Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Juni 2015 - M 12 K 14.30567

published on 15/06/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Juni 2015 - M 12 K 14.30567
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2014 wird in Nr. 4 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt. Er wird zudem in Nr. 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¾ und die Beklagte ¼.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der in der Provinz Helmand in ... geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hazarischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit und nach eigenen Angaben ca. 22 Jahre alt. Eigenen Angaben zufolge verließ der Kläger sein Herkunftsland Ende 2011 und reiste am 16. März 2012 über Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 29. März 2012 stellte er hier einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 11. Juni 2012 gab der Kläger an, dass sein Vater einen Laden besessen habe, in dem sie Brot gebacken und verkauft haben. Pro Monat habe er 220.000 Afghani auf die Hand bekommen. Sie hätten auch an eine Akademie der Polizei, die Afghanen ausbilde, Brot ausgeliefert und für 20 Afghani pro Brot verkauft. Das Brot habe er mit einem Toyota ... ausgeliefert. Der Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass die Akademie, an die sie das Brot geliefert haben, von den Taliban nicht akzeptiert wurde. Die Taliban hätten gesagt, dass die Firma unrein sei und sie sie nicht mehr mit Brot beliefern sollten. Es sei aber ihr tägliches Brot gewesen, diese Firma zu beliefern. Als er erneut das Brot in die Akademie gebracht habe, hätten sich die Taliban Polizeiuniformen angezogen und ihn vor der Akademie abgefangen. Die Taliban hätten den Kläger in ein Auto gesteckt und ihm einen Strumpf über den Kopf gezogen, so dass er nicht sagen könne, wo sie ihn hinbrachten. Er habe nicht gewusst, dass es Taliban waren und sie für Polizisten gehalten. Als sie ihn gefragt hätten, ob er Mullah ..., den Chef der Taliban der Region Helmand kenne, habe er geantwortet, ihn nicht zu kennen und angefangen über ihn zu schimpfen und ihn zu beleidigen, da er sie nicht für Taliban, sondern für Polizisten gehalten habe. Daraufhin habe ihm einer von ihnen mit dem Kolben einer Kalaschnikow auf den Kopf geschlagen. Nach diesem Schlag sei er bewusstlos gewesen, er wisse aber nicht, wie viele Stunden oder Tage. Als er wieder zu sich gekommen sei, seien seine Hand und sein Fuß verletzt gewesen. Sein Brustknochen, einige Rippen und auch sein Rücken seien gebrochen gewesen. Außerdem sei er am Auge verletzt worden. Er habe große Schmerzen gehabt und geweint. Bei den Taliban sei es so, dass sie von Haus zu Haus gingen, an die Türen klopften und etwas zu essen verlangten. Sie hätten zu ihm gesagt, dass, wenn er das nächste Mal die Ausländer beliefern würde, er die Brote teilen und an sie die Hälfte abgeben solle. Andernfalls würden sie seine Familie umbringen. Sie hätten ihn aber nicht gehen lassen und er hätte viel geweint. Die alten Leute seien zu den Taliban gegangen und hätten diesen Geld für seine Freilassung gegeben. Insgesamt hätten sie ihnen 900.000 Afghani, fünf Schafe und zehn Säcke Mehl gegeben. Daraufhin hätten sie den Kläger freigelassen, aber weiterhin darauf bestanden, dass er ihnen das Brot bringe. Sie hätten ihn dann nicht zu einem Arzt, sondern zu einem alten Mann gebracht, der ihm die Brust, den Rücken und den Fingernagel wieder eingerenkt habe. Wegen seinen Verletzungen am Kopf hätten sie ihn zu einem Arzt gebracht. Später habe er wieder angefangen zu arbeiten. Sie hätten dann weiterhin das Brot an die Akademie verkauft und den Taliban die Hälfte der Brote gebracht. Wenn er Geld oder ein Handy mit sich geführt habe, hätten es ihm die Taliban abgenommen. Er sei auch von ihnen geschlagen und getreten worden. Das Leben sei für sie immer schwerer geworden und habe keinen Sinn mehr gemacht, aber sie hätten arbeiten müssen. Zwei bis dreimal hätten die Taliban gedroht ihn umzubringen, wenn er die Firma weiterhin mit Brot beliefere. Sein Vater habe aber gesagt, sie müssten die Firma weiterhin beliefern. Eines Tages hätten in der Früh zwei vermummte Personen einen Brief vorbei gebracht, den sein Vater entgegen genommen habe. Darin sei gestanden, dass sie sie umbringen würden, wenn sie die Firma weiterhin belieferten. Seine Mutter habe daraufhin sehr geweint und gesagt, dass sie alle weggehen müssten. So sei er dann schließlich in den Iran ausgereist und seine Familie vorübergehend von Helmand nach Kabul gezogen. Da sie dort jedoch kein Haus zum Leben hatten, seien sie wieder nach Helmand zurückgekehrt. Seine Familie habe ihm am Telefon gesagt, dass einer der beiden Lkws, die die Familie besessen habe, von den Taliban mit einer Rakete beschossen und zerstört worden sei. Bei diesem Angriff sei auch der Fahrer ums Leben gekommen.

Auf Vorhalt des Bundesamts, er habe bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion ... am Tag seiner Einreise angegeben, 1.200,00 Euro für seine Freilassung aus der Gefangenschaft der Taliban bezahlt zu haben, erklärte der Kläger, er habe bei der Vernehmung ausgesagt, dass er diesen Betrag an die Polizei gezahlt habe. Der Übersetzer bei seiner Vernehmung durch die Polizei sei ein Perser gewesen, der ihn nicht richtig verstanden hätte. Denn bevor ihn die Taliban festnahmen, habe ihm sein Vater aufgetragen, einen Fahrer einzustellen, der für den Kläger die Brote an die Akademie liefern sollte. Für 300.000 Afghani hätten beide zusammen einen Toyota ... gekauft. Dies sei das Auto gewesen, aus dem ihn die Taliban bei seiner Entführung herausgezogen und mitgenommen hätten. Das Auto sei verbrannt worden. Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft der Taliban habe ihn sein Kompagnon, mit dem zusammen er den Toyota ... gekauft habe, aufgefordert, ihm 150.000 Afghani zu geben. Er habe erwidert, dass er das nicht tun würde, da es das Auto nicht mehr gäbe. Als er sich geweigert habe, das Geld zu zahlen, sei sein Kompagnon zur Polizei gegangen und habe ihnen erzählt, dass er ein Spion der Taliban sei. Er sei sehr geschlagen worden. Acht Tage sei er in dem einen Gefängnis, vier Tage in einem anderen und 22 Tage in dem eigentlichen Gefängnis festgehalten worden. Das letzte Gefängnis sei in drei Abteilungen aufgeteilt gewesen. Die Minderjährigen hätten freitags immer Ausgang gehabt und seien von einem Fahrer abgeholt worden. Seine Eltern hätten mit diesem Mann gesprochen und ihn gebeten, dem Kläger zur Flucht zu verhelfen. Als sie in einen Park gebracht worden seien, sei er davon gelaufen und zu dem Auto eines Schleusers gegangen, der ihn nach Nimruz und weiter in den Iran gebracht habe. Auf weiteren Vorhalt des Bundesamts, er habe bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion ... angegeben, dass er für die Taliban Gift in die Brote geben und eine Bombe in seinem Auto verstecken solle, erklärte der Kläger, dass ihm die Taliban nach seiner Freilassung gesagt hätten, sie würden sein Auto voller Bomben packen und damit solle er dann zur Akademie fahren. Dies habe er jedoch nicht getan, da in der Akademie Afghanen waren und nur die diejenigen, die die Seminare gegeben hätten, Ausländer waren. Daraufhin habe er dann Gift in die Brote geben sollen. Er habe sich jedoch geweigert, da die Soldaten ja gewusst hätten, woher das Brot komme und sie dann gleich festgenommen worden wären.

Da der Kläger erklärte, sich in ärztlicher Behandlung zu befinden und Medikamente einnehmen zu müssen, wurde er aufgefordert, dem Bundesamt entsprechende ärztliche Unterlagen bis 11. Juli 2012 vorzulegen.

Daraufhin legte der Kläger ein ärztliches Attest von Dr. med. ... vom 10. Juli 2012 vor. Danach hätten bei einer Röntgenuntersuchung des Klägers u. a. eine Keilwirbelbildung des Brustwirbels sowie frische Frakturen am rechten Handgelenk festgestellt werden können. Diagnostiziert wurden eine Schädelprellung, multiple Prellungen, Lendenwirbelsäulenprellung sowie eine ausgeprägte reaktive Depression. Des Weiteren reichte der Kläger ein ärztliches Attest des orthopädischen Zentrum ... vom 11. Juli 2012 sowie ein fachärztliches Attest von Dr. med. ..., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Schlafmedizin vom 27. Juli 2012 vor, wonach beim Kläger diagnostisch von einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz bei Z.n. Schädel-Hirn-Trauma auszugehen sei.

Mit Bescheid vom 4. März 2014, ausweislich der Postzustellungsurkunde am 12. März 2014 zugestellt, lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2) und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Widrigenfalls wurde die Abschiebung des Klägers nach Afghanistan oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (Ziffer 5).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Die Schilderung der angeblich fluchtauslösenden Ereignisse sei insgesamt zu pauschal und unpräzise, um als glaubhaft zu erscheinen. Der Kläger habe sich in seiner Darstellung auf den schlichten Ablauf der Ereignisse beschränkt. Wesentliche Details, die vom Kläger hätten erwartet werden können, vermochte dieser nicht anzugeben. So habe der Kläger keine Angaben machen können, wie lange und an welchem Ort er von den Taliban festgenommen worden sei. Die Behauptung des Klägers, die Dorfältesten hätten sich versammelt und den Taliban Geld für die Freilassung des Klägers geboten, weise auf eine etwas längere Zeit der Inhaftierung hin. Dann hätte ihm jedoch ermöglicht werden müssen, etwas zu trinken und zu essen. Dabei hätte der Strumpf ganz oder teilweise vom Kopf des Klägers gezogen werden müssen, wodurch dieser einige Umstände seiner Umgebung hätte wahrnehmen müssen. Des Weiteren widerspreche der Darstellung des Klägers, er habe nichts erkennen können, die Behauptung, er sei von einem Kolben einer Kalaschnikow geschlagen worden. Des Weiteren habe der Kläger zu wesentlichen Teilen seines vorgetragenen Verfolgungsschicksals gegenüber verschiedenen Stellen in Deutschland unterschiedliche, z.T. widersprüchliche Angaben gemacht. Im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt habe der Kläger angegeben, dass die Dorfältesten den Taliban 900.000 Afghani, 5 Schafe und 10 Mehlsäcke gegeben hätten. Gegenüber der Bundespolizei habe der Kläger angegeben, dass er 1.200 Euro bezahlt habe, um aus der Gefangenschaft der Taliban zu entkommen. Der Kläger habe gegenüber der Bundespolizei angegeben, dass die Taliban von ihm gefordert hätten, Gift in die Brote zu geben und eine Bombe in seinem Auto zu verstecken. Erst auf Vorhalt dieser Angaben, habe der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt angegeben, dass die Taliban von ihm gefordert hätten, das Auto voll Bomben zu packen und zur Akademie zu fahren. Auf Vorhalt, dass sein Auto bereits bei der vorgetragenen Entführung verbrannt worden sein soll, habe der Kläger entgegnet, dass sie noch zwei Privatfahrzeuge gehabt hätten, ein rotes und ein weißes. Es sei festzustellen, dass der Kläger es nicht vermocht hatte, die aufgetretenen Widersprüche überzeugend aufzulösen, seine Schilderungen allgemein und vage und daher sein Vortrag insgesamt unglaubhaft sei. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Die vom Kläger durch Atteste belegten früheren Verletzungen bedürften keiner aktuellen Behandlung. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass die festgestellten Prellungen inzwischen verheilt seien. Ein weiterer Behandlungsbedarf des Bewegungsapparats sei nicht vorgetragen worden. Das vorgelegte Schreiben von Dr. med. ... enthalte keine Angaben zur ärztlichen Exploration bzw. zu den durchgeführten Untersuchungen, aufgrund derer er zu der Diagnose eines posttraumatischen Kopfschmerzes gelange. Es sei auch nicht erkennbar, ob Dr. med. ... ein psychiatrischer Facharzt sei.

Gegen den Bescheid hat der Kläger mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom ... März 2014, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2014 in den Ziffern 1., 3., 4. und 5. aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft festzustellen,

hilfsweise: den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise: festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans vorliegt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24. März 2014 die Behördenakte vorgelegt.

Einen Antrag hat sie nicht gestellt.

Der Rechtsstreit wurde zur Entscheidung auf den Einzelrichter mit Beschluss vom 27. März 2014 übertragen.

Die Bevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom ... März 2014 mit, dass der Kläger am 5. März 2014 an einen Neurologen zur neurologischen Untersuchung und Therapie überwiesen worden sei. Von 24. bis 26. März 2014 habe sich der Kläger in stationärer Behandlung im Klinikum ... befunden, da er seine Kopfschmerzen nicht mehr habe ertragen können. Der Kläger werde medikamentös behandelt. Beigefügt ist das fachärztliche Attest von Dr. med. ... vom 29. März 2014, wonach beim Kläger eine erhebliche posttraumatische Belastungsstörung mit Angststörung und therapieresistenten Kopfschmerzen gegeben sei. Der abschließende Arztbrief des Klinikums ... vom 1. April 2014 wurde mit Schreiben vom 8. April 2014 an das Gericht übersandt.

Des Weiteren wurden mit Schreiben vom 24. Juni 2014 ein weiteres fachärztliches Attest von Dr. med. ... vom 2. Juni 2014 sowie mit Schreiben vom 20. Februar 2015 zwei Arztbriefe des Klinikums ... vom 30. Oktober 2014 und der ...-Klinik ... vom 8. Oktober 2014 vorgelegt. In den ärztlichen Attesten wurden übereinstimmend eine posttraumatisches Belastungsstörung sowie chronische Kopfschmerzen diagnostiziert. Aus den Attesten ergibt sich des Weiteren, dass der Kläger, seit er in Deutschland sei, immer wieder Suizidgedanken geäußert habe.

Mit Schriftsatz vom ... Mai 2015 übersandte die Bevollmächtigte des Klägers das fachärztliche Gutachten von ..., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 18. Mai 2015. Gestützt auf eigene Untersuchungen des Klägers und die Auswertung der Arztbriefe aus den Jahren 2012 bis 2014 wurden eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) diagnostiziert. Bei beiden Diagnosen handle es sich um erhebliche, behandlungsbedürftige psychiatrische Erkrankungen mit der Tendenz zur Chronifizierung und akuten Verschlechterung bis hin zu dauerhafter Persönlichkeitsveränderung und hohem Suizidrisiko, vor allem bei mangelhafter Behandlung und/oder Retraumatisierung. Der Kläger benötige zur Gesundung eine kontinuierliche psychiatrische Weiterbehandlung, medikamentöse Therapie und eine langfristige Psychotherapie. Durch einen Behandlungsabbruch sei eine erhebliche Verschlimmerung der Erkrankung zu befürchten.

Mit Schriftsatz vom ... Mai 2015 wurde des Weiteren zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung leidet, weiterhin psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung benötigt und sich sein Gesundheitszustand bei einem Abbruch der Behandlung wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde, hilfsweise beantragt,

ein psychiatrisches Sachverständigengutachten durch das ...-Institut für Psychiatrie, Zentrale Gutachtenstelle, ... oder eines anderen geeigneten Gutachters einzuholen.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015 erklärte der Kläger im Wesentlichen, dass die Akademie eine Trainingsschule für afghanische Soldaten sei, die von den Amerikanern angelernt würden. Ein Mann der Akademie sei auf verschiedene Bäckereien zugegangen und habe sich danach erkundigt, welche Bäckerei die billigsten Brote verkaufe. Da dies die Bäckerei seines Vaters war, hätten sie den Auftrag von der Akademie erhalten. Er habe immer nur mit einem Herrn ..., der für die Küche, die Autos und die Toiletten zuständig gewesen sei, persönlichen Kontakt gehabt. Die Autos seien bei der Akademie versichert gewesen. Fünf bis sechs Monate nachdem er begonnen habe, die Akademie mit Brot zu beliefern, sei er von den Taliban festgenommen worden. Dies sei das erste Mal gewesen, dass er mit ihnen in Kontakt gekommen sei. Am Tag seiner Festnahme sei er mit seinem vollbeladenen Auto wieder zur Akademie gefahren. Auf Höhe des Polizeireviers seien zwei uniformierte Personen in sein Auto gestiegen. Da er die Personen für Polizisten hielt, habe er, als sie ihn nach Mullah ... gefragt hätten, begonnen auf Mullah ... zu schimpfen. Daraufhin habe man ihn mit einer Kalaschnikow auf den Kopf geschlagen. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er sich in einem dunklen Zimmer befunden, so dass er kaum etwas sehen habe können. Er habe am ganzen Körper Schmerzen gehabt. In Afghanistan sei es so, dass die älteren Leute bei einem großen Konflikt vermittelten. Sein Vater habe die älteren Leute gebeten, auch im Fall des Klägers zu vermitteln. Die Taliban hätten die Freilassung des Klägers an bestimmte Bedingungen geknüpft, insbesondere Geldforderungen. Sein Vater habe erklärt, dass er 900.000 Afghani aufbringen könne. Die älteren Leute hätten mit den Taliban ausgehandelt, dass die Familie des Klägers auch Schafe und Mehl abgeben müsse. Auf Frage des Gerichts erklärte der Kläger des Weiteren, dass er die Taliban in ... habe reden hören, dass das Auto, das er zusammen mit seinem Kollegen für 300.000 Afghani angeschafft hatte, verbrannt worden sei. Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft der Taliban sei sein Kollege sehr wütend gewesen, dass das Auto verbrannt worden ist und er habe den Kläger aufgefordert, ihm seinen Anteil des Geldes zurückzugeben. Der Kläger habe erwidert, dass er froh sein solle, dass der Kläger noch am Leben sei. Sein Kollege sei zur Polizei gegangen und habe ihn beschuldigt, ein Handlanger der Taliban zu sein. Daraufhin sei er festgenommen worden. Die Polizei habe nicht hinterfragt, ob die Angaben seines Kollegen der Wahrheit entsprechen. Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft hätten ihn die Taliban aufgefordert, kostenlos Brot an sie zu liefern. Die Akademie habe er zunächst weiter mit Brot beliefert, da ein Vertrag bestand. Als der Kläger gemerkt habe, dass es sich für ihn nicht mehr lohne, die Brote an die Taliban abzugeben, habe er damit aufgehört. Sein Vater und weitere Kollegen hätten die Akademie weiter beliefert, aber nicht mehr der Kläger. Er sei zu den Taliban gegangen und habe ihnen klar gemacht, dass er die Akademie nicht weiter beliefern werde. Daraufhin hätten die Taliban zu ihm gesagt, er solle in den hinteren Teil des Autos, in dem sonst die Brote liegen, eine Bombe befördern. Der Kläger sei nämlich nicht mehr kontrolliert worden, wenn er zur Akademie gefahren sei. Dies hätten die Taliban ausnutzen wollen. Sie hätten außerdem vorgeschlagen, dass der Kläger Gift in die Brot geben solle. Der Kläger habe dies nicht machen wollen, vor allem nachdem er hierüber mit seinem Vater gesprochen hatte. Danach hätten sie einen Brief von den Taliban erhalten, in dem gestanden habe, dass die Familie getötet werde, wenn die Familie des Klägers weiterhin für die Akademie arbeite. Sein Vater sei auch von den Taliban festgenommen worden und inzwischen verstorben. Über die näheren Umstände zum Tod seines Vaters könne er jedoch keine Angaben machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. Juni 2015 Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2015 entschieden werden, obwohl für die Beklagte ein Vertreter nicht erschienen ist. Die Beklagte wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 9. April 2015 form- und fristgerecht zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Afghanistans gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts erweist sich insoweit als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid war daher in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Dem Kläger steht im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - zu noch liegen Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG oder eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2014 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 VwGO). Die Klage war deshalb insoweit abzuweisen.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylVfG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylVfG.

Als Schutzsuchender obliegt es dem Asylsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U. v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A - juris).

aa) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass das Leben oder die Freiheit des Klägers in seinem Heimatland bedroht ist.

Denn es fehlt an einer detaillierten, in sich stimmigen Schilderung der Ereignisse in Afghanistan, die den Kläger bewogen haben sollen, das Land zu verlassen. So konnte der Kläger bereits nicht glaubhaft machen, Brote an eine Trainingsschule der Amerikaner für afghanische Soldaten geliefert zu haben. Die hierzu vom Kläger gemachten Ausführungen blieben auch auf Nachfrage oberflächlich und auf wenige Details wie die Angabe der Höhe des Brotpreises beschränkt. Konkrete Angaben zu Größe und Organisation des Betriebs, der Anzahl der Mitarbeiter oder zu den Kunden der Bäckerei lassen sich dem Vortrag des Klägers hingegen nicht entnehmen. Zudem erscheint es unwahrscheinlich, dass die Familie des Klägers allein durch den Betrieb der Bäckerei neben dem später zerstörten Toyota sowohl zwei Lkws als auch ein rotes und ein weißes Privatfahrzeug finanzieren konnte und der Kläger hierdurch monatlich 220.000 Afghani verdiente. Auch die Schilderung des Zustandekommens des Vertrags mit der Akademie und die Beschreibung der einzelnen Brotlieferungen erfolgten letztlich abstrakt und ohne dem Gericht ein konkretes Bild vermitteln zu können. Lebensechte Detailangaben wie beispielsweise die Angabe der Menge der angelieferten Brote oder zur Art der gebackenen Brote fehlten. Dabei erscheint es auch unplausibel, dass der Kläger, obwohl er nach seinen Angaben beim Bundesamt zwei bis zweieinhalb Jahre für die Akademie arbeitete, nur einen einzigen Mann namens ... persönlich kennenlernte. Das Gericht hat zudem Zweifel daran, dass es dem Kläger möglich war, die Brote auszuliefern ohne dafür eine Sicherheitskontrolle passieren zu müssen. Es ist zu vermuten, dass die Zufahrt in eine von Amerikanern geleitete Trainingsschule für afghanische Polizisten als potentielles Ziel von Anschlägen besonderen Sicherheitsvorkehrungen unterliegt.

Auch die weitere Schilderung des Klägers betreffend seine Entführung durch die Taliban wirkt in sich nicht schlüssig und weist Widersprüche auf. Ein Motiv für die Taliban, sich zunächst als Polizisten zu verkleiden und den Kläger über ihre Identität zu täuschen, erschließt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Auch ist die Schilderung des Klägers insofern widersprüchlich, als seinen Ausführungen beim Bundesamt entnommen werden kann, dass die Taliban die Familie des Klägers bereits vor seiner Entführung wegen der Brotlieferung an die Akademie bedroht hatten, während der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab, erstmals am Tag seiner Entführung Kontakt zu den Taliban gehabt zu haben. Ferner erscheint der Vortrag des Klägers auch insoweit nicht schlüssig, als der Kläger angibt, dass ihn die Taliban zunächst weiter gefangen hielten, obwohl er Brot an sie liefern sollte und seine Freilassung damit einen Vorteil für die Taliban bedeutet hätte. Darüber hinaus machte der Kläger bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion am Tag seiner Einreise und bei seiner Anhörung durch das Bundesamt teilweisende sich widersprechende Angaben. Auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom 4. März 2014 wird insoweit Bezug genommen. Diese Widersprüche vermochte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Gerichts aufzulösen. Für das Gericht ist weiterhin nicht nachvollziehbar, dass der Kläger einerseits angibt, dass ihm bei seiner Entführung ein Strumpf über den Kopf gezogen worden ist, sich andererseits aber sicher war, mit einer Kalaschnikow geschlagen worden zu sein. Darüber hinaus berichtete der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erst auf Vorhalt, dass die Taliban von ihm zudem gefordert hätten, eine Bombe in seinem Auto zu verstecken und Gift in die Brote zu geben.

Schließlich ist auch die Schilderung der Ereignisse nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft der Taliban vage und teilweise widersprüchlich. So gab der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt an, die Brote weiter mit dem Toyota ... ausgeliefert zu haben, obwohl dieser seiner Schilderung zufolge bei seiner Entführung von den Taliban zerstört worden war. Darüber hinaus vermochte der Kläger auch nicht nachvollziehbar die Beweggründe für die Familie des Klägers darzulegen, an dem Vertrag mit der Akademie trotz der Drohungen der Taliban festzuhalten. Dass die Familie des Klägers bei einer Kündigung des Vertrags mit der Akademie ihren Lebensunterhalt nicht mehr hätte erwirtschaften können, lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Auch in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger hierzu lediglich pauschal an, er habe die Akademie zunächst weiter mit Brot beliefert, da ein Vertrag bestanden habe.

Insgesamt konnten die Aussagen des Klägers daher aufgrund des Fehlens lebensechter Details und der widersprüchlichen Darstellungsweise nicht den Eindruck einer glaubhaften Verfolgungsgeschichte vermitteln, die auf tatsächlichen Erlebnissen des Klägers beruht. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts sein Heimatland verlassen, ohne verfolgt oder von Verfolgung bedroht gewesen zu sein.

bb) Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergibt sich schließlich auch nicht aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara.

Nach Würdigung und Bewertung der Erkenntnismittel ist das Gericht bei Anwendung der entsprechenden Maßstäbe der Überzeugung, dass Hazara in Afghanistan keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Soweit gelegentliche Nachstellungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen einschließlich der Taliban berichtet werden, ist maßgeblich darauf abzustellen, dass die Referenzfälle von der Anzahl der Rechtsverletzungen im Verhältnis zur Gesamtzahl dieser Gruppe und ihrer staatlichen Behandlung weder die Schwelle, ab der eine Verfolgungsdichte anzunehmen wäre noch belegen sie in ausreichendem Maß eine staatliche Untätigkeit im Vorgehen gegen solche Übergriffe mit dem Ziel der Vernichtung dieser Minderheit (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Afghanistan vom 2. März 2015, Seite 10; BayVGH, B. v. 20.08.2014 - 13a ZB 14.30207 - juris; VG Aachen, U. v. 10.11.2014 - 7 K 2575/13.A - juris).

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG.

Der europarechtlich herrührende subsidiäre Schutz nach § 4 AsylVfG bildet einen eigenständigen, vorrangig vor sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. ausführlich BVerwG, U. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - BVerwGE 131, 198 = NVwZ 2008, 1241 = InfAuslR 2008, 474).

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.

aa) Subsidiärer unionsrechtlicher Abschiebungsschutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Kläger schlüssig und substantiiert vorträgt, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich die konkrete Gefahr droht, von den Taliban körperlich misshandelt oder getötet zu werden. Davon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen. Das Gericht hat nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die vom Kläger behaupteten Ereignisse tatsächlich zugetragen haben, so dass schon aus diesem Grunde ein Anspruch ausscheidet (s.o.). Angesichts der vagen und in sich nicht stimmigen Angaben des Klägers sind weder Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan die Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG) noch dass er Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten hat (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG).

bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, nach dem von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Vorschrift setzt die sich aus Art. 18 i. V. m. Art. 15 Buchst. c QualRL ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht um.

Es genügt dabei nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Erforderlich ist, dass sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende - und damit allgemeine - Gefahr in der Person des Klägers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG darstellt. Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Hierzu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z. B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist (BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 m. w. N.). Fehlen individuelle gefahrerhöhende Umstände, so kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften, individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U. v. 17.11.2011, a. a. O., juris Rn. 18). Erforderlich ist insoweit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, U. v. 17. 11. 2011, a. a. O., Rn. 18).

Die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten i. S. v. Art. 1 Nr. 2 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl 1990 II S. 1637) - ZP II - oder aber als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Gruppen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 ZP II zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil der Kläger nach überschlägiger Prüfung keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Bezüglich der Gefahrendichte ist zunächst auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U. v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, 188). Zur Feststellung der Gefahrendichte ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich (BVerwG, U. v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377). Die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Ein Schadensrisiko von 1:800 bzw. 0,125% ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, U. v. 17.10.2011 - BverwG 10 C 13.10 - juris Rn. 20, 23).

Hiervon ausgehend ergibt sich aus der aktuellen Erkenntnismittellage nicht, dass die Situation in der Heimatprovinz des Klägers einen so hohen Gefahrengrad erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer dortigen Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Der Kläger stammt aus der Provinz Helmand, so dass hinsichtlich der Gefahrenlage primär darauf abzustellen ist. Die Provinz Helmand wird von der Unterstützungskommission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA, Internet: www.unama.unmissions.org) der Südregion Afghanistans (Provinzen: Helmand, Kandahar, Nimruz, Uruzgan und Zabul) zugeordnet. UNAMA hat für diese Region im Jahr 2009 1.078 zivile Tote bei einer Gesamteinwohnerzahl von 2,75 Millionen gezählt. Für das Jahr 2010 wurden 1.310 zivile Tote in der Südregion ermittelt (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2010 Protection of Civilians in Armed Conflict).

Der Jahresbericht der UNAMA vom Februar 2012 (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2011 Protection of Civilians in Armed Conflict) geht für das Jahr 2011 für Afghanistan landesweit von 3.021 toten Zivilisten (gegenüber den 2.777 toten Zivilisten des Vorjahres eine Steigerung von 8 Prozent) und 4.507 Verletzten (im Vorjahr 4.368 Verletzte), somit von insgesamt 7.528 zivilen Opfern aus. Der Jahresbericht der UNAMA vom Februar 2013 (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2012 Protection of Civilians in Armed Conflict) geht für das Jahr 2012 von 7.559 zivilen Opfern aus (2.754 Tote und 4.805 Verletzte). Nach dem Afghanistan Annual Report 2013 Protection of Civilians in Armed Conflicts der UNAMA sind im Jahr 2013 2.959 tote und 5.656 verletzte Zivilpersonen zu beklagen. Hieraus ergibt sich dem Bericht zufolge im Vergleich zu 2012 eine Steigerung der Zahl der getöteten Zivilpersonen um 7 Prozent und der Zahl der verletzten Zivilpersonen um 17 Prozent. Der Midyear Report 2014 der UNAMA gibt für das erste Halbjahr 2014 1.564 tote und 3.289 verletzte Zivilpersonen in ganz Afghanistan an. Dies entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 um knapp 17 bzw. 28 Prozent. Betrachtet man die durchschnittliche Gefährdung landesweit ergibt sich bei ca. 8.615 toten und verletzten Zivilisten im Jahr 2013 bzw. hochgerechnet 9.706 zivilen Opfern im Jahr 2014 bezogen auf eine Gesamtbevölkerung von mindestens 25 Millionen trotz steigender Opferzahlen weiterhin kein so hoher Gefährdungsgrad, dass praktisch jede Zivilperson dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Das Verhältnis der zivilen Opfer pro Jahr zur Gesamtbevölkerung liegt weiterhin vorsichtig geschätzt bei höchstens 1:2.500. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG liegen damit nicht vor (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris).

Die regional unterschiedliche Veränderung der Opferzahlen lässt sich in Beziehung zu der Zahl der Zwischenfälle in den einzelnen Provinzen im Jahr 2012 setzen. Nach dem Bericht des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO, abrufbar unter: http://www.ngosafety.org) gab es im Jahr 2012 in Afghanistan insgesamt 21.784 Angriffe (ANSO Quarterly Data Report Q.4 2012). Bei einer Gesamtopferzahl von 7.559 entfallen damit rechnerisch auf jeden Angriff 0,3469 Opfer. Überträgt man dies auf die Südregion, kann bei den dort gezählten 5.453 Angriffen im Jahr 2012 von etwa 1.892 toten/verletzten Zivilisten ausgegangen werden. Bei einer Einwohnerzahl von 2,75 Millionen in der Südregion und 1.892 Toten/Verletzten ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 0,069 Prozent, Opfer eines Anschlages zu werden.

Auch wenn der Vergleich der Opferzahlen mit der Zahl der Angriffe nicht exakt auf die tatsächliche Opferzahl schließen lässt, gibt er doch eine realistische Basis für die erforderliche Risikoabschätzung. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Sicherheitslage in Gesamtafghanistan und auch in der Südregion weiterhin angespannt bleibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist (BayVGH, U. v. 15.3.2013 - 13a B 12.30406 - juris). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan, die eine Notfallbehandlung Schwerverletzter nur eingeschränkt ermöglichen dürfte.

Bezogen auf die Herkunftsprovinz Helmand lässt sich nach aktueller Erkenntnismittellage zwar seit dem Jahr 2012 ein deutlicher Anstieg der gezählten Anschläge sowie der Opferzahlen verzeichnen: Während dem ANSO Quarterly Data Report zufolge im 1. Quartal des Jahres 2012 nur 143 Anschläge in der Provinz Helmand verübt wurden, erhöhte sich die Anzahl der festgestellten Anschläge für das 1. Quartal des Jahres 2013 auf ca. 325 Anschläge und damit um 127%. Die in der Provinz Helmand stattfindenden Anschläge und sicherheitsrelevanten Vorfälle erreichen jedoch nicht das in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geforderte Ausmaß willkürlicher Gewalt. Im Zeitraum von 1. Januar bis 31. Oktober 2014 gab es nach den Erkenntnissen des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) landesweit 18.443 sicherheitsrelevante Zwischenfälle (Entführungen, Luftangriffe, bewaffnete Auseinandersetzungen, Verhaftungen, Tötungen, versuchte Tötungen, Waffenlager, Kriminalität, Demonstrationen, detonierte und entdeckte unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen, Einschüchterungen, Landminen, Drogen, Selbstmordattentate und „Stand-Off“-Angriffe), davon 1.684 in der Provinz Helmand (EASO Country of Origin Information Report, Afghanistan: Security Situation, Januar 2015, Seite 32 und Seite 122, abrufbar unter: https://easo.europa.eu/wpcontent/uploads/Afghanistansecuritysituation.pdf). Hochgerechnet auf das Jahr 2014 entspricht dies landesweit 22.132 sicherheitsrelevanten Zwischenfällen, davon 2.021 - also ca. 9,13% - in der Provinz Helmand. Eine Anwendung des genannten Prozentsatzes auf die von der UNAMA verzeichneten Zahlen der im Jahr 2014 landesweit 3.699 getöteten und 6.849 verletzten Zivilpersonen führt zu einer geschätzten Anzahl von 338 getöteten und 625 verletzten Zivilpersonen in der Provinz Helmand im Jahr 2014. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 894.200 und 963 Toten/Verletzten ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 0,10 Prozent, Opfer eines Anschlags zu werden. Dieser im Promillebereich liegende ungefähre Wahrscheinlichkeitswert bewegt sich damit noch unterhalb des vom Bundesverwaltungsgericht für weit von der Erheblichkeitsschwelle entfernt erachteten Risikos von 0,125%.

Des Weiteren sind auch keine besonderen, in der Person des Klägers liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen. Für den Kläger besteht somit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, Opfer des Konflikts zu werden.

c) Der Abschiebung des Klägers steht jedoch ein nationales Abschiebungsverbot entgegen.

Zwar sind im Fall des Klägers keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ersichtlich, da die vom Kläger beschriebenen Gefahren weder durch den Staat oder eine staatsähnliche Organisation drohen noch dem Staat zuzurechnen sind. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wie etwa eine unzureichenden Versorgungslage, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG, vgl. U. v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324/328; U. v. 19.11.1996 - 1 C 6/95 - BVerwGE 102, 249/258 f.; U. v. 8.12.1998 - 9 C 4/98 - BVerwGE 108, 77/80 f.; U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - BVerwGE 114, 379/382; U. v. 29.6.2010 - 10 C 10/09 - BVerwGE 137, 226/232 f.). Nur dann gebieten die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 GG - als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards - jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 2, § 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich diese im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind oder ihm nicht zur Verfügung stehen. Die befürchtete Verschlimmerung einer Krankheit kann die Voraussetzung einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten in Afghanistan begründen, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Klägers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, B. v. 24.5.2006 - 1 B 118/05 - NVwZ 2007, 3345). Nicht gravierende oder nicht hinreichend wahrscheinliche Gefahren sind dabei nicht ausreichend. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr nach Afghanistan eintreten würde, weil der Ausländer auf die dort unzureichende Möglichkeit der Behandlung angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U. v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris).

Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich im vorliegenden Einzelfall für den Kläger trotz dessen Volljährigkeit ausnahmsweise derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Im vorliegenden Einzelfall ist nach den Erkenntnismitteln, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, ausnahmsweise davon auszugehen, dass der Kläger alsbald nach seiner Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen lässt.

Das Gericht geht aufgrund der besonderen Umstände in der Person des Klägers, der zahlreichen vorgelegten Atteste sowie des persönlichen Eindrucks, den das Gericht vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, davon aus, dass der Kläger infolge seiner psychischen Erkrankung bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer erheblichen und konkreten Gefahr ausgesetzt wäre.

Das Gericht sieht es aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste als erwiesen an, dass der Kläger sowohl an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) als auch an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F.45.4) leidet. Sämtlichen Attesten lässt sich entnehmen, dass der Kläger bereits seit Jahren unter den Folgen psychischer Erkrankungen leidet. Eine Stabilisierung seines Gesundheitszustandes konnte trotz Medikation und therapeutischen Maßnahmen nicht erreicht werden. Phasenweise verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Klägers drastisch, so dass er Suizidabsichten äußerte und eine stationäre Aufnahme des Klägers erforderlich wurde. Dabei diagnostizierten die den Kläger untersuchenden Fachärzte übereinstimmend eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie chronische Kopfschmerzen, die in Zusammenhang mit emotionalen Konflikten bzw. psychosozialen Problemen auftreten (vgl. die Arztbriefe des Klinikums ... vom 30.10.2014 und des ...-Klinikums ... vom 8.10.2014; fachärztliche Atteste von Dr. med. ... vom 2.6.2014 und 27.7.2012; fachärztliches Attest von ... vom 18. Mai 2015).

Hinsichtlich der diagnostizierten Erkrankungen des Klägers, deren Behandlungsbedürftigkeit und der zu erwartenden Folgen für den Fall des Unterbleibens einer Behandlung folgt das Gericht insbesondere den überzeugenden Feststellungen in dem ärztlichen Attest vom 18. Mai 2015. Zwar ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer PTBS um ein komplexes psychisches Krankheitsbild handelt, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Insbesondere das Attest vom 18. Mai 2015 genügt jedoch den in der Rechtsprechung an einen substantiierten Vortrag einer PTBS aufgestellten Anforderungen (vgl. BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - juris). Aus dem von einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie erstellten Attest geht nachvollziehbar hervor, auf welcher Grundlage die Fachärztin ihre Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Die behandelnde Ärztin setzt sich dabei insbesondere kritisch mit den Schilderungen des Klägers über seine Erlebnisse im Heimatland auseinander. Wenngleich das Gericht aufgrund der bisweilen widersprüchlichen Angaben des Klägers nicht die Überzeugung gewinnen vermochte, dass sich die vom Kläger geschilderten Ereignisse tatsächlich in der von ihm dargestellten Weise ereignet haben, so lassen nicht zuletzt die bei einer Röntgenuntersuchung des Klägers festgestellten erheblichen körperlichen Verletzungen des Klägers darauf schließen, dass der Kläger in seinem Herkunftsstaat tatsächlich Opfer von Gewalthandlungen geworden ist. Vor dem Hintergrund, dass bei Traumafolgestörungen die Fähigkeit der Betroffenen, biographische Gedächtnisinhalte richtig zuzuordnen und stringent wiederzugeben, oftmals beeinträchtigt ist, ist die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) für das Gericht daher ebenso nachvollziehbar wie die Annahme einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4). Das Attest vom 18. Mai 2015 enthält darüber hinaus auch Angaben darüber, seit wann sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befindet und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Schließlich gibt das Attest auch Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikamente und Therapie). Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Kläger an den diagnostizierten Krankheiten leidet, er einer dauerhaften und intensiven ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Betreuung bedarf und ein Behandlungsabbruch eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands bis hin zu einer dauerhaften Persönlichkeitsveränderung und einem erhöhten Suizidrisiko zur Folge hätte.

Weiter ist davon auszugehen, dass die erforderliche Behandlung des Klägers in seinem Herkunftsland nicht erfolgen bzw. der Kläger eine solche jedenfalls tatsächlich nicht erlangen könnte. Nach Informationen des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht zu Afghanistan vom 2.3.2015, S. 23 f.) leidet die medizinische Versorgung in Afghanistan trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere an fehlenden Ärzten und Ärztinnen sowie gut qualifizierten Assistenzpersonal. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Hospital mit 100 Betten, die stets den Bedarf nicht decken können, und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazare Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen „behandelt“, oder es wird ihnen in einer „Therapie“ mit Brot, Wasser und Pfeffer der „böse Geist ausgetrieben“.

Nach den genannten Auskünften und den Erkenntnismitteln ist vorliegend mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Kläger - obwohl sich in Afghanistan noch immer seine Mutter und die meisten seiner Geschwister aufhalten - bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr droht. Angesichts der andauernden, schwerwiegenden psychischen Erkrankung des Klägers und des persönlichen Eindrucks, den das Gericht vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger nicht dazu in der Lage ist, die hohen Anforderungen, denen er im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre, bewältigen zu können. Der Kläger wäre im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Herkunftsland aufgrund seiner Erkrankung auch nicht in der Lage, durch Gelegenheitsjobs in Kabul - wohin eine Abschiebung erfolgen würde - wenigstens ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Im Rahmen einer Gesamtschau dieser Aspekte würde der Kläger bei einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten, die ihm nicht zugemutet werden kann.

d) Infolge des festzustellenden Abschiebungsverbots war auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids aufzuheben. Im Umkehrschluss zu § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG ist der Erlass einer Abschiebungsandrohung unzulässig, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und kein atypischer Fall gegeben ist (BayVGH, U. v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris Rn. 28). Der streitgegenständliche Bescheid ist daher in Nr. 5 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenteilung in Asylverfahren (vgl. z. B. B. v. 29.6.2009 - 10 B 60/08 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 35).

3. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 10/11/2014 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1Tatbestand 2Der nach eigenen Angaben am 00. 00. 1984 in B.       in der Provinz E.        geborene Kläger ist afghanischer St
published on 29/06/2010 00:00

Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz wegen Gefahren aufgrund eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts, hilfsweise national
published on 27/04/2010 00:00

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.