesmutter zunächst schwebend unwirksam gewesen ist (BGH, Beschluss vom 11.02.2004 - XII ZB 158/02 - NJW 2004, 1595). Da jedoch das Scheidungsurteil mittlerweile wirksam geworden und auch die gesetzliche Vaterschaft von M... H. für das Kind I... (§ 1592 Nr. 1 BGB; vgl. insoweit die Geburtsurkunde vom 19.08.2005) zugunsten der Vaterschaftsanerkennung des Antragsteller beseitigt ist, ist jedenfalls ab Januar 2006 von einer rechtsverbindlichen Sorgerechtserklärung auszugehen. Dass der Antragsteller und Frau H. bei Abgabe der Sorgerechtserklärung ebenfalls wahrheitswidrig erklärt haben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben und ein gemeinsames Kind zu erwarten, steht der Gültigkeit der Erklärung nicht entgegen. Durch die Vorschrift des § 1626e BGB werden andere als die in §§ 1626a bis 1626d BGB genannten - und im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Unwirksamkeitsgründe für Sorgerechtserklärungen und Zustimmungen ausgeschlossen (Hamdan, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1626e Rn. 3).
10 
b) Die Vaterschaftsanerkennung und Abgabe der gemeinsamen Sorgerechtserklärung sind in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und der deutschen Kindesmutter allein deshalb erfolgt, um dem Antragsteller zu einem sonst nicht erreichbaren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Der Antragsteller hat sich die Vaterschaft durch eine Zahlung von 5.000 Euro erkauft.
11 
Nach den Feststellungen des Landgerichts D... in dem gegen den Antragsteller ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 27.06.2013 - 11 Ns 150 Js 2709/10 - suchte dieser nach dem negativen Ausgang seines Asylverfahrens im Jahre 2001 und der deswegen drohenden Abschiebung - durch die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen oder die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Kindes - nach Möglichkeiten, um weiter in Deutschland zu verbleiben. Über einen Landsmann stellte er den Kontakt zu S... H. her. Dieser kannte H... W., den damaligen Lebensgefährten vom S... H. Mit seinem Landsmann suchte er in Bad Sch... H... W. auf, der zu diesem Zeitpunkt wusste, dass man damit Geld in einer nicht unbeträchtlichen Höhe erzielen kann. Nach den Vorstellungen des Antragstellers wollte er mit S... H. eine Ehe eingehen. Weil S... H. zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, konnte dieses Vorhaben nicht zeitnah realisiert werden. Als bei S... H. eine Schwangerschaft eintrat, wobei H... W. der biologische Vater war, vereinbarte der Antragsteller mit S... H., dass er die Vaterschaft für das noch ungeborene Kind anerkennt, um so legal weiter in Deutschland bleiben zu können. Im Gegenzug wollte der Antragsteller 5.000 Euro an S... H. zahlen. Entsprechend dem Vorhaben besorgte der Antragsteller für den 03.07.2003 einen Termin für die Abgabe einer Sorgerechtserklärung. Schon bei der Abgabe der Sorgerechtserklärung wussten S... H. und der Antragsteller, dass diese nicht ernst gemeint ist, sondern allein dazu diente, sie bei Behörden vorzulegen und so ein Bleiberecht für den Antragsteller zu erzwingen (vgl. im Einzelnen Bl. 2 bis 4 Strafurteils).
12 
Dass Frau H. und der Antragsteller nie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, „sie nichts miteinander hatten, die Beziehung rein geschäftlich war und sie die versprochenen 5.000 Euro bar gekriegt hat“, folgt auch aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 über ihre Vernehmung als Zeugin.
13 
Es gibt keine durchgreifenden Gründe, weshalb diese strafgerichtlichen Feststellungen, nach denen die Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung durch den Antragsteller tatsächlich gerade und auch nur auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile abzielten, nicht für das ausländerrechtliche Verfahren zugrunde gelegt werden könnten.
14 
Soweit der Antragsteller auf die mit Verfügung der Berichterstatterin vom 14.10.2014 erfolgten Hinweise zu den Feststellungen des Landgerichts D... vorträgt, Frau H. agiere wechselnd, situationsangepasst und erscheine - wie sich aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 25.05.2011 ergebe - nur eingeschränkt in der Lage, ihre prozessualen Rechte wahrzunehmen, fehlt es an einer näheren Darlegung, weshalb dies auch für die zwei Jahre später gewonnenen Erkenntnisse - die Hauptverhandlung des Landgerichts D... war am 27.06.2013 - gelten sollte. Im Übrigen lässt etwa der in der Ausländerakte enthaltene Vermerk einer am Amtsgericht P... tätigen Richterin über ein Gespräch mit Frau H. (Bl. 1651 und Bl. 1633 ff.) zu einer vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter dem Namen von Frau H. vorgelegten Erklärung vom 05.01.2014 erkennen, dass Frau H. durchaus zu einem geordneten Vortrag in der Lage ist. Des Weiteren hat der Antragsteller die strafgerichtlichen Feststellungen zum Kauf der Vaterschaft gegen Geldzahlung nicht durch einen substantiierten eigenen Vortrag im Rahmen der ausländerrechtlichen Verfahren erschüttert. So war schon im Urteil des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 der „Kaufpreis“ von 5.000 Euro enthalten. Die Begründung der Berufung des Antragstellers gegen dieses Strafurteil vom 27.03.2013 (vgl. Bl. 1519 der Behördenakte) und auch die Anwaltsschreiben im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Email vom 24.11.2013 mit Hinweis auf die Urteile des OLG Hamm vom 20.11.2007 und des OLG D... vom 29.06.2012, Bl. 1555 ff. der Behördenakte) stellen diese tatsächliche Feststellung nicht in Frage, sondern greifen mit rechtlicher Argumentation die erfolgte Verurteilung an. Das Landgericht D... hat ihn - nach Einstellung einer gleichgelagerten Tat im Berufungsverfahren - wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er anlässlich der jeweils beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wahrheitswidrige und angeblich von der Kindesmutter herrührende Bestätigungen über die Ausübung der elterlichen Sorge bei der Ausländerbehörde vorgelegt hatte. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verurteilungen seien falsch, weil - wie das OLG Hamm mit Urteil vom 20.11.2007 entschieden habe - das Bürgerliche Gesetzbuch im Vaterschaftsrecht gerade keine Pflicht des Vaters zur Begründung der Lebensgemeinschaft mit dem von ihm anerkannten Kind statuiere. Deshalb könne einem Vater, der keine Lebensgemeinschaft mit dem Kind unterhalte, dies unter strafrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Falsche Erklärungen seien nicht erheblich, da die konstitutive, nicht anfechtbare Vaterschaftsanerkennung allein den Aufenthaltsstatus sichere (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 22). Er habe eine Tat gestanden, die er aus Rechtsgründen gar nicht begangen habe (Email vom 24.11.2013). Diese Argumentation verkennt allerdings die Rechtslage im Aufenthaltsrecht. Der Aufenthalt des Sorge- bzw. Umgangsberechtigten wird nicht deshalb erlaubt, weil er diese familienrechtliche Stellung innehat, sondern nur wenn er diese tatsächlich ausübt (siehe nachfolgend unter 2.). Täuscht der Ausländer hierüber, so erfüllt dieses Verhalten den objektiven Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
15 
Die Ausführungen im Schriftsatz vom 20.10.2014 geben ebenfalls keinen Anlass für eine andere Betrachtung, insbesondere sind in ihnen andere Gründe als die Verschaffung eines Aufenthaltsrechts für die Vaterschaftsanerkennung nicht plausibel dargelegt. Der Antragsteller trägt vor, aus dem Umstand, dass gemäß dem Strafurteil des Landgerichts D... sein Wunsch nach einem Verbleib im Bundesgebiet auslösendes Moment für die Anerkennung der Vaterschaft von I... gewesen sein soll, könne nicht der Schluss gezogen werden, es stehe mit dem im summarischen Verfahren maßgebenden Grad von Gewissheit fest, die Vaterschaft sei ausschließlich zum Zwecke des Familiennachzugs begründet worden. Zweck der Anerkennung sei eben auch gewesen, dass das Kind einen Vater habe, der die Erstausstattung zahle, wofür das Geld auch verwendet worden sei, und dass der Kindesunterhalt gewährleistet sei. Letztlich sei er auch an seinen aufwendigen Bemühungen zu messen, den Umgang mit dem Kind zu stabilisieren. Dass Frau H. die Vaterschaftsanerkennung als eine Art „Patenschaft“ begriffen haben mag (vgl. hierzu den Schriftsatz vom 20.10.2014 sowie die damit indirekt in Bezug genommene Äußerung von Frau H. in der polizeilichen Vernehmung vom 03.06.2010, Bl. 1487 ff. der Behördenakte) und das vom Antragsteller erhaltene Geld zur Finanzierung des Lebensunterhalts auch von I... genommen hat, nimmt der Vaterschaftsanerkennung nicht ihren Charakter als ausschließlich ausländerrechtlich motiviert. So ist im Protokoll über die genannte polizeiliche Vernehmung die Angabe von Frau H. wiedergegeben, sie habe 5.000 Euro als Gegenleistung für die Vaterschaftsanerkennung angeboten bekommen, damit der Antragsteller nicht abgeschoben werde und sie dem aufgrund ihrer beengten finanziellen Verhältnisse als arbeitslose Mutter mehrerer Kinder nicht habe widerstehen können („…So wie das Geld kam, war es auch gleich wieder ausgegeben. Kinder kosten viel Geld. Ich bekam das Geld und es war auch gleich wieder alle….“).
16 
c) § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG schließt einen familienbezogenen Aufenthaltstitel an den Scheinvater im Fall der ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB aus (ebenso OVG R-Pf, Urteil vom 06.03.2008 - 7 A 11276/07 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2009 - 11 A 389/08 - juris; Zeitler, HTK- AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinvaterschaft 07/2014 Nr. 3.2; Hailbronner, AuslR, § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 27 AufenthG, Rn. 50; Welte, AktAR, § 27 AufenthG, Rn. 32s; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts - Fortsetzung -, ZAR 2007, 381 f.; vgl. auch BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, 877), 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG).
17 
aa) Die Regelung wurde durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) eingefügt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift in der 2. Alternative (Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses ausschließlich zu dem Zwecke, dem Nachziehenden Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen) umfasst der Tatbestand die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung (so auch OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - juris und Hofmann/Hoffmann, AuslR 2008, § 27 Rn. 19). Die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses kann auch durch eine Anerkennung der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB erfolgen. Mit dieser Vaterschaftsanerkennung wird der rechtsgeschäftliche Wille bekundet, Vater eines bestimmten Kindes zu sein (näher Palandt, a.a.O., § 1594 Rn. 4). Dass zwischen der gesetzlichen, anerkannten oder gerichtlich festgestellten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 bis 3 BGB) hinsichtlich der Rechtsfolgen für das Kind kein Unterschied besteht, hindert nicht, die rechtsgeschäftliche Begründung der Vaterschaft der ebenfalls durch Willenserklärung begründeten Ehe oder Adoption gleichzustellen.
18 
Die systematische Stellung der Vorschrift spricht ebenfalls für diese Auslegung. Die Regelung ist den konkreten und nach ihren unterschiedlichen Zwecken ausdifferenzierten familiären Aufenthaltstitel (§§ 28 ff. AufenthG) vorangestellt und erhebt damit den Anspruch, für jede Art des Familiennachzugs zu gelten. Auch der Sinn und Zweck der Regelung, nämlich rechtlich wirksame, aber nur zur Erlangung von aufenthaltsrechtlichen Vorteilen eingegangene familiären Beziehungen von Familiennachzug und Aufenthalt im Bundesgebiet generell auszuschließen, gilt für Scheinehen, Zweckadoptionen und Vaterschaftsanerkenntnisse gleichermaßen.
19 
Die ab 28.08.2007 geltende Regelung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist schließlich Ausdruck eines schon zuvor geltenden allgemeinen ausländerrechtlichen Grundsatzes. Auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 setzte der Familiennachzug das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft bzw. die Absicht, eine solche aufzunehmen, voraus (vgl. etwa § 27 Abs. 1 AufenthG i.d.F. vom 01.01.2005 sowie § 17 Abs. 1 AuslG 1990). Es war bereits damals gefestigte Rechtsprechung, dass aufenthaltsrechtliche Ansprüche nicht bestehen, wenn Ehe oder Vaterschaftsanerkennung allein deshalb erfolgen, um dem Ausländer einen ihm sonst verwehrten Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.03.1982 - 1 C 20/81 - juris zur „Scheinehe“ und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.03.2005 - 13 S 3035/04 - juris zur rechtsmissbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung). Die Norm kann daher als besondere Kodifikation eines Missbrauchsgedankens verstanden werden, der sich im Übrigen unmittelbar aus § 27 Abs. 1 AufenthG herleiten ließe. Der Einführung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist eine Signalfunktion beigemessen worden, um das Unrechtsbewusstsein der Betroffenen und das Problembewusstsein der Rechtsanwender zu erhöhen sowie den Anreiz zu verringern, Scheinehen zu schließen oder Scheinverwandtschaftsverhältnisse zu begründen (so ausdrücklich Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, a.a.O., S. 382 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/5498, S. 4 f. vom 25.05.2007 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage).
20 
bb) Soweit eingewandt wird, die Gesetzgebungsgeschichte belege eindeutig, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG sei nur für die Fälle der Scheinehe und Zwangs-adoption geschaffen worden, während das Problem der Vaterschaftsanerkennung allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels (bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit) ausschließlich durch die Gewährung eines behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch gelöst werden sollte und daher die Bestimmung nicht auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung erstreckt werden dürfe, weil dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspreche (OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23; wohl auch OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - juris; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 90 ff.; GK-AufenthG, § 27 Rn. 201; Hofmann/Hoffmann, AuslR, § 27 Rn. 19; vgl. auch Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, ZuwG, 2. Aufl. 2008, § 27 AufenthG Rn. 16 ff.), teilt der Senat diese Auffassung nicht.
21 
Primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Wortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist auch die Grenze der Auslegung. Die Gesetzesbegründung als Argument für die Auslegung eines Gesetzes in einem bestimmten Sinn hat allenfalls dann eine gewisse Berechtigung, wenn sie im Gesetzestext selbst irgendwie zum Ausdruck gelangt (BVerfG, Beschlüsse vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 2 BvL 12 BvL 11/60 - juris Rn. 16 ff; vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - juris Rn. 100; LSG NRW, Beschluss vom 20.11.2013 - L 11 KA 81/13 B ER - juris Rn. 70 f.; Ossenbühl, Staatshaftung bei überlangen Gerichtsverfahren, DVBl 2012, S. 857, 860). Der Wille des Gesetzgebers kann daher nicht alleiniges oder entscheidendes Kriterium der Auslegung sein. Gegenstand der Auslegung durch die Gerichte sind die Gesetze selbst und nicht der wie auch immer manifestierte Wille des Gesetzgebers. Es ist nicht maßgebend, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2001 - 1 BvL 6/01 - juris Rn. 22).
22 
In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union heißt es bzgl. § 27 Abs. 1 a Nr. 1 (BT-Drs. 16/5065, S. 170):
23 
„Durch Absatz 1a Nr. 1 wird ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert. Damit entfällt der Anreiz, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen. Mit dem ausdrücklichen Ausschluss von Zweckadoptionen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts werden zudem Formen des „Handels“ mit Kindern aus Armutsregionen bekämpft. Eine Zweckadoption liegt nicht vor, wenn das Ziel der Adoption das Zusammenleben mit der adoptierenden Familie in einer Eltern-Kind-Beziehung ist und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet günstiger sind als im Herkunftsland eines der Motive, aber nicht das alleinige Motiv der Adoption darstellt. Die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU Nr. L 251 S. 12) eröffnet in Artikel 16 Abs. 2b den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abzulehnen, wenn feststeht, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde oder die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise zu ermöglichen. Die Regelung gilt auch für den Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen, da hier gleichfalls die Gefahr besteht, dass Zweckehen geschlossen werden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfaltet die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung.“
24 
Aus dem Vorstehenden lässt sich schon nicht herleiten, der Gesetzgeber habe nur die Zweckehe und die Zweckadoption dem Ausschlussgrund unterwerfen wollen. Dass Art. 16 Abs. 2d Richtlinie 2003/86/EG genannt worden ist, dient zur Dokumentation ihrer Umsetzung, besagt aber nicht, dass es der Gesetzgeber gerade hierbei belassen wollte. Vielmehr wird die Norm auf den Familiennachzug zu Deutschen erstreckt, der von der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht erfasst wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 -1 C 7.09 - juris Rn. 13). Auch wird nicht der enge Begriff der Adoption verwandt, sondern derjenige des Verwandtschaftsverhältnisses, dem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein umfassenderes Verständnis zugrunde liegt.
25 
Dass der Gesetzgeber das ihm bei der Formulierung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG bekannte Problem einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels ausschließlich durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl S. 313) mit dem in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB normierten behördlichen Anfechtungsrecht lösen wollte, kann nicht angenommen werden. Zwar ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung („Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft“) bereits am 01.09.2006 vorgelegt worden (BRat-Drs. 624/06; vgl. ferner BT-Drs. 16/3291 vom 08.11.2006) und daher im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum 1. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 bekannt gewesen. Auch sind durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl. I S. 313) im Aufenthaltsgesetz Vorschriften in §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 6 sowie § 90 Abs. 5 AufenthG eingefügt bzw. neu gefasst worden, die das der anfechtungsberechtigten Behörde im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeräumte Vaterschaftsanfechtungsrecht ausländerrechtlich flankieren (so OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012, a.a.O.). Weiterhin hat sich die Begründung dieses Gesetzes ausdrücklich mit der aufenthaltsrechtlichen Problemlagen bei der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung befasst (BRat-Drs. 624/06, S. 7, 11 f., 15). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber des 1. Richtlinienumsetzungsgesetzes habe mit Blick auf ein erst noch zu schaffendes zukünftiges behördliches Anfechtungsrecht der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG einen restriktives Anwendungsbereich beigemessen; solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Norm. Davon abgesehen ist der Aspekt des Aufenthaltstitels für Scheinväter nur einer unter mehreren Gesichtspunkten für das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 gewesen. Ausgehend davon, dass das Abstammungsrecht eine grundsätzliche Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtgebieten entfaltet (wie etwa Unterhalts-, Erbrecht, Staatsangehörigkeits-, Ausländer- und Sozialrecht) und daher eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit bedarf, hat der Gesetzgeber im Interesse der Einheit der Rechtsordnung ein behördliches Anfechtungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch konzipiert (BRat-Drs. 624/06, S. 16; Zypries/Cludius, Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln, ZRP 2007, 1, 3), ohne jedoch den Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Satz 4 AufenthG zu verwehren. So lässt sich § 79 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz AufenthG entnehmen, dass im Fall einer Vaterschaftsanfechtung das Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht auszusetzen ist, wenn über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden kann. Dass nach der gesetzgeberischen Konzeption die sich spezifisch aufenthaltsrechtlich stellende Problematik der missbräuchlichen Scheinvaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB ausschließlich familienrechtlich gelöst werden sollte, lässt sich daher nicht belegen.
26 
Selbst wenn man ungeachtet dessen unterstellen würde, es wäre der (objektivierte) Wille des Gesetzgebers gewesen, das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltsrechts (allein) durch die Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen, so kommt dem keine Bedeutung mehr zu, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - die Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 16 Abs. 1, gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1, gegen Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und gegen Art. 6 Abs. 1 GG festgestellt hat. Ein Gesetz bzw. eine Gesetzesbegründung, die übergeordneten Rechtsnormen widerspricht, kann kein Argument für die Auslegung eines anderen Gesetzes sein.
27 
cc) Ob eine ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung einen familienbezogenen Aufenthaltstitel auf Dauer ausschließt oder ob ein solcher dennoch in Betracht kommt, wenn sich ungeachtet der einmal erkauften Vaterschaft tatsächlich eine gelebte Vater-Kind-Beziehung entwickelt hat und vorliegt, bedarf im konkreten Fall mangels Entscheidungserheblichkeit keiner näheren Prüfung.
28 
Würde man der Vorschrift (auch) einen aufenthaltsrechtlichen Sanktionscharakter beimessen, könnte der Scheinvater dauerhaft von einem Titel auszuschließen sein. Die Überlegung, dass in einer solchen Konstellation der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch ist (vgl. hier BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 103) und - ausnahmsweise - erfolgten väterlichen Hinwendungen aufenthaltsrechtlich ggfs. allein durch eine Duldung nach § 60a AufenthG noch hinreichend entsprochen werden könnte, könnte ebenfalls anzuführen sein. Allerdings dürfte die Norm auch als reine Missbrauchsregelung begriffen werden können. Ist der Missbrauch quasi entfallen, könnte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. den durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechten auch eine restriktive Anwendung der Vorschrift gebieten - mit der Folge, dass bei einer im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden und dem sozial Üblichen entsprechenden Vater-Kind-Beziehung die Erteilung eines familienbezogenen Aufenthaltstitels in Betracht käme. Welchen Charakter die Norm aufweist, kann hier offen bleiben, denn es fehlt an einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung (siehe dazu nachfolgend 2.).
29 
2. Für die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist allein das Vorliegen einer Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB mit den sich daraus ergebenden (unterhalts-) rechtlichen Pflichten nicht ausreichend. Da die familienbezogene Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung und Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet dient (§ 27 Abs. 1 AufenthG), bedarf es einer schon vorliegenden oder jedenfalls beabsichtigten und alsbald tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft zwischen dem Kind und dem Elternteil, der ein auf die Personensorge gestütztes Aufenthaltsrecht beansprucht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 02.09.2010 - 1 B 18/10 - juris Rn. 5 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 - juris Rn. 23; GK-AufenthG, § 28 Rn. 93 ff.; Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 Rn. 18 ff.).
30 
Ob im konkreten Fall eine familiäre Lebensgemeinschaft anzunehmen ist, ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG zu bestimmen (vgl. insb. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14 ff., vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 28 ff. und vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16 ff.). Die maßgebenden allgemeinen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt (BA S. 5 bis einschl. 1. Absatz S. 6). Hierauf nimmt der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.
31 
Schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist derzeit nicht ersichtlich, dass zwischen ihm und I... ein Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten besteht, der zumindest dem entspricht, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist (etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.12.2008, a.a.O., Rn. 35; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 59). Der Senat hat dabei eingestellt, dass die Art und Weise, wie Eltern ihren Pflichten gegenüber ihrem Kind nachkommen und die Beziehung zu ihm gestalten, grundsätzlich allein von diesen selbst bestimmt und organisiert wird und es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft verbietet, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen familiärer Beziehungen zu formulieren (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.05.2013 - 1 B 25/12 - juris Rn. 4). Es stellt prinzipiell eine durch Art. 6 GG gedeckte Entscheidung dar, wenn die Eltern das Leben des Kindes so regeln, dass es bei der Mutter lebt, und die typischen bei einem Kind erforderlichen Betreuungsleistungen und Erziehungsaufgaben von ihr erbracht werden. Soweit seit Jahren zwischen dem Wohnort des Kindes in P... und demjenigen des Antragstellers mehrere hundert Kilometer liegen, entspricht dies einer sozialen Realität, wie sie in der Lebenslage nichtehelicher Väter bzw. Kinder anzutreffen ist. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller aufgrund einer freiwilligen Entscheidung, die nach seinem Vortrag zur Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt erfolgt ist, diese räumliche Distanz aufgebaut hat, ist als solches kein Kriterium, das von vornherein einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung entgegenstehen würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Antragsteller aufgrund seiner im Jahre 2008 erfolgten Heirat mit einer vietnamesischen Staatsangehörigen und der Geburt der gemeinsamen Tochter am 14.12.2008 nunmehr in seiner eigenen Familie lebt.
32 
Besteht zwischen dem nichtehelichen Vater und seinem Kind keine häusliche Gemeinschaft, bedarf es allerdings eines konkreten Vortrags, aus dem sich eine tatsächliche hinreichend intensive Anteilnahme des Vaters am Leben und Aufwachsen des Kindes ergibt. Das Verwaltungsgericht hat mit detaillierter Begründung ausgeführt, weshalb von regelmäßigen Kontakten des Antragstellers mit I..., die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen oder Teil einer emotionalen Verbundenheit zwischen Vater und Sohn sind, nicht ausgegangen werden kann. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Sichtweise.
33 
Der Antragsteller trägt in der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 vor, es habe Telefonkontakte am 19. September 2013, 17. November 2013, ca. 21. Dezember 2013, am 02.,15. und 26. Februar 2014 sowie am 19. und 26. April 2014, 25. Juni und 25. August 2014 gegeben. Es fehlt allerdings ein dem Antragsteller nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegender substantiierter Vortrag, dass dies überhaupt (längere) Kommunikationen zwischen Vater und Sohn gewesen sind und was ggfs. hierbei besprochen worden ist. Möglicherweise handelt es sich dabei nur jeweils um Kurznachrichten per sms, wie sie auf Seite 7 der Beschwerdebegründung aufgeführt sind. Aus diesen Kurznachrichten - wie etwa derjenigen vom 17.11.2013 mit dem Wortlaut „bei meiner Tochter“, oder derjenigen vom 15.02.2014 „hab eine Jacke für M... kann ich 16 Uhr kommen“ oder derjenigen vom 19.04.2014 „morgen bin ich zu Hause“ - lässt sich schon nicht ersehen, dass diese tatsächlich mit dem Sohn gewechselt worden sind, geschweige denn belegen sie eine hinreichend intensive Anteilnahme am Aufwachsen und den emotionalen Bedürfnissen des Sohnes. Auch aus der Nennung von „Tagen mit Papierbelegen“ folgt nichts anderes. Der Antragsteller gibt der Sache nach an, persönlichen Kontakt mit dem Kind zuletzt an folgenden Tagen gehabt zu haben – und zwar im Jahre 2013: 18. und 19. September, 3. Oktober, 16. November, 8. Dezember und im Jahre 2014: 5. Januar, 7. und 16. Februar, 23. März, 26. April, 16. und 22. Mai sowie 26. Juli. Hierzu werden Tankbelege (vom 22.06.2014 in P..., vom 16.05.2014 und 23.03.2014 in R... und vom 08.12.2013 in W...) und Fahrkarten beigefügt. Allerdings sind nur diejenigen vom 16.02.2014 und 20.09.2014 für die Strecke P... - M... ausgestellt. Die übrigen Fahrkarten betreffen die Strecken M... - D... oder M... - Bad Sch..., wobei D... bzw. Bad Sch... jeweils etwa 20 km von P... entfernt sind. Weder mit der Nennung von Daten noch mit „Papierbelegen“ wird aber hinreichend dargetan, dass es tatsächlich zu Treffen zwischen dem Antragsteller und seinem in P... lebenden Sohn gekommen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung meint, das Verwaltungsgericht mache es sich mit der Bemerkung, die Bewandtnis der Zugtickets bleibe unklar, zu leicht und es spreche lebensnah wenig für die Annahme, er fahre lediglich zur Vorspiegelung von Kontakten zwischen beiden Orten hin- und her, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsteller hat viele Jahre in Sachsen gelebt, so etwa von 2001 bis 2005 in P... Dass Fahrten nach Sachsen auch aus anderen Gründen als zur Kontaktpflege mit dem Sohn erfolgen können, ist daher durchaus nicht von der Hand zu weisen - zumal auch im Beschwerdeverfahren jegliche Schilderungen, wie Kontakte zwischen Vater und Sohn ablaufen, was besprochen oder wie Zeit miteinander verbracht wird, fehlen. Über den Sohn wird seitens des Antragstellers nichts konkretes berichtet, außer dass er „nach Aktenlage geistig behindert“ sei. Abgesehen davon ist im Übrigen auch schon die Angabe der Kontakte im Jahre 2013 und 2014 so nicht schlüssig, da der Antragsteller in dem Antrag an das Amtsgericht - Familiengericht - P... vom 22.09.2014, mit dem er einen Umgang mit I... jeweils samstags von 11 Uhr bis 19 Uhr im vierzehntägigen Turnus begehrt, vortragen lässt, die Kindesmutter verwehre ihm den Umgang mit dem Kinde seit 2012 ganz.
34 
Zwar hat das OVG B... mit Beschluss vom 19.05.2005 die Abschiebung des Antragsteller ausgesetzt und seinerzeit eine schützenswerte familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn angenommen. Daraus kann der Antragsteller aber schon deshalb nichts für sich herleiten, weil heute die Tatsachengrundlage eine völlig andere ist.
35 
Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, der derzeitige Zustand, bei dem Unterhalt geleistet werde und überhaupt ein rechtlicher Vater mit den sich aus dem Familienrecht ergebenden Pflichten für das Kind existiere, entspreche dem Kindeswohl und gebiete, da eine Anfechtung seiner Vaterschaft zu keinem Zeitpunkt in die Wege geleitet worden sei, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, verkennt er, dass allein die rechtliche Stellung als Vater nicht ausreichend ist und - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allein geleistete Unterhaltszahlungen nicht für die Annahme einer schutzwürdigen familiären Beziehung genügen.
36 
3. Auf die Frage der Ausweisungsgründe - der Antragsteller hat am 15.01.2014 erneut eine nicht von Frau H. stammende Erklärung der Ausländerbehörde zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgelegt, weswegen gegen ihn ein nicht rechtskräftiger Strafbefehl wegen Urkundenfälschung ergangen ist - kommt es nicht mehr an.
II.
37 
Sollte der Antragsteller - worauf die Ausführungen auf S. 10 der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 hindeuten - der Auffassung sein, ihm stehe hilfsweise eine Duldung zu, so ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht gestellt worden. Abgesehen davon wäre für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO) und damit das Land Baden-Württemberg richtiger Antragsgegner. Eine Erweiterung oder Änderung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist nach § 146 Abs. 4 VwGO aber grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, § 146 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2013 - 11 S 785/13 - juris und vom 04.08.2010 - 11 S 1376/10 - juris).
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 5. März 2015 wird der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und Rechtsanwalt Becker, Nürnberg, beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für den Antrag der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für ihr deutsches Kind ist begründet, denn die im Sinne der Prozesskostenhilferegelungen bedürftige Klägerin hat mit ihrer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO (die Aufenthaltserlaubnis darf zwar nicht - wie beantragt - auch für Zeiträume erteilt werden, in denen ein entsprechender Antrag noch nicht vorgelegen hat, jedoch hat die insoweit anzunehmende Erfolglosigkeit im Falle eines ansonsten bestehenden Anspruchs keine tatsächliche Bedeutung). Erfolgsaussichten im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO liegen bereits dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht; hierzu genügt bereits eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.

Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin (vietnamesische Staatsangehörige), für deren im Jahr 2006 geborenes Kind ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft anerkannt hat, stehe die Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegen (Ablehnung des Familiennachzugs, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet worden sind, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen). Nach Auffassung des Senats ist die Bestimmung jedoch nicht anwendbar. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Überzeugungsbildung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts dem erhöhten Überzeugungsmaßstab für das Vorliegen des Versagungsgrundes genügt, dessen Beachtung die Bestimmung mit der Formulierung „feststehen“ fordert.

Die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt durch einen Deutschen - mit der Wirkung, dass das Kind deutscher Staatsangehöriger wird - findet in der Bestimmung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Erwähnung. Die Bestimmung befasst sich nach ihrem Wortlaut nicht mit jedwedem aufenthaltsrechtlichen Missbrauch von Familienrechtsinstituten, sondern betrifft Ehen und Verwandtschaftsverhältnisse, durch die Nachziehenden grundsätzlich die Einreise in das und der Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wird. Sie regelt Ausnahmefälle, in denen der Nachzug nicht erlaubt wird. Vorliegend wird der Nachziehenden (der Klägerin) der Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch nicht durch eine Ehe und auch nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - durch die Anerkennung ihres Kindes seitens eines deutschen Staatsangehörigen ermöglicht, sondern durch die Tatsache der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes, deren aufenthaltsrechtliche Wirkungen - anders als es bei den aufenthaltsrechtlichen Wirkungen von Ehe und Verwandtschaft der Fall ist - vom Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft o.ä. nicht abhängen. Der vorliegende Fall wird somit von der Bestimmung nicht erfasst. Dieses Ergebnis wird durch die Begründung des Entwurfs des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970, mit Wirkung vom 28.8.2007) bestätigt, durch das der Absatz 1a in die Bestimmung des § 27 AufenthG eingefügt worden ist. Die Entwurfsbegründung erwähnt lediglich die Zweckehe und die Zweckadoption als Ziel der Neuregelung, nicht aber eine „Zweckanerkennung“ (BT-Drs. 16/5065 S. 170). Das Verwaltungsgericht stützt seine gegenteilige Auffassung zwar auf entsprechende Ausführungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 2008 (7 A 11276/07 - AuAS 2008,194, juris Rn. 28 ff.); auch diese sind jedoch nicht überzeugend. Die Entscheidung vom 6. März 2008 nimmt Bezug auf die Hinweise des Bundesministerium des Inneren vom 2. Oktober 2007 zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 (BMI-Hinweise). Diese gehen zwar davon aus, die Neuregelung erfasse auch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen (S. 47/48 Rn. 183), begründen diese Auffassung jedoch nicht anhand des Gesetzes. Den Ausführungen unter Rn. 184 der BMI-Hinweise ist zu entnehmen, dass die in Rn. 183 geäußerte Auffassung in Zusammenhang mit dem Umstand steht, dass sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur behördlichen Anfechtung von Scheinvaterschaften bereits im Gesetzgebungsverfahren befunden hat (Gesetz v. 13.3.2008, BGBl I S. 313, m.W. v. 1.6.2008). Diese Überschneidung rechtfertigt jedoch keine Auslegung des § 27 Abs. 1a AufenthG über den klaren Wortlaut hinaus. Sie spricht eher gegen eine solche erweiternde Auslegung, weil es bei deren Richtigkeit nicht erforderlich gewesen wäre, eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft zu ermöglichen (vgl. OVG NRW, U. v. 23.8.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23, juris Rn. 49 ff.). Im Übrigen besteht der genannte Zusammenhang nicht mehr, so dass es nunmehr an jeglicher Grundlage für die in Rn. 183 der BMI-Hinweise geäußerte Auffassung fehlt. Die am 1. Juni 2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB betreffend eine behördliche Anfechtung von Vaterschaften ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 (1 BvL 6/10 - BGBl 2014 I S. 110) für nichtig erklärt worden. Weiterhin stützt sich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auf eine entsprechende Äußerung in der Darstellung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 von Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner (ZAR 2007,381). Jedoch wird auch hier die Auffassung, Vaterschaftsanerkennungen unterfielen der Regelung des § 27 Abs. 1a AufenthG, auf den von den BMI-Hinweisen angenommenen Zusammenhang gestützt (Fußnote 2 zu ZAR 2007,381), der jedenfalls jetzt nicht mehr besteht.

Schließlich wäre die Bestimmung des § 27 Abs. 1a AufenthG vorliegend selbst dann unanwendbar, wenn sie die vom Verwaltungsgericht angenommene Bedeutung hätte. Das am 6. September 2006 geborene Kind der Klägerin ist aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen selbst deutscher Staatsangehöriger. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Sache „Zambrano“ (C-34/09) erwächst den drittstaatsangehörigen Eltern eines minderjährigen Kindes, das - wie im Falle eines deutschen Kindes - Unionsbürger ist, aus dessen Unionsbürgerschaft ein Aufenthaltsrecht (ohne dass vom Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht worden sein muss), weil im Falle der Verweigerung eines solchen Aufenthaltsrechts im Wohnsitzmitgliedstaat des Kindes dem Kind der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt würde (dasselbe gilt für die Verweigerung einer Arbeitserlaubnis, die zur Unterhaltssicherung erforderlich ist). Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil die Klägerin Inhaberin der Personensorge für das Kind ist und zwischen diesem und dem deutschen Staatsangehörigen, der die Vaterschaft anerkannt hat, keine familiären Beziehungen bestehen, die nach Art und Umfang geeignet sind, die Sorge und Betreuung durch die Mutter zu ersetzen und dadurch den faktischen Zwang zur Ausreise (auch) des Kindes zu beseitigen. In seiner Entscheidung vom 6. März 2008 (a. a. O.) hat auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Zwangslage erkannt, die für das Kind im Falle einer Aufenthaltsbeendigung der Mutter entstehen würde. In Unkenntnis der erst am 8. März 2011 ergangenen Entscheidung „Zambrano“, die in einem solchen Fall die Erteilung eines Aufenthaltsrechts fordert, hat es jedoch eine Duldung der Mutter zur Vermeidung dieser Zwangslage als ausreichend angesehen (juris Rn. 36 ff.).

Dreh- und Angelpunkt des Aufenthaltsanspruchs der Klägerin ist somit die deutsche Staatsangehörigkeit ihres Kindes. Die Beklagte hat deshalb zunächst eine behördliche Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung beabsichtigt. Bis zum bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013, durch den die Bestimmung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen einer zu weiten Fassung des Tatbestandes für nichtig erklärt und somit die Möglichkeit einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung beseitigt worden ist, ist eine Vaterschaftsanfechtung jedoch nicht erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber für Vaterschaftsanerkennungen, die gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielen, die Möglichkeit einer Behördenanfechtung vorsehen kann (Rn. 47 bis 51) und der Freistaat Bayern hat beantragt, der Bundesrat möge einen entsprechenden Gesetzentwurf beschließen (BR-Drs. 330/14 vom 13.7.2014). Der Bundesrat hat jedoch am 19. September 2014 beschlossen, einen solchen Gesetzentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen. Die Bundesratsmehrheit ist dabei einer zuvor abgegebenen Stellungnahme der Bundesratsvertretung des Landes Sachsen-Anhalt gefolgt, der zufolge ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht besteht, weil die im Jahr 2008 eingeführte behördliche Vaterschaftsanfechtung in der Praxis nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt habe (Protokoll der 925. Bundesratssitzung, S. 285,302 ff.). Auf die Fragen, ob die Ausländerbehörden in den einschlägigen Fällen andere Wege gegangen sind (etwa den in Nr. 183 der BMI-Hinweise genannten) und ob Fallzahlen aus Zeiträumen, in denen mit einer Behördenanfechtung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen gerechnet werden muss, für eine Abschätzung derjenigen Fallzahlen geeignet sind, zu denen es nach der Beseitigung dieser Anfechtungsmöglichkeit kommt, geht die Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt nicht ein. Sie befasst sich auch nicht mit dem im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 8. November 2006 angegebenen Umfang des Bereichs, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche stattfinden können. Dem Gesetzentwurf zufolge erhielten zwischen dem 1. April 2003 und dem 31. März 2004 insgesamt 1694 unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, aufgrund der Vaterschaftsanerkennung einen Aufenthaltstitel (BT-Drs. 16/3291 S. 2). Für eine erhebliche aufenthaltsrechtliche Relevanz spricht auch die Zahl der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu nachgewiesenen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen durch Deutsche, die zur Veröffentlichung gelangt sind (insbesondere OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 1.10.2004 - 2 M 441/04 - InfAuslR 2006, 56; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 6.3.2008, a. a. O.; VG Oldenburg, U. v. 22.4.2009 - 11 A 389/08 - NVwZ-RR 2009,739; OVG NRW, U. v. 23.8.2012, a. a. O.; BVerfG, B. v. 17.12.2013, a. a. O., dessen Sachverhalt im Vorlagebeschluss des AG Hamburg-Altona vom 15.4.2010 < 350 F 118/09, StAZ 2010,306 > ausführlicher dargestellt ist; VG Stuttgart, B. v. 24.7.2014 - 11 K 2149/14; VGH Baden-Württemberg, B. v. 4.11.2014 - 11 S 1886/14 - InfAuslR 2015,45).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) keinen Kostentitel für die Stattgabe einer Prozesskostenhilfe-Beschwerde enthält. Eine Kostenerstattung findet im Beschwerdeverfahren nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO). Aus den vorgenannten Gründen bedarf es auch keiner Festsetzung eines Streitwertes.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2014 - 1 K 1465/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.08.2014 hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass vorläufig eine Abschiebung auf der Grundlage der Verfügung vom 26.03.2014 nicht durchgeführt werden darf. In dem am 02.04.2014 zugestellten Bescheid, gegen den der Antragsteller am 02.05.2014 Widerspruch eingelegt hat, hat die Antragsgegnerin die Rücknahme der am 19.06.2006 von der Ausländerbehörde P... erteilten und bis 18.06.2007 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sowie der am 19.06.2007 bis 18.06.2009 von der Ausländerbehörde W... verlängerten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und der am 11.05.2009 von der Ausländerbehörde A...-W... verlängerten und bis zum 11.05.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt (Ziffer 1), den Antrag vom 05.05.2011 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 2) und dem Antragsteller die Abschiebung nach Vietnam angedroht (vgl. näher Ziffern 3 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO als statthaft angesehen, weil der eigentlich rechtzeitig unter der Geltung der Aufenthaltserlaubnis vom 11.05.2009 gestellte Verlängerungsantrag aufgrund deren wirksamer Rücknahme (ex tunc) nicht die Fiktionen des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG habe auslösen können und daher vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht komme.
Der am 05.05.2011 gestellte Verlängerungsantrag hat an sich die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Mit der Ablehnung dieses Antrags in Ziffer 2 der Verfügung der Antragsgegnerin ist die infolge der Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung erloschen. Da zugleich in dem Bescheid die Rücknahme der bisher bestehenden Aufenthaltserlaubnisse mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt worden ist, könnte damit - selbst wenn wie hier ein Sofortvollzug der Rücknahme nicht angeordnet worden ist - aufgrund der Wirksamkeit der Rücknahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nachträglich die Grundlage der Fortgeltungsfiktion entfallen sein. Ob in einer solchen Konstellation vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (so BremOVG, Beschluss vom 22.11.2010 - 1 B 154/10 - juris Rn. 13) oder nach § 123 VwGO (so etwa SächsOVG, Beschluss vom 18.11.2013 - 3 B 331/13 - juris Rn. 5; GK-AufenthG, § 81 Rn. 61 f.) zu gewähren ist und ob es bei der Frage nach dem statthaften Rechtsschutz ggfs. eine Rolle spielen kann, dass die Geltungsdauer der zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnisse bei Erlass des angefochtenen Bescheids längst abgelaufen und die Ausreisepflicht daher nicht unmittelbar durch deren Rücknahme, sondern durch die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgelöst worden ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Denn unabhängig davon, ob das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu prüfen ist, was vom Antragsteller im Haupt- und Hilfsverhältnis jeweils beantragt ist, hat der Antrag bei jeder möglichen Betrachtung in der Sache keinen Erfolg. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die Gerichte gehalten sind, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen und die im Einzelfall gebotene Prüfungsintensität ggfs. auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewährleisten ist (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.09.2014 - 1 BvR 23/14 - juris Rn. 23 f.; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 80 ff. Rn. 3).
Ausgehend hiervon und mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, wonach das Beschwerdegericht bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe prüft, sind die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und die Androhung der Abschiebung nach Vietnam mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.03.2014 voraussichtlich nicht zu beanstanden.
I.
Der am 05.05.2011 beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dürfte der Versagungsgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegenstehen (1.). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Vorausaussetzungen für eine Titelerteilung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG tatbestandlich vorliegen (2.).
1. Nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird der Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Von dieser Vorschrift werden nicht nur sog. Scheinehen und Zweckadoptionen erfasst, sondern auch Scheinvaterschaften, bei denen der ausschließliche Zweck der Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB darin besteht, dem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller die Vaterschaft für das am 05.10.2003 geborene deutsche Kind I... H. mittlerweile wirksam anerkannt hat (§§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB). Die am 11.01.2006 ausgestellte Geburtsurkunde des Standesamts S... weist ihn als Vater aus. Die Vaterschaftsanerkennung begründet unabhängig von der biologischen Erzeugerschaft oder der tatsächlichen familiären Lebenssituation die rechtliche Vaterschaft (Pelzer, Keine Vaterschaftsanfechtung mehr durch Behörden, NVwZ 2014, 700). Die Aufzählung der Gründe für die Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1594 ff. BGB sind abschließend, so dass sogar die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit führt (Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1598 Rn. 2; Nickel, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., 2014, § 1598 Rn. 11; OVG LSA, Beschluss vom 25.08.2006 - 2 M 228/06 - juris; OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2007 - 1 Ss 58/07 - juris). Dies gilt selbst dann, wenn mit der Anerkennung der Vaterschaft ausschließlich aufenthaltsrechtliche Zwecke verfolgt werden (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - juris Rn. 10, 15; OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - InfAuslR 2009, 19).
Die elterliche Sorge steht der Kindesmutter S... H. und dem Antragsteller gemeinsam zu. Die entsprechende Sorgerechtserklärung nach § 1626a BGB vom 03.07.2003 enthält zwar zum Zeitpunkt ihrer Abgabe wahrheitswidrig die Angabe, dass Frau H. rechtskräftig geschieden ist, denn tatsächlich ist ihre Ehe mit M... H. erst am 08.06.2004 rechtskräftig geschieden worden. Dies hat jedoch nur dazu geführt, dass die Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1626b Abs. 2 BGB aufgrund der noch bestehenden Ehe der Kindesmutter zunächst schwebend unwirksam gewesen ist (BGH, Beschluss vom 11.02.2004 - XII ZB 158/02 - NJW 2004, 1595). Da jedoch das Scheidungsurteil mittlerweile wirksam geworden und auch die gesetzliche Vaterschaft von M... H. für das Kind I... (§ 1592 Nr. 1 BGB; vgl. insoweit die Geburtsurkunde vom 19.08.2005) zugunsten der Vaterschaftsanerkennung des Antragsteller beseitigt ist, ist jedenfalls ab Januar 2006 von einer rechtsverbindlichen Sorgerechtserklärung auszugehen. Dass der Antragsteller und Frau H. bei Abgabe der Sorgerechtserklärung ebenfalls wahrheitswidrig erklärt haben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben und ein gemeinsames Kind zu erwarten, steht der Gültigkeit der Erklärung nicht entgegen. Durch die Vorschrift des § 1626e BGB werden andere als die in §§ 1626a bis 1626d BGB genannten - und im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Unwirksamkeitsgründe für Sorgerechtserklärungen und Zustimmungen ausgeschlossen (Hamdan, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1626e Rn. 3).
10 
b) Die Vaterschaftsanerkennung und Abgabe der gemeinsamen Sorgerechtserklärung sind in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und der deutschen Kindesmutter allein deshalb erfolgt, um dem Antragsteller zu einem sonst nicht erreichbaren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Der Antragsteller hat sich die Vaterschaft durch eine Zahlung von 5.000 Euro erkauft.
11 
Nach den Feststellungen des Landgerichts D... in dem gegen den Antragsteller ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 27.06.2013 - 11 Ns 150 Js 2709/10 - suchte dieser nach dem negativen Ausgang seines Asylverfahrens im Jahre 2001 und der deswegen drohenden Abschiebung - durch die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen oder die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Kindes - nach Möglichkeiten, um weiter in Deutschland zu verbleiben. Über einen Landsmann stellte er den Kontakt zu S... H. her. Dieser kannte H... W., den damaligen Lebensgefährten vom S... H. Mit seinem Landsmann suchte er in Bad Sch... H... W. auf, der zu diesem Zeitpunkt wusste, dass man damit Geld in einer nicht unbeträchtlichen Höhe erzielen kann. Nach den Vorstellungen des Antragstellers wollte er mit S... H. eine Ehe eingehen. Weil S... H. zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, konnte dieses Vorhaben nicht zeitnah realisiert werden. Als bei S... H. eine Schwangerschaft eintrat, wobei H... W. der biologische Vater war, vereinbarte der Antragsteller mit S... H., dass er die Vaterschaft für das noch ungeborene Kind anerkennt, um so legal weiter in Deutschland bleiben zu können. Im Gegenzug wollte der Antragsteller 5.000 Euro an S... H. zahlen. Entsprechend dem Vorhaben besorgte der Antragsteller für den 03.07.2003 einen Termin für die Abgabe einer Sorgerechtserklärung. Schon bei der Abgabe der Sorgerechtserklärung wussten S... H. und der Antragsteller, dass diese nicht ernst gemeint ist, sondern allein dazu diente, sie bei Behörden vorzulegen und so ein Bleiberecht für den Antragsteller zu erzwingen (vgl. im Einzelnen Bl. 2 bis 4 Strafurteils).
12 
Dass Frau H. und der Antragsteller nie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, „sie nichts miteinander hatten, die Beziehung rein geschäftlich war und sie die versprochenen 5.000 Euro bar gekriegt hat“, folgt auch aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 über ihre Vernehmung als Zeugin.
13 
Es gibt keine durchgreifenden Gründe, weshalb diese strafgerichtlichen Feststellungen, nach denen die Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung durch den Antragsteller tatsächlich gerade und auch nur auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile abzielten, nicht für das ausländerrechtliche Verfahren zugrunde gelegt werden könnten.
14 
Soweit der Antragsteller auf die mit Verfügung der Berichterstatterin vom 14.10.2014 erfolgten Hinweise zu den Feststellungen des Landgerichts D... vorträgt, Frau H. agiere wechselnd, situationsangepasst und erscheine - wie sich aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 25.05.2011 ergebe - nur eingeschränkt in der Lage, ihre prozessualen Rechte wahrzunehmen, fehlt es an einer näheren Darlegung, weshalb dies auch für die zwei Jahre später gewonnenen Erkenntnisse - die Hauptverhandlung des Landgerichts D... war am 27.06.2013 - gelten sollte. Im Übrigen lässt etwa der in der Ausländerakte enthaltene Vermerk einer am Amtsgericht P... tätigen Richterin über ein Gespräch mit Frau H. (Bl. 1651 und Bl. 1633 ff.) zu einer vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter dem Namen von Frau H. vorgelegten Erklärung vom 05.01.2014 erkennen, dass Frau H. durchaus zu einem geordneten Vortrag in der Lage ist. Des Weiteren hat der Antragsteller die strafgerichtlichen Feststellungen zum Kauf der Vaterschaft gegen Geldzahlung nicht durch einen substantiierten eigenen Vortrag im Rahmen der ausländerrechtlichen Verfahren erschüttert. So war schon im Urteil des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 der „Kaufpreis“ von 5.000 Euro enthalten. Die Begründung der Berufung des Antragstellers gegen dieses Strafurteil vom 27.03.2013 (vgl. Bl. 1519 der Behördenakte) und auch die Anwaltsschreiben im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Email vom 24.11.2013 mit Hinweis auf die Urteile des OLG Hamm vom 20.11.2007 und des OLG D... vom 29.06.2012, Bl. 1555 ff. der Behördenakte) stellen diese tatsächliche Feststellung nicht in Frage, sondern greifen mit rechtlicher Argumentation die erfolgte Verurteilung an. Das Landgericht D... hat ihn - nach Einstellung einer gleichgelagerten Tat im Berufungsverfahren - wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er anlässlich der jeweils beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wahrheitswidrige und angeblich von der Kindesmutter herrührende Bestätigungen über die Ausübung der elterlichen Sorge bei der Ausländerbehörde vorgelegt hatte. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verurteilungen seien falsch, weil - wie das OLG Hamm mit Urteil vom 20.11.2007 entschieden habe - das Bürgerliche Gesetzbuch im Vaterschaftsrecht gerade keine Pflicht des Vaters zur Begründung der Lebensgemeinschaft mit dem von ihm anerkannten Kind statuiere. Deshalb könne einem Vater, der keine Lebensgemeinschaft mit dem Kind unterhalte, dies unter strafrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Falsche Erklärungen seien nicht erheblich, da die konstitutive, nicht anfechtbare Vaterschaftsanerkennung allein den Aufenthaltsstatus sichere (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 22). Er habe eine Tat gestanden, die er aus Rechtsgründen gar nicht begangen habe (Email vom 24.11.2013). Diese Argumentation verkennt allerdings die Rechtslage im Aufenthaltsrecht. Der Aufenthalt des Sorge- bzw. Umgangsberechtigten wird nicht deshalb erlaubt, weil er diese familienrechtliche Stellung innehat, sondern nur wenn er diese tatsächlich ausübt (siehe nachfolgend unter 2.). Täuscht der Ausländer hierüber, so erfüllt dieses Verhalten den objektiven Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
15 
Die Ausführungen im Schriftsatz vom 20.10.2014 geben ebenfalls keinen Anlass für eine andere Betrachtung, insbesondere sind in ihnen andere Gründe als die Verschaffung eines Aufenthaltsrechts für die Vaterschaftsanerkennung nicht plausibel dargelegt. Der Antragsteller trägt vor, aus dem Umstand, dass gemäß dem Strafurteil des Landgerichts D... sein Wunsch nach einem Verbleib im Bundesgebiet auslösendes Moment für die Anerkennung der Vaterschaft von I... gewesen sein soll, könne nicht der Schluss gezogen werden, es stehe mit dem im summarischen Verfahren maßgebenden Grad von Gewissheit fest, die Vaterschaft sei ausschließlich zum Zwecke des Familiennachzugs begründet worden. Zweck der Anerkennung sei eben auch gewesen, dass das Kind einen Vater habe, der die Erstausstattung zahle, wofür das Geld auch verwendet worden sei, und dass der Kindesunterhalt gewährleistet sei. Letztlich sei er auch an seinen aufwendigen Bemühungen zu messen, den Umgang mit dem Kind zu stabilisieren. Dass Frau H. die Vaterschaftsanerkennung als eine Art „Patenschaft“ begriffen haben mag (vgl. hierzu den Schriftsatz vom 20.10.2014 sowie die damit indirekt in Bezug genommene Äußerung von Frau H. in der polizeilichen Vernehmung vom 03.06.2010, Bl. 1487 ff. der Behördenakte) und das vom Antragsteller erhaltene Geld zur Finanzierung des Lebensunterhalts auch von I... genommen hat, nimmt der Vaterschaftsanerkennung nicht ihren Charakter als ausschließlich ausländerrechtlich motiviert. So ist im Protokoll über die genannte polizeiliche Vernehmung die Angabe von Frau H. wiedergegeben, sie habe 5.000 Euro als Gegenleistung für die Vaterschaftsanerkennung angeboten bekommen, damit der Antragsteller nicht abgeschoben werde und sie dem aufgrund ihrer beengten finanziellen Verhältnisse als arbeitslose Mutter mehrerer Kinder nicht habe widerstehen können („…So wie das Geld kam, war es auch gleich wieder ausgegeben. Kinder kosten viel Geld. Ich bekam das Geld und es war auch gleich wieder alle….“).
16 
c) § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG schließt einen familienbezogenen Aufenthaltstitel an den Scheinvater im Fall der ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB aus (ebenso OVG R-Pf, Urteil vom 06.03.2008 - 7 A 11276/07 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2009 - 11 A 389/08 - juris; Zeitler, HTK- AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinvaterschaft 07/2014 Nr. 3.2; Hailbronner, AuslR, § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 27 AufenthG, Rn. 50; Welte, AktAR, § 27 AufenthG, Rn. 32s; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts - Fortsetzung -, ZAR 2007, 381 f.; vgl. auch BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, 877), 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG).
17 
aa) Die Regelung wurde durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) eingefügt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift in der 2. Alternative (Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses ausschließlich zu dem Zwecke, dem Nachziehenden Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen) umfasst der Tatbestand die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung (so auch OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - juris und Hofmann/Hoffmann, AuslR 2008, § 27 Rn. 19). Die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses kann auch durch eine Anerkennung der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB erfolgen. Mit dieser Vaterschaftsanerkennung wird der rechtsgeschäftliche Wille bekundet, Vater eines bestimmten Kindes zu sein (näher Palandt, a.a.O., § 1594 Rn. 4). Dass zwischen der gesetzlichen, anerkannten oder gerichtlich festgestellten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 bis 3 BGB) hinsichtlich der Rechtsfolgen für das Kind kein Unterschied besteht, hindert nicht, die rechtsgeschäftliche Begründung der Vaterschaft der ebenfalls durch Willenserklärung begründeten Ehe oder Adoption gleichzustellen.
18 
Die systematische Stellung der Vorschrift spricht ebenfalls für diese Auslegung. Die Regelung ist den konkreten und nach ihren unterschiedlichen Zwecken ausdifferenzierten familiären Aufenthaltstitel (§§ 28 ff. AufenthG) vorangestellt und erhebt damit den Anspruch, für jede Art des Familiennachzugs zu gelten. Auch der Sinn und Zweck der Regelung, nämlich rechtlich wirksame, aber nur zur Erlangung von aufenthaltsrechtlichen Vorteilen eingegangene familiären Beziehungen von Familiennachzug und Aufenthalt im Bundesgebiet generell auszuschließen, gilt für Scheinehen, Zweckadoptionen und Vaterschaftsanerkenntnisse gleichermaßen.
19 
Die ab 28.08.2007 geltende Regelung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist schließlich Ausdruck eines schon zuvor geltenden allgemeinen ausländerrechtlichen Grundsatzes. Auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 setzte der Familiennachzug das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft bzw. die Absicht, eine solche aufzunehmen, voraus (vgl. etwa § 27 Abs. 1 AufenthG i.d.F. vom 01.01.2005 sowie § 17 Abs. 1 AuslG 1990). Es war bereits damals gefestigte Rechtsprechung, dass aufenthaltsrechtliche Ansprüche nicht bestehen, wenn Ehe oder Vaterschaftsanerkennung allein deshalb erfolgen, um dem Ausländer einen ihm sonst verwehrten Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.03.1982 - 1 C 20/81 - juris zur „Scheinehe“ und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.03.2005 - 13 S 3035/04 - juris zur rechtsmissbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung). Die Norm kann daher als besondere Kodifikation eines Missbrauchsgedankens verstanden werden, der sich im Übrigen unmittelbar aus § 27 Abs. 1 AufenthG herleiten ließe. Der Einführung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist eine Signalfunktion beigemessen worden, um das Unrechtsbewusstsein der Betroffenen und das Problembewusstsein der Rechtsanwender zu erhöhen sowie den Anreiz zu verringern, Scheinehen zu schließen oder Scheinverwandtschaftsverhältnisse zu begründen (so ausdrücklich Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, a.a.O., S. 382 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/5498, S. 4 f. vom 25.05.2007 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage).
20 
bb) Soweit eingewandt wird, die Gesetzgebungsgeschichte belege eindeutig, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG sei nur für die Fälle der Scheinehe und Zwangs-adoption geschaffen worden, während das Problem der Vaterschaftsanerkennung allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels (bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit) ausschließlich durch die Gewährung eines behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch gelöst werden sollte und daher die Bestimmung nicht auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung erstreckt werden dürfe, weil dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspreche (OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23; wohl auch OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - juris; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 90 ff.; GK-AufenthG, § 27 Rn. 201; Hofmann/Hoffmann, AuslR, § 27 Rn. 19; vgl. auch Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, ZuwG, 2. Aufl. 2008, § 27 AufenthG Rn. 16 ff.), teilt der Senat diese Auffassung nicht.
21 
Primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Wortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist auch die Grenze der Auslegung. Die Gesetzesbegründung als Argument für die Auslegung eines Gesetzes in einem bestimmten Sinn hat allenfalls dann eine gewisse Berechtigung, wenn sie im Gesetzestext selbst irgendwie zum Ausdruck gelangt (BVerfG, Beschlüsse vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 2 BvL 12 BvL 11/60 - juris Rn. 16 ff; vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - juris Rn. 100; LSG NRW, Beschluss vom 20.11.2013 - L 11 KA 81/13 B ER - juris Rn. 70 f.; Ossenbühl, Staatshaftung bei überlangen Gerichtsverfahren, DVBl 2012, S. 857, 860). Der Wille des Gesetzgebers kann daher nicht alleiniges oder entscheidendes Kriterium der Auslegung sein. Gegenstand der Auslegung durch die Gerichte sind die Gesetze selbst und nicht der wie auch immer manifestierte Wille des Gesetzgebers. Es ist nicht maßgebend, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2001 - 1 BvL 6/01 - juris Rn. 22).
22 
In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union heißt es bzgl. § 27 Abs. 1 a Nr. 1 (BT-Drs. 16/5065, S. 170):
23 
„Durch Absatz 1a Nr. 1 wird ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert. Damit entfällt der Anreiz, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen. Mit dem ausdrücklichen Ausschluss von Zweckadoptionen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts werden zudem Formen des „Handels“ mit Kindern aus Armutsregionen bekämpft. Eine Zweckadoption liegt nicht vor, wenn das Ziel der Adoption das Zusammenleben mit der adoptierenden Familie in einer Eltern-Kind-Beziehung ist und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet günstiger sind als im Herkunftsland eines der Motive, aber nicht das alleinige Motiv der Adoption darstellt. Die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU Nr. L 251 S. 12) eröffnet in Artikel 16 Abs. 2b den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abzulehnen, wenn feststeht, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde oder die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise zu ermöglichen. Die Regelung gilt auch für den Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen, da hier gleichfalls die Gefahr besteht, dass Zweckehen geschlossen werden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfaltet die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung.“
24 
Aus dem Vorstehenden lässt sich schon nicht herleiten, der Gesetzgeber habe nur die Zweckehe und die Zweckadoption dem Ausschlussgrund unterwerfen wollen. Dass Art. 16 Abs. 2d Richtlinie 2003/86/EG genannt worden ist, dient zur Dokumentation ihrer Umsetzung, besagt aber nicht, dass es der Gesetzgeber gerade hierbei belassen wollte. Vielmehr wird die Norm auf den Familiennachzug zu Deutschen erstreckt, der von der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht erfasst wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 -1 C 7.09 - juris Rn. 13). Auch wird nicht der enge Begriff der Adoption verwandt, sondern derjenige des Verwandtschaftsverhältnisses, dem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein umfassenderes Verständnis zugrunde liegt.
25 
Dass der Gesetzgeber das ihm bei der Formulierung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG bekannte Problem einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels ausschließlich durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl S. 313) mit dem in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB normierten behördlichen Anfechtungsrecht lösen wollte, kann nicht angenommen werden. Zwar ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung („Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft“) bereits am 01.09.2006 vorgelegt worden (BRat-Drs. 624/06; vgl. ferner BT-Drs. 16/3291 vom 08.11.2006) und daher im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum 1. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 bekannt gewesen. Auch sind durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl. I S. 313) im Aufenthaltsgesetz Vorschriften in §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 6 sowie § 90 Abs. 5 AufenthG eingefügt bzw. neu gefasst worden, die das der anfechtungsberechtigten Behörde im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeräumte Vaterschaftsanfechtungsrecht ausländerrechtlich flankieren (so OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012, a.a.O.). Weiterhin hat sich die Begründung dieses Gesetzes ausdrücklich mit der aufenthaltsrechtlichen Problemlagen bei der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung befasst (BRat-Drs. 624/06, S. 7, 11 f., 15). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber des 1. Richtlinienumsetzungsgesetzes habe mit Blick auf ein erst noch zu schaffendes zukünftiges behördliches Anfechtungsrecht der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG einen restriktives Anwendungsbereich beigemessen; solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Norm. Davon abgesehen ist der Aspekt des Aufenthaltstitels für Scheinväter nur einer unter mehreren Gesichtspunkten für das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 gewesen. Ausgehend davon, dass das Abstammungsrecht eine grundsätzliche Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtgebieten entfaltet (wie etwa Unterhalts-, Erbrecht, Staatsangehörigkeits-, Ausländer- und Sozialrecht) und daher eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit bedarf, hat der Gesetzgeber im Interesse der Einheit der Rechtsordnung ein behördliches Anfechtungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch konzipiert (BRat-Drs. 624/06, S. 16; Zypries/Cludius, Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln, ZRP 2007, 1, 3), ohne jedoch den Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Satz 4 AufenthG zu verwehren. So lässt sich § 79 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz AufenthG entnehmen, dass im Fall einer Vaterschaftsanfechtung das Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht auszusetzen ist, wenn über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden kann. Dass nach der gesetzgeberischen Konzeption die sich spezifisch aufenthaltsrechtlich stellende Problematik der missbräuchlichen Scheinvaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB ausschließlich familienrechtlich gelöst werden sollte, lässt sich daher nicht belegen.
26 
Selbst wenn man ungeachtet dessen unterstellen würde, es wäre der (objektivierte) Wille des Gesetzgebers gewesen, das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltsrechts (allein) durch die Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen, so kommt dem keine Bedeutung mehr zu, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - die Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 16 Abs. 1, gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1, gegen Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und gegen Art. 6 Abs. 1 GG festgestellt hat. Ein Gesetz bzw. eine Gesetzesbegründung, die übergeordneten Rechtsnormen widerspricht, kann kein Argument für die Auslegung eines anderen Gesetzes sein.
27 
cc) Ob eine ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung einen familienbezogenen Aufenthaltstitel auf Dauer ausschließt oder ob ein solcher dennoch in Betracht kommt, wenn sich ungeachtet der einmal erkauften Vaterschaft tatsächlich eine gelebte Vater-Kind-Beziehung entwickelt hat und vorliegt, bedarf im konkreten Fall mangels Entscheidungserheblichkeit keiner näheren Prüfung.
28 
Würde man der Vorschrift (auch) einen aufenthaltsrechtlichen Sanktionscharakter beimessen, könnte der Scheinvater dauerhaft von einem Titel auszuschließen sein. Die Überlegung, dass in einer solchen Konstellation der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch ist (vgl. hier BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 103) und - ausnahmsweise - erfolgten väterlichen Hinwendungen aufenthaltsrechtlich ggfs. allein durch eine Duldung nach § 60a AufenthG noch hinreichend entsprochen werden könnte, könnte ebenfalls anzuführen sein. Allerdings dürfte die Norm auch als reine Missbrauchsregelung begriffen werden können. Ist der Missbrauch quasi entfallen, könnte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. den durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechten auch eine restriktive Anwendung der Vorschrift gebieten - mit der Folge, dass bei einer im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden und dem sozial Üblichen entsprechenden Vater-Kind-Beziehung die Erteilung eines familienbezogenen Aufenthaltstitels in Betracht käme. Welchen Charakter die Norm aufweist, kann hier offen bleiben, denn es fehlt an einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung (siehe dazu nachfolgend 2.).
29 
2. Für die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist allein das Vorliegen einer Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB mit den sich daraus ergebenden (unterhalts-) rechtlichen Pflichten nicht ausreichend. Da die familienbezogene Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung und Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet dient (§ 27 Abs. 1 AufenthG), bedarf es einer schon vorliegenden oder jedenfalls beabsichtigten und alsbald tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft zwischen dem Kind und dem Elternteil, der ein auf die Personensorge gestütztes Aufenthaltsrecht beansprucht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 02.09.2010 - 1 B 18/10 - juris Rn. 5 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 - juris Rn. 23; GK-AufenthG, § 28 Rn. 93 ff.; Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 Rn. 18 ff.).
30 
Ob im konkreten Fall eine familiäre Lebensgemeinschaft anzunehmen ist, ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG zu bestimmen (vgl. insb. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14 ff., vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 28 ff. und vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16 ff.). Die maßgebenden allgemeinen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt (BA S. 5 bis einschl. 1. Absatz S. 6). Hierauf nimmt der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.
31 
Schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist derzeit nicht ersichtlich, dass zwischen ihm und I... ein Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten besteht, der zumindest dem entspricht, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist (etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.12.2008, a.a.O., Rn. 35; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 59). Der Senat hat dabei eingestellt, dass die Art und Weise, wie Eltern ihren Pflichten gegenüber ihrem Kind nachkommen und die Beziehung zu ihm gestalten, grundsätzlich allein von diesen selbst bestimmt und organisiert wird und es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft verbietet, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen familiärer Beziehungen zu formulieren (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.05.2013 - 1 B 25/12 - juris Rn. 4). Es stellt prinzipiell eine durch Art. 6 GG gedeckte Entscheidung dar, wenn die Eltern das Leben des Kindes so regeln, dass es bei der Mutter lebt, und die typischen bei einem Kind erforderlichen Betreuungsleistungen und Erziehungsaufgaben von ihr erbracht werden. Soweit seit Jahren zwischen dem Wohnort des Kindes in P... und demjenigen des Antragstellers mehrere hundert Kilometer liegen, entspricht dies einer sozialen Realität, wie sie in der Lebenslage nichtehelicher Väter bzw. Kinder anzutreffen ist. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller aufgrund einer freiwilligen Entscheidung, die nach seinem Vortrag zur Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt erfolgt ist, diese räumliche Distanz aufgebaut hat, ist als solches kein Kriterium, das von vornherein einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung entgegenstehen würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Antragsteller aufgrund seiner im Jahre 2008 erfolgten Heirat mit einer vietnamesischen Staatsangehörigen und der Geburt der gemeinsamen Tochter am 14.12.2008 nunmehr in seiner eigenen Familie lebt.
32 
Besteht zwischen dem nichtehelichen Vater und seinem Kind keine häusliche Gemeinschaft, bedarf es allerdings eines konkreten Vortrags, aus dem sich eine tatsächliche hinreichend intensive Anteilnahme des Vaters am Leben und Aufwachsen des Kindes ergibt. Das Verwaltungsgericht hat mit detaillierter Begründung ausgeführt, weshalb von regelmäßigen Kontakten des Antragstellers mit I..., die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen oder Teil einer emotionalen Verbundenheit zwischen Vater und Sohn sind, nicht ausgegangen werden kann. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Sichtweise.
33 
Der Antragsteller trägt in der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 vor, es habe Telefonkontakte am 19. September 2013, 17. November 2013, ca. 21. Dezember 2013, am 02.,15. und 26. Februar 2014 sowie am 19. und 26. April 2014, 25. Juni und 25. August 2014 gegeben. Es fehlt allerdings ein dem Antragsteller nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegender substantiierter Vortrag, dass dies überhaupt (längere) Kommunikationen zwischen Vater und Sohn gewesen sind und was ggfs. hierbei besprochen worden ist. Möglicherweise handelt es sich dabei nur jeweils um Kurznachrichten per sms, wie sie auf Seite 7 der Beschwerdebegründung aufgeführt sind. Aus diesen Kurznachrichten - wie etwa derjenigen vom 17.11.2013 mit dem Wortlaut „bei meiner Tochter“, oder derjenigen vom 15.02.2014 „hab eine Jacke für M... kann ich 16 Uhr kommen“ oder derjenigen vom 19.04.2014 „morgen bin ich zu Hause“ - lässt sich schon nicht ersehen, dass diese tatsächlich mit dem Sohn gewechselt worden sind, geschweige denn belegen sie eine hinreichend intensive Anteilnahme am Aufwachsen und den emotionalen Bedürfnissen des Sohnes. Auch aus der Nennung von „Tagen mit Papierbelegen“ folgt nichts anderes. Der Antragsteller gibt der Sache nach an, persönlichen Kontakt mit dem Kind zuletzt an folgenden Tagen gehabt zu haben – und zwar im Jahre 2013: 18. und 19. September, 3. Oktober, 16. November, 8. Dezember und im Jahre 2014: 5. Januar, 7. und 16. Februar, 23. März, 26. April, 16. und 22. Mai sowie 26. Juli. Hierzu werden Tankbelege (vom 22.06.2014 in P..., vom 16.05.2014 und 23.03.2014 in R... und vom 08.12.2013 in W...) und Fahrkarten beigefügt. Allerdings sind nur diejenigen vom 16.02.2014 und 20.09.2014 für die Strecke P... - M... ausgestellt. Die übrigen Fahrkarten betreffen die Strecken M... - D... oder M... - Bad Sch..., wobei D... bzw. Bad Sch... jeweils etwa 20 km von P... entfernt sind. Weder mit der Nennung von Daten noch mit „Papierbelegen“ wird aber hinreichend dargetan, dass es tatsächlich zu Treffen zwischen dem Antragsteller und seinem in P... lebenden Sohn gekommen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung meint, das Verwaltungsgericht mache es sich mit der Bemerkung, die Bewandtnis der Zugtickets bleibe unklar, zu leicht und es spreche lebensnah wenig für die Annahme, er fahre lediglich zur Vorspiegelung von Kontakten zwischen beiden Orten hin- und her, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsteller hat viele Jahre in Sachsen gelebt, so etwa von 2001 bis 2005 in P... Dass Fahrten nach Sachsen auch aus anderen Gründen als zur Kontaktpflege mit dem Sohn erfolgen können, ist daher durchaus nicht von der Hand zu weisen - zumal auch im Beschwerdeverfahren jegliche Schilderungen, wie Kontakte zwischen Vater und Sohn ablaufen, was besprochen oder wie Zeit miteinander verbracht wird, fehlen. Über den Sohn wird seitens des Antragstellers nichts konkretes berichtet, außer dass er „nach Aktenlage geistig behindert“ sei. Abgesehen davon ist im Übrigen auch schon die Angabe der Kontakte im Jahre 2013 und 2014 so nicht schlüssig, da der Antragsteller in dem Antrag an das Amtsgericht - Familiengericht - P... vom 22.09.2014, mit dem er einen Umgang mit I... jeweils samstags von 11 Uhr bis 19 Uhr im vierzehntägigen Turnus begehrt, vortragen lässt, die Kindesmutter verwehre ihm den Umgang mit dem Kinde seit 2012 ganz.
34 
Zwar hat das OVG B... mit Beschluss vom 19.05.2005 die Abschiebung des Antragsteller ausgesetzt und seinerzeit eine schützenswerte familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn angenommen. Daraus kann der Antragsteller aber schon deshalb nichts für sich herleiten, weil heute die Tatsachengrundlage eine völlig andere ist.
35 
Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, der derzeitige Zustand, bei dem Unterhalt geleistet werde und überhaupt ein rechtlicher Vater mit den sich aus dem Familienrecht ergebenden Pflichten für das Kind existiere, entspreche dem Kindeswohl und gebiete, da eine Anfechtung seiner Vaterschaft zu keinem Zeitpunkt in die Wege geleitet worden sei, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, verkennt er, dass allein die rechtliche Stellung als Vater nicht ausreichend ist und - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allein geleistete Unterhaltszahlungen nicht für die Annahme einer schutzwürdigen familiären Beziehung genügen.
36 
3. Auf die Frage der Ausweisungsgründe - der Antragsteller hat am 15.01.2014 erneut eine nicht von Frau H. stammende Erklärung der Ausländerbehörde zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgelegt, weswegen gegen ihn ein nicht rechtskräftiger Strafbefehl wegen Urkundenfälschung ergangen ist - kommt es nicht mehr an.
II.
37 
Sollte der Antragsteller - worauf die Ausführungen auf S. 10 der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 hindeuten - der Auffassung sein, ihm stehe hilfsweise eine Duldung zu, so ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht gestellt worden. Abgesehen davon wäre für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO) und damit das Land Baden-Württemberg richtiger Antragsgegner. Eine Erweiterung oder Änderung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist nach § 146 Abs. 4 VwGO aber grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, § 146 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2013 - 11 S 785/13 - juris und vom 04.08.2010 - 11 S 1376/10 - juris).
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. August 2014 - 1 K 1465/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.08.2014 hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, der Antragsgegnerin aufzugeben, dem Regierungspräsidium Karlsruhe mitzuteilen, dass vorläufig eine Abschiebung auf der Grundlage der Verfügung vom 26.03.2014 nicht durchgeführt werden darf. In dem am 02.04.2014 zugestellten Bescheid, gegen den der Antragsteller am 02.05.2014 Widerspruch eingelegt hat, hat die Antragsgegnerin die Rücknahme der am 19.06.2006 von der Ausländerbehörde P... erteilten und bis 18.06.2007 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG sowie der am 19.06.2007 bis 18.06.2009 von der Ausländerbehörde W... verlängerten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und der am 11.05.2009 von der Ausländerbehörde A...-W... verlängerten und bis zum 11.05.2011 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt (Ziffer 1), den Antrag vom 05.05.2011 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 2) und dem Antragsteller die Abschiebung nach Vietnam angedroht (vgl. näher Ziffern 3 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO als statthaft angesehen, weil der eigentlich rechtzeitig unter der Geltung der Aufenthaltserlaubnis vom 11.05.2009 gestellte Verlängerungsantrag aufgrund deren wirksamer Rücknahme (ex tunc) nicht die Fiktionen des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG habe auslösen können und daher vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht komme.
Der am 05.05.2011 gestellte Verlängerungsantrag hat an sich die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Mit der Ablehnung dieses Antrags in Ziffer 2 der Verfügung der Antragsgegnerin ist die infolge der Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung erloschen. Da zugleich in dem Bescheid die Rücknahme der bisher bestehenden Aufenthaltserlaubnisse mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt worden ist, könnte damit - selbst wenn wie hier ein Sofortvollzug der Rücknahme nicht angeordnet worden ist - aufgrund der Wirksamkeit der Rücknahme nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nachträglich die Grundlage der Fortgeltungsfiktion entfallen sein. Ob in einer solchen Konstellation vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (so BremOVG, Beschluss vom 22.11.2010 - 1 B 154/10 - juris Rn. 13) oder nach § 123 VwGO (so etwa SächsOVG, Beschluss vom 18.11.2013 - 3 B 331/13 - juris Rn. 5; GK-AufenthG, § 81 Rn. 61 f.) zu gewähren ist und ob es bei der Frage nach dem statthaften Rechtsschutz ggfs. eine Rolle spielen kann, dass die Geltungsdauer der zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnisse bei Erlass des angefochtenen Bescheids längst abgelaufen und die Ausreisepflicht daher nicht unmittelbar durch deren Rücknahme, sondern durch die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgelöst worden ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Denn unabhängig davon, ob das Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO oder nach § 123 VwGO zu prüfen ist, was vom Antragsteller im Haupt- und Hilfsverhältnis jeweils beantragt ist, hat der Antrag bei jeder möglichen Betrachtung in der Sache keinen Erfolg. Der Senat berücksichtigt dabei, dass die Gerichte gehalten sind, bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über einstweiligen Rechtsschutz der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen und die im Einzelfall gebotene Prüfungsintensität ggfs. auch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewährleisten ist (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.09.2014 - 1 BvR 23/14 - juris Rn. 23 f.; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 80 ff. Rn. 3).
Ausgehend hiervon und mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, wonach das Beschwerdegericht bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe prüft, sind die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und die Androhung der Abschiebung nach Vietnam mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.03.2014 voraussichtlich nicht zu beanstanden.
I.
Der am 05.05.2011 beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dürfte der Versagungsgrund des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG entgegenstehen (1.). Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Vorausaussetzungen für eine Titelerteilung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG tatbestandlich vorliegen (2.).
1. Nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG wird der Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Von dieser Vorschrift werden nicht nur sog. Scheinehen und Zweckadoptionen erfasst, sondern auch Scheinvaterschaften, bei denen der ausschließliche Zweck der Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB darin besteht, dem Ausländer einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller die Vaterschaft für das am 05.10.2003 geborene deutsche Kind I... H. mittlerweile wirksam anerkannt hat (§§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB). Die am 11.01.2006 ausgestellte Geburtsurkunde des Standesamts S... weist ihn als Vater aus. Die Vaterschaftsanerkennung begründet unabhängig von der biologischen Erzeugerschaft oder der tatsächlichen familiären Lebenssituation die rechtliche Vaterschaft (Pelzer, Keine Vaterschaftsanfechtung mehr durch Behörden, NVwZ 2014, 700). Die Aufzählung der Gründe für die Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1594 ff. BGB sind abschließend, so dass sogar die bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft nicht zu deren Unwirksamkeit führt (Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1598 Rn. 2; Nickel, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., 2014, § 1598 Rn. 11; OVG LSA, Beschluss vom 25.08.2006 - 2 M 228/06 - juris; OLG Hamm, Urteil vom 20.11.2007 - 1 Ss 58/07 - juris). Dies gilt selbst dann, wenn mit der Anerkennung der Vaterschaft ausschließlich aufenthaltsrechtliche Zwecke verfolgt werden (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - juris Rn. 10, 15; OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - InfAuslR 2009, 19).
Die elterliche Sorge steht der Kindesmutter S... H. und dem Antragsteller gemeinsam zu. Die entsprechende Sorgerechtserklärung nach § 1626a BGB vom 03.07.2003 enthält zwar zum Zeitpunkt ihrer Abgabe wahrheitswidrig die Angabe, dass Frau H. rechtskräftig geschieden ist, denn tatsächlich ist ihre Ehe mit M... H. erst am 08.06.2004 rechtskräftig geschieden worden. Dies hat jedoch nur dazu geführt, dass die Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1626b Abs. 2 BGB aufgrund der noch bestehenden Ehe der Kindesmutter zunächst schwebend unwirksam gewesen ist (BGH, Beschluss vom 11.02.2004 - XII ZB 158/02 - NJW 2004, 1595). Da jedoch das Scheidungsurteil mittlerweile wirksam geworden und auch die gesetzliche Vaterschaft von M... H. für das Kind I... (§ 1592 Nr. 1 BGB; vgl. insoweit die Geburtsurkunde vom 19.08.2005) zugunsten der Vaterschaftsanerkennung des Antragsteller beseitigt ist, ist jedenfalls ab Januar 2006 von einer rechtsverbindlichen Sorgerechtserklärung auszugehen. Dass der Antragsteller und Frau H. bei Abgabe der Sorgerechtserklärung ebenfalls wahrheitswidrig erklärt haben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenzuleben und ein gemeinsames Kind zu erwarten, steht der Gültigkeit der Erklärung nicht entgegen. Durch die Vorschrift des § 1626e BGB werden andere als die in §§ 1626a bis 1626d BGB genannten - und im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Unwirksamkeitsgründe für Sorgerechtserklärungen und Zustimmungen ausgeschlossen (Hamdan, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1626e Rn. 3).
10 
b) Die Vaterschaftsanerkennung und Abgabe der gemeinsamen Sorgerechtserklärung sind in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und der deutschen Kindesmutter allein deshalb erfolgt, um dem Antragsteller zu einem sonst nicht erreichbaren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Der Antragsteller hat sich die Vaterschaft durch eine Zahlung von 5.000 Euro erkauft.
11 
Nach den Feststellungen des Landgerichts D... in dem gegen den Antragsteller ergangenen rechtskräftigen Urteil vom 27.06.2013 - 11 Ns 150 Js 2709/10 - suchte dieser nach dem negativen Ausgang seines Asylverfahrens im Jahre 2001 und der deswegen drohenden Abschiebung - durch die Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen oder die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Kindes - nach Möglichkeiten, um weiter in Deutschland zu verbleiben. Über einen Landsmann stellte er den Kontakt zu S... H. her. Dieser kannte H... W., den damaligen Lebensgefährten vom S... H. Mit seinem Landsmann suchte er in Bad Sch... H... W. auf, der zu diesem Zeitpunkt wusste, dass man damit Geld in einer nicht unbeträchtlichen Höhe erzielen kann. Nach den Vorstellungen des Antragstellers wollte er mit S... H. eine Ehe eingehen. Weil S... H. zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, konnte dieses Vorhaben nicht zeitnah realisiert werden. Als bei S... H. eine Schwangerschaft eintrat, wobei H... W. der biologische Vater war, vereinbarte der Antragsteller mit S... H., dass er die Vaterschaft für das noch ungeborene Kind anerkennt, um so legal weiter in Deutschland bleiben zu können. Im Gegenzug wollte der Antragsteller 5.000 Euro an S... H. zahlen. Entsprechend dem Vorhaben besorgte der Antragsteller für den 03.07.2003 einen Termin für die Abgabe einer Sorgerechtserklärung. Schon bei der Abgabe der Sorgerechtserklärung wussten S... H. und der Antragsteller, dass diese nicht ernst gemeint ist, sondern allein dazu diente, sie bei Behörden vorzulegen und so ein Bleiberecht für den Antragsteller zu erzwingen (vgl. im Einzelnen Bl. 2 bis 4 Strafurteils).
12 
Dass Frau H. und der Antragsteller nie in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben, „sie nichts miteinander hatten, die Beziehung rein geschäftlich war und sie die versprochenen 5.000 Euro bar gekriegt hat“, folgt auch aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 über ihre Vernehmung als Zeugin.
13 
Es gibt keine durchgreifenden Gründe, weshalb diese strafgerichtlichen Feststellungen, nach denen die Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung durch den Antragsteller tatsächlich gerade und auch nur auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile abzielten, nicht für das ausländerrechtliche Verfahren zugrunde gelegt werden könnten.
14 
Soweit der Antragsteller auf die mit Verfügung der Berichterstatterin vom 14.10.2014 erfolgten Hinweise zu den Feststellungen des Landgerichts D... vorträgt, Frau H. agiere wechselnd, situationsangepasst und erscheine - wie sich aus dem Protokoll des Amtsgerichts P... vom 25.05.2011 ergebe - nur eingeschränkt in der Lage, ihre prozessualen Rechte wahrzunehmen, fehlt es an einer näheren Darlegung, weshalb dies auch für die zwei Jahre später gewonnenen Erkenntnisse - die Hauptverhandlung des Landgerichts D... war am 27.06.2013 - gelten sollte. Im Übrigen lässt etwa der in der Ausländerakte enthaltene Vermerk einer am Amtsgericht P... tätigen Richterin über ein Gespräch mit Frau H. (Bl. 1651 und Bl. 1633 ff.) zu einer vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter dem Namen von Frau H. vorgelegten Erklärung vom 05.01.2014 erkennen, dass Frau H. durchaus zu einem geordneten Vortrag in der Lage ist. Des Weiteren hat der Antragsteller die strafgerichtlichen Feststellungen zum Kauf der Vaterschaft gegen Geldzahlung nicht durch einen substantiierten eigenen Vortrag im Rahmen der ausländerrechtlichen Verfahren erschüttert. So war schon im Urteil des Amtsgerichts P... vom 14.01.2013 der „Kaufpreis“ von 5.000 Euro enthalten. Die Begründung der Berufung des Antragstellers gegen dieses Strafurteil vom 27.03.2013 (vgl. Bl. 1519 der Behördenakte) und auch die Anwaltsschreiben im Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Email vom 24.11.2013 mit Hinweis auf die Urteile des OLG Hamm vom 20.11.2007 und des OLG D... vom 29.06.2012, Bl. 1555 ff. der Behördenakte) stellen diese tatsächliche Feststellung nicht in Frage, sondern greifen mit rechtlicher Argumentation die erfolgte Verurteilung an. Das Landgericht D... hat ihn - nach Einstellung einer gleichgelagerten Tat im Berufungsverfahren - wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er anlässlich der jeweils beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wahrheitswidrige und angeblich von der Kindesmutter herrührende Bestätigungen über die Ausübung der elterlichen Sorge bei der Ausländerbehörde vorgelegt hatte. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verurteilungen seien falsch, weil - wie das OLG Hamm mit Urteil vom 20.11.2007 entschieden habe - das Bürgerliche Gesetzbuch im Vaterschaftsrecht gerade keine Pflicht des Vaters zur Begründung der Lebensgemeinschaft mit dem von ihm anerkannten Kind statuiere. Deshalb könne einem Vater, der keine Lebensgemeinschaft mit dem Kind unterhalte, dies unter strafrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Falsche Erklärungen seien nicht erheblich, da die konstitutive, nicht anfechtbare Vaterschaftsanerkennung allein den Aufenthaltsstatus sichere (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 22). Er habe eine Tat gestanden, die er aus Rechtsgründen gar nicht begangen habe (Email vom 24.11.2013). Diese Argumentation verkennt allerdings die Rechtslage im Aufenthaltsrecht. Der Aufenthalt des Sorge- bzw. Umgangsberechtigten wird nicht deshalb erlaubt, weil er diese familienrechtliche Stellung innehat, sondern nur wenn er diese tatsächlich ausübt (siehe nachfolgend unter 2.). Täuscht der Ausländer hierüber, so erfüllt dieses Verhalten den objektiven Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
15 
Die Ausführungen im Schriftsatz vom 20.10.2014 geben ebenfalls keinen Anlass für eine andere Betrachtung, insbesondere sind in ihnen andere Gründe als die Verschaffung eines Aufenthaltsrechts für die Vaterschaftsanerkennung nicht plausibel dargelegt. Der Antragsteller trägt vor, aus dem Umstand, dass gemäß dem Strafurteil des Landgerichts D... sein Wunsch nach einem Verbleib im Bundesgebiet auslösendes Moment für die Anerkennung der Vaterschaft von I... gewesen sein soll, könne nicht der Schluss gezogen werden, es stehe mit dem im summarischen Verfahren maßgebenden Grad von Gewissheit fest, die Vaterschaft sei ausschließlich zum Zwecke des Familiennachzugs begründet worden. Zweck der Anerkennung sei eben auch gewesen, dass das Kind einen Vater habe, der die Erstausstattung zahle, wofür das Geld auch verwendet worden sei, und dass der Kindesunterhalt gewährleistet sei. Letztlich sei er auch an seinen aufwendigen Bemühungen zu messen, den Umgang mit dem Kind zu stabilisieren. Dass Frau H. die Vaterschaftsanerkennung als eine Art „Patenschaft“ begriffen haben mag (vgl. hierzu den Schriftsatz vom 20.10.2014 sowie die damit indirekt in Bezug genommene Äußerung von Frau H. in der polizeilichen Vernehmung vom 03.06.2010, Bl. 1487 ff. der Behördenakte) und das vom Antragsteller erhaltene Geld zur Finanzierung des Lebensunterhalts auch von I... genommen hat, nimmt der Vaterschaftsanerkennung nicht ihren Charakter als ausschließlich ausländerrechtlich motiviert. So ist im Protokoll über die genannte polizeiliche Vernehmung die Angabe von Frau H. wiedergegeben, sie habe 5.000 Euro als Gegenleistung für die Vaterschaftsanerkennung angeboten bekommen, damit der Antragsteller nicht abgeschoben werde und sie dem aufgrund ihrer beengten finanziellen Verhältnisse als arbeitslose Mutter mehrerer Kinder nicht habe widerstehen können („…So wie das Geld kam, war es auch gleich wieder ausgegeben. Kinder kosten viel Geld. Ich bekam das Geld und es war auch gleich wieder alle….“).
16 
c) § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG schließt einen familienbezogenen Aufenthaltstitel an den Scheinvater im Fall der ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB aus (ebenso OVG R-Pf, Urteil vom 06.03.2008 - 7 A 11276/07 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.04.2009 - 11 A 389/08 - juris; Zeitler, HTK- AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinvaterschaft 07/2014 Nr. 3.2; Hailbronner, AuslR, § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 27 AufenthG, Rn. 50; Welte, AktAR, § 27 AufenthG, Rn. 32s; Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts - Fortsetzung -, ZAR 2007, 381 f.; vgl. auch BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, 877), 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG).
17 
aa) Die Regelung wurde durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) eingefügt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift in der 2. Alternative (Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses ausschließlich zu dem Zwecke, dem Nachziehenden Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen) umfasst der Tatbestand die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung (so auch OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - juris und Hofmann/Hoffmann, AuslR 2008, § 27 Rn. 19). Die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses kann auch durch eine Anerkennung der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB erfolgen. Mit dieser Vaterschaftsanerkennung wird der rechtsgeschäftliche Wille bekundet, Vater eines bestimmten Kindes zu sein (näher Palandt, a.a.O., § 1594 Rn. 4). Dass zwischen der gesetzlichen, anerkannten oder gerichtlich festgestellten Vaterschaft (§ 1592 Nr. 1 bis 3 BGB) hinsichtlich der Rechtsfolgen für das Kind kein Unterschied besteht, hindert nicht, die rechtsgeschäftliche Begründung der Vaterschaft der ebenfalls durch Willenserklärung begründeten Ehe oder Adoption gleichzustellen.
18 
Die systematische Stellung der Vorschrift spricht ebenfalls für diese Auslegung. Die Regelung ist den konkreten und nach ihren unterschiedlichen Zwecken ausdifferenzierten familiären Aufenthaltstitel (§§ 28 ff. AufenthG) vorangestellt und erhebt damit den Anspruch, für jede Art des Familiennachzugs zu gelten. Auch der Sinn und Zweck der Regelung, nämlich rechtlich wirksame, aber nur zur Erlangung von aufenthaltsrechtlichen Vorteilen eingegangene familiären Beziehungen von Familiennachzug und Aufenthalt im Bundesgebiet generell auszuschließen, gilt für Scheinehen, Zweckadoptionen und Vaterschaftsanerkenntnisse gleichermaßen.
19 
Die ab 28.08.2007 geltende Regelung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist schließlich Ausdruck eines schon zuvor geltenden allgemeinen ausländerrechtlichen Grundsatzes. Auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 setzte der Familiennachzug das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft bzw. die Absicht, eine solche aufzunehmen, voraus (vgl. etwa § 27 Abs. 1 AufenthG i.d.F. vom 01.01.2005 sowie § 17 Abs. 1 AuslG 1990). Es war bereits damals gefestigte Rechtsprechung, dass aufenthaltsrechtliche Ansprüche nicht bestehen, wenn Ehe oder Vaterschaftsanerkennung allein deshalb erfolgen, um dem Ausländer einen ihm sonst verwehrten Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 23.03.1982 - 1 C 20/81 - juris zur „Scheinehe“ und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.03.2005 - 13 S 3035/04 - juris zur rechtsmissbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung). Die Norm kann daher als besondere Kodifikation eines Missbrauchsgedankens verstanden werden, der sich im Übrigen unmittelbar aus § 27 Abs. 1 AufenthG herleiten ließe. Der Einführung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist eine Signalfunktion beigemessen worden, um das Unrechtsbewusstsein der Betroffenen und das Problembewusstsein der Rechtsanwender zu erhöhen sowie den Anreiz zu verringern, Scheinehen zu schließen oder Scheinverwandtschaftsverhältnisse zu begründen (so ausdrücklich Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, a.a.O., S. 382 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/5498, S. 4 f. vom 25.05.2007 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage).
20 
bb) Soweit eingewandt wird, die Gesetzgebungsgeschichte belege eindeutig, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG sei nur für die Fälle der Scheinehe und Zwangs-adoption geschaffen worden, während das Problem der Vaterschaftsanerkennung allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels (bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit) ausschließlich durch die Gewährung eines behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch gelöst werden sollte und daher die Bestimmung nicht auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung erstreckt werden dürfe, weil dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspreche (OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012 - 18 A 537/11 - InfAuslR 2013, 23; wohl auch OVG HH, Beschluss vom 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 - juris; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn. 90 ff.; GK-AufenthG, § 27 Rn. 201; Hofmann/Hoffmann, AuslR, § 27 Rn. 19; vgl. auch Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, ZuwG, 2. Aufl. 2008, § 27 AufenthG Rn. 16 ff.), teilt der Senat diese Auffassung nicht.
21 
Primäres Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Wortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist auch die Grenze der Auslegung. Die Gesetzesbegründung als Argument für die Auslegung eines Gesetzes in einem bestimmten Sinn hat allenfalls dann eine gewisse Berechtigung, wenn sie im Gesetzestext selbst irgendwie zum Ausdruck gelangt (BVerfG, Beschlüsse vom 17.05.1960 - 2 BvL 11/59, 2 BvL 12 BvL 11/60 - juris Rn. 16 ff; vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - juris Rn. 100; LSG NRW, Beschluss vom 20.11.2013 - L 11 KA 81/13 B ER - juris Rn. 70 f.; Ossenbühl, Staatshaftung bei überlangen Gerichtsverfahren, DVBl 2012, S. 857, 860). Der Wille des Gesetzgebers kann daher nicht alleiniges oder entscheidendes Kriterium der Auslegung sein. Gegenstand der Auslegung durch die Gerichte sind die Gesetze selbst und nicht der wie auch immer manifestierte Wille des Gesetzgebers. Es ist nicht maßgebend, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2001 - 1 BvL 6/01 - juris Rn. 22).
22 
In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union heißt es bzgl. § 27 Abs. 1 a Nr. 1 (BT-Drs. 16/5065, S. 170):
23 
„Durch Absatz 1a Nr. 1 wird ausdrücklich ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe oder Zweckadoption normiert. Damit entfällt der Anreiz, Zweckehen zu schließen oder Zweckadoptionen vorzunehmen. Mit dem ausdrücklichen Ausschluss von Zweckadoptionen für die Erlangung eines Aufenthaltsrechts werden zudem Formen des „Handels“ mit Kindern aus Armutsregionen bekämpft. Eine Zweckadoption liegt nicht vor, wenn das Ziel der Adoption das Zusammenleben mit der adoptierenden Familie in einer Eltern-Kind-Beziehung ist und der Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet günstiger sind als im Herkunftsland eines der Motive, aber nicht das alleinige Motiv der Adoption darstellt. Die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU Nr. L 251 S. 12) eröffnet in Artikel 16 Abs. 2b den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Familienzusammenführung abzulehnen, wenn feststeht, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde oder die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person die Einreise zu ermöglichen. Die Regelung gilt auch für den Familiennachzug von Ehegatten zu Deutschen, da hier gleichfalls die Gefahr besteht, dass Zweckehen geschlossen werden; hinsichtlich der Zweckadoptionen entfaltet die Regelung ungeachtet der Frage der Anerkennungsfähigkeit der betreffenden Auslandsadoptionen Signalwirkung.“
24 
Aus dem Vorstehenden lässt sich schon nicht herleiten, der Gesetzgeber habe nur die Zweckehe und die Zweckadoption dem Ausschlussgrund unterwerfen wollen. Dass Art. 16 Abs. 2d Richtlinie 2003/86/EG genannt worden ist, dient zur Dokumentation ihrer Umsetzung, besagt aber nicht, dass es der Gesetzgeber gerade hierbei belassen wollte. Vielmehr wird die Norm auf den Familiennachzug zu Deutschen erstreckt, der von der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht erfasst wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 -1 C 7.09 - juris Rn. 13). Auch wird nicht der enge Begriff der Adoption verwandt, sondern derjenige des Verwandtschaftsverhältnisses, dem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein umfassenderes Verständnis zugrunde liegt.
25 
Dass der Gesetzgeber das ihm bei der Formulierung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG bekannte Problem einer Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB allein zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels ausschließlich durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl S. 313) mit dem in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 BGB normierten behördlichen Anfechtungsrecht lösen wollte, kann nicht angenommen werden. Zwar ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung („Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft“) bereits am 01.09.2006 vorgelegt worden (BRat-Drs. 624/06; vgl. ferner BT-Drs. 16/3291 vom 08.11.2006) und daher im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum 1. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19.08.2007 bekannt gewesen. Auch sind durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl. I S. 313) im Aufenthaltsgesetz Vorschriften in §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 und 6 sowie § 90 Abs. 5 AufenthG eingefügt bzw. neu gefasst worden, die das der anfechtungsberechtigten Behörde im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeräumte Vaterschaftsanfechtungsrecht ausländerrechtlich flankieren (so OVG NRW, Urteil vom 23.08.2012, a.a.O.). Weiterhin hat sich die Begründung dieses Gesetzes ausdrücklich mit der aufenthaltsrechtlichen Problemlagen bei der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung befasst (BRat-Drs. 624/06, S. 7, 11 f., 15). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber des 1. Richtlinienumsetzungsgesetzes habe mit Blick auf ein erst noch zu schaffendes zukünftiges behördliches Anfechtungsrecht der Vorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG einen restriktives Anwendungsbereich beigemessen; solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut der Norm. Davon abgesehen ist der Aspekt des Aufenthaltstitels für Scheinväter nur einer unter mehreren Gesichtspunkten für das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 gewesen. Ausgehend davon, dass das Abstammungsrecht eine grundsätzliche Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtgebieten entfaltet (wie etwa Unterhalts-, Erbrecht, Staatsangehörigkeits-, Ausländer- und Sozialrecht) und daher eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit bedarf, hat der Gesetzgeber im Interesse der Einheit der Rechtsordnung ein behördliches Anfechtungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch konzipiert (BRat-Drs. 624/06, S. 16; Zypries/Cludius, Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zur Erlangung von Aufenthaltstiteln, ZRP 2007, 1, 3), ohne jedoch den Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder Satz 4 AufenthG zu verwehren. So lässt sich § 79 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz AufenthG entnehmen, dass im Fall einer Vaterschaftsanfechtung das Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht auszusetzen ist, wenn über den Aufenthaltstitel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden kann. Dass nach der gesetzgeberischen Konzeption die sich spezifisch aufenthaltsrechtlich stellende Problematik der missbräuchlichen Scheinvaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB ausschließlich familienrechtlich gelöst werden sollte, lässt sich daher nicht belegen.
26 
Selbst wenn man ungeachtet dessen unterstellen würde, es wäre der (objektivierte) Wille des Gesetzgebers gewesen, das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltsrechts (allein) durch die Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen, so kommt dem keine Bedeutung mehr zu, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - die Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 16 Abs. 1, gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1, gegen Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und gegen Art. 6 Abs. 1 GG festgestellt hat. Ein Gesetz bzw. eine Gesetzesbegründung, die übergeordneten Rechtsnormen widerspricht, kann kein Argument für die Auslegung eines anderen Gesetzes sein.
27 
cc) Ob eine ausschließlich aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung einen familienbezogenen Aufenthaltstitel auf Dauer ausschließt oder ob ein solcher dennoch in Betracht kommt, wenn sich ungeachtet der einmal erkauften Vaterschaft tatsächlich eine gelebte Vater-Kind-Beziehung entwickelt hat und vorliegt, bedarf im konkreten Fall mangels Entscheidungserheblichkeit keiner näheren Prüfung.
28 
Würde man der Vorschrift (auch) einen aufenthaltsrechtlichen Sanktionscharakter beimessen, könnte der Scheinvater dauerhaft von einem Titel auszuschließen sein. Die Überlegung, dass in einer solchen Konstellation der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch ist (vgl. hier BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 103) und - ausnahmsweise - erfolgten väterlichen Hinwendungen aufenthaltsrechtlich ggfs. allein durch eine Duldung nach § 60a AufenthG noch hinreichend entsprochen werden könnte, könnte ebenfalls anzuführen sein. Allerdings dürfte die Norm auch als reine Missbrauchsregelung begriffen werden können. Ist der Missbrauch quasi entfallen, könnte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. den durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechten auch eine restriktive Anwendung der Vorschrift gebieten - mit der Folge, dass bei einer im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegenden und dem sozial Üblichen entsprechenden Vater-Kind-Beziehung die Erteilung eines familienbezogenen Aufenthaltstitels in Betracht käme. Welchen Charakter die Norm aufweist, kann hier offen bleiben, denn es fehlt an einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung (siehe dazu nachfolgend 2.).
29 
2. Für die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist allein das Vorliegen einer Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB mit den sich daraus ergebenden (unterhalts-) rechtlichen Pflichten nicht ausreichend. Da die familienbezogene Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung und Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet dient (§ 27 Abs. 1 AufenthG), bedarf es einer schon vorliegenden oder jedenfalls beabsichtigten und alsbald tatsächlich geführten Lebensgemeinschaft zwischen dem Kind und dem Elternteil, der ein auf die Personensorge gestütztes Aufenthaltsrecht beansprucht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 02.09.2010 - 1 B 18/10 - juris Rn. 5 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 - juris Rn. 23; GK-AufenthG, § 28 Rn. 93 ff.; Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 28 Rn. 18 ff.).
30 
Ob im konkreten Fall eine familiäre Lebensgemeinschaft anzunehmen ist, ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 GG zu bestimmen (vgl. insb. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 09.01.2009 - 2 BvR 1064/08 - juris Rn. 14 ff., vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 28 ff. und vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16 ff.). Die maßgebenden allgemeinen Grundsätze hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt (BA S. 5 bis einschl. 1. Absatz S. 6). Hierauf nimmt der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.
31 
Schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ist derzeit nicht ersichtlich, dass zwischen ihm und I... ein Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten besteht, der zumindest dem entspricht, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist (etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.12.2008, a.a.O., Rn. 35; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 17.12.2013, a.a.O., Rn. 59). Der Senat hat dabei eingestellt, dass die Art und Weise, wie Eltern ihren Pflichten gegenüber ihrem Kind nachkommen und die Beziehung zu ihm gestalten, grundsätzlich allein von diesen selbst bestimmt und organisiert wird und es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft verbietet, schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen familiärer Beziehungen zu formulieren (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22.05.2013 - 1 B 25/12 - juris Rn. 4). Es stellt prinzipiell eine durch Art. 6 GG gedeckte Entscheidung dar, wenn die Eltern das Leben des Kindes so regeln, dass es bei der Mutter lebt, und die typischen bei einem Kind erforderlichen Betreuungsleistungen und Erziehungsaufgaben von ihr erbracht werden. Soweit seit Jahren zwischen dem Wohnort des Kindes in P... und demjenigen des Antragstellers mehrere hundert Kilometer liegen, entspricht dies einer sozialen Realität, wie sie in der Lebenslage nichtehelicher Väter bzw. Kinder anzutreffen ist. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller aufgrund einer freiwilligen Entscheidung, die nach seinem Vortrag zur Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt erfolgt ist, diese räumliche Distanz aufgebaut hat, ist als solches kein Kriterium, das von vornherein einer schutzwürdigen Vater-Kind-Beziehung entgegenstehen würde. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass der Antragsteller aufgrund seiner im Jahre 2008 erfolgten Heirat mit einer vietnamesischen Staatsangehörigen und der Geburt der gemeinsamen Tochter am 14.12.2008 nunmehr in seiner eigenen Familie lebt.
32 
Besteht zwischen dem nichtehelichen Vater und seinem Kind keine häusliche Gemeinschaft, bedarf es allerdings eines konkreten Vortrags, aus dem sich eine tatsächliche hinreichend intensive Anteilnahme des Vaters am Leben und Aufwachsen des Kindes ergibt. Das Verwaltungsgericht hat mit detaillierter Begründung ausgeführt, weshalb von regelmäßigen Kontakten des Antragstellers mit I..., die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen oder Teil einer emotionalen Verbundenheit zwischen Vater und Sohn sind, nicht ausgegangen werden kann. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Sichtweise.
33 
Der Antragsteller trägt in der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 vor, es habe Telefonkontakte am 19. September 2013, 17. November 2013, ca. 21. Dezember 2013, am 02.,15. und 26. Februar 2014 sowie am 19. und 26. April 2014, 25. Juni und 25. August 2014 gegeben. Es fehlt allerdings ein dem Antragsteller nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG obliegender substantiierter Vortrag, dass dies überhaupt (längere) Kommunikationen zwischen Vater und Sohn gewesen sind und was ggfs. hierbei besprochen worden ist. Möglicherweise handelt es sich dabei nur jeweils um Kurznachrichten per sms, wie sie auf Seite 7 der Beschwerdebegründung aufgeführt sind. Aus diesen Kurznachrichten - wie etwa derjenigen vom 17.11.2013 mit dem Wortlaut „bei meiner Tochter“, oder derjenigen vom 15.02.2014 „hab eine Jacke für M... kann ich 16 Uhr kommen“ oder derjenigen vom 19.04.2014 „morgen bin ich zu Hause“ - lässt sich schon nicht ersehen, dass diese tatsächlich mit dem Sohn gewechselt worden sind, geschweige denn belegen sie eine hinreichend intensive Anteilnahme am Aufwachsen und den emotionalen Bedürfnissen des Sohnes. Auch aus der Nennung von „Tagen mit Papierbelegen“ folgt nichts anderes. Der Antragsteller gibt der Sache nach an, persönlichen Kontakt mit dem Kind zuletzt an folgenden Tagen gehabt zu haben – und zwar im Jahre 2013: 18. und 19. September, 3. Oktober, 16. November, 8. Dezember und im Jahre 2014: 5. Januar, 7. und 16. Februar, 23. März, 26. April, 16. und 22. Mai sowie 26. Juli. Hierzu werden Tankbelege (vom 22.06.2014 in P..., vom 16.05.2014 und 23.03.2014 in R... und vom 08.12.2013 in W...) und Fahrkarten beigefügt. Allerdings sind nur diejenigen vom 16.02.2014 und 20.09.2014 für die Strecke P... - M... ausgestellt. Die übrigen Fahrkarten betreffen die Strecken M... - D... oder M... - Bad Sch..., wobei D... bzw. Bad Sch... jeweils etwa 20 km von P... entfernt sind. Weder mit der Nennung von Daten noch mit „Papierbelegen“ wird aber hinreichend dargetan, dass es tatsächlich zu Treffen zwischen dem Antragsteller und seinem in P... lebenden Sohn gekommen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung meint, das Verwaltungsgericht mache es sich mit der Bemerkung, die Bewandtnis der Zugtickets bleibe unklar, zu leicht und es spreche lebensnah wenig für die Annahme, er fahre lediglich zur Vorspiegelung von Kontakten zwischen beiden Orten hin- und her, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsteller hat viele Jahre in Sachsen gelebt, so etwa von 2001 bis 2005 in P... Dass Fahrten nach Sachsen auch aus anderen Gründen als zur Kontaktpflege mit dem Sohn erfolgen können, ist daher durchaus nicht von der Hand zu weisen - zumal auch im Beschwerdeverfahren jegliche Schilderungen, wie Kontakte zwischen Vater und Sohn ablaufen, was besprochen oder wie Zeit miteinander verbracht wird, fehlen. Über den Sohn wird seitens des Antragstellers nichts konkretes berichtet, außer dass er „nach Aktenlage geistig behindert“ sei. Abgesehen davon ist im Übrigen auch schon die Angabe der Kontakte im Jahre 2013 und 2014 so nicht schlüssig, da der Antragsteller in dem Antrag an das Amtsgericht - Familiengericht - P... vom 22.09.2014, mit dem er einen Umgang mit I... jeweils samstags von 11 Uhr bis 19 Uhr im vierzehntägigen Turnus begehrt, vortragen lässt, die Kindesmutter verwehre ihm den Umgang mit dem Kinde seit 2012 ganz.
34 
Zwar hat das OVG B... mit Beschluss vom 19.05.2005 die Abschiebung des Antragsteller ausgesetzt und seinerzeit eine schützenswerte familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn angenommen. Daraus kann der Antragsteller aber schon deshalb nichts für sich herleiten, weil heute die Tatsachengrundlage eine völlig andere ist.
35 
Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, der derzeitige Zustand, bei dem Unterhalt geleistet werde und überhaupt ein rechtlicher Vater mit den sich aus dem Familienrecht ergebenden Pflichten für das Kind existiere, entspreche dem Kindeswohl und gebiete, da eine Anfechtung seiner Vaterschaft zu keinem Zeitpunkt in die Wege geleitet worden sei, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, verkennt er, dass allein die rechtliche Stellung als Vater nicht ausreichend ist und - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allein geleistete Unterhaltszahlungen nicht für die Annahme einer schutzwürdigen familiären Beziehung genügen.
36 
3. Auf die Frage der Ausweisungsgründe - der Antragsteller hat am 15.01.2014 erneut eine nicht von Frau H. stammende Erklärung der Ausländerbehörde zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgelegt, weswegen gegen ihn ein nicht rechtskräftiger Strafbefehl wegen Urkundenfälschung ergangen ist - kommt es nicht mehr an.
II.
37 
Sollte der Antragsteller - worauf die Ausführungen auf S. 10 der Beschwerdebegründung vom 22.09.2014 hindeuten - der Auffassung sein, ihm stehe hilfsweise eine Duldung zu, so ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Ein ausdrücklicher Antrag ist nicht gestellt worden. Abgesehen davon wäre für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO) und damit das Land Baden-Württemberg richtiger Antragsgegner. Eine Erweiterung oder Änderung des Antrags im Beschwerdeverfahren ist nach § 146 Abs. 4 VwGO aber grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, § 146 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 146 Rn. 33; Senatsbeschlüsse vom 27.05.2013 - 11 S 785/13 - juris und vom 04.08.2010 - 11 S 1376/10 - juris).
III.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin zu 1. bezüglich ihres Antrags vom 27. Januar 2011 auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zu 1. zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Kläger zu 2. bis 4. zu je 1/4 sowie die Klägerin zu 1. und die Beklagte zu je 1/8. Die Gerichtskosten des Berufungszulassungsverfahrens tragen die Kläger zu 2. bis 4. zu je 1/3. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen  die Klägerin zu 1. und die Beklagte zu je 1/2.

Von den in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger zu 2. bis 4. ihre eigenen und jeweils 1/4 derjenigen der Beklagten. Die Klägerin zu 1. trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten und 1/8 derjenigen der Beklagten. Die Beklagte trägt 1/8 ihrer eigenen Kosten und die Hälfte derjenigen der Klägerin zu 1.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2010 – 12 K 1141/09 – geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis vom 11.03.2010 auch rückwirkend für Zeit vom 19.08.2008 bis 10.03.2010 zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der 1993 in Aalen geborene Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger der Roma, begehrt (noch) die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Seine Familie reiste im Jahr 1991 in das Bundesgebiet ein und suchte erfolglos um Asyl nach. Nach seiner Geburt wurde auch für ihn erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt. Nach seinen Angaben führte er im Jahr 2004 mit seinen Eltern und einem Bruder eine Besuchsreise in den Kosovo durch. Die nach ihrer Wiedereinreise ins Bundesgebiet im Jahr 2004 betriebenen Asylfolgeverfahren blieben wiederum ohne Erfolg. In der Folgezeit wurde er geduldet.
Am 19.08.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung trug er vor, seine Mutter sei im Jahre 2004 vor seinen und den Augen seines Vaters und Bruders D... von albanischen Volkszugehörigen mehrfach vergewaltigt worden. Aufgrund dieses Ereignisses seien bei ihm, seiner Mutter und seinem Bruder schwere posttraumatische Belastungsstörungen festgestellt worden. Alle drei seien deshalb als schwerbehindert anerkannt worden. Im Hinblick auf die Schwere seiner Erkrankung und seine fortwährende Behandlungsbedürftigkeit habe er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Am 26.03.2009 erhob der Kläger Untätigkeitsklage.
Am 11.03.2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine bis 10.09.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Der Kläger erklärte daraufhin in Übereinstimmung mit der Beklagten den Rechtsstreit für erledigt, allerdings nur insoweit, als ihm am 11.03.2010 die Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft erteilt worden war. Bezüglich des Zeitraums von der Antragstellung am 19.08.2008 bis zum 10.03.2010 verfolgte er sein Begehren weiter. Er machte geltend, im Hinblick auf seine weitere aufenthaltsrechtliche Stellung habe er ein schutzwürdiges Interesse daran, auch für die Zeit von der Antragstellung bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung ex nunc eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
Die Beklagte trat dem entgegen und berief sich darauf, dass sich der Rechtsstreit durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 11.03.2010 erledigt habe. Außerdem habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, da sie, die Beklagte, bezüglich der Frage des Vorliegens von Abschiebungshindernissen an die negativen Feststellungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gebunden sei.
Mit Urteil vom 18.06.2010 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten und wies im Übrigen die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Die aufrecht erhaltene Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum habe. Nach der Systematik des Ausländerrechts könnten Aufenthaltstitel grundsätzlich nur ab Entscheidungsreife für die Zukunft erteilt werden. Allerdings könne der Ausländer ein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass ihm beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Aufenthaltstitel auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung erteilt werde. Ein solches schutzwürdiges Interesse für die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum werde dann angenommen, wenn es für die weitere aufenthaltsrechtliche Rechtsstellung des Ausländers erheblich sein könne, ob sein Aufenthalt im fraglichen zurückliegenden Zeitraum durch einen Aufenthaltstitel gedeckt gewesen sei oder nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht sei, dass der Ausländer ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum haben könne, bedeute dies nicht, dass im Hinblick auf eine in der Zukunft liegende (mögliche) Erteilung einer Niederlassungserlaubnis in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorliege. Ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum könne etwa dann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und während des anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahrens mit Rücksicht auf eine zwischenzeitlich eingetretene Änderung des Sachverhalts dem Ausländer eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Da ohne die Legalisierung des aufenthaltsrechtlichen Status im Anschluss an den Ablauf der letzten dem Ausländer erteilten Aufenthaltserlaubnis der legale Aufenthalt unterbrochen würde und die Niederlassungserlaubnis an einen ununterbrochenen legalen Aufenthalt anknüpfe, habe der Ausländer in einem solchen Fall beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, damit keine Unterbrechung seines legalen Aufenthalts eintrete. Etwas anderes gelte jedoch bei der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, wie im Falle des bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 11.03.2010 geduldeten Klägers. Denn hier werde durch die ursprüngliche Nichterteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis kein legaler Aufenthalt unterbrochen. Damit habe der Kläger auch kein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum von der Antragstellung am 19.08.2008 bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 11.03.2010. Dem Interesse des Ausländers am möglichst frühzeitigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis werde bei der erstmaligen Beantragung dadurch Rechnung getragen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zeit von der Versagung der Aufenthaltserlaubnis - bei zulässigen Untätigkeitsklagen müsse an Stelle dieses Zeitpunkts der Zeitpunkt der Klageerhebung treten - bis zur Erteilung oder Verlängerung aufgrund eines erfolgreichen Rechtsmittels der Zeit des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis gleich stehe. Dasselbe müsse für den vorliegenden Fall gelten, in dem die Ausländerbehörde während des Verwaltungsgerichtsverfahrens die begehrte Aufenthaltserlaubnis erteilt habe.
Das Urteil wurde dem Kläger am 29.06.2010 zugestellt.
Am 02.07.2010 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung.
10 
Durch Beschluss vom 06.08.2010 – dem Kläger am 12.08.2010 zugestellt – ließ der Senat die Berufung zu.
11 
Am 16.08.2010 begründete der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung wie folgt: Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte rückwirkende Erteilung ergebe sich schon daraus, dass der Antrag auf erstmalige Erteilung des Aufenthaltstitels die Rechtsfolge nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht ausgelöst habe. Für die sich später stellende Frage einer Verfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG seien aber nur die Zeiten zu berücksichtigen, in denen ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei oder in denen zwischen Besitzzeiten der Aufenthalt fiktiv rechtmäßig gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG lägen sowohl bei ihm wie bei seiner Mutter vor. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Dies sei auch schon am 19.08.2008 der Fall gewesen, wie sich aus den schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Stellungnahmen des behandelnden Therapeuten, Herrn M..., ergebe. Aus der nunmehr eingeholten Stellungnahme M... vom 10.07.2010 und der ärztlichen Stellungnahme Dr. S... vom 15.06.2010 ergebe sich eindeutig, dass – ungeachtet etwaiger zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse – bereits infolge der Aufenthaltsbeendigung und den dadurch bedingten Abbruch der seit langer Zeit durchgeführten Therapie zu befürchten sei, dass sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtern werde, zumal dann, wenn der Kläger noch näher zu den Ereignissen im Kosovo befragt werden würde.
12 
Der Kläger beantragt sinngemäß,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.06.2010 – 12 K 1141/09 – zu ändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verpflichten, ihm rückwirkend für den Zeitraum vom 19.08.2008 bis 10.03.2010 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
14 
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und macht sich die Ausführungen des angegriffenen Urteils zu Eigen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass mittlerweile die Staatsanwaltschaft Ellwangen unter dem 06.09.2010 gegen den Kläger Anklage zum Amtsgericht (Jugendschöffengericht) Ellwangen wegen zahlreicher strafrechtlich relevanter Vorwürfe erhoben habe. Weiter sei der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Aalen vom 16.09.2010 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen rechtskräftig zu zwei Wochen Dauerarrest verurteilt worden.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze vom 16.08.2010, 16.09.2010, 22.09.2010 und 23.09.2010.
16 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und die Ausländerakten des Klägers vor.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.
18 
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die Beklagte auch zur rückwirkenden Erteilung des Aufenthaltstitels verpflichten müssen.
19 
Dem Kläger steht das in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 29.09.1998 – 1 C 14.97 – InfAuslR 1999, 69 m.w.N.) für die auch rückwirkende Erteilung (oder Verlängerung) geforderte Sachbescheidungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
20 
Die ergibt sich aus folgendem: Im Falle des Klägers war mit seinem am 19.08.2008 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht die Rechtsfolge des § 81 Abs. 4 AufenthG verbunden, weil der Kläger nach den erfolglosen Asylverfahren nur geduldet war. Für eine später vom Kläger – nahe liegend – ins Auge gefasste Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG würde daher die Zeit zwischen dem 19.08.2008 bis 10.03.2010 ausfallen, da diese als Duldungszeit nicht nach § 102 Abs. 2 AufenthG anrechenbar wäre. Zwar könnte die Zeit – allerdings nur im Ermessenswege und auch nur teilweise – bis zu einem Jahr gem. § 85 AufenthG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2009 – 1 C 24.08 – AuAS 2010, 113). Abgesehen davon hat der Kläger aber auch ein beachtliches Interesse, dieses Maximum von einem Jahr noch nicht völlig auszuschöpfen, da auch in der Zukunft u.U. Lücken entstehen können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 29.09.1998 (- 1 C 14.97 - InfAuslR 1999, 69; bestätigt durch U. v. 10.11.2009 - 1 C 24.08 - AuAS 2010, 113; vgl. auch U.v. 30.03.2010 – 1 C 6.09 – InfAuslR 2010, 343) überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass für eine Aufenthaltsverfestigung (dort nach § 24 Abs. 1 AuslG 1990) Besitzzeiten auch solche Zeiten sein könnten, in denen ein Anspruch nur von Rechts wegen bestanden habe; die fehlende Titulierung sei unschädlich. In dem entschiedenen Fall waren jedoch die (verschiedenen und mehrfachen) Verlängerungsanträge sämtlich nicht unanfechtbar negativ beschieden, sondern im konkreten Verfahren ausdrücklich Gegenstand von Hilfsanträgen. Im Falle des Klägers würde infolge der Klageabweisung diese Offenheit des Verfahrens verloren gehen. Zwar wurde die Klage nur wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Die Beklagte hatte jedoch, wie sich auch aus ihrer weiteren Einlassung im Verfahren ergibt, mit ihrer Entscheidung nach der anfänglichen Untätigkeit eine rückwirkende Erteilung nicht nur konkludent, sondern auch ausdrücklich abgelehnt. Da die Untätigkeitsklage zulässig war und das Verwaltungsgericht gerade keine Nachfrist nach § 75 Satz 3 VwGO gesetzt hatte, ist diese Ablehnung spätestens infolge der entsprechenden Antragstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise Gegenstand dieses Verfahrens geworden (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 75 Rdn. 21 und 22; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 75 Rdn. 18 und 20). Wegen der Besonderheiten und der Fristgebundenheit der Verpflichtungsklage würde dann spätestens mit Ablauf der Jahresfrist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO) diese Ablehnung unanfechtbar. Noch deutlicher wäre die Sachlage, wenn die Beklagte vor Erhebung der Untätigkeitsklage die Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft erteilt, für die Zeit ab Antragstellung aber abgelehnt und der Kläger hiergegen erfolglos Widerspruch eingelegt und dann Klage erhoben hätte. In diesem Fall würde bei Abweisung der Klage als unzulässig die Ablehnung unanfechtbar, weil eine erneute Klageerhebung mit Rücksicht auf die regelmäßig bereits abgelaufene Klagefrist von einem Monat (vgl. § 74 Abs. 2 VwGO) nicht mehr möglich wäre.
21 
In der Sache geht der Senat mit der Beklagten und dem Regierungspräsidium Stuttgart davon aus, dass in der Person des Klägers ein nicht zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) vorliegt. Aus den zahlreichen bis in das Jahr 2005 zurückreichenden ärztlichen Attesten und Stellungnahmen, die auch von der Beklagten und dem Regierungspräsidium in der Sache nicht infrage gestellt und die unter dem 15.06.2010 und 10.07.2010 aktualisiert wurden, ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger im Falle der Aufenthaltsbeendigung und des damit einhergehenden Abbruchs der langjährigen und intensiven Therapie konkret zu befürchten hätte, dass sich sein Gesundheitszustand in erheblichem Umfang verschlechtern würde, selbst wenn schon im Hinblick auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG davon ausgegangen werden muss, dass im Zielstaat eine Behandlung grundsätzlich möglich ist. Es gibt für den Senat nach den vorliegenden ärztlichen bzw. therapeutischen Äußerungen auch keinen greifbaren Anhalt dafür, dass angesichts einer bereits am 02.03.2005 begonnenen Behandlung die Lage vor dem 11.03.2010, d.h. auch am 19.08.2008 signifikant anders (besser) gewesen sein könnte.
22 
Allerdings liegen, worauf die Beklagte sinngemäß hingewiesen hat, nunmehr neue Ausweisungsgründe im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung bei Klagen, die auf die Verpflichtung zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 07.04.2009 – 1 C 17.08 – BVerwGE 133, 329). Im vorliegenden Fall muss jedoch eine Besonderheit gelten, da die Beklagte den maßgeblichen Sachverhalt für die Zukunft (bis zum 10.09.2010) bereits in der Weise geregelt hat, dass sie sämtlichen schon zum 11.03.2010 bestehenden (zahlreichen) Ausweisungsgründen im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG keine die Erteilung hindernde Bedeutung beigemessen hat. Dann jedoch wäre es widersprüchlich, diese Bewertung der Ausweisungsgründe durch die Beklagte für einen zeitlich abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Lebenssachverhalt nicht mehr zugrunde zu legen. Für die zukünftige Verlängerung gelten dann allerdings wieder die allgemeinen Grundsätze.
23 
Da die Beklagte mithin ihr durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumtes Ermessen bereits zugunsten des Klägers ausgeübt und von der Berücksichtigung bestehender Ausweisungsgründe abgesehen hat, war die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis rückwirkend zu erteilen. Dass dieser Zeitraum die in § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgegebene Obergrenze überschreitet, steht dem nicht entgegen, weil diese nur die Geltungsdauer in die Zukunft hinein begrenzt.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat ist im Übrigen an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 161 Abs. 2 VwGO gebunden, und zwar schon deshalb, weil die Beklagte sie nicht angegriffen hat (vgl. zur Zulässigkeit einer Anfechtung BVerwG, U.v. 08.05.2005 – 3 C 50.04 - NJW 2006, 536). Der Senat übernimmt diese und trifft eine einheitliche Kostenentscheidung für beide Rechtszüge.
25 
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
26 
Beschluss vom 8. November 2010
27 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- EUR festgesetzt.
28 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
17 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.
18 
Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die Beklagte auch zur rückwirkenden Erteilung des Aufenthaltstitels verpflichten müssen.
19 
Dem Kläger steht das in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 29.09.1998 – 1 C 14.97 – InfAuslR 1999, 69 m.w.N.) für die auch rückwirkende Erteilung (oder Verlängerung) geforderte Sachbescheidungs- bzw. Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
20 
Die ergibt sich aus folgendem: Im Falle des Klägers war mit seinem am 19.08.2008 gestellten Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht die Rechtsfolge des § 81 Abs. 4 AufenthG verbunden, weil der Kläger nach den erfolglosen Asylverfahren nur geduldet war. Für eine später vom Kläger – nahe liegend – ins Auge gefasste Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG würde daher die Zeit zwischen dem 19.08.2008 bis 10.03.2010 ausfallen, da diese als Duldungszeit nicht nach § 102 Abs. 2 AufenthG anrechenbar wäre. Zwar könnte die Zeit – allerdings nur im Ermessenswege und auch nur teilweise – bis zu einem Jahr gem. § 85 AufenthG berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2009 – 1 C 24.08 – AuAS 2010, 113). Abgesehen davon hat der Kläger aber auch ein beachtliches Interesse, dieses Maximum von einem Jahr noch nicht völlig auszuschöpfen, da auch in der Zukunft u.U. Lücken entstehen können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 29.09.1998 (- 1 C 14.97 - InfAuslR 1999, 69; bestätigt durch U. v. 10.11.2009 - 1 C 24.08 - AuAS 2010, 113; vgl. auch U.v. 30.03.2010 – 1 C 6.09 – InfAuslR 2010, 343) überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass für eine Aufenthaltsverfestigung (dort nach § 24 Abs. 1 AuslG 1990) Besitzzeiten auch solche Zeiten sein könnten, in denen ein Anspruch nur von Rechts wegen bestanden habe; die fehlende Titulierung sei unschädlich. In dem entschiedenen Fall waren jedoch die (verschiedenen und mehrfachen) Verlängerungsanträge sämtlich nicht unanfechtbar negativ beschieden, sondern im konkreten Verfahren ausdrücklich Gegenstand von Hilfsanträgen. Im Falle des Klägers würde infolge der Klageabweisung diese Offenheit des Verfahrens verloren gehen. Zwar wurde die Klage nur wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Die Beklagte hatte jedoch, wie sich auch aus ihrer weiteren Einlassung im Verfahren ergibt, mit ihrer Entscheidung nach der anfänglichen Untätigkeit eine rückwirkende Erteilung nicht nur konkludent, sondern auch ausdrücklich abgelehnt. Da die Untätigkeitsklage zulässig war und das Verwaltungsgericht gerade keine Nachfrist nach § 75 Satz 3 VwGO gesetzt hatte, ist diese Ablehnung spätestens infolge der entsprechenden Antragstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise Gegenstand dieses Verfahrens geworden (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 75 Rdn. 21 und 22; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 75 Rdn. 18 und 20). Wegen der Besonderheiten und der Fristgebundenheit der Verpflichtungsklage würde dann spätestens mit Ablauf der Jahresfrist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO) diese Ablehnung unanfechtbar. Noch deutlicher wäre die Sachlage, wenn die Beklagte vor Erhebung der Untätigkeitsklage die Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft erteilt, für die Zeit ab Antragstellung aber abgelehnt und der Kläger hiergegen erfolglos Widerspruch eingelegt und dann Klage erhoben hätte. In diesem Fall würde bei Abweisung der Klage als unzulässig die Ablehnung unanfechtbar, weil eine erneute Klageerhebung mit Rücksicht auf die regelmäßig bereits abgelaufene Klagefrist von einem Monat (vgl. § 74 Abs. 2 VwGO) nicht mehr möglich wäre.
21 
In der Sache geht der Senat mit der Beklagten und dem Regierungspräsidium Stuttgart davon aus, dass in der Person des Klägers ein nicht zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) vorliegt. Aus den zahlreichen bis in das Jahr 2005 zurückreichenden ärztlichen Attesten und Stellungnahmen, die auch von der Beklagten und dem Regierungspräsidium in der Sache nicht infrage gestellt und die unter dem 15.06.2010 und 10.07.2010 aktualisiert wurden, ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger im Falle der Aufenthaltsbeendigung und des damit einhergehenden Abbruchs der langjährigen und intensiven Therapie konkret zu befürchten hätte, dass sich sein Gesundheitszustand in erheblichem Umfang verschlechtern würde, selbst wenn schon im Hinblick auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG davon ausgegangen werden muss, dass im Zielstaat eine Behandlung grundsätzlich möglich ist. Es gibt für den Senat nach den vorliegenden ärztlichen bzw. therapeutischen Äußerungen auch keinen greifbaren Anhalt dafür, dass angesichts einer bereits am 02.03.2005 begonnenen Behandlung die Lage vor dem 11.03.2010, d.h. auch am 19.08.2008 signifikant anders (besser) gewesen sein könnte.
22 
Allerdings liegen, worauf die Beklagte sinngemäß hingewiesen hat, nunmehr neue Ausweisungsgründe im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung bei Klagen, die auf die Verpflichtung zur Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 07.04.2009 – 1 C 17.08 – BVerwGE 133, 329). Im vorliegenden Fall muss jedoch eine Besonderheit gelten, da die Beklagte den maßgeblichen Sachverhalt für die Zukunft (bis zum 10.09.2010) bereits in der Weise geregelt hat, dass sie sämtlichen schon zum 11.03.2010 bestehenden (zahlreichen) Ausweisungsgründen im Ermessenswege nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG keine die Erteilung hindernde Bedeutung beigemessen hat. Dann jedoch wäre es widersprüchlich, diese Bewertung der Ausweisungsgründe durch die Beklagte für einen zeitlich abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Lebenssachverhalt nicht mehr zugrunde zu legen. Für die zukünftige Verlängerung gelten dann allerdings wieder die allgemeinen Grundsätze.
23 
Da die Beklagte mithin ihr durch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumtes Ermessen bereits zugunsten des Klägers ausgeübt und von der Berücksichtigung bestehender Ausweisungsgründe abgesehen hat, war die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis rückwirkend zu erteilen. Dass dieser Zeitraum die in § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorgegebene Obergrenze überschreitet, steht dem nicht entgegen, weil diese nur die Geltungsdauer in die Zukunft hinein begrenzt.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat ist im Übrigen an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 161 Abs. 2 VwGO gebunden, und zwar schon deshalb, weil die Beklagte sie nicht angegriffen hat (vgl. zur Zulässigkeit einer Anfechtung BVerwG, U.v. 08.05.2005 – 3 C 50.04 - NJW 2006, 536). Der Senat übernimmt diese und trifft eine einheitliche Kostenentscheidung für beide Rechtszüge.
25 
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
26 
Beschluss vom 8. November 2010
27 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,- EUR festgesetzt.
28 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.