Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 10. Nov. 2014 - 7 K 2575/13.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Tatbestand
2Der nach eigenen Angaben am 00. 00. 1984 in B. in der Provinz E. geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger vom Volksstamm der Hazara. Er reiste am 21. Mai 2011 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. September 2011 einen Asylantrag.
3Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 17. Oktober 2011 gab der Kläger an, seine Eltern seien am 05. oder 06. April 2002 getötet worden. Er habe noch eine Schwester, die in E. lebe. Er habe in Teheran als Bauarbeiter gearbeitet. Den Iran habe er verlassen, weil ihm die Abschiebung nach Afghanistan gedroht habe. Zu seinen Asylgründen trug er vor, sein Vater sei örtlicher Kommandant der Hezbe Wahdat (Partei der Einigkeit) mit 15 bis 20 Leuten gewesen. Im Jahre 1994 „oder bis 1996“ habe es eine Auseinandersetzung zwischen den Taliban und dieser Organisation gegeben. Dabei seien zwei Personen mitgenommen und eine Person getötet worden. Die beiden Entführten sei später getötet worden; es sei unklar geblieben, wer dafür verantwortlich sei. Sein Vater habe jedenfalls Schwierigkeiten mit den Familien der Getöteten und habe sich drei Jahre auf der Flucht befunden und sich in Tadschikistan aufgehalten, während er, der Kläger, mit seiner Mutter in Q. in der Provinz E. geblieben sei. Nach dem Sturz der Taliban – 2002 – sei sein Vater zurückgekehrt und habe seine beiden Waffen abgegeben. Seine Eltern seien dann entführt worden. Er sei zufällig bei seiner Schwester gewesen, sonst hätten sie ihn auch mitgenommen. Als er vom Tod seiner Eltern erfahren habe, sei er in den Iran gegangen. Heute noch suchten die Familienangehörigen der Getöteten nach ihm. Seine Schwester sei mehrere Male geschlagen und gefragt worden, wo er sei. Jetzt im Moment lasse man sie in Ruhe.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Mai 2013 ließ der Kläger vortragen, sein Vater sei örtlicher Kommandant der Hazara-Partei Hezbe Wahdat mit ca. 15 bis 20 Kämpfern gewesen. 1994 bis 1996 habe es Auseinandersetzungen zwischen der örtlichen Miliz unter seinem Kommando und den Taliban gegeben. Dabei seien zwei Personen von den Taliban mitgenommen und eine Person getötet worden. Mit den Entführungen hätten die Taliban seinen Vater zwingen wollen, sich den Taliban zu ergeben. Da er sich jedoch geweigert habe, seien die beiden entführten Personen getötet worden. Daraufhin habe der Vater auch noch Schwierigkeiten mit den Familien der Getöteten bekommen, die ihm und seiner Familie mit Blutrache gedroht hätten. Die Familie habe sich daraufhin in Q. versteckt und habe dort drei Jahre lang im Verborgenen gelebt.
5Mit Bescheid vom 19. September 2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
6Der Kläger hat am 01. Oktober 2013 Klage erhoben. Er macht geltend, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan Blutrache seitens der Familien der von den Taliban getöteten 2 Männern drohe. Außerdem werde er als Hazara diskriminiert. Schließlich drohe ihm Zwangsrekrutierung durch die Taliban.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 19. September 2013 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
9hilfsweise,
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2013 zu verpflichten, ihm subsidiären internationalen Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise,
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2013 zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote gemäß 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Kammer kann entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (vgl. § 102 Abs. 1 VwGO).
19Die Kammer hat sich nicht veranlasst gesehen, den Rechtsstreit aufgrund des Art. 267 AEUV gemäß dem Antrag des Klägers dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen. Die in Rede stehende Frage der inländischen Schutzalternative gemäß Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG bzw. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU stellt sich - wie aus den nachstehenden Ausführungen folgt - im vorliegenden Verfahren nicht. Ungeachtet dessen ist das erkennende Gericht zur Vorlage auch nicht verpflichtet, da es nicht das in letzter Instanz entscheidende Gericht ist.
20Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 94 Rn. 21 m.w.N.
21Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 19. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
22Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG – weder einen Anspruch auf Asylanerkennung (nachfolgend I.) noch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG (II.). Zudem liegen in seiner Person weder Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG (III.) noch die Voraussetzungen eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (IV.).
23I.
24Der begehrten Asylanerkennung steht bereits die Regelung des Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a AsylVfG ("Drittstaatenregelung") entgegen, weil der Kläger nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat eingereist ist.
25II.
26Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in seiner Person.
27Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 b Abs. 1 AsylVfG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
28Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3 a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
29Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 22.12 -, juris Rn. 19 m.w.N.
31Diese Anforderungen gelten auch für den Fall, dass die Verfolgung nicht von dem Staat, sondern von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Nach § 3 c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
32Einen Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 e AsylVfG allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftsstaates keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz nach § 3 d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2), sog. inländische Fluchtalternative.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger aufgrund einer anlassgeprägten Einzelverfolgung sein Heimatland verlassen hat oder ihm bei einer Rückkehr eine solche droht.
341.) Dem Kläger droht keine Verfolgung in Gestalt einer Gruppenverfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zum Stamm der Hazara. Deren Lage hat das VG Ansbach in seinem Urteil vom 11. Juli 2014 – AN 11 K 14.30557 –, juris Rn. 37 f. - wie folgt zusammengefasst:
35„Über die Behandlung von Hazara in Afghanistan berichten die Auskunftsstellen in den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln weitgehend übereinstimmend. Nach dem Auswärtigen Amt beträgt der Anteil der Volksgruppe der Hazara ca. 19% der Gesamtbevölkerung. Die afghanische Verfassung schütze sämtliche ethnischen Minderheiten. Das Parteiengesetz verbiete die Gründung politischer Parteien entlang ethnischer Grenzen. In der Regierung seien alle großen ethnischen Gruppen vertreten. Es gebe Bemühungen, Armee- und Polizeikräfte so zu besetzen, dass sämtliche Volksstämme angemessen repräsentiert seien, was in der Praxis zuweilen sogar zu einer Überrepräsentation von ethnischen Minderheiten auch in den Führungspositionen führe. Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft habe sich die Situation auch für die traditionell diskriminierten Hazara insgesamt verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestünden und auch immer wieder auflebten. Die Hazara seien in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, wobei unklar sei, ob dies eher eine Folge der früheren Marginalisierung als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums sei. Gesellschaftliche Spannungen bestünden fort und lebten in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (ständige Lageberichterstattung, zuletzt vom 31.3.2014). Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe verläuft der Ressourcenkampf oft entlang ethnischer Linien. Im Westen Kabuls lebende Hazara wurden Ziel von Gewalt und Kriminalität seitens anderer ethnischer Gruppen. Im Januar 2004 wurde eine Gruppe von Hazara bei Baghran überfallen und erschossen. Im Januar 2004 kündete der schiitische Hazara-Führer und Planungsminister in der Übergangsregierung seine Präsidentschaftskandidatur an, um zu zeigen, dass es kein Verbrechen mehr sei, Hazara in Afghanistan zu sein (Update vom 1.3.2004). Hazara seien mit Diskriminierungen im Alltag konfrontiert. Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führten vor allem Konflikte um Land-, Wasser- und Weiderechte zwischen Hazara und Kuchi (hierzu Accord vom 5.2.2013). Da die Taliban nach einer landesweiten Akzeptanz strebten, würden sie Konflikte mit ethnischen Minderheiten bewusst vermeiden (Update vom 3.9.2012). Nach Djelani Davary hat Präsident Karsai den Chef der hazarischen Wahdat-Partei als zweiten Stellvertreter ernannt. Die Minister mit Hazara-Herkunft seien im Kabinett gut vertreten, den Hazara falle mehr und mehr Regierungsverantwortung zu. Dies gelte auch für die Justiz. Eine hazarische Frauenrechtlerin sei zur Gouverneurin der Provinz Bamiyan ernannt worden. Seit der Machtübernahme von Karsai sei kein Fall bekannt geworden, der auf Diskriminierung und Willkür seitens des Staates hindeuten könnte. Die (hazarischen) Schiiten könnten ihren religiösen Pflichten nachgehen. Zu keinem Zeitpunkt der modernen afghanischen Geschichte mit Ausnahme der Talibanzeit seien sie deshalb verfolgt oder zumindest an der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien gehindert worden (Stellungnahme vom 9.3.2005). Hazara werden nicht wie etwa Hindu und Sikhs zu den speziell gefährdeten Personengruppen gezählt. Allerdings sei davon auszugehen, dass Ethnien, die die Minderheit in ihrer Wohngegend bildeten verletzlicher seien (SFH-Updates zur aktuellen Sicherheitslage vom 3.2.2006, vom 21.8.2008, vom 26.2. und 11.8.2009 und vom 11.8.2010). Der UNHCR ist der Auffassung, dass trotz der verfassungsrechtlichen Garantie der Gleichheit aller ethnischen Gruppen und Stämme und der Bestrebungen der Regierung, sich mit den Problemen der ethnischen Minderheiten zu befassen, weiterhin Diskriminierung und ethnische Konflikte insbesondere im Zusammenhang mit Land- und Eigentumsfragen auftreten. Es werde auch über starke Diskriminierung ethnischer Minderheiten in einigen Gegenden berichtet, meistens in Form der Versagung des Zugangs zu Bildung und anderen Diensten sowie zu politischer Vertretung. In den Gegenden, in denen eine Volksgruppe eine ethnische Minderheit darstellt, könnten die Angehörigen dieser Minderheit einer Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer ethnischen Volkszugehörigkeit/Rasse ausgesetzt sein. In dieser Hinsicht erstrecke sich die Furcht vor Verfolgung aber nicht notwendigerweise auf das gesamte afghanische Gebiet (Stellungnahmen vom 10.11.2009 und vom 30.11.2009 an BayVGH) und sei abhängig von den individuellen Umständen des Falls (Stellungnahme vom 11.11.2011 an OVG RhPf). Im August 2012 seien nach einem angeblich von Taliban verübten Mord an zwei Hazara in der Provinz Uruzgan neun Paschtunen, vermutlich von Hazara getötet worden (Richtlinie vom 6.8.2013). Eine ausführliche Darstellung der Minderheit der Hazara findet sich im ÖIF-Länder-info von Februar 2010. Die Hazara, die 9% der Bevölkerung Afghanistans ausmachten und zum 19%igen Anteil an Schiiten zählen, stellten in doppelter Hinsicht, nämlich ethnisch und religiös, gegenüber den Paschtunen und Tadschiken eine Minderheit dar. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist das Hazarajat, ein Gebiet in Zentralafghanistan, verteilt auf verschiedene Provinzen mit dem Großteil der Provinz Bamyan und acht weiteren Provinzen. Daneben gibt es nennenswerte hazarische Gruppen in den größeren Städten Afghanistans, insbesondere in Kabul und Herat. Sie bildeten dort die ökonomische Unterschicht und blieben weitgehend vom Rest der Gesellschaft getrennt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert seien die Hazara meist von einer paschtunischen Elite beherrscht, benachteiligt und unterdrückt worden. Erst mit dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Zuge der kommunistischen Machtergreifung Ende 1970 sei es den Hazara gelungen, eine gewisse Autonomie und schließlich auch eine gemeinsame politische Führung zu erlangen. Im Jahr 1989 sei die Hizb-e Wahdat gegründet worden, die einen Großteil der Hazara hinter sich versammele. Während des Bürgerkriegs und der anschließenden Herrschaft der Taliban sei es mehrmals zu Massakern an den schiitischen Hazara gekommen (vgl. Ahmed Rashid S. 62 ff, 98 ff. und 113 ff). Nach dem Sturz der Taliban seien die Hazara immer in den verschiedenen Regierungen Präsident Hamid Karsais vertreten gewesen. Aktuell bestehe der größte Konflikt der Hazara in der ungelösten Frage der Weiderechte der Nomaden im Hazarajat, wo es alljährlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen komme. Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 habe es keine Angriffe der Taliban auf Schiiten allgemein mehr gegeben und seien die Hazara nicht mehr aus ethnischen und religiösen Motiven von den Taliban verfolgt worden.“
36Auf dieser Grundlage ist nach Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel die Annahme einer ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden Gruppenverfolgung der Hazara nicht gerechtfertigt. Soweit gelegentliche Nachstellungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen einschließlich der Taliban berichtet werden, ist maßgeblich darauf abzustellen, dass die Referenzfälle von der Anzahl der Rechtsverletzungen im Verhältnis zur Gesamtzahl dieser Gruppe und ihrer staatlichen Behandlung weder die Schwelle, ab der eine Verfolgungsdichte anzunehmen wäre noch belegen sie in ausreichendem Maß eine staatliche Untätigkeit im Vorgehen gegen solche Übergriffe mit dem Ziel der Vernichtung dieser Minderheit.
37Vgl. ebenso BayVGH, Beschluss vom 20.08.2014 – 13a ZB 14.30207 –, juris Rn. 5; Beschluss vom 21.06.2013 – 13a ZB 12.30416 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 25.02.2013 – 13 A 180/12.A – juris Rn. 10 m.w.N.; VG Ansbach, Urteil vom 11. Juli 2014 – AN 11 K 14.30557 –, juris Rn. 25 ff. m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.07.2014 – 5a K 1857/13.A Rn. 37 ff. m.w.N.; VG Köln, Urteil vom 20.05.2014 – 14 K 4357/12.A –, juris Rn. 47 ff. m.w.N.
382.) Der Kläger war auch keiner individuellen asylerheblichen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt. Er kann sich insbesondere nicht mit Erfolg auf drohende Blutrache berufen.
39Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass er in Anknüpfung an ein asylrelevantes Merkmal - Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – in seinem Heimatland individuell politischer Verfolgung ausgesetzt war oder ihm im Fall seiner Rückkehr eine solche droht. Er beruft sich darauf, dass ihm die Rache von Familien drohe, die seinen Vater für den Tod von Angehörigen verantwortlich gemacht hätten. Hierbei handelt es sich um eine Auseinandersetzung im privaten Bereich ohne Anknüpfung an ein in § 3 Abs. 1 AsylVfG genanntes asylrelevantes Merkmal. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Kläger einer Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i. S. d. § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG ausgesetzt ist. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (Buchst. a), und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Buchst. b). Es kann dahinstehen, ob die Familie grundsätzlich eine bestimmte soziale Gruppe bilden kann.
40Vgl. zu diesem Ansatz VG Ansbach, Urteil vom 10.07.2014 – AN 11 K 14.30425 – juris Rn. 26.
41Jedenfalls ist im Einzelfall unter Würdigung der jeweils konkreten Verfolgungssituation zu prüfen, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG vorliegen.
42Vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.08.2014 – 13a ZB 14.30173 – juris Rn. 7; Beschluss vom 22.07.2014 – 13a ZB 14.30059 – juris Rn. 5; VG Bayreuth, Urteil vom 19.09.2014 – B 5 K 14.30175 –, juris Rn. 26; VG Ansbach, Urteil vom 10.07.2014 – AN 11 K 14.30425 – juris Rn. 23 ff.
43Dies ist vom Kläger nicht dargelegt worden und auch sonst nicht erkennbar. Es fehlt vorliegend jedenfalls an dem Merkmal, dass die Familie des Klägers aufgrund einer deutlich abgegrenzten Identität von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird, § 3 b Abs. 1 Nr. 4 b) AsylVfG.
44III.
45Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG – zuvor Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ‑ sind nicht gegeben.
461.) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm ein "ernsthafter Schaden" i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylVfG droht und kein Ausschlussgrund nach § 4 Abs. 2 AsylVfG vorliegt. Gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (3.).
47Aus dem Verweis des § 4 Abs. 3 Satz AsylVfG auf § 3 c AsylVfG folgt, dass auch hier die Verfolgung nicht zwingend vom Staat ausgehen muss. Der Schutz entfaltet sich vielmehr grundsätzlich auch gegenüber Gefahren, die von nichtstaatlichen Organisationen bzw. Akteuren ausgehen.
48a) Dem Kläger droht keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung.
49(1) Er kann sich nicht darauf berufen, es sei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu rechnen. Zum einen stellt die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 4/09 – juris Rn. 29; VG München, Urteil vom 13.03.2014 – M 7 K 13.30461 –, juris Rn. 30.
51Zum anderen ist dem Vorbringen des Klägers schon nicht zu entnehmen, dass er schon einmal individuell in irgendeiner Weise konkret Schwierigkeiten mit den Taliban hatte. Generell handelt es sich insgesamt nur um ein Randphänomen. Die Taliban können nach den vorliegenden Erkenntnissen auf einen großen Pool von Rekruten zurückgreifen, insbesondere sollen bis zu 70% der Taliban junge arbeitslose Männer sein, die versuchen, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch stellt sich bei zwangsrekrutierten Kämpfern die Frage der mangelnden Zuverlässigkeit.
52Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 31.03.2014, S. 12; Danesch, Gutachten an HessVGH vom 03.09.2013; Gutachten an Nds.OVG vom 30.04.2013; zur Rechtsprechung VG München, Urteil vom 13.03.2014 – M 7 K 13.30461 –, juris Rn. 29 m.w.N.
53(2) Hinsichtlich der befürchteten Blutrache ist das Vorbringen des Klägers nicht glaubhaft.
54Es weist in zentralen Punkten Widersprüche auf. So hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt davon berichtet, im Zuge der Auseinandersetzung mit den Taliban seien zwei Personen mitgenommen und eine getötet worden; die beiden Entführten seien später getötet worden. In der mündlichen Verhandlung hat er im Gegensatz dazu nur davon gesprochen, dass eine Person sofort und eine Person später umgebracht worden sei. Diesen Widerspruch hat der Kläger nicht überzeugend auflösen können. Zu berücksichtigen ist zwar, dass es hier um Vorgänge geht, von denen anzunehmen ist, dass der Kläger sie angesichts seines damaligen Alters nicht selbst mitbekommen hat. Indes hat er seine Aussage nicht unter diesen Vorbehalt gestellt, weder beim Bundesamt noch vor Gericht. Weiter hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt davon gesprochen, seine Eltern seien entführt (und später getötet) worden. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung davon berichtet, sie seien beide zusammen in ihrem Haus in dem Dorf N. P. umgebracht worden. Auf Vorhalt hat sich der Kläger darauf beschränkt zu sagen, er habe bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht davon gesprochen, dass seine Eltern entführt worden seien. Allerdings hat der Kläger zum Abschluss der Anhörung bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. Auch hat er nach der Rückübersetzung keine Korrekturen oder Ergänzungen angebracht. Dass nicht ein schlichter Übertragungsfehler vorliegen kann, folgt daraus, dass der Kläger in Bezug auf die Entführung beim Bundesamt weiter vorgetragen hat, dass er zufällig bei seiner Schwester gewesen sei, sonst hätte man ihn „auch mitgenommen“.
55Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens ergeben sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger allein aufgrund der Nachricht eines 13- bis 14-jährigen Jungen das Land verlassen haben will. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger sich nicht darum bemüht hat zu überprüfen, ob die Nachricht vom Tod der Eltern tatsächlich zutrifft. Das hätte zum einen deshalb nahegelegen, weil der Kläger den Jungen nach eigenen Angaben nicht gekannt hat. Zwar hat er auf Nachfrage bekundet, nicht den Jungen, wohl aber den Vater des Jungen zu kennen. In der vom Kläger geschilderten Situation gab es für ihn aber keine Möglichkeit, sich über die Herkunft des Jungen zu vergewissern, so dass er sich – was fraglich erscheint – allein auf dessen Aussage verlassen musste, wer sein Vater sei. Zum anderen hätte zumindest eine weitere Aufklärung auf welchem Wege auch immer anstatt der umgehenden Flucht in den Iran aufgedrängt, weil es sich bei dem gewaltsamen Tod der Eltern für den seinerzeit gerade mal 18-jährigen Kläger um einen massiven Einschnitt gehandelt haben muss, über den sich zu vergewissern naheliegt.
56Gegen die Annahme einer Gefahr aufgrund drohender Blutrache spricht ferner, dass der Kläger drei Jahre mit seiner Mutter in Q. gelebt hat, ohne dass sie in dieser Zeit irgendwelche Schwierigkeiten hatten. Der Kläger hat zwar noch im Verwaltungsverfahren mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27. Mai 2013 vortragen lassen, sie hätten sich dort versteckt. Dies hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung bekundet. Gleichwohl stellt sich die Frage, warum er es so bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht berichtet hat.
57Schließlich muss sich der Kläger seine Aussage vor dem Bundesamt entgegenhalten lassen, dass man "derzeit" seine Schwester in Ruhe lasse. Es mag zwar zutreffen, dass Frauen weniger gefährdet sind, der Blutrache zum Opfer zu fallen. Wenn aber die Familienangehörigen der Getöteten nicht mehr bei der Schwester nach dem Aufenthaltsort des Klägers nachfragen, ist dies als Indiz für ein gesunkenes Verfolgungsinteresse zu werten. Er hat zwar - auch - in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass seine Schwester nach ihm befragt werde. Auch hat er von einer Vergewaltigung gesprochen. Allerdings hat er diese Erkundigungen nach seinem Verbleib bzw. Belästigungen in keiner Weise und insbesondere nicht in zeitlicher Hinsicht konkretisiert.
58Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keine Veranlassung, den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen zu entsprechen. Hat es der Kläger – wie hier – an der Schilderung eines zusammenhängenden und in sich stimmigen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Sachverhalts mit Angabe genauer Einzelheiten aus seinem persönlichen Lebensbereich fehlen lassen, gibt das Klagevorbringen keinen Anlass, einer daraus hergeleiteten Verfolgungsgefahr weiter nachzugehen. Beweisanträgen zum Verfolgungsgeschehen braucht das Gericht dann nicht nachzugehen.
59Vgl. jüngst HessVGH, Urteil vom 04. September 2014 – 8 A 2434/11.A –, juris Rn. 19 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405/89 – juris Rdnr. 7 ff.
60Davon abgesehen liegen schon keine ordnungsgemäßen Beweisanträge vor, soweit es um die Vernehmung des Abgeordneten des afghanischen Nationalparlaments S. B1. , des Senators von E. B2. B3. E1. und des Abgeordneten des Provinz E. im afghanischen Nationalparlament B4. T. geht. Die Anträge lassen nicht erkennen, weshalb die Zeugen etwas zu den - zahlreichen - Beweisthemen bekunden können sollen. Auch die Vernehmung der Schwester als Zeugin wäre auf der Grundlage des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abzulehnen, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.03.2012 - 2 A 11.10 -, juris Rn. 53.
62Danach kann ein Beweisantrag auf die Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn er nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Maßgebend ist, ob die Erhebung des beantragten Beweises ein Gebot der Aufklärung ist.
63Vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1994 - 1 StR 745/93 -, juris Rn. 23; zur Verfassungsmäßigkeit der Norm BVerfG, Beschluss vom 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 -, juris Rn. 16 ff.
64Dabei ist es dem Richter erlaubt und aufgegeben, das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme zugrunde zu legen. Das sonst weitgehend herrschende Verbot der Beweisantizipation gilt nicht. Die Entscheidung über die Beweiserhebung darf davon abhängig gemacht werden, welche Ergebnisse von der Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie sie zu würdigen wären. Hier wäre der Aussage der Zeugin ein geringer Beweiswert zuzumessen, da sie als unmittelbare Angehörige des Klägers in dessen "Lager" steht und demgemäß ein Interesse an einem für ihn positiven Ausgang des Klageverfahrens hat. Ein Einfluss der Beweiserhebung auf die Überzeugung des Gerichts wäre aber auch deshalb auszuschließen, weil die unter Beweis gestellte Tatsache, das mehrfache Aufsuchen und Schlagen der Zeugin, letztlich nichts darüber besagt, wie oft dies konkret in einem Zeitraum von nunmehr über 12 Jahren und ob es auch in der jüngsten Vergangenheit geschehen ist.
65b) Auch die Voraussetzungen des hier § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG sind nicht erfüllt.
66Unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen besteht ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
67Vgl. EuGH, Urteil vom 30.01.2014 – Rs. C 285/12 (Diakite) -, juris Rn. 30; Urteil vom 17.02.2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39; BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 – 10 C 13.10 -, juris Rn. 19; Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 32,
68Der Kläger hat aber in tatsächlicher Hinsicht bereits nichts dazu vorgetragen, was die Annahme einer derartigen Gefahrverdichtung in der Provinz E. rechtfertigen könnte und ist insoweit bereits dem aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG folgenden Darlegungserfordernis nicht nachgekommen.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 – 13 A 1150/14.A -, juris Rn. 11; BayVGH, Beschluss vom 05.09.2011 - 13a ZB 11.30010 -, juris Rn. 5.
70Ungeachtet dessen ist nach Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel nicht von einer Gefahrverdichtung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen.
71Vgl. Fortschrittsbericht der Bundesregierung „Afghanistan“ zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages, Stand: Juni 2014, S. 16 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, Stand: 30.09.2013, S. 4 ff, 8: meist umkämpfte Provinzen: Kandahar, Helmand, Khost, Kunar, Ghazni.
72IV.
73Die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.
741.) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten als unzulässig erweist. Ausschließlich zu prüfen sind auch in diesem Rahmen nur etwaige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Das darin enthaltene Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung entspricht allerdings inhaltlich vollständig dem in § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG enthaltenen Grund für die Gewährung von subsidiären Schutz und ist bereits dort zu prüfen; insoweit hat § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK keine eigenständige Bedeutung mehr. In Ausnahmefällen kann sich ein Abschiebungsverbot aus Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Verurteilung unter krasser Missachtung der in Art. 6 EMRK normierten rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze droht. Auch kann Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) ein Abschiebungsverbot analog zum Asylrechtsschutz begründen.
75Vgl. etwa VGH BW, Urteil vom 13.12.2012 - A 2 S 1995/12 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -, juris Rn. 14 f. m.w.N.
76Hier ist indes nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
772.) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
78Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
79Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, juris (ständige Rechtsprechung).
80Dass hier eine solche extreme Gefahrenlage besteht, in der der Asylbewerber "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde” und die sich alsbald nach der Rückkehr realisiert,
81Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung,
82ist aus der Sicht der Kammer nicht anzunehmen. Sie geht nach Auswertung der aktuellen Auskünfte und Erkenntnisse sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung,
83vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 15.10.2014 - 13a ZB 14.30355 -, juris Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -, juris Rn. 7; HessVGH, Urteil vom 04.09.2014 - 8 A 2434/11.A -, juris Rn. 42 f.; VGH BW, Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris; SächsOVG, Urteil vom 10.10.2013 - A 1 A 474/09 - juris Rn. 57; OVG RP, Urteil vom 21.03.2012 - 8 A 11050/10 – juris Rn. 43 ff. VG Regensburg, Urteil vom 23.06.2014 - RO 8 K 14.30271 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 02.06.2014 - 5a K 3664/13.A -, juris Rn. 64, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 10.09.2014 - 13 A 1421/14.A -, juris.
84grundsätzlich davon aus, dass alleinstehende, gesunde, junge und arbeitsfähige Männer im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan im Raum Kabul derzeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr für Leben und Gesundheit im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgesetzt sind. Auch wenn die Versorgungslage in Afghanistan nach wie vor schlecht ist, ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau grundsätzlich nämlich nicht anzunehmen, dass einem alleinstehenden arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer bei einer Abschiebung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Das gilt selbst für beruflich nicht besonders qualifizierte afghanische männliche Staatsangehörige, die in Kabul ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie und Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2012 - 13 A 1101/11.A -, juris; VG Köln, Urteil vom 22. Januar 2014 - 14 K 2858/12.A -, n.v.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 02. Juni 2014 - 5a K 3664/13.A -, juris;
86Diese Grundsätze finden auch auf den Fall des Klägers Anwendung. Als junger Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne erkennbare gesundheitliche Einschränkungen ist er grundsätzlich imstande, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland ist davon auszugehen, dass er auch - zumindest ansatzweise - die deutsche Sprache gelernt hat, so dass seine Chancen, Arbeit zu finden, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher sind.
87Vgl. zu der letztgenannten Erwägung VGH BW, Urteil vom 26.02.2014 - A 11 S 2519/12 -, juris.
88Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 34, 38 AsylVfG).
89Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 10. Nov. 2014 - 7 K 2575/13.A
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 10. Nov. 2014 - 7 K 2575/13.A
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 10. Nov. 2014 - 7 K 2575/13.A zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 wird zu Ziffer 3 Satz 1 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 31. Dezember 1991 in Helmand geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischen Glaubens.
3Er reiste zunächst über den J. in die U. . Von dort aus gelangte er über H. , J1. und G. in die Bundesrepublik Deutschland, wo er am 28. April 2010 Asyl beantragte.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt -am 4. Mai 2010 in Düsseldorf gab er im Wesentlichen an, er sei etwa zwölf Jahre alt gewesen, als seine Eltern verstorben seien. Diese seien gemeinsam mit seiner kleineren Schwester in der Stadt unterwegs gewesen, als es zu einem gegen die ISAF-Truppen gerichteten Selbstmordanschlag gekommen sei. Die Eltern seien gestorben und die Schwester sei am Bein verletzt worden. Nachdem diese in I. behandelt worden sei, sei sie nach Afghanistan zurückgekehrt. Er selbst habe weiterhin in seinem Elternhaus gelebt und dort auf dem Grund und Boden der Eltern weiter gewirtschaftet. Nachdem der Volksvertreter im Parlament der Ortschaft im Jahr 2006 entführt worden sei, habe sich die Lage sehr verschlechtert. Die Schule sei komplett durch die Taliban zerstört worden. Es sei zu Unruhen gekommen, infolgedessen er das Haus habe verlassen müssen. Nachdem sich die Lage beruhigt habe, hätte er wieder zurück in das Haus kehren können. Im Jahr 2009 sei er von Personen, die zu den Taliban gehören, entführt worden. Ein Geländewagen habe angehalten und er sei dort hineingezerrt worden. Man habe ihm Hände und Füße zusammengebunden und den Mund zugebunden. Er sei in einen Nachbarort gebracht worden. Den Entführern sei es dabei hauptsächlich um Geld gegangen. Man versuche die Leute dazu zu zwingen, das Grundstück zu verkaufen, um dann in den Genuss des Verkaufserlöses zu kommen. Er sei etwa zwei Wochen lang entführt gewesen. Die Entführer hätten auf seinem Handy Telefonnummern seiner Bekannten vorgefunden und hätten diese dann erpresst. Unter Beibringung von Schlägen sei er aufgefordert worden, den Bekannten zu sagen, sie sollten sein Land verkaufen. Die Hälfte seines Grundstückes sei durch die Dorfälteren verkauft worden, damit er wieder freikomme. Man habe ihn dann an einem anderen Ort freigelassen. Während der Gefangenschaft sei er geschlagen worden. Die Entführer hätten ihn mit einer Zange an den Ohren, an den Fingernägeln und am Oberarm gezogen. Nach der Freilassung habe er sich entschlossen, den Rest des Grundstücks zu verkaufen, da er keine Zukunft mehr gesehen und in Angst gelebt habe. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei nicht möglich, da die Gegend sehr unsicher sei und er kein Land mehr habe, auf dem er leben könne.
5Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger einen Bericht des Klinikums E. vom 17. August 2012, ein fachärztliches Attest vom 8. Oktober 2012, einen Entlassungsbrief der Universitätsklinik N. vom 22. Oktober 2012 sowie ein weiteres Attest vom 5. November 2012 vor. Aus den Berichten geht jeweils hervor, dass der Kläger mehrfach - auch über längere Zeiträume - stationär behandelt worden sei und unter anderem an dem so genannten „familiären Mittelmeer-Fieber“ sowie schwerwiegenden Thrombosen leide.
6Die Beklagte lehnte am 25. März 2013 den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 S. 2 AufenthG a.F. nicht vorliegen. Ferner stellte sie fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG a.F. hinsichtlich Afghanistans vorliege. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller habe eine ihm in Afghanistan drohende politische Verfolgung nicht schlüssig dargelegt. Dem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass er in der Heimat einer staatlichen oder dem afghanischen Staat zurechenbare mittelbare Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Allein aus der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Den Entführern, über deren Identität der Kläger nur mutmaßen könne, sei es allein um die Zahlung eines Lösegeldes gegangen. Dies lasse den Schluss auf einen rein kriminellen Hintergrund zu. Es sei auch nicht ersichtlich, dass für den Fall einer Rückkehr eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen könnte, zumal der Kläger in den Monaten nach der Entführung bis zur Ausreise nicht weiter belangt worden sei und eigenen Angaben nach auch nicht mehr vermögend sei. Für den Kläger bestehe jedoch ein medizinisches Abschiebungsverbot, da er an rezidivierenden Thrombosen leide und einer Marcumartherapie sowie regelmäßigen Überprüfung des Blutbildes bedürfe. Die medizinische Versorgungslage in Afghanistan sei immer noch unzureichend, so dass davon auszugehen sein, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sein würde.
7Der Kläger hat am 3. April 2013 Klage erhoben.
8Er trägt vor, er gehöre zur Minderheit der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die Taliban-Gruppierungen würden sich an einer orthodox sunnitischen Glaubensrichtung des Islam orientieren und würden Mitglieder der schiitischen Glaubensrichtung als Ungläubige, die vom wahren Glauben abgefallen seien, betrachten. In der Vergangenheit habe es Drohungen von führenden Taliban-Mitgliedern gegeben, wonach alle Hazara damit rechnen müssten, getötet zu werden. Der Kläger sei aufgrund seiner Volks- und Glaubenszugehörigkeit bedroht worden. Auch die Entführung durch Personen, die den Taliban-Gruppierungen nahe stünden, habe ihren Hintergrund in der Volks- und Glaubenszugehörigkeit des Klägers gehabt. Es sei ihm gesagt worden, dass er kein Moslem und auch kein Afghane sei. Die Mitglieder der Hazara würden nicht zu Afghanistan gehören. Dies sei auch der Grund für die Entführung gewesen. Bei der Freilassung habe man ihm gesagt, dass man ihn nicht mehr sehen wolle. Sollte man ihn noch einmal sehen, würde man ihn nicht entführen, sondern töten. Die staatlichen Organe würden Hazara vor derartigen Übergriffen nicht schützen. Der Kläger sei daher zumindest als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Andere sichere Landesteile für schiitischen Hazara gebe es nicht. Der Kläger sei in der Gefangenschaft auch misshandelt worden. Er habe heute noch Narben an seinen Händen.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
11hilfsweise,
12unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,
13äußerst hilfsweise,
14unter Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3 Satz 1 und Satz 2, 2. Halbsatz des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. März 2013 die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz vorliegt.
15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid.
18Die Kammer hat durch Beschluss vom 15. August 2013 das Verfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Über die Klage entscheidet die nach § 76 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zuständige Einzelrichterin trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
22Die Klage hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nur teilweise Erfolg. Sie ist zwar insgesamt zulässig, aber nur insoweit begründet, als dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zukommt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
23Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
24Zwar ist der Anspruch nicht bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen, da die Drittstaatenregelung gemäß Art. 16a Abs. 5 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung findet. Denn die Beklagte ist infolge Ablaufs der Dreimonatsfrist hinsichtlich der Überstellung des Klägers nach H. gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden.
25Ob der Anspruch des Klägers auf Asylanerkennung gemäß § 27 Abs. 1 AsylVfG ausgeschlossen ist, weil er bereits in einem sonstigen (außereuropäischen) Staat, namentlich im J. , vor der geltend gemachten Verfolgung sicher war, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG nicht vor.
26Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
27Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2009, § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
28Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
30Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
31Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/ Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
32Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative dabei dann, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
34Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
35Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
36Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
38Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG nicht festzustellen. Zwar bewertet das Gericht den Vortrag des Klägers insgesamt als glaubhaft. Aus dem klägerischen Vorbringen ergibt sich aber keine asylrelevante Verfolgung. Aus den Schilderungen des Klägers im Verwaltungsverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung lässt sich entnehmen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr eine erneute Entführung befürchtet, da er zur Volksgruppe der Hazara gehört und schiitischen Glaubens ist. Weitere Asylgründe hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
39Im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara hat der Kläger keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter. Zwar sind die Hazara als ethnische Minderheit in Afghanistan weiterhin einem gewissen Grad an Diskriminierung ausgesetzt. Angehörigen der Volksgruppe der Hazara droht in Afghanistan jedoch keine Gruppenverfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Denn die Verfolgungshandlungen, denen die Hazara ausgesetzt sind, weisen jedenfalls nicht die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf.
40Vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243 ff., und vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237 ff.
41Dass in Bezug auf die Minderheit der Hazara eine Gruppenverfolgung nicht anzunehmen ist, entspricht der Rechtsprechung der Kammer,
42vgl. bereits Urteil der Kammer vom 12. Dezember 2005 - 5a K 5701/03.A -, unveröffentlicht (nachfolgend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 16. März 2007 - 20 A 111/06.A -, juris), sowie Urteile vom 23. Mai 2013 - 5a K 1907/11.A – und – 5a K 3603/11.A,
43sowie der herrschenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bundesweit,
44vgl. zuletzt etwa BayVGH, Urteile vom 3. Juli 2012 - 13a B 11.30064 -, juris (RdNrn. 20 ff.), vom 29. Januar 2013 - 13a B 11.30510 -, juris (RdNr. 24), und vom 1. Februar 2013 - 13a B 12.30045 -, juris (RdNr. 18), sowie Beschluss vom 25. Januar 2013 - 13a ZB 12.30153 -, juris (RdNrn. 7 f); OVG NRW, Beschlüsse vom 29. August 2012 - 13 A 1101/11.A -, juris (RdNrn. 20 ff.), vom 21. Februar 2013 - 13 A 1411/12.A -, juris (RdNrn. 25 ff.) und vom 25. Februar 2013 - 13 A 180/12.A -, juris (RdNrn. 10 f.); s. auch VG Berlin, Urteil vom 10. August 2012 - 33 K 114.12 A -, juris (RdNr. 25); VG Bayreuth, Urteil vom 1. Oktober 2012 - B 3 K 11.30220 -, juris (RdNr. 23); VG Köln, Urteile vom 23. Oktober 2012 - 14 K 5476/11.A - und - 14 K 6157/11.A -, juris (RdNrn. 36 ff. bzw. 40 ff.); VG Arnsberg, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 6 K 2482/11.A -; VG Göttingen, Urteil vom 4. Dezember 2012 - 4 A 49/10 -; VG München, Urteile vom 8. April 2014 – M 23 K 11.30431 - und vom 7. März 2013 - M 15 K 12.30965 -, juris (RdNr. 18 bzw. 38); VG Augsburg, Urteil vom 2. April 2013 - Au 6 K 12.30379 -, juris (RdNr. 19).
45Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
46Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
47Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
48Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
49Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
50Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
51Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
52Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
53Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
54Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
55Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG nicht zu. Nach dem insgesamt glaubhaften Vortrag des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung wird der Kläger nicht wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals verfolgt. Soweit der Kläger vorträgt, ihm drohe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, erneut verfolgt zu werden, kann auf die bereits gemachten Ausführungen zur Asylberechtigung verwiesen werden. Weitere Gründe, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
56Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG.
57Nach § 4 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Für die Gewährung subsidiären Schutzes gelten nach Absatz 3 der Vorschrift die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über die Verfolgungs- und Schutzakteure und den internen Schutz für anwendbar erklärt.
58Hinsichtlich der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG müssen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutzsuchende konkret wegen einer Straftat gesucht wird, derentwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann.
59Vgl. zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. März 2014 – 5a K 4464/11.A.-.
60Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG entspricht dem Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II Seite 685), deshalb kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und auf die Literatur verwiesen werden. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
61Vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C5.09 - und vom 7. Dezember 2010 - 10 C 11.09 -; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2012 - 14 A 2708/10.A -.
62Ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1. und 2 AsylVfG hat, kann vorliegend dahinstehen, da jedenfalls zugunsten des Klägers die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG vorliegen.
63Der Begriff des internationalen und des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 (GK) und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 (ZP II) auszulegen. Einerseits liegt danach ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits liegt ein Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG nicht vor bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen.
64Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3070/11 - und - A 11 S 3177/11 -.
65Der innerstaatliche Konflikt muss sich dabei – unabhängig von seiner Erscheinungsform – nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist grundsätzlich auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die der Ausländer typischerweise zurückkehren wird.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -; HessVGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 8 A 611/08.A -.
67Kann ein innerstaatlicher Konflikt in der Herkunftsregion des Ausländers festgestellt werden, ist weiter danach zu fragen, ob ihm dort infolgedessen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche „individuelle“ Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann schließlich auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 -; OVG NRW, Beschluss vom 9. August 2012 – 13 A 1471/12.A -; zitiert nach juris.
69Zudem darf für den Ausländer auch hier nicht die Möglichkeit einer internen Schutzalternative bestehen, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG.
70Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu.
71Für die Provinz Helmand, der Heimatprovinz des Klägers, kann zunächst nach der Erkenntnislage des Gerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. In der Provinz Helmand ist nach wie vor die höchste Zahl ziviler Opfer zu verzeichnen. Der Einfluss der Taliban in weiten Gebieten Afghanistans, vor allem aber in den Provinzen Kandahar und Helmand, ist nach Auskunft von „Freedom House“ (abrufbar unter http://freedomhouse.org) wieder gewachsen. Nach einem Bericht des UNO-Generalsekretärs vom Juni 2014 ereigneten sich im Zeitraum vom 1. März bis 31. Mai 2014 3.917 Sicherheitsvorfälle von insgesamt 5.864 Vorfällen im Süden, Südosten und Osten des Landes. Zudem wird die Provinz Helmand in dem Quarterly Data Report Q.1 2013 der ANSO der höchsten Stufe als „extremely insecure“ zugeordnet.
72Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. August 2012 – 13 A 1471/12.A -; VG Ansbach, Urteile vom 11. Oktober 2013 – AN 11 K 13.30527 – und vom 3. März 2011 – AN 11 K. 10.30515 -; jeweils zitiert nach juris; Lageberichte des ANSO sowie eine Zusammenfassung der Allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan abrufbar unter http://www.ecoi.net
73Ob das Vorliegen eines innerstaatlichen Konfliktes in der Provinz Helmand einen solchen Gefahrengrad erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson, unabhängig vom Vorliegen gefahrerhöhender persönlicher Umstände, allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre,
74Vgl. insofern bejahend: VG Ansbach, Urteil vom 11. Oktober 2013 – AN 11 K 13.30527 -; verneinend: BayVGH, Urteil vom 29. Januar 2013 – 13a B 11.30510 -; VG München, Urteile vom 6. November 2013 – M 25 K 11.30756 – und vom 8. April 2014 – M 23 K 11.30431 -; jeweils zitiert nach juris.
75kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn in der Person des Klägers liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer individuellen Gefahr infolge willkürlicher Gewalt führen. Dabei genügt für die Annahme gefahrerhöhender persönlicher Umstände nicht bereits die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara. Wie bereits ausgeführt wurde, ist eine Gruppenverfolgung der Hazara ausgeschlossen. Auch der Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014 geht davon aus, dass sich die Lage für Hazara insgesamt verbessert habe. Entscheidungserheblich ist dagegen, dass der Kläger bereits vor seiner Ausreise individuell bedroht wurde. Aufgrund seines insgesamt als glaubhaft zu bewertenden Vortrags im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner Volkszugehörigkeit bereits einmal Opfer einer Entführung geworden ist. Zwar sei es den Tätern, die Mitglied der Taliban-Gruppierungen seien, vorwiegend um die Erpressung von Lösegeld gegangen, so dass, nachdem der Kläger sein Grundstück verkauft hat, nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger erneut aus diesem Grund entführt werden würde. Allerdings hat der Kläger ebenfalls dargelegt, dass es den Tätern darum ginge, die Angehörige der Hazara insgesamt aus dem Dorf zu vertreiben. Obwohl der Kläger also kein Geld mehr hat, was von den Taliban erpresst werden könnte, ist aufgrund der anschaulichen Beschreibung des Umgangs der Entführer mit ihren Opfern nicht auszuschließen, dass der Kläger bei einer Rückkehr erneut aufgegriffen werden würde und die Drohung, ihn umzubringen, in die Tat umgesetzt würde.
76Der Kläger kann auch nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylVfG verwiesen werden. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihn „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, das heißt, dort das Existenzminimum gewährleistet ist.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15/12 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -; VG Köln, Urteil vom 25. Februar 2014 – 14 K 2512/12.A-; jeweils zitiert nach juris.
78Aufgrund der Erkrankung des Klägers, die einer ständigen medikamentösen Behandlung sowie regelmäßiger Blutkontrollen bedarf, steht zwischen den Beteiligten bestandskräftig fest, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger in irgendeiner Region Afghanistans eine ausreichende Lebensgrundlage und entsprechende Versorgung vorfinden könnte. Es kann von dem Kläger demnach nicht vernünftigerweise erwartet werden, sich in anderen Teilen des Landes aufzuhalten.
79Nach alledem ist der Klage mit dem ersten Hilfsantrag stattzugeben und im Übrigen abzuweisen. Auf den weiteren Hilfsantrag kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
80Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
81Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
I.
Die Berufung wird hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots zugelassen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des zugelassenen Teils bleibt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten. Im Übrigen hat der Kläger die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).
- 2
-
Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.
- 3
-
Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.
- 4
-
Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
- 5
-
Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.
- 6
-
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.
- 7
-
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.
- 8
-
Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.
- 9
-
Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.
- 10
-
Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.
- 11
-
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
- 12
-
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 14
-
1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.
- 15
-
2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.
- 16
-
a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.
- 17
-
Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.
- 18
-
Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.
- 19
-
b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
- 20
-
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.
- 21
-
Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).
- 22
-
aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
- 23
-
Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
- 24
-
Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
- 25
-
Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
- 26
-
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
- 27
-
(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.
- 28
-
Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.
- 29
-
Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.
- 30
-
Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.
- 31
-
Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).
- 32
-
(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
- 33
-
Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
- 34
-
Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
- 35
-
Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.
- 36
-
3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.
- 37
-
Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus Dortmund wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27. März 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2I. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus Dortmund ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).
3II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
5Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 ‑ 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 - 13 A 2839/10.A -.
7Gemessen daran hat die vom Kläger aufgeworfene Frage,
8„ob derzeit in Afghanistan in der Provinz Balkh aufgrund eines innerstaatlichen Konflikts eine erhebliche individuelle Gefahr für männliche Angehörige der Zivilbevölkerung anzunehmen ist, wobei sich diese Gefahr für zurückkehrende Asylbewerber bzw. Flüchtlinge intensiviert“
9keine grundsätzliche Bedeutung. Denn selbst wenn in der Provinz Balkh ein innerstaatlicher Konflikt vorliegen würde, was das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, würde die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG voraussetzen, dass hieraus für den Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit resultiert. Eine solche kann in erster Linie durch gefahrerhöhende persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten, begründet sein. Abgesehen davon, dass weder ersichtlich noch dargelegt ist, inwieweit der Kläger als männlicher Rückkehrer aus dem europäischen Ausland gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen konfliktbedingt stärker gefährdet ist, und er sonst keine seiner Person innewohnenden insoweit gefahrerhöhenden Umstände benannt hat, handelt es sich dabei um eine einzelfallabhängige Frage, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
10Soweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG ausnahmsweise unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage besteht, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein,
11vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39 und vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 19,
12hat der Kläger in tatsächlicher Hinsicht bereits nichts dazu vorgetragen, was die Annahme einer derartigen Gefahrverdichtung in der Provinz Balkh rechtfertigen könnte und ist deswegen bereits dem aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG folgenden Darlegungserfordernis nicht nachgekommen.
13Vgl. dazu BayVGH, Beschluss vom 5. September 2011 - 13a ZB 11.30010 -, juris, Rn. 5.
14Abgesehen davon ist das Zulassungsvorbringen auch nicht geeignet, die ausführlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hierzu - die sich mit den Erkenntnissen des Senats zur Sicherheitslage in der Provinz Balkh decken - in Frage zu stellen. Der Senat teilt die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass auf der Grundlage dieser Erkenntnisse nicht von einer Gefahrverdichtung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangenen werden kann.
15Vgl. ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 - 8 A 11050/10 -, juris, Rn. 28 ff; s. ferner Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages, Stand: Januar 2014, S. 9 ff. und Stand: Juni 2014, S. 16 f.
16Soweit der Kläger darüber hinaus geklärt wissen möchte,
17„ob eine erhebliche Gefahr aufgrund seiner Zugehörigkeit zu der bestimmbaren sozialen Rolle als Mann in seinem Heimatland anzunehmen ist, da er insoweit Zeuge in einem Gerichtsprozess sein darf und durch die Zeugenaussage ein Mitglied der lokalen Sicherheitskräfte belastet wird“
18ist auch diese Frage nicht grundsätzlich bedeutsam, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Die Zeugenstellung des Klägers knüpft an das von ihm geschilderte Verfolgungsschicksal an. Dies hat das Verwaltungsgericht insgesamt als unglaubhaft beurteilt und hat mit dieser Begründung einen Anspruch des Klägers auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die Feststellung eines Abschiebungsverbots selbstständig tragend abgelehnt.
19Auch die weitere Frage,
20„ob ein aus Deutschland zurückkehrender ausbildungsloser Asylbewerber in der Provinz Balkh nach mehr als sechs Jahren der Abwesenheit wenigstens das Existenzminimum erwirtschaften kann“
21hat keine Grundsatzbedeutung, weil sie sich nicht verallgemeinernd beantworten lässt. Sie zielt auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der wirtschaftlichen Existenzbedingungen in der Provinz Balkh ab.
22Die allgemeine Versorgungslage ist aber - unabhängig von individuellen gefahrbegründenden Umständen, die der Kläger der angegriffenen Entscheidung zufolge nicht glaubhaft dargetan hat - nur im Ausnahmefall geeignet, die Gewährung von Abschiebungsschutz zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund der Lebensbedingungen im Herkunftsstaat bzw. der Herkunftsregion mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 -, juris, 22 f.
24Die danach zu treffende Gefahrenprognose steht in Abhängigkeit zu dem individuellen Risikoprofil des Ausländers, das durch eine Vielzahl von Kriterien bestimmt wird. Die Zeit, die ein Ausländer außerhalb seines Herkunftslandes verbracht hat, ist dabei nur ein Einzelaspekt, der in der Gesamtschau mit weiteren Umständen unterschiedlich zu gewichten sein kann. Ob und in welchem Umfang sich ein solcher Auslandsaufenthalt risikoerhöhend, risikoneutral oder - was ebenfalls denkbar ist - risikomindernd auswirkt, hängt beispielsweise davon ab, welche Kenntnisse und Fähigkeiten der Ausländer während dieser Zeit erworben hat und ob er bei Rückkehr in sein Heimatland - wie der Kläger - mit familiärer Unterstützung rechnen kann.
25Ebenfalls ohne Erfolg stützt der Kläger sein Zulassungsbegehren darauf, dass die Rechtssache besondere Schwierigkeiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufweise. Denn dabei handelt es sich um keinen der in § 78 Abs. 3 AsylVfG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
27Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
- 16
Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
- 17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
- 21
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
- 23
Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
- 24
2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
- 25
a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
- 26
b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
- 27
aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
- 28
Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
- 29
bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
- 30
cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
- 31
Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
- 32
Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
- 33
dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
- 34
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
- 35
Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
- 36
Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
- 37
Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
- 38
ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
- 39
3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
- 40
a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
- 41
Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
- 42
Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
- 43
b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
- 44
Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
- 45
Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
- 46
Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
- 47
Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
- 48
Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
- 49
Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
- 50
Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
- 51
Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
- 52
Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 5. April 1994 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hazarischer Volkszugehörigkeit und schiitischen Glaubens.
3Der Kläger verließ nach seinen Angaben am 25. September 2010 seinen Heimatbezirk C. (Provinz X. ) und erreichte über den Iran, die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich mit dem Zug am 22. Januar 2011 die Bundesrepublik. Nach Vormundbestellung durch das Amtsgericht F. -T. beantragte der Kläger am 22. Juni 2011 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 14. Juli 2011 wurde der Kläger durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zu seinen Asylgründen angehört. Auf die Niederschrift über die Anhörung (Bl. 36 bis 44 der Beiakte Heft 1) wird Bezug genommen.
5Mit Bescheid vom 26. Juni 2013, zugestellt am 26. Juli 2013, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft des Klägers. Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bunderepublik binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise werde der Kläger nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Wegen der Begründung des Bescheides wird auf Beiakte Heft 1 Bl. 53 bis 62 Bezug genommen.
6Am 6. August 2013 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
7Zur Begründung ergänzt und vertieft der Kläger sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt und verweist unter Darlegung im Einzelnen insbesondere darauf, dass er aufgrund von § 60 Abs.7 AufenthG nicht abgeschoben werden dürfe.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Juni 2013 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen,hilfsweisedie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Juni 2013 zu Nrn. 2 bis 4 zu verpflichten, dem Kläger Flüchtlingsschutz zu gewähren,hilfsweisedie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Juni 2013 zu Nrn. 3 und 4 zu verpflichten festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,äußerst hilfsweisedie Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Juni 2013 zu Nrn. 3 und 4 zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
10Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
13Durch Beschluss vom 10. Februar 2014 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Stadt F. verwiesen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht entscheidet trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termine zur mündlichen Verhandlung, da die Beklagte in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligen auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
17Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18Die Klage ist in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch hinsichtlich der Hilfsanträge unbegründet.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes. Insofern wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen.
20Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
21Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑.
22Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeilicher oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
23Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
24Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen.
25Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylVfG.
26Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
27Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
28Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
29Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
30Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall des Klägers eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG nicht festzustellen. Dabei ist das Gericht auf der Grundlage von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO davon überzeugt, dass der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger geschilderte Sachverhalt den Tatsachen entspricht. Aufgrund dieses Sachverhaltes lässt sich aber keiner der in §§ 3 Abs. 1, 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründe bejahen. Die geschilderten Bedrohungen knüpfen in Bezug auf den Kläger aber ersichtlich nicht an die dort genannten Merkmale an. Er wurde weder wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung noch wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe entführt. Die Bedrohungen sind vielmehr krimineller Natur ohne asyl- oder flüchtlingserheblichen Bezug. Dies betrifft sowohl die Auseinandersetzungen um die Grundstücke der Eltern des Klägers als auch das mit massiven Drohungen verbundene Ansinnen seines Onkels, den Kläger mit der gelähmten Tochter dieses Onkels zu verheiraten, auch wenn mit dem Kläger angenommen werden kann, dass der Onkel dieses Klägers in dem Bezirk C1. , in dem der Kläger zuletzt gelebt hat, Macht und Einfluss hatte.
31Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG zu. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Für die Gewährung subsidiären Schutzes gelten die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über die Verfolgungs- und Schutzakteure und den internen Schutz für anwendbar erklärt.
32a) Was die die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe angeht, so müssen ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutzsuchende konkret wegen einer Straftat gesucht wird, derentwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann. Die Gefahr einer Todesstrafe in diesem Sinne ist im vorliegenden Verfahren weder vorgetragen noch sonst nicht ersichtlich.
33b) Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG entspricht dem Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl. 1952 II Seite 685), deshalb kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und auf die Literatur verwiesen werden. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
34Vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C5.09 - und vom 7. Dezember 2010 - 10 C 11.09 -; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2012 - 14 A 2708/10.A -.
35Dies ist hier nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
36c) § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG: Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 (GK) und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 (ZP II) auszulegen. Einerseits liegt danach ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt jedenfalls dann vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter verantwortlicher Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen können. Andererseits liegt ein Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG nicht vor bei bloßen Fällen innerer Unruhen oder Spannungen wie Tumulten oder vereinzelt auftretenden Gewalttaten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes zwar nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss dann aber ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerilla-Kämpfen vorherrschen.
37Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3070/11 - und - A 11 S 3177/11 -.
38Der innerstaatliche Konflikt muss sich dabei – unabhängig von seiner Erscheinungsform – nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken; es genügt vielmehr, dass bewaffnete Gruppen Kampfhandlungen in einem Teil des Hoheitsgebiets durchführen. Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG ist grundsätzlich auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, in die der Ausländer typischerweise zurückkehren wird.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -; HessVGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 8 A 611/08.A -.
40Der Ausländer muss von dem bewaffneten Konflikt „individuell“ bedroht sein. Eine solche individuelle Bedrohung ist anzunehmen, wenn der Ausländer spezifisch aufgrund von Umständen betroffen ist, die seiner persönlichen Situation innewohnen. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt sind, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 35 der RL 2011/95/EG).
41Gemessen an diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zu. Es ist nicht ersichtlich, dass in der Provinz X. ein solch bewaffneter Konflikt ausgetragen wird.
42Vgl. z.B. VG München, Urteil v. 5. Dezember 2013, Az. M 23 K 11.30432, Juris-Dokument, m.w.N.
43Der Kläger kann sich auch nicht auf die sog. nationalen Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG berufen.
44a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten als unzulässig erweist. Ausschließlich zu prüfen sind auch in diesem Rahmen nur etwaige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. In Betracht kommt damit vor allem ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK (Verbot der Folter). Das darin enthaltene Verbot von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung entspricht allerdings inhaltlich vollständig dem in § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG enthaltenen Grund für die Gewährung von subsidiären Schutz und ist bereits dort zu prüfen; insoweit hat § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK keine eigenständige Bedeutung mehr. In Ausnahmefällen kann sich ein Abschiebungsverbot aus Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) ergeben, etwa dann, wenn im Zielstaat der Abschiebung eine Verurteilung unter krasser Missachtung der in Art. 6 EMRK normierten rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze droht. Auch kann Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) ein Abschiebungsverbot analog zum Asylrechtsschutz begründen. Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) wirkt demgegenüber – jedenfalls soweit es um das Zusammenleben im Bundesgebiet geht – grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen. Der Schutz der Familie im Lichte des Art. 8 EMRK oder auch des Art. 6 GG im Falle einer Trennung begründet demgemäß regelmäßig allenfalls ein sog. inlandsbezogenes Abschiebungshindernis – auch soweit es sich um trennungsbedingte Gefahren im Zielstaat handelt – für dessen Prüfung die Ausländerbehörde zuständig ist (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
45Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 3012 - A 2 S 1995/12 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Juli 2010 - 8 LA 154/10 -.
46Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
47b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren. Diese müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
48Derartige individuelle Gefahren drohen dem Kläger nicht in Kabul. Dieser Abschiebeort kann von Deutschland aus auf dem Luftweg erreicht werden.
49Vgl. Auswärtiges Amt, Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 4. Juni 2013, S. 19, und vom 31. März 2014, S. 22.
50Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insoweit entfaltet § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine gewisse Sperrwirkung. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde.
51Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, und vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 ‑, NVwZ 2012, 451.
52Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
53Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2013 - 13 A 2635/12.A - und - 13 A 2673/12.A - sowie vom 13. Februar 2013 - 13 A 1524/12.A -.
54Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen.
55Vgl. BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30465 - und - 13a B 11.30391 -.
56Ausgehend hiervon geht die Kammer auf der Grundlage der Erkenntnisquellen, die ihr zur Verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen Versorgungslage in Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung.
57Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 - 8 A 11048/10 - und - 8 A 11050/10 -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 - 20 A 4676/06.A - und Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -; dem hat sich zuletzt auch der VGH Baden-Württemberg unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 - und 9. Juni 2009 - A 11 S 477/09 - (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch BVerwG, Urteile vom 8. September 2011 - 10 C 16.10 - und - 10 C 14.10 -) angeschlossen, vgl. Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 - sowie vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 - und - A 11 S 3392/11 -.
58Zwar herrscht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in Kabul ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum und ein Zugang zu sauberem Wasser sowie bezahlbarem Strom ist nicht überall gewährleistet. Infolgedessen sehen sich zahllose Menschen gezwungen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Bei alledem ist die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, hoch. Soziale Sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische Versorgung ist schlecht. Andererseits hat sich in vielen Stadtteilen Kabuls, zumal im Stadtzentrum, die Lage seit 2009 – etwa mit Blick auf die Stromversorgung, die Eröffnung von Geschäften und die Etablierung einer Müllabfuhr und eines Mindestmaßes an Ordnung überhaupt – durchaus verbessert.
59Vgl. etwa Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 406, 408 ff., mit weiteren Nachw.; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, mit Hinweis auf u. a. auf Kermani, Die Zeit vom 5. Januar 2012, 11 ff.
60Erkenntnisquellen, die etwa den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, liegen nicht vor.
61Ebenso UNHCR, Gutachten an OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011, S. 10 f.
62Auch der Bericht von amnesty international zur Lage der Binnenflüchtlinge aus Februar 2012,
63„Die Flucht vor dem Krieg führt ins Elend – Die Not der Binnenflüchtlinge in Afghanistan“, zit. nach ACCORD, Anfragebeantwortung vom 1. Juni 2012 zur Situation von Minderjährigen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei Rückkehr,
64enthält keine Hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod durch Verhungern oder Erfrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. Zwar sind gemäß der Einschätzung von amnesty international die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern von Kabul aufgrund des Mangels an Wohnungen, Lebensmitteln und Heizmaterial für Familien im Allgemeinen und kleine Kinder im Besonderen humanitär kritisch. Reguläre Arbeitsangebote für die Menschen in diesen Slums seien rar, viele Männer und Jungen könnten aber als Lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 Afghanis (13 bis 16 US-Dollar) pro Woche verdienen.
65Vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 - 13a ZB 12.30108 -.
66Unter Berücksichtigung all dessen ergibt eine Gesamtschau der aktuellen Auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit gegeben ist, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Randes des Existenzminiums zu sichern.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, www.bverwg.de;BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30391 - und - 13a B 11.30465 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 - 8 A 11050/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -.
68Ausgehend davon kann im vorliegenden Fall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festgestellt werden. Denn für den Kläger ist bei einer Rückkehr nach Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine derart extreme Gefahrenlage zu erwarten, dass er dem baldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Verletzungen ausgeliefert wäre. Nach Lage der Dinge ist der Kläger nach seinem Lebensalter und seinem Gesundheitszustand in der Lage zu arbeiten. Dann kann er jedenfalls mit Hilfe von Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums erzielen.
69Vgl. zu dieser Formulierung BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, www.bverwg.de.
70Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung (Ziffer 4 des Bescheides) begegnen keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 34, 38 AsylVfG).
71Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
72Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 2. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
4Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung.
5Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Januar 2013 - 13 A 727/10.A -, vom 10. August 2012 - 13 A 151/12.A -, juris, Rn. 2 und vom 24. Februar 2011 - 13 A 2839/10.A -.
6Diese Anforderungen erfüllt die vom Kläger aufgeworfene Frage,
7„ob ein als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereister afghanischer Staatsangehöriger, der aus der Provinz Wardak stammt und über keine aufnahmebereiten Verwandten verfügt, sich als nunmehr Volljähriger auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann “
8nicht. Das Zulassungsvorbringen genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG. Denn es enthält weder einen Hinweis darauf, aus welchen Gründen diese Frage obergerichtlicher Klärung bedarf, noch Erläuterungen zu ihrer allgemeinen Bedeutung oder eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung. Unklar ist bereits, ob der Kläger bezogen auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in rechtlicher Hinsicht oder in tatsächlicher Hinsicht Klärungsbedarf sieht. Insoweit lässt die aufgeworfene Frage unterschiedliche Interpretationen zu.
9Sollte sie darauf gerichtet sein, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für die Provinz Wardak zu überprüfen, fehlt ihr die Entscheidungserheblichkeit, denn das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verneint, ohne dabei auf die Provinz Wardak abzustellen.
10Sollte sie demgegenüber darauf abzielen, die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul mit Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zur Überprüfung zu stellen, fehlt es an der für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erforderlichen intensiven, fallbezogenen Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht insoweit herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln.
11Vgl. dazu BayVGH, Beschluss vom 5. September 2011 - 13a ZB 11.30010 -, juris, Rn. 5.
12Unabhängig davon wäre diese Frage aber auch nicht grundsätzlich bedeutsam, weil sie sich nicht verallgemeinernd beantworten lässt.
13Denn Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Kläger als erwachsener erwerbsfähiger Mann angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Dies sperrt die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den Einzelnen zugleich in konkreter und individualisierter Weise betreffen.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 = juris, Rn. 13; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, ZAR 2012, 164 = juris, Rn. 34 f.
15Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG greift wegen der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur ausnahmsweise dann nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat in den für ihn zumutbar erreichbaren Gebieten einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451 = juris, Rn. 19 bis 23.
17Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 -, juris, Rn. 23.
19Vielmehr ist die zu treffende Gefahrenprognose regelmäßig abhängig von dem individuellen Risikoprofil eines Ausländers, das wiederum durch eine Vielzahl einzelfallbezogener Kriterien wie seine Schul- und Ausbildung, seinen Beruf, seinen Familienstand, sein Alter, Gesundheitszustand, Geschlecht und die Möglichkeit der Wiedereingliederung in einen Familienverband bestimmt wird. Deren Bewertung und Gewichtung hängt schon mit Blick auf mögliche Wechselbezüge vom Einzelfall ab.
20Vgl. zur Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11-.
21Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
22Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.