Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 05. Okt. 2016 - 6 K 1999/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger wendet sich zum wiederholten Mal gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt nunmehr die Neubewertung der Klausur Zivilrecht 2 sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seinen zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte aufgrund des vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahrens die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte).
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht oder den Mandanten. Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit ausreichend (6 Punkte). Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
6Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M.‑Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch ebenfalls mit befriedigend (9 Punkte) bewertet. Die Prüfungskommission erklärte die zweite juristische Prüfung daraufhin mit befriedigend (8,75 Punkten) für bestanden.
7Der Kläger wandte sich sodann zunächst im Widerspruchsverfahren und nach dessen erfolglosem Ausgang im Klageverfahren gegen die Bewertung mit lediglich 8,75 Punkten, wobei der Kläger Mängel in der Bewertung der mündlichen Prüfung und der Klausuren Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2 rügte. Mit Urteil vom 20. März 2014 (Az. 1 K 1892/12) verurteilte das erkennende Gericht den Beklagten, die Klausuren Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2 neu zu bewerten und wies die Klage hinsichtlich der mündlichen Prüfung ab. Beide Beteiligten beantragten daraufhin die Zulassung der Berufung. Die Zulassungsanträge wurden mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 18. November 2014 (Az. 14 A 735/14) zurückgewiesen. Der Kläger erhob dagegen Verfassungsbeschwerde, die mit Beschluss vom 6. April 2016 nicht angenommen wurde.
8Der Beklagte ließ die Klausuren Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2 neu begutachten, was dazu führte, dass die Bewertung beider Klausuren um jeweils einen Punkt (Zivilrecht 1: befriedigend (9 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (11 Punkte)) angehoben wurde.
9Mit Stellungnahme vom 30. März 2015 teilte der Vorsitzende der Prüfungskommission mit, die Anhebung von zwei Klausuren um jeweils (nur) einen Punkt sowie der Umstand, dass es bei der ursprünglichen Bewertung der Klausuren mit „befriedigend“ bzw. „vollbefriedigend“ geblieben sei, veranlasse die Kommission nicht dazu, von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote (8,90 Punkte) abzuweichen. Nach erneuter Beratung sei die Prüfungskommission der Auffassung, dass auch die neu errechnete Gesamtpunktzahl (8,90 Punkte) den Leistungsstand des ehemaligen Prüflings zutreffend wieder gebe. Zudem sehe sie in dem Gesamtergebnis keine unbillige bzw. ungewollte Härte, die eine Anhebung der Gesamtnote auf „vollbefriedigend“ zwingend verlangen würde. Allein der Umstand, dass das Gesamtergebnis nach Anhebung um 1,5 Punkte sich noch weiter der Notengrenze von 9,0 Punkten angenähert habe, reiche für eine Anhebung der Gesamtnote nicht aus. Im Übrigen verwies sie auf die in der Stellungnahme vom 4. Juni 2012 dargelegten Gründe, wonach
10„nach dem Gesamteindruck, den der Prüfungsausschuss von dem Prüfling gewonnen hat, auch unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände einschließlich der Leistungen im Vorbereitungsdienst keine Veranlassung [zu einer Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote bestanden hat]. […] Unbilligkeiten und Härten ergeben sich im Fall des Prüflings Q. weder aus seinem Leistungsstand, der durch die vor der zweiten juristischen Staatsprüfung erbrachten Leistung dokumentiert wird, noch durch die in der zweiten juristischen Staatsprüfung erzielten Leistungen. […] Die Leistungen im Vorbereitungsdienst zeigen […] nicht das einheitlich positive Bild, dass der Prüfling Q. im Widerspruchsverfahren von seinen Leistungen zeichnet. Insgesamt ist zu erkennen, dass die Leistungen des Prüflings […] durch eine große Schwankungsbreite gekennzeichnet werden, sowohl im Vorbereitungsdienst, als auch in den Klausuren (5 bis 13 Punkten). In dieses Bild passen die in der mündlichen Prüfung erbrachten Leistungen […] sowie das in einem ersten Durchgang erzielte Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens […].“
11Daraufhin erklärte der Beklagte die Prüfung nunmehr mit Bescheid vom 8. April 2015 als mit befriedigend (8,90 Punkten) für bestanden.
12Der Kläger legte gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 1. Mai 2015 Widerspruch ein.
13Zur Begründung führte er zum einen aus, bei der Klausur Zivilrecht 2 seien folgende Bewertungsfehler - soweit sie auch noch im Klageverfahren weiterverfolgt werden - unterlaufen:
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Die Darstellung des Mandantenbegehrens sei hinreichend gewesen und einer Zusammenfassung der Streitgegenstandes habe es laut Aufgabenstellung nicht bedurft, denn dort heiße es ausdrücklich: „Das Gutachten braucht keine Sachverhaltsdarstellung zu enthalten“.
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Des Weiteren überspanne die Kritik hinsichtlich der vorgenommenen Zulässigkeitsprüfung die zu erfüllenden Anforderungen bei einer Anwaltsklausur. Bei dieser sei es Aufgabe des Bearbeiters auf die Kernprobleme des Falles einzugehen und unproblematische Punkte knapp und offenkundige Punkte gar nicht auszuführen. Erschöpfende Ausführungen dürften nicht als defizitär gewertet werden. Vorliegend sei es völlig offenkundig, dass eine Zivilklage, die einen Antrag auf Zahlung von mehr als 5.000,- € enthalte, grundsätzlich in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts falle. Des Weiteren habe es auch einer Benennung des Begriffs „Außen-GbR“ nicht bedurft. Ferner sei es in der Praxis völlig klar, dass mehrere Klageanträge in einer Klage verbunden werden könnten. In keinem praxisnahen anwaltlichen Gutachten fänden sich daher Ausführungen dazu, dass mehrere Anträge im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO verbunden werden könnten. Ein Anwaltsgutachten zeichne sich nicht dadurch aus, dass Selbstverständlichkeiten und belanglose juristische Feststellungen aneinandergereiht würden, sondern dadurch, dass unproblematische Punkte knapp gehalten und nur problematische Punkte thematisiert würden.
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Zudem sei die Rüge hinsichtlich seiner Ausführungen zur Wirksamkeit und Befristung des streitgegenständlichen Mietvertrages unzutreffend. Aus seinen Ausführungen in der Klausur ergebe sich unzweifelhaft, dass er erkannt habe, dass ein nicht schriftlich abgeschlossener Mietvertrag grundsätzlich wirksam, aber unbefristet sei. Der aus § 550 Satz 1 BGB folgende Abschluss auf unbestimmte Zeit habe aber - wie sich auch aus der Beurteilung durch den Erstgutachter ergebe - ebenfalls zur Folge, dass eventuelle Befristungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr unwirksam seien und das Mietverhältnis somit nicht automatisch ohne Kündigung ende. Wenn der Mietvertrag aber von Anfang an als auf unbestimmte Zeit geschlossen gegolten habe, stelle sich überhaupt nicht die Frage, ob sich das Mietverhältnis nach § 545 Abs. 1 BGB durch Gebrauchsfortsetzung stillschweigend verlängert hätte. Die Darstellung in der Arbeit sei daher systematisch korrekt gewesen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 23 Mai 2012 - 6 C 8/11 -) sei es auch zulässig, in einem Widerspruchsverfahren gegen einen Prüfungsentscheid, der nach Durchführung eines Widerspruchs- und Klageverfahrens ergangen sei, erstmals die Bewertung von vormals nicht angegriffenen Klausuren zu rügen.
20Zum anderen sei die nunmehr vorgenommene Abweichungsentscheidung der Prüfungskommission aus den gleichen Gründen rechtsfehlerhaft, wie die bereits zuvor getroffene Entscheidung. Sie werde den rechtlichen Anforderungen an eine ordnungs-gemäße Ermessensausübung nicht gerecht. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen. Des Weiteren habe er aufgrund des zu dieser Zeit bereits begonnenen Masterstudiums in den USA und der aufgrund dessen von ihm beantragten Vorziehung des Termins zur mündlichen Prüfung keine Möglichkeit gehabt, sich umfassend auf die mündliche Prüfung vorzubereiten. Ferner hätte die Kommission beispielsweise die Auslandskompetenz des Klägers in ihren Erwägungen einbeziehen müssen.
21Das beklagte Prüfungsamt holte daraufhin Stellungnahmen der betroffenen Prüfungskommission sowie der Korrektoren der Zivilrecht 2 - Klausur ein, die an ihren Bewertungen festhielten und ihre Kritikpunkte wiederholend und vertiefend darstellten.
22Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Den Stellungnahmen des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfer sei zu entnehmen, dass sie sich mit den Leistungen des Klägers noch einmal auseinandergesetzt und dabei auch die von ihm erhobenen Einwände überdacht hätten. Dies habe zu dem Ergebnis geführt, das zu Änderungen von Inhalt, Note oder Punktzahl keine Veranlassung bestehe. Sämtliche Bemerkungen und Einschätzungen des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfer seien berechtigt und von deren Beurteilungsspielraum gedeckt. Unhaltbare oder willkürliche Fehleinschätzungen seien nicht ersichtlich.
23Am 2. November 2015 hat der Kläger Klage erhoben
24Zu deren Begründung wiederholte er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führte ergänzend aus:
25Die Geltendmachung von Rügen gegen die Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 sei nicht verwirkt. Hätte er dreieinhalb Jahre nach Ablauf der Widerspruchsfrist einen Widerspruch gegen den Prüfungsbescheid erhoben und hätte der Beklagte diesen in der Sache verbeschieden, hätte dies die Möglichkeit zu einer vollumfänglichen gerichtlichen Nachprüfung eröffnet. Nichts anderes könne gelten, wenn der Kläger gegen einen noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt Widerspruch erhebe und der Beklagte diesen ohne jegliche Vorbehalte in der Sache verbescheide. Des Weiteren trage er auch das Risiko, dass eine Klage gänzlich und letztinstanzlich abgewiesen werde und es daher zu keinem neuen Bescheid und damit der Möglichkeit der Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens komme, in dem der Kläger neuen Vortrag vorbringen könne.
26Die Darstellung des Mandantenbegehrens (einschließlich des Streitgegenstands) sei bei einer Anwaltsklausur nicht erforderlich. Dies ergebe sich aus diverser Fachliteratur.
27Von den herrschenden Literaturansichten würden die von den Gutachtern angesprochenen Zulässigkeitsprobleme als gänzlich unproblematisch angesehen. Der Umfang der Ausführungen in einem Anwaltsgutachten sei auf Basis dessen zu bestimmen, was praxistauglich sei, da es nach § 47 JAG NRW gerade das Ziel der zweiten juristischen Prüfung sei, festzustellen, ob die Referendare die praktischen Fähigkeiten für die Befähigung zum Richteramt und zur Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufweisen würden. Die Kritik des Zweitgutachters, dass es einen Begründungsmangel darstelle, wenn nicht auch noch ausgeführt werde, dass die streitgegenständlichen Mieträume in Mettmann lägen, sei nicht gerechtfertigt. Die in der Klausur getroffene Feststellung, dass die örtliche Zuständigkeit des LG Wuppertal aus § 29a Abs. 1 ZPO folge, sei ausreichend gewesen, denn laut Bearbeitervermerk habe Mettmann im Bezirk des LG Wuppertal gelegen. Ferner sei offensichtlich gewesen, dass sich die Verbindung von mehreren Klageanträgen streitwerterhöhend auswirke und es für die sachliche Zuständigkeit auf den Gesamtstreitwert und nicht den einzelnen Antrag ankomme, so dass es weitere Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit nicht bedurft hätte. Auch sei offensichtlich gewesen, dass vorliegend eine Klagehäufung nach § 260 ZPO unproblematisch möglich gewesen sei.
28Hinsichtlich der Wirksamkeit und Befristung des Mietvertrages sei lediglich relevant gewesen, dass eine mangelnde schriftliche Fixierung zu einer unbestimmten Laufzeit geführt habe. Der Erstgutachter übersehe, dass es im Zivilprozess nur auf die prozessuale Wahrheit ankomme. Einer Erwähnung von § 125 BGB habe es nicht bedurft, da die Rechtsfolge für einen Formverstoß bereits durch die §§ 578, 550 BGB geregelt sei. Der unwidersprochene Vortrag des Klausur-Klägers hätte aufgrund des Beibringungsgrundsatzes dazu geführt, dass das Gericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hätte, dass ein Mietvertrag über Geschäftsraum mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr mündlich abgeschlossen worden sei. Dies hätte dazu geführt, dass es in seiner Entscheidung gemäß den §§ 578, 550 Satz 1 BGB davon ausgegangen wäre, dass der Mietvertrag nicht zum Jahresende 2010 ausgelaufen wäre. Mangels Beendigung des Mietverhältnisses habe sich somit überhaupt nicht die Frage gestellt, ob sich das Mietverhältnis nach § 545 Satz 1 BGB stillschweigend verlängert haben könnte.
29Hinsichtlich der Entscheidung über eine Notenabweichung sei bislang keine Rechtskraft eingetreten, denn das erkennende Gericht habe in seinem Urteil vom 20. März 2014 (1 K 1892/12) ausdrücklich klargestellt, dass die Abweichungsentscheidung aufgrund der erfolgreichen Bewertungsrügen gegen die Klausuren gerichtlich nicht mehr kontrolliert werden könne. Ferner verkenne die Prüfungskommission in ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 2012, dass eine vom normalen Leistungsbild negativ abweichende Leistung eine Veranlassung dahingehend bilde, eine Notenabweichung zu prüfen. Die Prüfungskommission hätte daher berücksichtigen müssen, dass der Aktenvortrag mit 8 Punkten innerhalb der konkreten Prüfung einen Ausreißer nach unten darstelle. Ferner hätte sie mit einstellen müssen, dass seine mündliche Leistung am Prüfungstag deutlich von seinen typischen mündlichen Leistungen im Vorfeld abweiche (Prüfungsgespräch in der ersten juristischen Prüfung, in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung, im ersten Versuch der zweiten juristischen Staatsprüfung sowie seine Aktenvorträge in den Arbeitsgemeinschaften). Die Prüfungskommission habe sich ermessensfehlerhaft nicht mit diesen Aspekten auseinandergesetzt, so dass hier ein Fall des Ermessensausfalls vorliege.
30Der Kläger beantragt ausdrücklich,
31unter Aufhebung des Bescheids des Landesjustizprüfungsamtes vom 8. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2015, soweit die 2. juristische Prüfung mit lediglich 8,90 Punkten für bestanden erklärt worden ist, den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags verweist er hinsichtlich der einzelnen Rügen des Klägers zur Aufsichtsarbeit Zivilrecht 2 auf die Ausführungen im Widerspruchsvorgang sowie auf die im Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen der Prüfer vom 31. Mai und vom 2. Juni 2016, die auf ihre bereits vorgebrachte Kritik Bezug nehmen bzw. diese vertiefen. Der Erstkorrektor führe u.a. aus, dass im Mandantenbegehren die beteiligten Parteien sowie der Streitgegenstand zu erwähnen seien, um den Leser in das Thema der Begutachtung einzuführen, aus den Verweisen des Klägers auf die Literatur, ergebe sich nichts anderes, da das Mandantenbegehren dem Gutachten voranzustellen sei. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit fehle die Subsumtion durch den Kläger; der Bearbeitervermerk könne eine solche nicht ersetzen. Ferner könne die Addition der Streitwerte nur mit Hinweis auf § 5 ZPO erläutert werden. Zudem enthalte § 260 ZPO kein „Regel-Ausnahme-Prinzip“ dahingehend, dass eine objektive Klagehäufung grundsätzlich zulässig sei, wenn nicht Ausschlusstatbestände vorlägen. Es handele sich damit nicht um eine Offensichtlichkeit. Es gehe hier um das Erkennen und Subsumieren einer gesetzlichen Regelung. Schließlich rechtfertigten die Ausführungen des Klägers zur „prozessualen Wahrheit im Zivilprozess“ es nicht, § 545 BGB unbeachtet zu lassen, da dieser im Rahmen der in Streit stehenden angeblichen Befristung bis zum Jahresende 2010 von Bedeutung sei.
35Ergänzend trägt der Beklagte vor, der Kläger habe seine Rügemöglichkeit gegenüber der Aufsichtsarbeit Zivilrecht 2 verwirkt, da er weder im Rahmen des erstmaligen Widerspruchverfahrens, noch des nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Einwendungen gegen die Aufsichtsarbeit Zivilrecht 2 erhoben habe. Das Gebot der Chancengleichheit müsse auch dahingehend berücksichtigt werden, dass einem Prüfling durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs weder ein Nachteil noch ein Vorteil gegenüber anderen Prüflingen entstehen dürfe. Je größer der zeitliche Abstand zwischen der erstmaligen Korrektur einer Prüfungsleistung und einer Neubewertung bzw. Überprüfung der Erstkorrektur werde, desto schwieriger sei es, die Einheitlichkeit von Bewertungsmaßstäben zu gewährleisten. Zudem sei es dem Kläger ansonsten möglich, gegenüber den fünf weiteren Aufsichtsarbeiten, die er in den letzten vier Jahren nicht angegriffenen habe, schrittweise erstmalig Bewertungsfehler geltend zu machen.
36Des Weiteren hätten die Kommissionsmitglieder in zulässiger Weise unter Berücksichtigung der geänderten Ergebnisse zweier Aufsichtsarbeiten keine Veranlassung gesehen, vom rechnerisch ermittelten Gesamtergebnis abzuweichen. Der Kläger verkenne hier den Ausnahmecharakter der Abweichungsvorschriften sowie den zulässigen Umfang der berücksichtigungsfähigen Gründe. Leistungen des Klägers in der ersten juristischen Staatsprüfung würden nicht zu den berücksichtigungsfähigen Gründen gehören. Objektive Gründe, die dem Beurteilungsspielraum der Prüfungskommission hin zu einer abweichenden Entscheidung verengen könnten, seien mit Blick auf das Notenbild des Klägers hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten nicht ersichtlich. Im Übrigen setze der Kläger im Wesentlichen seine Erwägungen zur richtigen Bewertung seines Leistungsvermögens an die Stelle der Einschätzungen der Prüfungskommission, ohne insoweit einen konkreten Bewertungsfehler darzulegen oder nachzuweisen. Schließlich seien auch „Auslandskompetenz“ und Fremdsprachenkenntnisse nach den Vorschriften des Juristenausbildungsgesetzes NRW nicht im Rahmen der Prüfung zu ermitteln.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 1 K 1892/12 sowie auf die von dem Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge (vier Bände) Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39Die zulässige Klage, die entsprechend der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung letztlich auf eine Neubewertung der Klausur Zivilrecht 2 sowie auf eine erneute Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote gerichtet ist, ist unbegründet.
40Der angegriffene Prüfungsbescheid vom 8. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; die geltend gemachten Ansprüche stehen ihm nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
41Der Kläger hat weder einen Rechtsanspruch auf Neubewertung der Klausur Zivilrecht 2 (hierzu unter 1.) noch einen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW (hierzu unter 2.).
421. Ein Anspruch des Klägers auf Neubewertung der Klausur Zivilrecht 2 scheidet zunächst bereits deshalb aus, weil der Kläger das Recht auf Geltendmachung von Einwänden gegen die Klausur Zivilrecht 2 verwirkt hat (hierzu unter a). Im Übrigen weist die Bewertung dieser Klausur aber auch weder Verfahrensfehler noch materielle Bewertungsfehler auf (hierzu unter b).
43a) Das Recht, Einwände gegen die Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 geltend zu machen, hat der Kläger dadurch verwirkt, dass er diese nicht spätestens im ersten, gegen die Note des zweiten juristischen Staatsexamens im Verbesserungsversuch geführten gerichtlichen Verfahren (Az. 1 K 1892/12) vorgebracht hat.
44Die Geltendmachung materieller und verfahrensrechtlicher Rechte unterliegt den Grundsätzen von Treu und Glauben und kann daher verwirkt werden. Maßgebend hierfür ist, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, was insbesondere der Fall ist, wenn der Verpflichtete infolge des Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (sog. Umstandsmoment).
45Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 75/98 -, juris Rn. 4.
46Der Kläger hat hier Einwendungen gegen die Klausur Zivilrecht 2 erstmalig knapp vier Jahre nach deren Anfertigung - im Rahmen des gegen den streitgegenständlichen Prüfungsbescheid vom 8. April 2015 geführten Widerspruchsverfahrens - erhoben und dass, obwohl er gegen den ursprünglichen, im Jahr 2012 erlassenen Prüfungsbescheid sowohl ein Widerspruchsverfahren als auch - über mehrere Instanzen - ein Klageverfahren durchgeführt hat. Damit ist das sog. Zeitmoment einer Verwirkung offenkundig erfüllt.
47Das Umstandsmoment ergibt sich vorliegend aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit. Dieser, aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz verlangt, dass für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten müssen. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Prüflinge oder Teilnehmergruppen einer Prüfung sollen vermieden werden, um allen Teilnehmern gleiche Erfolgschancen zu bieten.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 6 B 11/15 -, juris Rn. 8; BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 -, juris Rn. 53.
49Dementsprechend ist hier zu berücksichtigen, dass einem Prüfling durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs weder ein Nachteil noch ein Vorteil gegenüber anderen Prüflingen entstehen darf. Je größer der zeitliche Abstand zwischen der erstmaligen Korrektur einer Prüfungsleistung und einer Neubewertung bzw. Überprüfung der Erstkorrektur wird, desto schwieriger ist es aber, die Einheitlichkeit von Bewertungsmaßstäben zu gewährleisten. Der Prüfling ist daher aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten, alle Einwendungen gegen einzelne Teilleistungen der zweiten juristischen Prüfung jedenfalls bis zum Abschluss eines ersten, gegen den Prüfungsbescheid gerichteten Klageverfahrens geltend zu machen. Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 um die Übersendung von Ablichtungen seiner Aufsichtsarbeiten, der dazu angefertigten Gutachten sowie der jeweiligen Aufgabenstellungen betreffend die Klausuren Zivilrecht 1, 2 und 3 sowie Öffentliches Recht 1 und 2 beantragt hat. Da der Kläger in dem ersten Widerspruchs- sowie Klageverfahren jedoch nur die Bewertungen der Klausuren Zivilrecht 1 und Öffentliches Recht 2 gerügt hat, hat er bei dem Beklagten ein schützenswertes Vertrauen dahingehend geschaffen, er werde die übrigen Klausuren nicht mehr angreifen.
50Die von dem Kläger gegen eine Verwirkung vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.
51Soweit der Kläger auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2012 (Az. 6 C 8/11, juris) verweist, ist dem entgegen zu halten, dass der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit dem vorliegenden vergleichbar ist. Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bedürfe die von vornherein erfolgende Ausklammerung der Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen, gegen die der Prüfling vorgehe, von der Überprüfung und die damit einhergehende Behandlung dieser als unabänderlich feststehend, einer Rechtfertigung, die den Anforderungen des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruchs des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes genüge. Eine solche sah es in dem Fall, in dem der Prüfling das gegen den geänderten Prüfungsbescheid geführte Widerspruchsverfahren auf Einwendungen gegen die Bewertung der - aufgrund eines ersten, teilweise erfolgreichen Widerspruchsverfahrens erneut angefertigten - Hausarbeit beschränkte, in dem darauf folgenden gerichtlichen Verfahren jedoch sowohl die Bewertung der erneut angefertigten Hausarbeit als auch die der vier Aufsichtsarbeiten rügte, als nicht gegeben an. Denn in diesem Fall habe der Prüfling die vier Aufsichtsarbeiten bereits im ersten Widerspruchsverfahren substantiiert angegriffen, diese Rügen sodann lediglich im zweiten Widerspruchsverfahren nicht mehr weiter verfolgt, sie allerdings im erstmaligen Klageverfahren wieder aufgegriffen.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2012 - 6 C 8/11 -, juris Rn. 2, 11 f.
53Dieser Fall ist mit der vorliegenden Konstellation deshalb nicht vergleichbar, weil der Anspruch des Klägers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG in dem vorliegenden Fall bereits durch das erste Klageverfahren (1 K 1892/12) in ausreichendem Maße Berücksichtigung gefunden hat, während dies in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Verfahren so nicht gegeben war. Zudem lässt sich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen, dass es das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich für möglich erachtet, die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen von vornherein aus der Überprüfung auszuklammern, sofern dies unter Beachtung des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG genügend gerechtfertigt ist.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2012 - 6 C 8/11 -, juris Rn. 11.
55Eine solche Rechtfertigung ergibt sich vorliegend - wie zuvor dargestellt - aus einer Korrelation zwischen dem Gebot der Chancengleichheit und der Mitwirkungspflicht des Prüflings.
56Der Annahme einer Verwirkung steht auch nicht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2001 (Az. 14 A 4813/96) entgegen, da auch der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall nicht vergleichbar ist. Dort richtete sich der erste Widerspruch gegen das Ergebnis der zweiten juristischen Staatsprüfung ausschließlich gegen die Bewertung der Hausarbeit. Nachdem dieser erfolgreich und die Hausarbeit neu bewertet worden war, wurde gegen die neue Prüfungsentscheidung erneut Widerspruch eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht konstatierte, dass durch die Beschränkung des ersten Widerspruchs auf die Bewertung der häuslichen Arbeit das Recht, Einwände gegen die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung im gerichtlichen Verfahren geltend zu machen, nicht verwirkt worden sei.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 2001 - 14 A 4813/96 -, juris Rn. 1 ff., 12.
58Auch der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden grundlegend, weil der dortige Kläger ebenfalls erstmalig eine gerichtliche Entscheidung über seine Prüfungsleistung begehrte, während der Kläger in dem vorliegenden Verfahren bereits zum zweiten Mal gegen den Prüfungsbescheid klagt und sich dabei auf Rügen beruft, die er ohne Weiteres bereits im ersten Klageverfahren hätte geltend machen können.
59Die Kammer verkennt insofern auch nicht, dass es sich bei den einzelnen Klausuren um Teilleistungen handelt, die für sich selbst mangels Verwaltungsaktsqualität nicht in Bestandskraft erwachsen können. Die einzelnen Bewertungen bilden nur die Grundlage für die Berechnung der Abschlussnote, während allein der Bescheid des Justizprüfungsamtes, der dem Prüfling das Gesamtergebnis mitteilt, jene rechtliche Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW enthält, die mit Rechtsmitteln angreifbar und auf diese hin aufhebbar ist.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, juris Rn. 21 ff.; vom 22. Juni 1994 - 6 C 37/92 -, juris Rn. 16.
61Jedoch ist das Rechtsinstitut der Bestandskraft von dem der Verwirkung zu unterscheiden. Während die Bestandskraft der Rechtssicherheit dient, geht es bei der Verwirkung darum, dass das jeweilige Verhalten sich an dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu orientieren und daran messen zu lassen hat. Der Kläger hat jedoch aus den dargestellten Gründen vorliegend sein Verhalten nicht an dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgerichtet.
62b) Im Übrigen dringt der Kläger mit seinen Einwendungen gegen die Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 nicht durch.
63Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
64Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 ‑, juris Rn. 53 ff.
65Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, juris Rn. 11 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, NRWE Rn. 10 ff., und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris Rn. 59, und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, juris Rn. 7 ff.
67Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
68Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris Rn. 38 ff. m.w.N.
69Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55/97 -, juris Rn. 3 ff., und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9/95 -, juris Rn. 39; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris Rn. 23 ff.
71Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 als rechtmäßig.
72Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 leidet nicht an einem Verfahrensfehler.
73Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
74Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, juris, Rn. 5 ff.
75Das Überdenkensverfahren ist hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht 2 ordnungsgemäß abgelaufen, da sowohl der Erst- als auch der Zweitkorrektor jeweils eine umfassende Stellungnahme abgegeben haben. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
76Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
77Die offene Zweitbewertung, d. h. die Bewertung der Prüfungsleistung durch den Zweitprüfer in Kenntnis der Bewertung des Erstprüfers, ist mit dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit und dem Gebot der fairen Gestaltung des Prüfungsverfahrens vereinbar. Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf das Überdenken der Leistungsbewertungen aufgrund von Einwendungen des Prüflings anzuwenden.
78Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2016 - 6 B 1/16 -, juris Rn. 12, 14.
79Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 2 unterliegt auch keinen materiellen Bewertungsfehlern.
80Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zum Mandantenbegehren, zur Zulässigkeit der Klage sowie zur Wirksamkeit und Befristung des Mietvertrages nicht zu beanstanden. Sowohl der Erst- als auch der Zweitkorrektor haben weder anzuwendendes Recht verkannt, noch sind sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder haben sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen noch haben sie willkürlich gehandelt oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe nicht erkannt.
81Der Kläger hat in seiner Lösung im Rahmen des Mandantenbegehrens lediglich Ausführungen zu den Parteien der dem Klausursachverhalt zugrunde liegenden Klage gemacht, nicht aber zu deren Streitgegenstand. Die beiden Korrektoren haben dies als nicht ausreichend angesehen und hielten die Konkretisierung des Streitgegenstandes für erforderlich, um den Leser in das Thema der Begutachtung einzuführen. Entgegen der Ansicht des Klägers durften die Prüfer hier auch zu Recht Ausführungen zum Mandantenbegehren erwarten.
82Vgl. VG Köln, Urteil vom 16. Juni 2011 - 6 K 4008/10 -, juris Rn. 61.
83Soweit der Kläger einwendet, seine Ausführungen in der Klausur zum Mandantenbegehren seien ausreichend gewesen, erschöpft sich sein Vortrag in einer Selbstbewertung, welche nicht geeignet ist, einen Fehler der Bewertung durch die Prüfer aufzuzeigen.
84Auch die Kritik der Korrektoren hinsichtlich der Ausführungen des Klägers zur Zulässigkeit ist frei von Bewertungsfehlern. Die Kritik der Korrektoren an der Darstellung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit sowie der Parteifähigkeit der Klausur-Klägerin zielt vor allem auf eine Oberflächlichkeit der Begründung des Klägers in der Klausur. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt aber dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Soweit der Kläger einwendet, die Regelung des § 260 ZPO sei hier nicht anzusprechen gewesen, weil eine Klagehäufung nach § 260 ZPO unproblematisch möglich gewesen sei, verkennt er, dass im Rahmen eines anzufertigenden anwaltlichen Gutachtens jedenfalls eine kurze Ausführung zu diesem Punkt erforderlich gewesen wäre. Auch wenn man die Voraussetzungen im Ergebnis als unproblematisch gegeben einstuft, so rechtfertigt dies es allenfalls, vom sog. Gutachtenstil, der - wie hier - für die Erstellung eines Gutachtens grundsätzlich anzuwenden ist, abzuweichen und derartige unproblematische Fragen kurz im Urteilsstil zu erörtern.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2014 - 14 A 968/12 -, juris Rn. 51.
86Anhaltspunkte dafür, dass das Vorliegen einer Klagehäufung - bei unproblematischem Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - überhaupt nicht zu thematisieren ist, liegen nicht vor. Das Vorliegen einer objektiven Klagehäufung stellt gerade keinen Zulässigkeitsaspekt dar, der bei nahezu jeder eingereichten Klage regelmäßig als gegeben anzusehen ist, sondern hängt von gewissen Voraussetzungen ab, deren Vorhandensein in einem Gutachten - jedenfalls kurz - anzusprechen sind.
87Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Klägers hinsichtlich der Kritik zu seiner Prüfung der Wirksamkeit und Befristung des Mietvertrages. Soweit die Korrektoren kritisieren, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Regelung des § 550 Satz 1 BGB bewirke, dass die fehlende Schriftform trotz Formverstoßes keine Unwirksamkeit des Vertrages zur Folge habe, handelt es sich wiederum um Mängel in der Qualität der Begründung des Klägers, deren Überprüfung nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Eine ausführlichere Begründung wäre hier erforderlich gewesen, weil die Regelung des § 550 Satz 1 BGB als besondere Rechtsfolge trotz Formverstoßes entgegen der Grundregelung des § 125 BGB gerade nicht die Unwirksamkeit eines Vertrages ausspricht, sondern die Wirksamkeit hiervon unberührt lässt, weshalb die Regelung des § 550 Satz 1 BGB als lex specialis gegenüber § 125 BGB anzusehen ist. Dies hätte der Kläger auch mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln erkennen können, da im zugelassenen Kommentar zum BGB dies entsprechend dargestellt wird.
88Vgl. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 550 Rn. 13.
89Soweit der Kläger rügt, dass es aufgrund seiner Klausurlösung weiterer Ausführungen zu der Regelung des § 545 Satz 1 BGB nicht bedurft hätte, weil er bereits aufgrund der Regelung des § 550 Satz 1 BGB vom Vorliegen eines unbefristeten Vertrages ausgegangen sei und sich somit die Frage, ob sich das Mietverhältnis nach § 545 Satz 1 BGB stillschweigend verlängert haben könnte, für ihn nicht gestellt habe, verkennt er, dass im Rahmen eines Gutachtens alle für die Falllösung relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte anzusprechen sind, die für die Bearbeitung Bedeutung haben oder deren Bedeutung für die Bearbeitung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommen. In zivilrechtlichen Gutachten sind grundsätzlich die verschiedenen in Betracht kommenden Rechtsnormen zu prüfen, die das nach dem Sachverhalt zu prüfende Begehren möglicherweise stützen können. Gerade bei einer Anwaltsklausur sind alle für den Mandanten relevanten Aspekte in den Blick zu nehmen. Angesichts dessen, dass das Vorliegen eines schriftlichen Mietvertrages ausweislich des Klausursachverhalts gerade streitig war, und der Mandant, zu dessen Fall ein Gutachten anzufertigen war, von dem Vorliegen eines schriftlichen Mietvertrages ausging, waren Ausführungen zur Regelung des § 545 Satz 1 BGB zu erwarten, da diese Regelung dazu führt, dass sich unabhängig vom Vorliegen eines schriftlichen Vertrages eine Beendigung des Mietvertrages - die der Mandant gerade nicht anstrebt - aufgrund der fortgesetzten Nutzung trotz Kenntnis der anderen Gesellschafter nicht ergibt. Entsprechendes ergibt sich aus der Stellungnahme des Erstkorrektors vom 5. August 2015, wonach er vorliegend wiederum nicht das vom Kläger in der Klausur gefundene Ergebnis - nämlich dass eine Beendigung des Mietvertrages durch Zeitablauf nicht vorliegt - bemängelt, sondern die von ihm vorgenommene Begründung, warum dies so ist und dass er hier nicht zusätzlich im Rahmen der Begründung seines Ergebnisses auf die Regelung des § 545 Satz 1 BGB eingegangen ist.
902. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW. Die von der Prüfungskommission getroffene Abweichungsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie hierbei den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum sachfremd nicht ausgeschöpft hätte, weil sie eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote mangels gewichtiger Gründe abgelehnt hat, da dies mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmt.
91Nach § 18 Abs. 4 JAG NRW kann der Prüfungsausschuss bei der Entscheidung über das Ergebnis der staatlichen Pflichtfachprüfung von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote um bis zu einem Punkt abweichen, wenn dies aufgrund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Prüflings besser kennzeichnet und die Abweichung auf das Bestehen keinen Einfluss hat. § 56 Abs. 4 JAG NRW verweist für die zweite juristische Staatsprüfung auf diese Regelung mit der Maßgabe, dass auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen sind.
92Die Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW ist das Ergebnis von prüfungsspezifischen Wertungen und unterliegt daher dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer. Die gerichtliche Überprüfung hat sich im Wesentlichen auf die Kontrolle zu beschränken, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsmaßstäbe verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
93Ausgangspunkt für eine Abweichungsentscheidung ist, dass grundsätzlich keine Veranlassung besteht, vom rechnerisch ermittelten Wert abzuweichen, der unterschiedliche Prüfungsleistungen nach Art und Inhalt abdeckt und auch - im Hinblick auf die Klausuren - unterschiedliche Zeitpunkte erfasst und deshalb grundsätzlich einen zutreffenden Gesamteindruck vom Leistungsstand des Prüflings vermittelt. Nur dann, wenn ausnahmsweise Anhaltspunkte vorhanden sind, dass eine abweichende Festsetzung der Gesamtnote den Leistungsstand besser kennzeichnet und daher der rechnerisch ermittelte Wert der Korrektur bedarf, kommt eine Abweichung überhaupt in Betracht. Daher gibt eine Atypik des Leistungsbildes gerade in Form eines vereinzelt gebliebenen "Ausreißers" zwar Veranlassung, der Frage einer Abweichung vom rechnerisch ermittelten Wert für die Gesamtnote nachzugehen, sie führt aber nicht zwingend auch zur Anwendung der Abweichungsregelung.
94Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 14 A 117/10 -, juris Rn. 8 m.w.N. und Rn. 12.
95Das gilt auch dann, wenn der Prüfling die nächstbessere Gesamtnote nur knapp verfehlt hat. Zwar werden die Prüfer, je mehr sich die Prüfungsnote dem Grenzbereich zweier benachbarter Gesamtnoten (etwa wie hier dem Punktwert 9,0 zur Note „vollbefriedigend“) annähert, desto sorgfältiger prüfen müssen, ob die rechnerisch ermittelte Note den Leistungsstand des Prüflings - unter Berücksichtigung auch der Leistungen im Vorbereitungsdienst - zutreffend kennzeichnet. Eine zwingende rechtliche Verpflichtung, ab einem bestimmten erreichten Punktwert die Prüfungsnote jedenfalls dann auf einen der nächstbesseren Gesamtnote zugeordneten Punktwert anzuheben, wenn der Prüfling in bestimmtem Umfang positive Vornoten aufweist, besteht jedoch nicht. Insbesondere hat die Ermächtigung zur Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Wert nicht etwa den Zweck, einen (weiteren) Höherstufungsschub zu erzeugen.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1988 - 7 C 2.88 -, juris Rn. 33.
97Darüber, ob der Leistungsstand des Klägers aufgrund des über ihn gewonnenen Gesamteindrucks unter Berücksichtigung auch seiner Leistungen im Vorbereitungsdienst besser durch die Gesamtnote "befriedigend" (8,90) oder aber die auf 9,00 angehobene Abschlussnote "vollbefriedigend" gekennzeichnet wird, hat demzufolge auch unter Berücksichtigung des hier betroffenen Grenzbereichs zweier benachbarter Gesamtnoten der Prüfungsausschuss in den Grenzen des ihm zugestandenen Beurteilungsspielraums zu entscheiden.
98Bei ihrer Entscheidung hat sich die Prüfungskommission unter Berücksichtigung der Leistungen im Vorbereitungsdienst einen Gesamteindruck von dem Leistungsstand des Prüflings zu verschaffen. Dazu sind die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht nur mit ihrer jeweiligen Endnote, sondern auch mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen und die Einzelzeugnisse nach Aussage, Gewicht und Stellenwert zu würdigen. Gewicht und Stellenwert der Einzelzeugnisse lassen sich nicht abstrakt bestimmen. Entscheidend sind die jeweiligen Noten und die Aussagen in den Einzelzeugnissen, ohne dass den Einzelzeugnissen der Ausbildung in den Arbeitsgemeinschaften und in der Praxis von vornherein ein bestimmtes Gewicht und ein bestimmter Stellenwert zukommt. Es ist Sache der Prüfungskommission, das jeweilige Gewicht und den jeweiligen Stellenwert einzelfallbezogen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zu bestimmen.
99Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2011 - 14 A 2302/10 -, juris Rn. 4 ff. m.w.N.
100Einen allgemeinen Bewertungsgrundsatz, aufgrund dessen im Vergleich zu den Prüfungsleistungen bessere Noten im Vorbereitungsdienst, gleichgültig wann und in welcher Ausbildungssituation sie erzielt worden sind, den Leistungsstand eines Prüflings besser kennzeichnen als der rechnerisch ermittelte Wert, gibt es nicht.
101Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Januar 2008 - 14 A 3658/06 -, juris Rn. 65.
102Die Prüfungskommission hat im Falle des Klägers keine Veranlassung zur Korrektur des rechnerisch ermittelten Wertes gesehen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, dass allein der Umstand, dass sich das Gesamtergebnis nach Anhebung um 1,5 Punkte aufgrund der Neubewertung von Aufsichtsarbeiten nach einem teilweise erfolgreichen Klageverfahren noch mehr der Notengrenze von 9,0 Punkten angenähert habe, nicht für eine Anhebung der Gesamtnote ausreiche. Im Übrigen seien die Einzelleistungen des Klägers in der zweiten juristischen Staatsprüfung durch eine Schwankungsbreite gekennzeichnet, die sowohl im Vorbereitungsdienst als auch in den Klausuren auftrete, weshalb die in der mündlichen Prüfung erzielten Punkte in dieses Bild passen würden und das Gesamtergebnis im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung auch mit Blick auf die während des Vorbereitungsdienstes erzielten Beurteilungen dem Leistungsstand des Klägers entspreche, was vom Prüfungsausschuss im Einzelnen dargelegt wird.
103Diese Entscheidung der Prüfungskommission begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
104Dass die Prüfungskommission die im Prüfungsverfahren gezeigten Leistungen als Maßstab für seine weitere Würdigung zugrundelegt und den Leistungen im Vorbereitungsdienst eine nur korrigierende Bedeutung mit gemindertem Gewicht zumisst, ist nicht zu beanstanden. Denn der Beurteilungsspielraum der Prüfer bezieht sich gerade auch darauf, welches Gewicht den nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 4 JAG NRW "auch" zu berücksichtigenden Leistungen des Prüflings im Vorbereitungsdienst zukommt.
105Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2011 - 15 K 8222/09 -, juris Rn. 62 ff. m.w.N.
106Die im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen sind auch vom Notenergebnis her nicht so, dass sie eine Prüfungsgesamtnote von "befriedigend" im oberen Bereich als unverständlich erscheinen ließen; die vom Prüfungsausschuss herausgestellte Schwankungsbreite mit Tendenz zum befriedigendem Leistungsbild beruht nicht auf willkürlichen Erwägungen: Während die Stationszeugnisse auf einmal "vollbefriedigend", einmal "gut" und dreimal „sehr gut“ lauten, ergeben die Arbeitsgemeinschaftsleistungen ein Leistungsbild zwischen "vollbefriedigend" und "befriedigend".
107Den Einzelzeugnissen der Ausbildung in den Arbeitsgemeinschaften und in der Praxis kommt dabei von vornherein kein bestimmtes Gewicht oder ein bestimmter Stellenwert zu. Es ist Sache der Prüfer, das jeweilige Gewicht und den jeweiligen Stellenwert einzelfallbezogen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zu bestimmen. Mit dieser Einzelfallbetrachtung vereinbar ist jedoch die Einschätzung, dass "in aller Regel die Beurteilungen im Vorbereitungsdienst deutlich günstiger ausfallen als die Leistungen im Staatsexamen" und aus einem weitgehend einheitlich guten Leistungsbild in diesem Bereich allein nicht der Schluss gezogen werden könne, der Leistungsstand entspreche insgesamt diesem Niveau. Zwar trifft es zu, dass die Leistungen in der Praxisausbildung ebenso wie die Leistungen in den Arbeitsgemeinschaften und die Examensleistungen anhand der Notenskala in § 17 JAG NRW zu bewerten sind. Da es sich jedoch um unterschiedliche Leistungen in einem unterschiedlichen Leistungsumfeld handelt, sind die tendenziell besseren Ergebnisse in der Praxisausbildung erklärlich und rechtfertigen nicht grundsätzlich die Annahme eines im Vergleich zu den Examensleistungen besseren Leistungsstands. Letzterer soll nach der Konzeption des Juristenausbildungsgesetzes NRW vielmehr in der zweiten juristischen Staatsprüfung bestehend aus Aufsichtsarbeiten und mündlicher Prüfung ermittelt werden, ohne dass die Leistungen in der praktischen Ausbildung hierbei rechnerisch berücksichtigt werden. Es ist zudem eine gerichtsbekannte Tatsache, dass Stationszeugnisse in der Regel erheblich besser als die Arbeitsgemeinschaftszeugnisse ausfallen. Die Überlegungen des Prüfungsausschuss bieten daher einen schlüssigen und damit rechtlich zu billigenden Ansatz für die Annahme, dass die in der praktischen Ausbildung erzielten Ergebnisse nur mit einem geminderten Gewicht in die Gesamtbetrachtung des Leistungsstandes des Klägers einzubeziehen sind.
108Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2014 - 14 A 206/14 -, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2011 - 15 K 8222/09 -, juris Rn. 75 m.w.N.
109Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beanstandet, dass die Bedeutung der praktischen Ausbildung und die dort erzielten Ergebnisse nicht hinreichend berücksichtigt würden, wendet sich auch hier der Kläger nur gegen die in der Sache nicht zu beanstandende Wahrnehmung des Beurteilungsspielraums durch die Prüfer.
110Soweit der Kläger auf seine mündliche Leistung im Prüfungsgespräch der ersten juristischen Staatsprüfung verweist, verkennt er, dass das dort erzielte Ergebnis nicht geeignet ist, zur Bildung eines Gesamteindrucks beizutragen, aufgrund dessen die rechnerische Gesamtnote der zweiten juristischen Staatsprüfung als für den Leistungsstand untypisch beurteilt werden könnte.
111Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Januar 2008 - 14 A 3658/06 -, juris Rn. 65.
112Entsprechendes gilt auch für seine Leistungen in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung sowie für seine Fremdsprachenkompetenz.
113Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
114Die Entscheidung bzgl. der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 05. Okt. 2016 - 6 K 1999/15
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 05. Okt. 2016 - 6 K 1999/15
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 05. Okt. 2016 - 6 K 1999/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten und den Kläger über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt die Neubewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, die Wiederholung der mündlichen Prüfung sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seine zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte). Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M. Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch mit befriedigend (9 Punkte) bewertet.
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 1 war die Fertigung eines Urteils des Landgerichts Essen. Nach dem Sachverhalt suchte die 1,56 m große Klausur-Klägerin in Essen-Borbeck einen Supermarkt der beklagten KaufMarkt GmbH auf, um dort ihre Einkäufe zu erledigen. Die Klägerin wollte unter anderem eine Suppendose erwerben, welche sich im obersten Fach eines Regals auf einer Höhe von 1,70 m befand. In den Regalen wurden die 11,5 cm hohen Dosen in Papppaletten in drei Reihen übereinander gestapelt. Der Klägerin erschien die oberste der drei übereinander stehenden Paletten leer zu sein, weshalb sie eine Dose auf der sich darunter befindenden Palette ergriff. Sie trug vor, eine zuvor nicht erkennbare Dose sei aus der oberen Palette herabgestürzt und habe sie im Gesicht getroffen. Die Beklagte bestritt dies mit Nichtwissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung des rechten Auges und war seitdem auf diesem nahezu blind. Sie machte gegenüber der Beklagten verschiedene Schadenspositionen in der Höhe von insgesamt 1.233,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 9.000,00 €) geltend. Weiterhin beantragte sie, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr sämtliche künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da sie habe erkennen können oder müssen, dass sich noch eine Dose auf der obersten Palette befunden habe. Das Gericht erhob Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen.
6Die Erstkorrektorin bewertete die Leistung des Klägers mit befriedigend (8 Punkte). Sie führte unter anderem aus:
7"In den Entscheidungsgründen leitet Verf. die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 21 ZPO her, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handelt. § 32 ZPO hätte zur Anwendung kommen sollen. […]
8Dass der Feststellungsantrag lediglich wegen zukünftiger materieller Schäden zulässig sein soll, ist kaum vertretbar. […]
9Verfasser prüft sodann ein Mitverschulden der Klägerin, dass zunächst mit 20 % festgestellt wird. Dass Verf. keinen höheren Anteil annimmt, wird mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet. Dieser Ansatz kann keinesfalls überzeugend.“
10Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
11Aufgabenstellung der Klausur Verwaltungsrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht. Nach dem Sachverhalt begehrt der Mandant die Zulassung zum Sommersend 2011, einem großen Volksfest in Münster. Das Fest sollte vom 23. Juni bis zum 27. Juni 2011 stattfinden. Die Stadt Münster lehnte den Antrag des Mandanten auf Zulassung zum Markt mit Bescheid vom 1. Juni 2011 ab und bevorzugte zwei Konkurrenten.
12Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit vollbefriedigend (10 Punkte). Er führte unter anderem aus:
13"Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen geht Verfasser nicht hinreichend differenziert auf die Aspekte der Glaubhaftmachung und Beiladung der Mitkonkurrenten ein. Das Erfordernis der Erhebung der Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides wird nicht gesehen.“
14Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
15Mit Schreiben vom 26. Dezember 2011 beantragte der Kläger eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner Leistungen im Prüfungsgespräch, die ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. In der Begründung heißt es auszugsweise:
16"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. […]
17Im zweiten Fall klagte eine Zahnärztin Honorar für eine Wurzelbehandlung eines Zahnes ein, obwohl die Behandlung erfolglos und der Zahn wegen einer abgebrochenen Behandlungsnadel verloren wurde (vereinfachter Sachverhalt zu MDR 2011, 1278). Herr Piepers sollte die Gewährleistung im Dienstvertragsrecht darstellen. Es fehlte die Erwägung, dass für eine völlig unbrauchbare Leistung, die der Nichtleistung der Dienste entspricht, eine Vergütung nicht verlangt werden kann. Die Ausführungen zu einer Gewährleistung (Minderung, Nachbesserung, Schadensersatz) waren oberflächlich und zäh; es gelang dem Prüfling in keinem Abschnitt, von sich aus die Problematik auf den Punkt zu bringen. […]
18Im öffentlichen Recht ging es um die Androhung von Folter durch einen Polizisten, der vom geständigen Straftäter den Aufenthaltsort des Entführten wissen wollte (Fall Daschner/Gaefgen/von Metzler). Herr Q. prüfte § 240 StGB, wurde bereits im Rahmen der Prüfung des § 240 Abs. 2 ungenau, zum Teil diffus. Es gelang ihm nicht, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen. […] Herr Q. hat sich zutreffend dazu geäußert, dass nach § 9 PolG die Befragung zulässig war, die Beantwortung der Frage aber, ob sich aus § 9 Abs. 2 PolG eine Verpflichtung des Handlungsstörers zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Entführungsopfers ergibt, bedurfte erheblicher Hilfestellung durch den Prüfer. Zu dem im § 26 VwVfG geregelten Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung hat er wenig sachdienliches beizutragen vermocht. Da er diese Vorschrift nicht kannte, machte er einen wenig förderlichen Exkurs in das US-amerikanische Recht; auch die praktischen Konsequenzen, die sich bei einer angenommenen Verpflichtung zur Auskunft ergeben, hatten allenfalls durchschnittliches Niveau. Negativ ins Gewicht fiel vor allem, dass der Prüfling das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastung mit dem Wegfall der Auskunftspflicht lösen wollte, statt ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen."
19Der Prüfungsausschuss setzte die Gesamtnote am 20. Dezember 2011 auf den aus den Einzelnoten rechnerisch ermittelten Wert „befriedigend (8,75 Punkte)“ fest. Er sah keinen Anlass für eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote. Das Landesjustizprüfungsamt teilte das Prüfungsergebnis dem Kläger mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit.
20Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2011, dem Beklagten zugegangen am 3. Januar 2012, legte der Kläger Widerspruch ein.
21Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 trug er vor, die Herleitung des Gerichtsstands aus § 21 ZPO sei vertretbar und es hätten gute Gründe vorgelegen, nicht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung aus § 32 ZPO einzugehen. Seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wichen zwar von der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsauffassung ab, seien gleichwohl aber vertretbar. Hinsichtlich der Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 führte er aus, seine Überlegungen, eine Verpflichtungsklage nicht zu erheben, seien zutreffend. Er habe nicht verkannt, dass eine Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft erhoben werden müsse, sondern zutreffend ausgeführt, dass eine solche Bestandskraft gar nicht drohe, da sich das Begehren des Mandanten vor Ablauf der Klagefrist erledige. Von der Erhebung einer Verpflichtungsklage habe aus anwaltlicher Sicht abgeraten werden müssen, da sie lediglich ein unnötiges Kostenrisiko verursache.
22Weiterhin rügte er mehrere Bewertungsfehler hinsichtlich des Prüfungsgesprächs.
23Der öffentlich-rechtliche Teil des Gesprächs sei nach einer Sachverhaltsschilderung mit der Frage eröffnet worden, ob der handelnde Polizeipräsident sich wegen einer Nötigung nach § 240 StGB strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit habe er klargestellt, dass bei der Nötigung zwischen dem Eingreifen von allgemeinen Rechtfertigungsgründen einerseits und der weiterhin festzustellenden Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB andererseits zu unterscheiden sei. Der Prüfer habe ihn daraufhin gefragt, ob die Handlung des Polizeipräsidenten denn verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei. Er, der Kläger, habe dann ausgeführt, dass sich die Verwerflichkeit aus dem eingesetzten Nötigungsmittel und dem verfolgten Zweck ergeben könne. Der Prüfer sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, habe einen anderen Prüfling aufgerufen und schließlich resümiert, dass eine tatbestandliche Nötigung nicht verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB sein könne, wenn die Handlung von einer Rechtsnorm gedeckt sei. In der schriftlichen Begründung der Prüfungskommission werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe seine Aussage, Beamten dürften nach der Rechtsordnung nicht drohen, nicht auf eine Norm zurückgeführt. Anschließend sei zu prüfen gewesen, ob eine Auskunftspflicht des Täters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW durch das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts entfallen könne. Ihm sei die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW nicht bekannt gewesen. Er habe erörtern sollen, ob der Konflikt zwischen Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht auch ohne den Wegfall der Auskunftspflicht gelöst werden könne. Er habe den Standpunkt vertreten, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eindeutig sei und daher die Norm keiner anderen Auslegung zugänglich sei. Die Prüfungskommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er sich methodisch sauber am Wortlaut der Norm orientiert habe und auf dieser Basis zu der für NRW herrschenden Rechtsauffassung gekommen sei.
24Die Bewertung des zivilrechtlichen Gesprächs unterliege einem Bewertungsfehler, da die von ihm dargestellte Lösung des zweiten Falls entgegen der Kritik durch die Kommission rechtlich richtig sei. Er habe die Auffassung vertreten, bei einer nicht lege artis durchgeführten und im Ergebnis unbrauchbaren ärztlichen Heilbehandlung komme ein Wegfall der Vergütung durch Minderung nicht in Betracht, da dies im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen sei. Ein Wegfall der Vergütung könne nur daraus resultieren, dass dem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegengehalten werde. Auf Nachfrage habe er präzisiert, dass es als Anwalt die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch erklären würde. Dies entspreche der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung.
25Im strafrechtlichen Prüfungsgespräch habe er ausgeführt, die Frage, ob eine Schreckschusspistole eine Waffe ist, sei streitig. Er habe die Auffassung vertreten, die Waffenqualität sei abzulehnen, da eine Schreckschusspistole bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht der Verletzung von Menschen diene. Weiterhin habe er dargestellt, dass Fahrer, die aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen sind, nur in absoluten Ausnahmefällen noch taugliche Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer sein können.
26Schließlich rügte er, dass der Prüfungsausschuss nicht von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote abgewichen sei. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen.
27Das beklagte Prüfungsamt holte Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten.
28Die Erstkorrektorin der Klausur Zivilrecht 1 führte unter anderem aus:
29"Soweit sich der Widerspruch gegen die Bewertung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Feststellungsantrages hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden wendet, bleibe ich ebenfalls bei meinen Beanstandungen – die allerdings gegenüber den zuvor aufgezeigten Mängeln der Arbeit hinsichtlich der Gesamtbewertung eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben.
30Die Annahme des § 21 ZPO bleibt spekulativ. Zudem ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Beklagte unter dem Ort einer Niederlassung in Anspruch nehmen wollte. Nahe liegend war dagegen die Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO. Wenn der Widerspruchsführer darauf hinweist, dass zur Begründung des § 32 ZPO nähere Ausführungen zu dem Begehren des Klägers und zur Prüfungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand des § 32 ZPO erforderlich gewesen wären, so können von einer überdurchschnittlichen Leistung solche Ausführungen erwartet werden.
31Hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrages bleibe ich dabei, dass Verf. eine überzeugende Begründung nicht gegeben hat. Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist gerade nicht erfolgt. Von einer überdurchschnittlichen Leistung wäre das zu erwarten. Der Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keinesfalls ausreichend.“
32Der Zweitkorrektor vermerkte handschriftlich auf der Stellungnahme der Erstkorrektorin: "Ich stimme dem uneingeschränkt zu". Nach Aufforderung des Beklagten hielt die Erstkorrektorin in einer zusätzlichen Stellungnahme weiter an ihrer Bewertung fest. Der Zweitkorrektor stimmte dem erneut handschriftlich mit einem Satz zu.
33Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 1 führte der Erstkorrektor unter anderem aus:
34"Der Widerspruchsführer behandelt die Zweckmäßigkeitsfrage, ob der Mandant eine Verpflichtungsklage erheben sollte, zunächst systematisch zweifelhaft im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses des Eilantrages (Bl. 7). Er ist der Ansicht, dass „aus Kostengründen noch gar keine Klageschrift eingereicht werden“ soll. Zur Begründung hierfür wird weiter ausgeführt, dass „sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde“.
35Bei diesen aus anwaltlicher Perspektive unangemessen kurzen Erwägungen zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Verpflichtungsklage wird zunächst der Sinn einer solchen Klage, nämlich die Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 1.6.2011 nicht hinreichend erörtert. Es wird dabei zum einen nicht bedacht, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, bis zum Ablauf des Sommersends über die Klage entscheiden zu können.
36Sollte das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf des Sommersends nicht über die Klage entschieden haben, wäre der Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen, vgl. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt in der Wiederholungsgefahr und der Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Auch diese Klageart die dahingehenden Interessen spricht der Widerspruchsführer zu diesem Komplex in seiner Klausur nicht an."
37Der Zweitkorrektor nahm ebenfalls Stellung und stimmte der Einschätzung des Erstkorrektors zu.
38Hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs führte der Prüfungsausschuss in einer gemeinsamen Stellungnahme der Prüfer unter anderem aus:
39"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. Sie sollten aus der Sicht eines Rechtsanwalts begutachtet werden. […]
40Zutreffend erkennt der Widerspruchsführer in der Widerspruchsschrift (allerdings nicht während seiner mündlichen Prüfung), dass zur Gewährleistung im Dienstvertrag verschiedene Meinungen vertreten werden. […] Entscheidend war nicht, welche Meinung vertreten wurde, sondern dass man unterschiedliche Ansätze sieht und wie die Positionen herausgearbeitet, argumentativ hergeleitet und abgegrenzt wurden. Die rechtlichen Recherchen, die der Widerspruchsführer für seine Widerspruchsschrift angestellt hat, waren nicht Bestandteil einer Prüfungsleistung. Dabei wird nicht negativ bewertet, dass der Widerspruchsführer § 280 BGB für anwendbar erachtet. Eine überdurchschnittliche Leistung hätte eine mögliche andere Meinung und das Problem des Vorranges des besonderen Schuldrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht herausgearbeitet. Der Widerspruchsführer blieb die Argumentation schuldig, seine Stellungnahme blieb oberflächlich, sein Verweis auf § 280 BGB undifferenziert und zu pauschal. […]
41Die Ausführungen des Widerspruchsführers im Prüfungsteil öffentliches Recht waren in weiten Teilen mängelbehaftet. […]
42Der Einstieg in die Prüfung des Falles erfolgte zwar über § 240 StGB, der Prüfer hatte aber von Anfang an klargemacht, dass er keine strafrechtliche, sondern eine öffentlich rechtliche Prüfung durchführen wollte; es sollte (deshalb) um die nach dem Polizeirecht (Gefahrenabwehr) zu beantwortende Frage gehen, ob der E. dem H. rechtmäßiger Weise Gewalt androhen durfte, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Entführungsopfers zu erfahren. […]
43Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung sollte die Beantwortung der Frage sein, ob die Regelung im § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eine Abwägung zulässt, wenn es in einem konkreten Fall – wie hier – um das Leben eines Kindes geht. Ohne tiefergehende Argumentation hat sich der Widerspruchsführer unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift für den Wegfall der Auskunftspflicht entschieden. Von einem Kandidaten, der eine überdurchschnittliche Benotung anstrebt, hätte erwartet werden müssen, dass er auch ein anderes Ergebnis in Betracht zieht: unbeschränkte Auskunftspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung, wenn der Aussagepflichtige durch ein Verwertungsverbot von strafrechtlicher Verfolgungen geschützt wird. […]
44Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2012 teilte der Prüfungsausschuss mit, dass nach nochmaliger Beratung auch an der Entscheidung festgehalten werde, nicht von dem rechnerisch ermittelten Wert der Gesamtnote abzuweichen.
45Mit Bescheid vom 25. Juni 2012, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, wies das beklagte Landesjustizprüfungsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Korrektoren und des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück.
46Am 19. Juli 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor: Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, der mündlichen Prüfung sowie die Abweichungsentscheidung seien rechtswidrig, da das Überdenkensverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts sei dieses so auszugestalten, dass sämtlichen beteiligten Prüfern die vom Prüfling geäußerten Überdenkensaspekte unabhängig voneinander zugeleitet werden. Die Prüfer müssten ihre Erwägungen zu den Überdenkensaspekten schriftlich fixieren, bevor sie sich untereinander austauschen dürften, da nur so ein ernsthaftes, unbeeinflusstes und unabhängiges Überdenken stattfinden könnte.
47Er beantragt,
48den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten sowie das Prüfungsgespräch zu wiederholen und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden,
49hilfsweise,
50den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote für seine zweite juristische Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch erneut zu entscheiden und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Er verweist auf die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen der Korrektoren der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, des Prüfungsausschusses sowie auf den Vermerk zur Vorbereitung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt er zur Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 vor, dass der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO entgegen der Lösung des Klägers nicht unproblematisch eröffnet sei. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handele. Die Erstkorrektorin habe ihrer Kritik zudem allenfalls eine untergeordnete Rolle beigemessen, sodass auch bei Ausblenden des in Rede stehenden Kritikpunktes eine andere Gesamtnote nicht vergeben worden wäre. Im Hinblick auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs im Rahmen der mündlichen Prüfung stelle der Kläger nur dar, wie dieses aus seiner Sicht abgelaufen sei, ohne konkrete Bewertungsfehler zu rügen. Das Überdenkensverfahrens sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Korrektoren der Klausuren hätten selbstständige und nicht gemeinsame Stellungnahmen abgegeben. Der Prüfungsausschuss sei berechtigt und verpflichtet, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
57Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsklausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil deren Bewertung teilweise fehlerhaft ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der weitergehenden Einwände gegen die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 sowie gegen das Prüfungsgespräch, ist die Klage unbegründet.
58Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
59Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW 1991, 2005 ff.
60Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, www.nrwe.de, und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 - und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, beide juris.
62Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
63Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris, m.w.N.
64Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen,
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404, und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 -, NJW 1998, 323; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris.
66Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 als rechtswidrig. Sie sind jeweils neu zu bewerten. Die Bewertung des Prüfungsgesprächs als Teil der mündlichen Prüfung ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden.
67Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 leidet an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Überdenkensverfahren aber hinsichtlich der übrigen gerügten Prüfungsteile ordnungsgemäß abgelaufen.
68Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, NVwZ-RR 2013, 44 = juris, Rn. 5 ff.
70Diesem Maßstab wird die Durchführung des Überdenkensverfahrens für die Klausur Zivilrecht 1 nicht gerecht. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Zweitkorrektor sich mit den Einwänden und der Kritik des Klägers auseinandergesetzt hat. Der Zweitkorrektor hat sich darauf beschränkt, sich den beiden Stellungnahmen der Erstkorrektorin im Überdenkensverfahren jeweils nur mit einem Satz anzuschließen. Zwar ist bei der ursprünglichen Bewertung einer Klausur die bloße Erklärung des Einverständnisses durch den Zweitguachter mit der Bewertung des Erstgutachters nicht zu beanstanden.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1988 - 7 B 155/88, juris; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 582 = juris, Rn. 38; OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -, NWVBl. 1997, 434 = juris, Rn. 6.
72Dies gilt aber nicht mehr im Überdenkensverfahren. Der Prüfling muss im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2) substantiierte Angriffe auf die Prüferkritik vorbringen. Dies ist ihm - schon im Hinblick auf die begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte im Prüfungsrecht - nur dann möglich, wenn die Prüfer im Überdenkensverfahren ihre - selbstständigen - Bewertungen erläutern und plausibilisieren. Nur die eigene textliche Stellungnahme eines Prüfers ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, die ursprünglich vorgenommene Bewertung auf Fehler zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweitkorrektor in der Ursprungsbewertung keine eigenen inhaltlichen Ausführungen zur Bewertung gemacht hat.
73Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Verwaltungsrecht 2 ist hingegen ordnungsgemäß abgelaufen, da der Zweitkorrektor eine umfassende Stellungnahme abgegeben hat. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
75Soweit der Kläger eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs sowie der Nichtabweichungsentscheidung rügt, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW trifft der Prüfungsausschuss alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen, insbesondere - abgesehen von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten - die Entscheidung über das Prüfungsergebnis. Er entscheidet gemäß Satz 2 der Vorschrift mit Stimmenmehrheit. Dies verdeutlicht, dass - anders als bei den Aufsichtsarbeiten - die Bewertung durch den Prüfungsausschuss und nicht durch die Prüfer jeweils selbstständig erfolgt. Demnach ist auch im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses unbedenklich.
76Die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unterliegt materiellen Bewertungsfehlern.
77Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 unterliegt einem materiellen Bewertungsfehler und erweist sich auch deshalb als rechtswidrig. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
78Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren kam der Kläger in seinem Urteilsentwurf rechtlich zutreffend zu dem Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen durch § 21 Abs. 1 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, begründet wird. Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Essen unterliegt als fachwissenschaftliche Frage der vollständigen Kontrolle des Gerichts; die Korrektoren können sich insoweit nicht auf einen prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum berufen. Die von den Prüfern vorgenommene Kritik, an der sie auch im Widerspruchs- und Klageverfahren festhielten, verletzt anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
79§ 21 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass wenn jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, alle Klagen gegen ihn, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet.
80Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO ist es, die Rechtsverfolgung gegen Gewerbetreibende für bestimmte vermögensrechtliche Klagen zu erleichtern. Eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines (Wohn-)Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und in der Regel selbstständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle. Die Selbstständigkeit der Niederlassung kann bei Zweigbetrieben fehlen. Entscheidend ist nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
81Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. (2012), § 21, Rn. 6 ff.; H. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (2003), § 21 Rn. 11 ff.; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. (2008), § 21 Rn. 6 ff.
82Gemessen an diesen Anforderungen und im Hinblick auf die Angaben im Klausursachverhalt ging der Kläger in seiner Lösung zutreffend davon aus, dass das Landgericht Essen nach § 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei. Er hat auf S. 17 seiner Klausurlösung feststellend subsumiert, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung handele, da "dort selbständig Geschäfte abgeschlossen und abgewickelt" werden. Dies entspricht einer lebensnahen Auslegung des Sachverhalts. Die Korrektoren haben die Lösung des Klägers hingegen als falsch bewertet. In der Randbemerkung auf S. 16 vermerkten sie zwar nur "fraglich, § 32 ZPO", was für sich genommen noch nur als Kritik an der Begründung des Klägers und nicht an dem Ergebnis verstanden werden könnte. In ihrem abschließenden Gutachten führte die Erstkorrektorin hingegen aus, dass § 32 ZPO zur Anwendung hätte kommen sollen. Dies und die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kritik der Korrektoren sich nicht nur auf die Qualität der Begründung beschränkt. Die Korrektoren und der Beklagte haben trotz mehrfacher Stellungnahme nicht begründet, warum die vom Kläger vorgenommene Subsumtion fehlerhaft ist. Insbesondere überzeugt nicht die Kritik, dass die Annahme von § 21 Abs. 1 ZPO spekulativ sei. Die Angaben im Sachverhalt weisen genug Informationen auf, damit der Kläger von der Berechtigung des Supermarktes zum selbstständigen Abschluss von Geschäften ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, da es nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ausreicht, wenn der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
83Der Korrekturfehler ist auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil ein Einfluss auf die Bewertung auszuschließen ist.
84Unbeachtlich ist ein materieller Bewertungsfehler nur dann, wenn sich seine Auswirkung auf die Notengebung mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen lässt. Bei der Prüfung der Kausalität eines materiellen Bewertungsfehlers unterliegen die Gerichte denselben Beschränkungen wie bei der Überprüfung, ob ein materieller Prüfungsfehler vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen. Die Gerichte können deswegen mögliche Auswirkungen eines Prüfungsfehlers nicht in der Weise verneinen, dass sie selbst Bewertungen vornehmen, indem sie verschiedene gestellte Aufgaben untereinander oder Schwächen in der Bearbeitung oder die Bedeutung des Mangels gewichten. Lässt sich die Ursächlichkeit des Fehlers für die Notengebung nicht sicher ausschließen, kann das Gericht die Leistungsbewertung nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid lediglich aufheben.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteile vom 12. November 1997 - 6 C 11/96 -, BVerwGE 105, 328 = juris, Rn. 21 f. und vom 27. April 1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921 = juris, Rn. 34.
86Eine Auswirkung des Fehlers lässt sich vorliegend nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen. Zwar hat die Erstkorrektorin in ihrer zweiten Stellungnahme im Widerspruchsverfahren ausgeführt, die Kritik an der Prüfung des § 21 ZPO hinsichtlich der Gesamtbewertung habe eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. Dies lässt es aber nicht hinreichend erkennen, dass ein Einfluss der Kritik auf die Gesamtnote ausgeschlossen ist. Die Formulierung "allenfalls untergeordnete Rolle" lässt nicht den für die Überzeugung des Gerichts sicheren Schluss zu, dass die Kritik überhaupt keinen Einfluss auf die Notengebung hatte. Nur dies würde aber zur Unbeachtlichkeit eines materiellen Bewertungsfehlers führen. Dass die Kritik nicht völlig bedeutungslos ist, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur als Randbemerkung, sondern ebenfalls im Erstvotum in der abschließenden Bewertung aufgeführt ist. Der Einfluss des Korrekturfehlers auf die Bewertung kann überdies schon deshalb nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, da der Zweitgutachter sich zu der Bedeutung des Fehlers nicht geäußert hat. Da dieser sowohl der ursprünglichen Bewertung als auch den Stellungnahmen im Widerspruchs- und Klageverfahren der Erstkorrektorin jeweils nur mit einem Satz zustimmte, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass auch für ihn die Kritik keinen Einfluss auf die Bewertung hatte. Dies wäre aber im Hinblick auf die Funktion des Überdenkensverfahrens, grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten, erforderlich gewesen.
87Soweit der Kläger weitere Einwände gegen die Klausur Zivilrecht 1 vorbringt, liegt ein Bewertungsfehler nicht vor.
88Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht zu beanstanden. Der Kläger kam in seiner Lösung zu dem Ergebnis, dass der Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger aus dem Unfall resultierender Schäden festzustellen, nur im Hinblick auf materielle Schäden und nicht hinsichtlich immaterieller Schäden begründet sei. Zur Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses führt er lediglich aus "vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB". Die Erstkorrektorin hat dies in ihrer ursprünglichen Bewertung zutreffend als kaum vertretbar bezeichnet und in einer Randbemerkung den schlichten Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als nicht tragfähige Begründung gekennzeichnet. Soweit die Korrektorin die Qualität der Begründung des Klägers für sein Ergebnis bemängelt, unterliegt dies bereits nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Dem Kläger ist es deshalb auch verwehrt, sich auf ein Urteil des OLG Oldenburg, das seine Rechtsansicht teile, zu berufen. Denn die Kritik der Korrektorin beruht nicht maßgeblich auf dem vom Kläger vertretenen Ergebnis, sondern auf der unzureichenden Begründung seiner Auffassung. Eine ausführliche Begründung wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das vom Kläger vertretene Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Dass der BGH einen Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden grundsätzlich als zulässig erachtet, hätte der Kläger mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln auch erkennen können. So wird im für die Klausur zugelassenen Kommentar zum BGB ausgeführt: "Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftige, bisher noch nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten."
89Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 253, Rn. 25.
90Soweit der Kläger sich gegen die Kritik an der Annahme eines Mitverschuldensanteils von 20% wendet, liegt ein materieller Bewertungsfehler nicht vor. Die Kritik der Korrektorin bezieht sich auf die Begründung des Klägers. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
91Die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 ist rechtswidrig, da sie auf einem materiellen Bewertungsfehler beruht. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
92Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren hat der Kläger nicht übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig ist. Er führte in der Klausur auf S. 6 f. unter der Überschrift "Allg. Rechtsschutzbedürfnis" aus:
93"Der Antrag nach § 123 I VwGO ist nicht fristgebunden (vgl. § 123 II S. 2 VwGO). Er ist aber nur solange zulässig wie ein Antrag in der Hauptsache noch möglich ist. […] Der Antrag kann daher noch gestellt werden. Da sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde, sollte aus Kostengründen auch gar keine Klageschrift eingereicht werden."
94Aus dieser Passage wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Erhebung einer Klage in der Hauptsache erkannt hat. Er ging ebenfalls rechtlich zutreffend davon aus, dass nach dem konkreten Sachverhalt die Klageerhebung aber nicht notwendig war, da die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids erst am 1. Juli 2011, also erst nach dem Ende des Volksfestes (23. Juni bis 27. Juni 2011), zu dem der Mandant die Zulassung begehrte, eintrat. Der Kläger hat auch implizit eine Zweckmäßigkeitserwägung angestellt, da er auf das Kostenrisiko der Klageerhebung hinwies.
95Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den ursprünglichen Voten der Korrektoren noch nicht enthaltenen und erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Kritik, dass der Kläger im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte eingehen müssen. Dies stellt zwar für sich eine zulässige Bewertung der Leistungen des Klägers dar, ändert aber nichts an der rechtsfehlerhaften Bewertung, der Kläger habe übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig sei. Von der rechtsfehlerhaften Bewertung haben die Korrektoren keinen Abstand genommen.
96Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung des Prüfungsgesprächs.
97Eine Neubewertung des Prüfungsgesprächs scheidet vorliegend von vornherein aus, da sie wegen Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt nur in Betracht, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgebenden Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme des Prüfungsprotokolls, handschriftlicher Notizen oder eines vom Prüfling erstellten Gedächtnisprotokolls - zu vergegenwärtigen. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1995 - 19 A 4947/94 -, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 14 B 1378/13 -, juris, Rn. 9, m.w.N.,
99So liegt der Fall hier, denn seit der mündlichen Prüfung vom 20. Dezember 2011 sind inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen.
100Auch die Wiederholung der Prüfung scheidet aus. Die Bewertungsrügen des Klägers gegen das Prüfungsgespräch greifen nicht durch.
101Die Bewertung des zivilrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Prüfungsausschuss nicht rechtlich zutreffende Ausführungen als falsch angesehen. Der Prüfungsausschuss kritisierte, dass der Kläger sich nicht vertieft - sondern nur oberflächlich - mit der Frage der Gewährleistung bei einem Dienstvertrag auseinandergesetzt hat. Er hat dementsprechend nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis kritisiert, sondern die Qualität der Argumentation. Die Bewertung der Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Problem unterliegt dem verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Prüfer, der hier nicht verletzt ist.
102Hinsichtlich des strafrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist die Rüge des Klägers schon unsubstantiiert. Er hat keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung geltend gemacht; wendet sich vielmehr gegen die Gewichtung der Vor- und Nachteile seiner Bewertung, die dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterliegt.
103Auch der öffentlich rechtliche Teil des Prüfungsgesprächs unterliegt keinem Bewertungsfehler.
104Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe rechtlich zutreffende Ausführungen zur Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gemacht. Der Prüfungsausschuss wirft dem Kläger lediglich vor, seine Prüfung des § 240 Abs. 2 StGB sei ungenau, zum Teil diffus gewesen. Dies greift die fachwissenschaftliche Korrektheit der Ausführungen nicht an, sondern stellt nur eine Einschätzung der Qualität der Argumentation und inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Prüfungsfrage dar, was dem Beurteilungsspielraum der Prüfer unterfällt.
105Auch die Kritik der Kommission, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht die Prüferkritik dadurch in Zweifel zu ziehen, dass er gezielt nach der Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB gefragt worden sei und im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Erlaubnisnormen nicht zu prüfen seien, er deshalb also auch nicht darauf habe eingehen müssen. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei zum Tatbestand und zur Rechtswidrigkeit der Nötigung befragt worden. Schon daraus wird deutlich, dass für den Kläger Anlass und Möglichkeit bestanden hat, auf Erlaubnisnormen einzugehen und sich nicht auf eine Darstellung zur Verwerflichkeit zu beschränken. Zum anderen hatte der Prüfer - wie auch vom Kläger selbst vorgetragen - zu Beginn der Prüfung klargestellt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche und keine strafrechtliche Prüfung handeln sollte und deshalb auf die Probleme des Gefahrenabwehrrechts einzugehen sei. Die Prüferkritik, dass er auf Erlaubnisnormen nicht eingegangen sei, hat der Kläger im Ergebnis mit seinem Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren selbst zugestanden.
106Überdies ist zweifelhaft, ob die vom Kläger angegriffene Prüferkritik sich auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs ausgewirkt hat. Insoweit ist fraglich, ob sich die Bewertung einer Detailfrage in einem Prüfungsteil der mündlichen Prüfung, insbesondere da es sich nach dem einvernehmlichen Vortrag des Klägers und des Beklagten nur um den Einstieg der Prüfung handelte, auf die Note das Prüfungsgesprächs (befriedigend, 8 Punkte) ausgewirkt hat.
107Die Kritik der Kommission an den Ausführungen zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass die Kommission nicht das von ihm vertretene Ergebnis, auf den Wortlaut der Norm abzustellen, kritisiert. Sie hat hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung des Klägers mit dem aufgeworfenen Problem kritisiert, insbesondere dass er nicht andere Lösungsansätze ausreichend bedacht und diskutiert hat. Dies überschreitet nicht den den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraum. Soweit der Kläger verlangt, die Kommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er methodisch sauber auf den Wortlaut der Norm abgestellt habe was der herrschenden Meinung zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entspreche, setzt er seine Bewertung seiner Leistung an die Stelle der des Prüfungsausschusses.
108Da die Bewertungsrügen gegen die Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 Erfolg haben und diese neu zu bewerten sind, kann die vom Prüfungsausschuss getroffene und vom Kläger ebenfalls angegriffene Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 JAG NRW i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW nicht mehr gerichtlich kontrolliert werden, da sie im Falle einer Notenabänderung neu zu treffen wäre.
109Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenteilung berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren nur teilweise obsiegt. Ein Kläger ist auch dann durch ein seinem Bescheidungsantrag (äußerlich) stattgebendes Bescheidungsurteil beschwert, wenn sich - wie hier - die vom Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils für verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt. Das Begehren eines Klägers in einer auf (Neu-) Bescheidung gerichteten Klage ist nämlich darauf gerichtet, in den Entscheidungsgründen für die (Neu-) Bescheidungsverpflichtung des Beklagten seine in der Klage vorgebrachten Rechtsansichten verbindlich zu machen.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30/38, 7 C 31/7 C 31/80 -, DVBl. 1982, 447 = juris, Rn. 13 f., und vom 24. September 2009 - 7 C 2/09 -, BVerwGE 135, 34 = juris, Rn. 67.
111Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt
- 1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, - 2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.
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Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.
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Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.
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Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.
- 6
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben
-
sowie dem Beklagten aufzugeben,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
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sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten
-
und
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die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
- 7
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Der Beklagte beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 8
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.
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Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
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a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.
- 13
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b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.
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aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).
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Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.
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bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.
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c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.
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aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.
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bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.
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(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.
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(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.
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d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.
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2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.
(1) Für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich um Wohnraum der in § 549 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten Art handelt.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
(1) Auf Mietverhältnisse über Grundstücke sind die Vorschriften der §§ 550, 554, 562 bis 562d, 566 bis 567b sowie 570 entsprechend anzuwenden.
(2) Auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, sind die in Absatz 1 genannten Vorschriften sowie § 552 Abs. 1, § 555a Absatz 1 bis 3, §§ 555b, 555c Absatz 1 bis 4, § 555d Absatz 1 bis 6, § 555e Absatz 1 und 2, § 555f und § 569 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. § 556c Absatz 1 und 2 sowie die auf Grund des § 556c Absatz 3 erlassene Rechtsverordnung sind entsprechend anzuwenden, abweichende Vereinbarungen sind zulässig. Sind die Räume zum Aufenthalt von Menschen bestimmt, so gilt außerdem § 569 Abs. 1 entsprechend.
(3) Auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, die geschlossen werden, um die Räume Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zum Wohnen zu überlassen, sind die in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorschriften sowie die §§ 557, 557a Absatz 1 bis 3 und 5, § 557b Absatz 1 bis 3 und 5, die §§ 558 bis 559d, 561, 568 Absatz 1, § 569 Absatz 3 bis 5, die §§ 573 bis 573d, 575, 575a Absatz 1, 3 und 4, die §§ 577 und 577a entsprechend anzuwenden. Solche Verträge können zusätzlich zu den in § 575 Absatz 1 Satz 1 genannten Gründen auch dann auf bestimmte Zeit geschlossen werden, wenn der Vermieter die Räume nach Ablauf der Mietzeit für ihm obliegende oder ihm übertragene öffentliche Aufgaben nutzen will.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
(1) Auf Mietverhältnisse über Grundstücke sind die Vorschriften der §§ 550, 554, 562 bis 562d, 566 bis 567b sowie 570 entsprechend anzuwenden.
(2) Auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind, sind die in Absatz 1 genannten Vorschriften sowie § 552 Abs. 1, § 555a Absatz 1 bis 3, §§ 555b, 555c Absatz 1 bis 4, § 555d Absatz 1 bis 6, § 555e Absatz 1 und 2, § 555f und § 569 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. § 556c Absatz 1 und 2 sowie die auf Grund des § 556c Absatz 3 erlassene Rechtsverordnung sind entsprechend anzuwenden, abweichende Vereinbarungen sind zulässig. Sind die Räume zum Aufenthalt von Menschen bestimmt, so gilt außerdem § 569 Abs. 1 entsprechend.
(3) Auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger der Wohlfahrtspflege, die geschlossen werden, um die Räume Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zum Wohnen zu überlassen, sind die in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorschriften sowie die §§ 557, 557a Absatz 1 bis 3 und 5, § 557b Absatz 1 bis 3 und 5, die §§ 558 bis 559d, 561, 568 Absatz 1, § 569 Absatz 3 bis 5, die §§ 573 bis 573d, 575, 575a Absatz 1, 3 und 4, die §§ 577 und 577a entsprechend anzuwenden. Solche Verträge können zusätzlich zu den in § 575 Absatz 1 Satz 1 genannten Gründen auch dann auf bestimmte Zeit geschlossen werden, wenn der Vermieter die Räume nach Ablauf der Mietzeit für ihm obliegende oder ihm übertragene öffentliche Aufgaben nutzen will.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt
- 1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, - 2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten und den Kläger über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt die Neubewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, die Wiederholung der mündlichen Prüfung sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seine zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte). Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M. Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch mit befriedigend (9 Punkte) bewertet.
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 1 war die Fertigung eines Urteils des Landgerichts Essen. Nach dem Sachverhalt suchte die 1,56 m große Klausur-Klägerin in Essen-Borbeck einen Supermarkt der beklagten KaufMarkt GmbH auf, um dort ihre Einkäufe zu erledigen. Die Klägerin wollte unter anderem eine Suppendose erwerben, welche sich im obersten Fach eines Regals auf einer Höhe von 1,70 m befand. In den Regalen wurden die 11,5 cm hohen Dosen in Papppaletten in drei Reihen übereinander gestapelt. Der Klägerin erschien die oberste der drei übereinander stehenden Paletten leer zu sein, weshalb sie eine Dose auf der sich darunter befindenden Palette ergriff. Sie trug vor, eine zuvor nicht erkennbare Dose sei aus der oberen Palette herabgestürzt und habe sie im Gesicht getroffen. Die Beklagte bestritt dies mit Nichtwissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung des rechten Auges und war seitdem auf diesem nahezu blind. Sie machte gegenüber der Beklagten verschiedene Schadenspositionen in der Höhe von insgesamt 1.233,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 9.000,00 €) geltend. Weiterhin beantragte sie, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr sämtliche künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da sie habe erkennen können oder müssen, dass sich noch eine Dose auf der obersten Palette befunden habe. Das Gericht erhob Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen.
6Die Erstkorrektorin bewertete die Leistung des Klägers mit befriedigend (8 Punkte). Sie führte unter anderem aus:
7"In den Entscheidungsgründen leitet Verf. die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 21 ZPO her, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handelt. § 32 ZPO hätte zur Anwendung kommen sollen. […]
8Dass der Feststellungsantrag lediglich wegen zukünftiger materieller Schäden zulässig sein soll, ist kaum vertretbar. […]
9Verfasser prüft sodann ein Mitverschulden der Klägerin, dass zunächst mit 20 % festgestellt wird. Dass Verf. keinen höheren Anteil annimmt, wird mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet. Dieser Ansatz kann keinesfalls überzeugend.“
10Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
11Aufgabenstellung der Klausur Verwaltungsrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht. Nach dem Sachverhalt begehrt der Mandant die Zulassung zum Sommersend 2011, einem großen Volksfest in Münster. Das Fest sollte vom 23. Juni bis zum 27. Juni 2011 stattfinden. Die Stadt Münster lehnte den Antrag des Mandanten auf Zulassung zum Markt mit Bescheid vom 1. Juni 2011 ab und bevorzugte zwei Konkurrenten.
12Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit vollbefriedigend (10 Punkte). Er führte unter anderem aus:
13"Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen geht Verfasser nicht hinreichend differenziert auf die Aspekte der Glaubhaftmachung und Beiladung der Mitkonkurrenten ein. Das Erfordernis der Erhebung der Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides wird nicht gesehen.“
14Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
15Mit Schreiben vom 26. Dezember 2011 beantragte der Kläger eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner Leistungen im Prüfungsgespräch, die ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. In der Begründung heißt es auszugsweise:
16"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. […]
17Im zweiten Fall klagte eine Zahnärztin Honorar für eine Wurzelbehandlung eines Zahnes ein, obwohl die Behandlung erfolglos und der Zahn wegen einer abgebrochenen Behandlungsnadel verloren wurde (vereinfachter Sachverhalt zu MDR 2011, 1278). Herr Piepers sollte die Gewährleistung im Dienstvertragsrecht darstellen. Es fehlte die Erwägung, dass für eine völlig unbrauchbare Leistung, die der Nichtleistung der Dienste entspricht, eine Vergütung nicht verlangt werden kann. Die Ausführungen zu einer Gewährleistung (Minderung, Nachbesserung, Schadensersatz) waren oberflächlich und zäh; es gelang dem Prüfling in keinem Abschnitt, von sich aus die Problematik auf den Punkt zu bringen. […]
18Im öffentlichen Recht ging es um die Androhung von Folter durch einen Polizisten, der vom geständigen Straftäter den Aufenthaltsort des Entführten wissen wollte (Fall Daschner/Gaefgen/von Metzler). Herr Q. prüfte § 240 StGB, wurde bereits im Rahmen der Prüfung des § 240 Abs. 2 ungenau, zum Teil diffus. Es gelang ihm nicht, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen. […] Herr Q. hat sich zutreffend dazu geäußert, dass nach § 9 PolG die Befragung zulässig war, die Beantwortung der Frage aber, ob sich aus § 9 Abs. 2 PolG eine Verpflichtung des Handlungsstörers zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Entführungsopfers ergibt, bedurfte erheblicher Hilfestellung durch den Prüfer. Zu dem im § 26 VwVfG geregelten Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung hat er wenig sachdienliches beizutragen vermocht. Da er diese Vorschrift nicht kannte, machte er einen wenig förderlichen Exkurs in das US-amerikanische Recht; auch die praktischen Konsequenzen, die sich bei einer angenommenen Verpflichtung zur Auskunft ergeben, hatten allenfalls durchschnittliches Niveau. Negativ ins Gewicht fiel vor allem, dass der Prüfling das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastung mit dem Wegfall der Auskunftspflicht lösen wollte, statt ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen."
19Der Prüfungsausschuss setzte die Gesamtnote am 20. Dezember 2011 auf den aus den Einzelnoten rechnerisch ermittelten Wert „befriedigend (8,75 Punkte)“ fest. Er sah keinen Anlass für eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote. Das Landesjustizprüfungsamt teilte das Prüfungsergebnis dem Kläger mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit.
20Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2011, dem Beklagten zugegangen am 3. Januar 2012, legte der Kläger Widerspruch ein.
21Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 trug er vor, die Herleitung des Gerichtsstands aus § 21 ZPO sei vertretbar und es hätten gute Gründe vorgelegen, nicht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung aus § 32 ZPO einzugehen. Seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wichen zwar von der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsauffassung ab, seien gleichwohl aber vertretbar. Hinsichtlich der Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 führte er aus, seine Überlegungen, eine Verpflichtungsklage nicht zu erheben, seien zutreffend. Er habe nicht verkannt, dass eine Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft erhoben werden müsse, sondern zutreffend ausgeführt, dass eine solche Bestandskraft gar nicht drohe, da sich das Begehren des Mandanten vor Ablauf der Klagefrist erledige. Von der Erhebung einer Verpflichtungsklage habe aus anwaltlicher Sicht abgeraten werden müssen, da sie lediglich ein unnötiges Kostenrisiko verursache.
22Weiterhin rügte er mehrere Bewertungsfehler hinsichtlich des Prüfungsgesprächs.
23Der öffentlich-rechtliche Teil des Gesprächs sei nach einer Sachverhaltsschilderung mit der Frage eröffnet worden, ob der handelnde Polizeipräsident sich wegen einer Nötigung nach § 240 StGB strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit habe er klargestellt, dass bei der Nötigung zwischen dem Eingreifen von allgemeinen Rechtfertigungsgründen einerseits und der weiterhin festzustellenden Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB andererseits zu unterscheiden sei. Der Prüfer habe ihn daraufhin gefragt, ob die Handlung des Polizeipräsidenten denn verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei. Er, der Kläger, habe dann ausgeführt, dass sich die Verwerflichkeit aus dem eingesetzten Nötigungsmittel und dem verfolgten Zweck ergeben könne. Der Prüfer sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, habe einen anderen Prüfling aufgerufen und schließlich resümiert, dass eine tatbestandliche Nötigung nicht verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB sein könne, wenn die Handlung von einer Rechtsnorm gedeckt sei. In der schriftlichen Begründung der Prüfungskommission werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe seine Aussage, Beamten dürften nach der Rechtsordnung nicht drohen, nicht auf eine Norm zurückgeführt. Anschließend sei zu prüfen gewesen, ob eine Auskunftspflicht des Täters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW durch das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts entfallen könne. Ihm sei die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW nicht bekannt gewesen. Er habe erörtern sollen, ob der Konflikt zwischen Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht auch ohne den Wegfall der Auskunftspflicht gelöst werden könne. Er habe den Standpunkt vertreten, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eindeutig sei und daher die Norm keiner anderen Auslegung zugänglich sei. Die Prüfungskommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er sich methodisch sauber am Wortlaut der Norm orientiert habe und auf dieser Basis zu der für NRW herrschenden Rechtsauffassung gekommen sei.
24Die Bewertung des zivilrechtlichen Gesprächs unterliege einem Bewertungsfehler, da die von ihm dargestellte Lösung des zweiten Falls entgegen der Kritik durch die Kommission rechtlich richtig sei. Er habe die Auffassung vertreten, bei einer nicht lege artis durchgeführten und im Ergebnis unbrauchbaren ärztlichen Heilbehandlung komme ein Wegfall der Vergütung durch Minderung nicht in Betracht, da dies im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen sei. Ein Wegfall der Vergütung könne nur daraus resultieren, dass dem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegengehalten werde. Auf Nachfrage habe er präzisiert, dass es als Anwalt die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch erklären würde. Dies entspreche der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung.
25Im strafrechtlichen Prüfungsgespräch habe er ausgeführt, die Frage, ob eine Schreckschusspistole eine Waffe ist, sei streitig. Er habe die Auffassung vertreten, die Waffenqualität sei abzulehnen, da eine Schreckschusspistole bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht der Verletzung von Menschen diene. Weiterhin habe er dargestellt, dass Fahrer, die aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen sind, nur in absoluten Ausnahmefällen noch taugliche Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer sein können.
26Schließlich rügte er, dass der Prüfungsausschuss nicht von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote abgewichen sei. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen.
27Das beklagte Prüfungsamt holte Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten.
28Die Erstkorrektorin der Klausur Zivilrecht 1 führte unter anderem aus:
29"Soweit sich der Widerspruch gegen die Bewertung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Feststellungsantrages hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden wendet, bleibe ich ebenfalls bei meinen Beanstandungen – die allerdings gegenüber den zuvor aufgezeigten Mängeln der Arbeit hinsichtlich der Gesamtbewertung eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben.
30Die Annahme des § 21 ZPO bleibt spekulativ. Zudem ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Beklagte unter dem Ort einer Niederlassung in Anspruch nehmen wollte. Nahe liegend war dagegen die Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO. Wenn der Widerspruchsführer darauf hinweist, dass zur Begründung des § 32 ZPO nähere Ausführungen zu dem Begehren des Klägers und zur Prüfungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand des § 32 ZPO erforderlich gewesen wären, so können von einer überdurchschnittlichen Leistung solche Ausführungen erwartet werden.
31Hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrages bleibe ich dabei, dass Verf. eine überzeugende Begründung nicht gegeben hat. Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist gerade nicht erfolgt. Von einer überdurchschnittlichen Leistung wäre das zu erwarten. Der Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keinesfalls ausreichend.“
32Der Zweitkorrektor vermerkte handschriftlich auf der Stellungnahme der Erstkorrektorin: "Ich stimme dem uneingeschränkt zu". Nach Aufforderung des Beklagten hielt die Erstkorrektorin in einer zusätzlichen Stellungnahme weiter an ihrer Bewertung fest. Der Zweitkorrektor stimmte dem erneut handschriftlich mit einem Satz zu.
33Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 1 führte der Erstkorrektor unter anderem aus:
34"Der Widerspruchsführer behandelt die Zweckmäßigkeitsfrage, ob der Mandant eine Verpflichtungsklage erheben sollte, zunächst systematisch zweifelhaft im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses des Eilantrages (Bl. 7). Er ist der Ansicht, dass „aus Kostengründen noch gar keine Klageschrift eingereicht werden“ soll. Zur Begründung hierfür wird weiter ausgeführt, dass „sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde“.
35Bei diesen aus anwaltlicher Perspektive unangemessen kurzen Erwägungen zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Verpflichtungsklage wird zunächst der Sinn einer solchen Klage, nämlich die Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 1.6.2011 nicht hinreichend erörtert. Es wird dabei zum einen nicht bedacht, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, bis zum Ablauf des Sommersends über die Klage entscheiden zu können.
36Sollte das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf des Sommersends nicht über die Klage entschieden haben, wäre der Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen, vgl. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt in der Wiederholungsgefahr und der Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Auch diese Klageart die dahingehenden Interessen spricht der Widerspruchsführer zu diesem Komplex in seiner Klausur nicht an."
37Der Zweitkorrektor nahm ebenfalls Stellung und stimmte der Einschätzung des Erstkorrektors zu.
38Hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs führte der Prüfungsausschuss in einer gemeinsamen Stellungnahme der Prüfer unter anderem aus:
39"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. Sie sollten aus der Sicht eines Rechtsanwalts begutachtet werden. […]
40Zutreffend erkennt der Widerspruchsführer in der Widerspruchsschrift (allerdings nicht während seiner mündlichen Prüfung), dass zur Gewährleistung im Dienstvertrag verschiedene Meinungen vertreten werden. […] Entscheidend war nicht, welche Meinung vertreten wurde, sondern dass man unterschiedliche Ansätze sieht und wie die Positionen herausgearbeitet, argumentativ hergeleitet und abgegrenzt wurden. Die rechtlichen Recherchen, die der Widerspruchsführer für seine Widerspruchsschrift angestellt hat, waren nicht Bestandteil einer Prüfungsleistung. Dabei wird nicht negativ bewertet, dass der Widerspruchsführer § 280 BGB für anwendbar erachtet. Eine überdurchschnittliche Leistung hätte eine mögliche andere Meinung und das Problem des Vorranges des besonderen Schuldrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht herausgearbeitet. Der Widerspruchsführer blieb die Argumentation schuldig, seine Stellungnahme blieb oberflächlich, sein Verweis auf § 280 BGB undifferenziert und zu pauschal. […]
41Die Ausführungen des Widerspruchsführers im Prüfungsteil öffentliches Recht waren in weiten Teilen mängelbehaftet. […]
42Der Einstieg in die Prüfung des Falles erfolgte zwar über § 240 StGB, der Prüfer hatte aber von Anfang an klargemacht, dass er keine strafrechtliche, sondern eine öffentlich rechtliche Prüfung durchführen wollte; es sollte (deshalb) um die nach dem Polizeirecht (Gefahrenabwehr) zu beantwortende Frage gehen, ob der E. dem H. rechtmäßiger Weise Gewalt androhen durfte, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Entführungsopfers zu erfahren. […]
43Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung sollte die Beantwortung der Frage sein, ob die Regelung im § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eine Abwägung zulässt, wenn es in einem konkreten Fall – wie hier – um das Leben eines Kindes geht. Ohne tiefergehende Argumentation hat sich der Widerspruchsführer unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift für den Wegfall der Auskunftspflicht entschieden. Von einem Kandidaten, der eine überdurchschnittliche Benotung anstrebt, hätte erwartet werden müssen, dass er auch ein anderes Ergebnis in Betracht zieht: unbeschränkte Auskunftspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung, wenn der Aussagepflichtige durch ein Verwertungsverbot von strafrechtlicher Verfolgungen geschützt wird. […]
44Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2012 teilte der Prüfungsausschuss mit, dass nach nochmaliger Beratung auch an der Entscheidung festgehalten werde, nicht von dem rechnerisch ermittelten Wert der Gesamtnote abzuweichen.
45Mit Bescheid vom 25. Juni 2012, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, wies das beklagte Landesjustizprüfungsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Korrektoren und des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück.
46Am 19. Juli 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor: Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, der mündlichen Prüfung sowie die Abweichungsentscheidung seien rechtswidrig, da das Überdenkensverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts sei dieses so auszugestalten, dass sämtlichen beteiligten Prüfern die vom Prüfling geäußerten Überdenkensaspekte unabhängig voneinander zugeleitet werden. Die Prüfer müssten ihre Erwägungen zu den Überdenkensaspekten schriftlich fixieren, bevor sie sich untereinander austauschen dürften, da nur so ein ernsthaftes, unbeeinflusstes und unabhängiges Überdenken stattfinden könnte.
47Er beantragt,
48den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten sowie das Prüfungsgespräch zu wiederholen und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden,
49hilfsweise,
50den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote für seine zweite juristische Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch erneut zu entscheiden und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Er verweist auf die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen der Korrektoren der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, des Prüfungsausschusses sowie auf den Vermerk zur Vorbereitung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt er zur Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 vor, dass der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO entgegen der Lösung des Klägers nicht unproblematisch eröffnet sei. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handele. Die Erstkorrektorin habe ihrer Kritik zudem allenfalls eine untergeordnete Rolle beigemessen, sodass auch bei Ausblenden des in Rede stehenden Kritikpunktes eine andere Gesamtnote nicht vergeben worden wäre. Im Hinblick auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs im Rahmen der mündlichen Prüfung stelle der Kläger nur dar, wie dieses aus seiner Sicht abgelaufen sei, ohne konkrete Bewertungsfehler zu rügen. Das Überdenkensverfahrens sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Korrektoren der Klausuren hätten selbstständige und nicht gemeinsame Stellungnahmen abgegeben. Der Prüfungsausschuss sei berechtigt und verpflichtet, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
57Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsklausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil deren Bewertung teilweise fehlerhaft ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der weitergehenden Einwände gegen die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 sowie gegen das Prüfungsgespräch, ist die Klage unbegründet.
58Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
59Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW 1991, 2005 ff.
60Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, www.nrwe.de, und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 - und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, beide juris.
62Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
63Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris, m.w.N.
64Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen,
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404, und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 -, NJW 1998, 323; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris.
66Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 als rechtswidrig. Sie sind jeweils neu zu bewerten. Die Bewertung des Prüfungsgesprächs als Teil der mündlichen Prüfung ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden.
67Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 leidet an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Überdenkensverfahren aber hinsichtlich der übrigen gerügten Prüfungsteile ordnungsgemäß abgelaufen.
68Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, NVwZ-RR 2013, 44 = juris, Rn. 5 ff.
70Diesem Maßstab wird die Durchführung des Überdenkensverfahrens für die Klausur Zivilrecht 1 nicht gerecht. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Zweitkorrektor sich mit den Einwänden und der Kritik des Klägers auseinandergesetzt hat. Der Zweitkorrektor hat sich darauf beschränkt, sich den beiden Stellungnahmen der Erstkorrektorin im Überdenkensverfahren jeweils nur mit einem Satz anzuschließen. Zwar ist bei der ursprünglichen Bewertung einer Klausur die bloße Erklärung des Einverständnisses durch den Zweitguachter mit der Bewertung des Erstgutachters nicht zu beanstanden.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1988 - 7 B 155/88, juris; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 582 = juris, Rn. 38; OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -, NWVBl. 1997, 434 = juris, Rn. 6.
72Dies gilt aber nicht mehr im Überdenkensverfahren. Der Prüfling muss im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2) substantiierte Angriffe auf die Prüferkritik vorbringen. Dies ist ihm - schon im Hinblick auf die begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte im Prüfungsrecht - nur dann möglich, wenn die Prüfer im Überdenkensverfahren ihre - selbstständigen - Bewertungen erläutern und plausibilisieren. Nur die eigene textliche Stellungnahme eines Prüfers ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, die ursprünglich vorgenommene Bewertung auf Fehler zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweitkorrektor in der Ursprungsbewertung keine eigenen inhaltlichen Ausführungen zur Bewertung gemacht hat.
73Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Verwaltungsrecht 2 ist hingegen ordnungsgemäß abgelaufen, da der Zweitkorrektor eine umfassende Stellungnahme abgegeben hat. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
75Soweit der Kläger eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs sowie der Nichtabweichungsentscheidung rügt, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW trifft der Prüfungsausschuss alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen, insbesondere - abgesehen von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten - die Entscheidung über das Prüfungsergebnis. Er entscheidet gemäß Satz 2 der Vorschrift mit Stimmenmehrheit. Dies verdeutlicht, dass - anders als bei den Aufsichtsarbeiten - die Bewertung durch den Prüfungsausschuss und nicht durch die Prüfer jeweils selbstständig erfolgt. Demnach ist auch im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses unbedenklich.
76Die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unterliegt materiellen Bewertungsfehlern.
77Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 unterliegt einem materiellen Bewertungsfehler und erweist sich auch deshalb als rechtswidrig. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
78Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren kam der Kläger in seinem Urteilsentwurf rechtlich zutreffend zu dem Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen durch § 21 Abs. 1 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, begründet wird. Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Essen unterliegt als fachwissenschaftliche Frage der vollständigen Kontrolle des Gerichts; die Korrektoren können sich insoweit nicht auf einen prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum berufen. Die von den Prüfern vorgenommene Kritik, an der sie auch im Widerspruchs- und Klageverfahren festhielten, verletzt anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
79§ 21 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass wenn jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, alle Klagen gegen ihn, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet.
80Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO ist es, die Rechtsverfolgung gegen Gewerbetreibende für bestimmte vermögensrechtliche Klagen zu erleichtern. Eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines (Wohn-)Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und in der Regel selbstständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle. Die Selbstständigkeit der Niederlassung kann bei Zweigbetrieben fehlen. Entscheidend ist nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
81Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. (2012), § 21, Rn. 6 ff.; H. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (2003), § 21 Rn. 11 ff.; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. (2008), § 21 Rn. 6 ff.
82Gemessen an diesen Anforderungen und im Hinblick auf die Angaben im Klausursachverhalt ging der Kläger in seiner Lösung zutreffend davon aus, dass das Landgericht Essen nach § 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei. Er hat auf S. 17 seiner Klausurlösung feststellend subsumiert, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung handele, da "dort selbständig Geschäfte abgeschlossen und abgewickelt" werden. Dies entspricht einer lebensnahen Auslegung des Sachverhalts. Die Korrektoren haben die Lösung des Klägers hingegen als falsch bewertet. In der Randbemerkung auf S. 16 vermerkten sie zwar nur "fraglich, § 32 ZPO", was für sich genommen noch nur als Kritik an der Begründung des Klägers und nicht an dem Ergebnis verstanden werden könnte. In ihrem abschließenden Gutachten führte die Erstkorrektorin hingegen aus, dass § 32 ZPO zur Anwendung hätte kommen sollen. Dies und die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kritik der Korrektoren sich nicht nur auf die Qualität der Begründung beschränkt. Die Korrektoren und der Beklagte haben trotz mehrfacher Stellungnahme nicht begründet, warum die vom Kläger vorgenommene Subsumtion fehlerhaft ist. Insbesondere überzeugt nicht die Kritik, dass die Annahme von § 21 Abs. 1 ZPO spekulativ sei. Die Angaben im Sachverhalt weisen genug Informationen auf, damit der Kläger von der Berechtigung des Supermarktes zum selbstständigen Abschluss von Geschäften ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, da es nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ausreicht, wenn der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
83Der Korrekturfehler ist auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil ein Einfluss auf die Bewertung auszuschließen ist.
84Unbeachtlich ist ein materieller Bewertungsfehler nur dann, wenn sich seine Auswirkung auf die Notengebung mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen lässt. Bei der Prüfung der Kausalität eines materiellen Bewertungsfehlers unterliegen die Gerichte denselben Beschränkungen wie bei der Überprüfung, ob ein materieller Prüfungsfehler vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen. Die Gerichte können deswegen mögliche Auswirkungen eines Prüfungsfehlers nicht in der Weise verneinen, dass sie selbst Bewertungen vornehmen, indem sie verschiedene gestellte Aufgaben untereinander oder Schwächen in der Bearbeitung oder die Bedeutung des Mangels gewichten. Lässt sich die Ursächlichkeit des Fehlers für die Notengebung nicht sicher ausschließen, kann das Gericht die Leistungsbewertung nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid lediglich aufheben.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteile vom 12. November 1997 - 6 C 11/96 -, BVerwGE 105, 328 = juris, Rn. 21 f. und vom 27. April 1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921 = juris, Rn. 34.
86Eine Auswirkung des Fehlers lässt sich vorliegend nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen. Zwar hat die Erstkorrektorin in ihrer zweiten Stellungnahme im Widerspruchsverfahren ausgeführt, die Kritik an der Prüfung des § 21 ZPO hinsichtlich der Gesamtbewertung habe eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. Dies lässt es aber nicht hinreichend erkennen, dass ein Einfluss der Kritik auf die Gesamtnote ausgeschlossen ist. Die Formulierung "allenfalls untergeordnete Rolle" lässt nicht den für die Überzeugung des Gerichts sicheren Schluss zu, dass die Kritik überhaupt keinen Einfluss auf die Notengebung hatte. Nur dies würde aber zur Unbeachtlichkeit eines materiellen Bewertungsfehlers führen. Dass die Kritik nicht völlig bedeutungslos ist, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur als Randbemerkung, sondern ebenfalls im Erstvotum in der abschließenden Bewertung aufgeführt ist. Der Einfluss des Korrekturfehlers auf die Bewertung kann überdies schon deshalb nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, da der Zweitgutachter sich zu der Bedeutung des Fehlers nicht geäußert hat. Da dieser sowohl der ursprünglichen Bewertung als auch den Stellungnahmen im Widerspruchs- und Klageverfahren der Erstkorrektorin jeweils nur mit einem Satz zustimmte, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass auch für ihn die Kritik keinen Einfluss auf die Bewertung hatte. Dies wäre aber im Hinblick auf die Funktion des Überdenkensverfahrens, grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten, erforderlich gewesen.
87Soweit der Kläger weitere Einwände gegen die Klausur Zivilrecht 1 vorbringt, liegt ein Bewertungsfehler nicht vor.
88Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht zu beanstanden. Der Kläger kam in seiner Lösung zu dem Ergebnis, dass der Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger aus dem Unfall resultierender Schäden festzustellen, nur im Hinblick auf materielle Schäden und nicht hinsichtlich immaterieller Schäden begründet sei. Zur Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses führt er lediglich aus "vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB". Die Erstkorrektorin hat dies in ihrer ursprünglichen Bewertung zutreffend als kaum vertretbar bezeichnet und in einer Randbemerkung den schlichten Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als nicht tragfähige Begründung gekennzeichnet. Soweit die Korrektorin die Qualität der Begründung des Klägers für sein Ergebnis bemängelt, unterliegt dies bereits nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Dem Kläger ist es deshalb auch verwehrt, sich auf ein Urteil des OLG Oldenburg, das seine Rechtsansicht teile, zu berufen. Denn die Kritik der Korrektorin beruht nicht maßgeblich auf dem vom Kläger vertretenen Ergebnis, sondern auf der unzureichenden Begründung seiner Auffassung. Eine ausführliche Begründung wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das vom Kläger vertretene Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Dass der BGH einen Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden grundsätzlich als zulässig erachtet, hätte der Kläger mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln auch erkennen können. So wird im für die Klausur zugelassenen Kommentar zum BGB ausgeführt: "Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftige, bisher noch nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten."
89Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 253, Rn. 25.
90Soweit der Kläger sich gegen die Kritik an der Annahme eines Mitverschuldensanteils von 20% wendet, liegt ein materieller Bewertungsfehler nicht vor. Die Kritik der Korrektorin bezieht sich auf die Begründung des Klägers. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
91Die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 ist rechtswidrig, da sie auf einem materiellen Bewertungsfehler beruht. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
92Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren hat der Kläger nicht übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig ist. Er führte in der Klausur auf S. 6 f. unter der Überschrift "Allg. Rechtsschutzbedürfnis" aus:
93"Der Antrag nach § 123 I VwGO ist nicht fristgebunden (vgl. § 123 II S. 2 VwGO). Er ist aber nur solange zulässig wie ein Antrag in der Hauptsache noch möglich ist. […] Der Antrag kann daher noch gestellt werden. Da sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde, sollte aus Kostengründen auch gar keine Klageschrift eingereicht werden."
94Aus dieser Passage wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Erhebung einer Klage in der Hauptsache erkannt hat. Er ging ebenfalls rechtlich zutreffend davon aus, dass nach dem konkreten Sachverhalt die Klageerhebung aber nicht notwendig war, da die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids erst am 1. Juli 2011, also erst nach dem Ende des Volksfestes (23. Juni bis 27. Juni 2011), zu dem der Mandant die Zulassung begehrte, eintrat. Der Kläger hat auch implizit eine Zweckmäßigkeitserwägung angestellt, da er auf das Kostenrisiko der Klageerhebung hinwies.
95Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den ursprünglichen Voten der Korrektoren noch nicht enthaltenen und erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Kritik, dass der Kläger im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte eingehen müssen. Dies stellt zwar für sich eine zulässige Bewertung der Leistungen des Klägers dar, ändert aber nichts an der rechtsfehlerhaften Bewertung, der Kläger habe übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig sei. Von der rechtsfehlerhaften Bewertung haben die Korrektoren keinen Abstand genommen.
96Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung des Prüfungsgesprächs.
97Eine Neubewertung des Prüfungsgesprächs scheidet vorliegend von vornherein aus, da sie wegen Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt nur in Betracht, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgebenden Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme des Prüfungsprotokolls, handschriftlicher Notizen oder eines vom Prüfling erstellten Gedächtnisprotokolls - zu vergegenwärtigen. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1995 - 19 A 4947/94 -, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 14 B 1378/13 -, juris, Rn. 9, m.w.N.,
99So liegt der Fall hier, denn seit der mündlichen Prüfung vom 20. Dezember 2011 sind inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen.
100Auch die Wiederholung der Prüfung scheidet aus. Die Bewertungsrügen des Klägers gegen das Prüfungsgespräch greifen nicht durch.
101Die Bewertung des zivilrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Prüfungsausschuss nicht rechtlich zutreffende Ausführungen als falsch angesehen. Der Prüfungsausschuss kritisierte, dass der Kläger sich nicht vertieft - sondern nur oberflächlich - mit der Frage der Gewährleistung bei einem Dienstvertrag auseinandergesetzt hat. Er hat dementsprechend nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis kritisiert, sondern die Qualität der Argumentation. Die Bewertung der Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Problem unterliegt dem verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Prüfer, der hier nicht verletzt ist.
102Hinsichtlich des strafrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist die Rüge des Klägers schon unsubstantiiert. Er hat keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung geltend gemacht; wendet sich vielmehr gegen die Gewichtung der Vor- und Nachteile seiner Bewertung, die dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterliegt.
103Auch der öffentlich rechtliche Teil des Prüfungsgesprächs unterliegt keinem Bewertungsfehler.
104Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe rechtlich zutreffende Ausführungen zur Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gemacht. Der Prüfungsausschuss wirft dem Kläger lediglich vor, seine Prüfung des § 240 Abs. 2 StGB sei ungenau, zum Teil diffus gewesen. Dies greift die fachwissenschaftliche Korrektheit der Ausführungen nicht an, sondern stellt nur eine Einschätzung der Qualität der Argumentation und inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Prüfungsfrage dar, was dem Beurteilungsspielraum der Prüfer unterfällt.
105Auch die Kritik der Kommission, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht die Prüferkritik dadurch in Zweifel zu ziehen, dass er gezielt nach der Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB gefragt worden sei und im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Erlaubnisnormen nicht zu prüfen seien, er deshalb also auch nicht darauf habe eingehen müssen. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei zum Tatbestand und zur Rechtswidrigkeit der Nötigung befragt worden. Schon daraus wird deutlich, dass für den Kläger Anlass und Möglichkeit bestanden hat, auf Erlaubnisnormen einzugehen und sich nicht auf eine Darstellung zur Verwerflichkeit zu beschränken. Zum anderen hatte der Prüfer - wie auch vom Kläger selbst vorgetragen - zu Beginn der Prüfung klargestellt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche und keine strafrechtliche Prüfung handeln sollte und deshalb auf die Probleme des Gefahrenabwehrrechts einzugehen sei. Die Prüferkritik, dass er auf Erlaubnisnormen nicht eingegangen sei, hat der Kläger im Ergebnis mit seinem Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren selbst zugestanden.
106Überdies ist zweifelhaft, ob die vom Kläger angegriffene Prüferkritik sich auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs ausgewirkt hat. Insoweit ist fraglich, ob sich die Bewertung einer Detailfrage in einem Prüfungsteil der mündlichen Prüfung, insbesondere da es sich nach dem einvernehmlichen Vortrag des Klägers und des Beklagten nur um den Einstieg der Prüfung handelte, auf die Note das Prüfungsgesprächs (befriedigend, 8 Punkte) ausgewirkt hat.
107Die Kritik der Kommission an den Ausführungen zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass die Kommission nicht das von ihm vertretene Ergebnis, auf den Wortlaut der Norm abzustellen, kritisiert. Sie hat hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung des Klägers mit dem aufgeworfenen Problem kritisiert, insbesondere dass er nicht andere Lösungsansätze ausreichend bedacht und diskutiert hat. Dies überschreitet nicht den den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraum. Soweit der Kläger verlangt, die Kommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er methodisch sauber auf den Wortlaut der Norm abgestellt habe was der herrschenden Meinung zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entspreche, setzt er seine Bewertung seiner Leistung an die Stelle der des Prüfungsausschusses.
108Da die Bewertungsrügen gegen die Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 Erfolg haben und diese neu zu bewerten sind, kann die vom Prüfungsausschuss getroffene und vom Kläger ebenfalls angegriffene Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 JAG NRW i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW nicht mehr gerichtlich kontrolliert werden, da sie im Falle einer Notenabänderung neu zu treffen wäre.
109Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenteilung berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren nur teilweise obsiegt. Ein Kläger ist auch dann durch ein seinem Bescheidungsantrag (äußerlich) stattgebendes Bescheidungsurteil beschwert, wenn sich - wie hier - die vom Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils für verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt. Das Begehren eines Klägers in einer auf (Neu-) Bescheidung gerichteten Klage ist nämlich darauf gerichtet, in den Entscheidungsgründen für die (Neu-) Bescheidungsverpflichtung des Beklagten seine in der Klage vorgebrachten Rechtsansichten verbindlich zu machen.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30/38, 7 C 31/7 C 31/80 -, DVBl. 1982, 447 = juris, Rn. 13 f., und vom 24. September 2009 - 7 C 2/09 -, BVerwGE 135, 34 = juris, Rn. 67.
111Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt
- 1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, - 2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten und den Kläger über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt die Neubewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, die Wiederholung der mündlichen Prüfung sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seine zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte). Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M. Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch mit befriedigend (9 Punkte) bewertet.
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 1 war die Fertigung eines Urteils des Landgerichts Essen. Nach dem Sachverhalt suchte die 1,56 m große Klausur-Klägerin in Essen-Borbeck einen Supermarkt der beklagten KaufMarkt GmbH auf, um dort ihre Einkäufe zu erledigen. Die Klägerin wollte unter anderem eine Suppendose erwerben, welche sich im obersten Fach eines Regals auf einer Höhe von 1,70 m befand. In den Regalen wurden die 11,5 cm hohen Dosen in Papppaletten in drei Reihen übereinander gestapelt. Der Klägerin erschien die oberste der drei übereinander stehenden Paletten leer zu sein, weshalb sie eine Dose auf der sich darunter befindenden Palette ergriff. Sie trug vor, eine zuvor nicht erkennbare Dose sei aus der oberen Palette herabgestürzt und habe sie im Gesicht getroffen. Die Beklagte bestritt dies mit Nichtwissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung des rechten Auges und war seitdem auf diesem nahezu blind. Sie machte gegenüber der Beklagten verschiedene Schadenspositionen in der Höhe von insgesamt 1.233,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 9.000,00 €) geltend. Weiterhin beantragte sie, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr sämtliche künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da sie habe erkennen können oder müssen, dass sich noch eine Dose auf der obersten Palette befunden habe. Das Gericht erhob Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen.
6Die Erstkorrektorin bewertete die Leistung des Klägers mit befriedigend (8 Punkte). Sie führte unter anderem aus:
7"In den Entscheidungsgründen leitet Verf. die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 21 ZPO her, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handelt. § 32 ZPO hätte zur Anwendung kommen sollen. […]
8Dass der Feststellungsantrag lediglich wegen zukünftiger materieller Schäden zulässig sein soll, ist kaum vertretbar. […]
9Verfasser prüft sodann ein Mitverschulden der Klägerin, dass zunächst mit 20 % festgestellt wird. Dass Verf. keinen höheren Anteil annimmt, wird mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet. Dieser Ansatz kann keinesfalls überzeugend.“
10Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
11Aufgabenstellung der Klausur Verwaltungsrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht. Nach dem Sachverhalt begehrt der Mandant die Zulassung zum Sommersend 2011, einem großen Volksfest in Münster. Das Fest sollte vom 23. Juni bis zum 27. Juni 2011 stattfinden. Die Stadt Münster lehnte den Antrag des Mandanten auf Zulassung zum Markt mit Bescheid vom 1. Juni 2011 ab und bevorzugte zwei Konkurrenten.
12Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit vollbefriedigend (10 Punkte). Er führte unter anderem aus:
13"Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen geht Verfasser nicht hinreichend differenziert auf die Aspekte der Glaubhaftmachung und Beiladung der Mitkonkurrenten ein. Das Erfordernis der Erhebung der Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides wird nicht gesehen.“
14Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
15Mit Schreiben vom 26. Dezember 2011 beantragte der Kläger eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner Leistungen im Prüfungsgespräch, die ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. In der Begründung heißt es auszugsweise:
16"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. […]
17Im zweiten Fall klagte eine Zahnärztin Honorar für eine Wurzelbehandlung eines Zahnes ein, obwohl die Behandlung erfolglos und der Zahn wegen einer abgebrochenen Behandlungsnadel verloren wurde (vereinfachter Sachverhalt zu MDR 2011, 1278). Herr Piepers sollte die Gewährleistung im Dienstvertragsrecht darstellen. Es fehlte die Erwägung, dass für eine völlig unbrauchbare Leistung, die der Nichtleistung der Dienste entspricht, eine Vergütung nicht verlangt werden kann. Die Ausführungen zu einer Gewährleistung (Minderung, Nachbesserung, Schadensersatz) waren oberflächlich und zäh; es gelang dem Prüfling in keinem Abschnitt, von sich aus die Problematik auf den Punkt zu bringen. […]
18Im öffentlichen Recht ging es um die Androhung von Folter durch einen Polizisten, der vom geständigen Straftäter den Aufenthaltsort des Entführten wissen wollte (Fall Daschner/Gaefgen/von Metzler). Herr Q. prüfte § 240 StGB, wurde bereits im Rahmen der Prüfung des § 240 Abs. 2 ungenau, zum Teil diffus. Es gelang ihm nicht, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen. […] Herr Q. hat sich zutreffend dazu geäußert, dass nach § 9 PolG die Befragung zulässig war, die Beantwortung der Frage aber, ob sich aus § 9 Abs. 2 PolG eine Verpflichtung des Handlungsstörers zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Entführungsopfers ergibt, bedurfte erheblicher Hilfestellung durch den Prüfer. Zu dem im § 26 VwVfG geregelten Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung hat er wenig sachdienliches beizutragen vermocht. Da er diese Vorschrift nicht kannte, machte er einen wenig förderlichen Exkurs in das US-amerikanische Recht; auch die praktischen Konsequenzen, die sich bei einer angenommenen Verpflichtung zur Auskunft ergeben, hatten allenfalls durchschnittliches Niveau. Negativ ins Gewicht fiel vor allem, dass der Prüfling das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastung mit dem Wegfall der Auskunftspflicht lösen wollte, statt ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen."
19Der Prüfungsausschuss setzte die Gesamtnote am 20. Dezember 2011 auf den aus den Einzelnoten rechnerisch ermittelten Wert „befriedigend (8,75 Punkte)“ fest. Er sah keinen Anlass für eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote. Das Landesjustizprüfungsamt teilte das Prüfungsergebnis dem Kläger mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit.
20Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2011, dem Beklagten zugegangen am 3. Januar 2012, legte der Kläger Widerspruch ein.
21Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 trug er vor, die Herleitung des Gerichtsstands aus § 21 ZPO sei vertretbar und es hätten gute Gründe vorgelegen, nicht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung aus § 32 ZPO einzugehen. Seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wichen zwar von der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsauffassung ab, seien gleichwohl aber vertretbar. Hinsichtlich der Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 führte er aus, seine Überlegungen, eine Verpflichtungsklage nicht zu erheben, seien zutreffend. Er habe nicht verkannt, dass eine Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft erhoben werden müsse, sondern zutreffend ausgeführt, dass eine solche Bestandskraft gar nicht drohe, da sich das Begehren des Mandanten vor Ablauf der Klagefrist erledige. Von der Erhebung einer Verpflichtungsklage habe aus anwaltlicher Sicht abgeraten werden müssen, da sie lediglich ein unnötiges Kostenrisiko verursache.
22Weiterhin rügte er mehrere Bewertungsfehler hinsichtlich des Prüfungsgesprächs.
23Der öffentlich-rechtliche Teil des Gesprächs sei nach einer Sachverhaltsschilderung mit der Frage eröffnet worden, ob der handelnde Polizeipräsident sich wegen einer Nötigung nach § 240 StGB strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit habe er klargestellt, dass bei der Nötigung zwischen dem Eingreifen von allgemeinen Rechtfertigungsgründen einerseits und der weiterhin festzustellenden Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB andererseits zu unterscheiden sei. Der Prüfer habe ihn daraufhin gefragt, ob die Handlung des Polizeipräsidenten denn verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei. Er, der Kläger, habe dann ausgeführt, dass sich die Verwerflichkeit aus dem eingesetzten Nötigungsmittel und dem verfolgten Zweck ergeben könne. Der Prüfer sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, habe einen anderen Prüfling aufgerufen und schließlich resümiert, dass eine tatbestandliche Nötigung nicht verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB sein könne, wenn die Handlung von einer Rechtsnorm gedeckt sei. In der schriftlichen Begründung der Prüfungskommission werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe seine Aussage, Beamten dürften nach der Rechtsordnung nicht drohen, nicht auf eine Norm zurückgeführt. Anschließend sei zu prüfen gewesen, ob eine Auskunftspflicht des Täters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW durch das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts entfallen könne. Ihm sei die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW nicht bekannt gewesen. Er habe erörtern sollen, ob der Konflikt zwischen Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht auch ohne den Wegfall der Auskunftspflicht gelöst werden könne. Er habe den Standpunkt vertreten, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eindeutig sei und daher die Norm keiner anderen Auslegung zugänglich sei. Die Prüfungskommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er sich methodisch sauber am Wortlaut der Norm orientiert habe und auf dieser Basis zu der für NRW herrschenden Rechtsauffassung gekommen sei.
24Die Bewertung des zivilrechtlichen Gesprächs unterliege einem Bewertungsfehler, da die von ihm dargestellte Lösung des zweiten Falls entgegen der Kritik durch die Kommission rechtlich richtig sei. Er habe die Auffassung vertreten, bei einer nicht lege artis durchgeführten und im Ergebnis unbrauchbaren ärztlichen Heilbehandlung komme ein Wegfall der Vergütung durch Minderung nicht in Betracht, da dies im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen sei. Ein Wegfall der Vergütung könne nur daraus resultieren, dass dem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegengehalten werde. Auf Nachfrage habe er präzisiert, dass es als Anwalt die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch erklären würde. Dies entspreche der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung.
25Im strafrechtlichen Prüfungsgespräch habe er ausgeführt, die Frage, ob eine Schreckschusspistole eine Waffe ist, sei streitig. Er habe die Auffassung vertreten, die Waffenqualität sei abzulehnen, da eine Schreckschusspistole bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht der Verletzung von Menschen diene. Weiterhin habe er dargestellt, dass Fahrer, die aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen sind, nur in absoluten Ausnahmefällen noch taugliche Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer sein können.
26Schließlich rügte er, dass der Prüfungsausschuss nicht von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote abgewichen sei. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen.
27Das beklagte Prüfungsamt holte Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten.
28Die Erstkorrektorin der Klausur Zivilrecht 1 führte unter anderem aus:
29"Soweit sich der Widerspruch gegen die Bewertung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Feststellungsantrages hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden wendet, bleibe ich ebenfalls bei meinen Beanstandungen – die allerdings gegenüber den zuvor aufgezeigten Mängeln der Arbeit hinsichtlich der Gesamtbewertung eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben.
30Die Annahme des § 21 ZPO bleibt spekulativ. Zudem ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Beklagte unter dem Ort einer Niederlassung in Anspruch nehmen wollte. Nahe liegend war dagegen die Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO. Wenn der Widerspruchsführer darauf hinweist, dass zur Begründung des § 32 ZPO nähere Ausführungen zu dem Begehren des Klägers und zur Prüfungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand des § 32 ZPO erforderlich gewesen wären, so können von einer überdurchschnittlichen Leistung solche Ausführungen erwartet werden.
31Hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrages bleibe ich dabei, dass Verf. eine überzeugende Begründung nicht gegeben hat. Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist gerade nicht erfolgt. Von einer überdurchschnittlichen Leistung wäre das zu erwarten. Der Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keinesfalls ausreichend.“
32Der Zweitkorrektor vermerkte handschriftlich auf der Stellungnahme der Erstkorrektorin: "Ich stimme dem uneingeschränkt zu". Nach Aufforderung des Beklagten hielt die Erstkorrektorin in einer zusätzlichen Stellungnahme weiter an ihrer Bewertung fest. Der Zweitkorrektor stimmte dem erneut handschriftlich mit einem Satz zu.
33Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 1 führte der Erstkorrektor unter anderem aus:
34"Der Widerspruchsführer behandelt die Zweckmäßigkeitsfrage, ob der Mandant eine Verpflichtungsklage erheben sollte, zunächst systematisch zweifelhaft im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses des Eilantrages (Bl. 7). Er ist der Ansicht, dass „aus Kostengründen noch gar keine Klageschrift eingereicht werden“ soll. Zur Begründung hierfür wird weiter ausgeführt, dass „sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde“.
35Bei diesen aus anwaltlicher Perspektive unangemessen kurzen Erwägungen zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Verpflichtungsklage wird zunächst der Sinn einer solchen Klage, nämlich die Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 1.6.2011 nicht hinreichend erörtert. Es wird dabei zum einen nicht bedacht, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, bis zum Ablauf des Sommersends über die Klage entscheiden zu können.
36Sollte das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf des Sommersends nicht über die Klage entschieden haben, wäre der Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen, vgl. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt in der Wiederholungsgefahr und der Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Auch diese Klageart die dahingehenden Interessen spricht der Widerspruchsführer zu diesem Komplex in seiner Klausur nicht an."
37Der Zweitkorrektor nahm ebenfalls Stellung und stimmte der Einschätzung des Erstkorrektors zu.
38Hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs führte der Prüfungsausschuss in einer gemeinsamen Stellungnahme der Prüfer unter anderem aus:
39"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. Sie sollten aus der Sicht eines Rechtsanwalts begutachtet werden. […]
40Zutreffend erkennt der Widerspruchsführer in der Widerspruchsschrift (allerdings nicht während seiner mündlichen Prüfung), dass zur Gewährleistung im Dienstvertrag verschiedene Meinungen vertreten werden. […] Entscheidend war nicht, welche Meinung vertreten wurde, sondern dass man unterschiedliche Ansätze sieht und wie die Positionen herausgearbeitet, argumentativ hergeleitet und abgegrenzt wurden. Die rechtlichen Recherchen, die der Widerspruchsführer für seine Widerspruchsschrift angestellt hat, waren nicht Bestandteil einer Prüfungsleistung. Dabei wird nicht negativ bewertet, dass der Widerspruchsführer § 280 BGB für anwendbar erachtet. Eine überdurchschnittliche Leistung hätte eine mögliche andere Meinung und das Problem des Vorranges des besonderen Schuldrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht herausgearbeitet. Der Widerspruchsführer blieb die Argumentation schuldig, seine Stellungnahme blieb oberflächlich, sein Verweis auf § 280 BGB undifferenziert und zu pauschal. […]
41Die Ausführungen des Widerspruchsführers im Prüfungsteil öffentliches Recht waren in weiten Teilen mängelbehaftet. […]
42Der Einstieg in die Prüfung des Falles erfolgte zwar über § 240 StGB, der Prüfer hatte aber von Anfang an klargemacht, dass er keine strafrechtliche, sondern eine öffentlich rechtliche Prüfung durchführen wollte; es sollte (deshalb) um die nach dem Polizeirecht (Gefahrenabwehr) zu beantwortende Frage gehen, ob der E. dem H. rechtmäßiger Weise Gewalt androhen durfte, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Entführungsopfers zu erfahren. […]
43Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung sollte die Beantwortung der Frage sein, ob die Regelung im § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eine Abwägung zulässt, wenn es in einem konkreten Fall – wie hier – um das Leben eines Kindes geht. Ohne tiefergehende Argumentation hat sich der Widerspruchsführer unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift für den Wegfall der Auskunftspflicht entschieden. Von einem Kandidaten, der eine überdurchschnittliche Benotung anstrebt, hätte erwartet werden müssen, dass er auch ein anderes Ergebnis in Betracht zieht: unbeschränkte Auskunftspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung, wenn der Aussagepflichtige durch ein Verwertungsverbot von strafrechtlicher Verfolgungen geschützt wird. […]
44Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2012 teilte der Prüfungsausschuss mit, dass nach nochmaliger Beratung auch an der Entscheidung festgehalten werde, nicht von dem rechnerisch ermittelten Wert der Gesamtnote abzuweichen.
45Mit Bescheid vom 25. Juni 2012, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, wies das beklagte Landesjustizprüfungsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Korrektoren und des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück.
46Am 19. Juli 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor: Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, der mündlichen Prüfung sowie die Abweichungsentscheidung seien rechtswidrig, da das Überdenkensverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts sei dieses so auszugestalten, dass sämtlichen beteiligten Prüfern die vom Prüfling geäußerten Überdenkensaspekte unabhängig voneinander zugeleitet werden. Die Prüfer müssten ihre Erwägungen zu den Überdenkensaspekten schriftlich fixieren, bevor sie sich untereinander austauschen dürften, da nur so ein ernsthaftes, unbeeinflusstes und unabhängiges Überdenken stattfinden könnte.
47Er beantragt,
48den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten sowie das Prüfungsgespräch zu wiederholen und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden,
49hilfsweise,
50den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote für seine zweite juristische Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch erneut zu entscheiden und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Er verweist auf die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen der Korrektoren der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, des Prüfungsausschusses sowie auf den Vermerk zur Vorbereitung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt er zur Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 vor, dass der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO entgegen der Lösung des Klägers nicht unproblematisch eröffnet sei. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handele. Die Erstkorrektorin habe ihrer Kritik zudem allenfalls eine untergeordnete Rolle beigemessen, sodass auch bei Ausblenden des in Rede stehenden Kritikpunktes eine andere Gesamtnote nicht vergeben worden wäre. Im Hinblick auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs im Rahmen der mündlichen Prüfung stelle der Kläger nur dar, wie dieses aus seiner Sicht abgelaufen sei, ohne konkrete Bewertungsfehler zu rügen. Das Überdenkensverfahrens sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Korrektoren der Klausuren hätten selbstständige und nicht gemeinsame Stellungnahmen abgegeben. Der Prüfungsausschuss sei berechtigt und verpflichtet, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
57Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsklausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil deren Bewertung teilweise fehlerhaft ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der weitergehenden Einwände gegen die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 sowie gegen das Prüfungsgespräch, ist die Klage unbegründet.
58Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
59Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW 1991, 2005 ff.
60Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, www.nrwe.de, und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 - und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, beide juris.
62Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
63Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris, m.w.N.
64Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen,
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404, und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 -, NJW 1998, 323; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris.
66Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 als rechtswidrig. Sie sind jeweils neu zu bewerten. Die Bewertung des Prüfungsgesprächs als Teil der mündlichen Prüfung ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden.
67Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 leidet an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Überdenkensverfahren aber hinsichtlich der übrigen gerügten Prüfungsteile ordnungsgemäß abgelaufen.
68Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, NVwZ-RR 2013, 44 = juris, Rn. 5 ff.
70Diesem Maßstab wird die Durchführung des Überdenkensverfahrens für die Klausur Zivilrecht 1 nicht gerecht. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Zweitkorrektor sich mit den Einwänden und der Kritik des Klägers auseinandergesetzt hat. Der Zweitkorrektor hat sich darauf beschränkt, sich den beiden Stellungnahmen der Erstkorrektorin im Überdenkensverfahren jeweils nur mit einem Satz anzuschließen. Zwar ist bei der ursprünglichen Bewertung einer Klausur die bloße Erklärung des Einverständnisses durch den Zweitguachter mit der Bewertung des Erstgutachters nicht zu beanstanden.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1988 - 7 B 155/88, juris; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 582 = juris, Rn. 38; OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -, NWVBl. 1997, 434 = juris, Rn. 6.
72Dies gilt aber nicht mehr im Überdenkensverfahren. Der Prüfling muss im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2) substantiierte Angriffe auf die Prüferkritik vorbringen. Dies ist ihm - schon im Hinblick auf die begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte im Prüfungsrecht - nur dann möglich, wenn die Prüfer im Überdenkensverfahren ihre - selbstständigen - Bewertungen erläutern und plausibilisieren. Nur die eigene textliche Stellungnahme eines Prüfers ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, die ursprünglich vorgenommene Bewertung auf Fehler zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweitkorrektor in der Ursprungsbewertung keine eigenen inhaltlichen Ausführungen zur Bewertung gemacht hat.
73Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Verwaltungsrecht 2 ist hingegen ordnungsgemäß abgelaufen, da der Zweitkorrektor eine umfassende Stellungnahme abgegeben hat. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
75Soweit der Kläger eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs sowie der Nichtabweichungsentscheidung rügt, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW trifft der Prüfungsausschuss alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen, insbesondere - abgesehen von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten - die Entscheidung über das Prüfungsergebnis. Er entscheidet gemäß Satz 2 der Vorschrift mit Stimmenmehrheit. Dies verdeutlicht, dass - anders als bei den Aufsichtsarbeiten - die Bewertung durch den Prüfungsausschuss und nicht durch die Prüfer jeweils selbstständig erfolgt. Demnach ist auch im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses unbedenklich.
76Die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unterliegt materiellen Bewertungsfehlern.
77Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 unterliegt einem materiellen Bewertungsfehler und erweist sich auch deshalb als rechtswidrig. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
78Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren kam der Kläger in seinem Urteilsentwurf rechtlich zutreffend zu dem Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen durch § 21 Abs. 1 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, begründet wird. Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Essen unterliegt als fachwissenschaftliche Frage der vollständigen Kontrolle des Gerichts; die Korrektoren können sich insoweit nicht auf einen prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum berufen. Die von den Prüfern vorgenommene Kritik, an der sie auch im Widerspruchs- und Klageverfahren festhielten, verletzt anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
79§ 21 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass wenn jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, alle Klagen gegen ihn, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet.
80Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO ist es, die Rechtsverfolgung gegen Gewerbetreibende für bestimmte vermögensrechtliche Klagen zu erleichtern. Eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines (Wohn-)Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und in der Regel selbstständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle. Die Selbstständigkeit der Niederlassung kann bei Zweigbetrieben fehlen. Entscheidend ist nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
81Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. (2012), § 21, Rn. 6 ff.; H. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (2003), § 21 Rn. 11 ff.; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. (2008), § 21 Rn. 6 ff.
82Gemessen an diesen Anforderungen und im Hinblick auf die Angaben im Klausursachverhalt ging der Kläger in seiner Lösung zutreffend davon aus, dass das Landgericht Essen nach § 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei. Er hat auf S. 17 seiner Klausurlösung feststellend subsumiert, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung handele, da "dort selbständig Geschäfte abgeschlossen und abgewickelt" werden. Dies entspricht einer lebensnahen Auslegung des Sachverhalts. Die Korrektoren haben die Lösung des Klägers hingegen als falsch bewertet. In der Randbemerkung auf S. 16 vermerkten sie zwar nur "fraglich, § 32 ZPO", was für sich genommen noch nur als Kritik an der Begründung des Klägers und nicht an dem Ergebnis verstanden werden könnte. In ihrem abschließenden Gutachten führte die Erstkorrektorin hingegen aus, dass § 32 ZPO zur Anwendung hätte kommen sollen. Dies und die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kritik der Korrektoren sich nicht nur auf die Qualität der Begründung beschränkt. Die Korrektoren und der Beklagte haben trotz mehrfacher Stellungnahme nicht begründet, warum die vom Kläger vorgenommene Subsumtion fehlerhaft ist. Insbesondere überzeugt nicht die Kritik, dass die Annahme von § 21 Abs. 1 ZPO spekulativ sei. Die Angaben im Sachverhalt weisen genug Informationen auf, damit der Kläger von der Berechtigung des Supermarktes zum selbstständigen Abschluss von Geschäften ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, da es nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ausreicht, wenn der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
83Der Korrekturfehler ist auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil ein Einfluss auf die Bewertung auszuschließen ist.
84Unbeachtlich ist ein materieller Bewertungsfehler nur dann, wenn sich seine Auswirkung auf die Notengebung mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen lässt. Bei der Prüfung der Kausalität eines materiellen Bewertungsfehlers unterliegen die Gerichte denselben Beschränkungen wie bei der Überprüfung, ob ein materieller Prüfungsfehler vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen. Die Gerichte können deswegen mögliche Auswirkungen eines Prüfungsfehlers nicht in der Weise verneinen, dass sie selbst Bewertungen vornehmen, indem sie verschiedene gestellte Aufgaben untereinander oder Schwächen in der Bearbeitung oder die Bedeutung des Mangels gewichten. Lässt sich die Ursächlichkeit des Fehlers für die Notengebung nicht sicher ausschließen, kann das Gericht die Leistungsbewertung nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid lediglich aufheben.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteile vom 12. November 1997 - 6 C 11/96 -, BVerwGE 105, 328 = juris, Rn. 21 f. und vom 27. April 1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921 = juris, Rn. 34.
86Eine Auswirkung des Fehlers lässt sich vorliegend nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen. Zwar hat die Erstkorrektorin in ihrer zweiten Stellungnahme im Widerspruchsverfahren ausgeführt, die Kritik an der Prüfung des § 21 ZPO hinsichtlich der Gesamtbewertung habe eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. Dies lässt es aber nicht hinreichend erkennen, dass ein Einfluss der Kritik auf die Gesamtnote ausgeschlossen ist. Die Formulierung "allenfalls untergeordnete Rolle" lässt nicht den für die Überzeugung des Gerichts sicheren Schluss zu, dass die Kritik überhaupt keinen Einfluss auf die Notengebung hatte. Nur dies würde aber zur Unbeachtlichkeit eines materiellen Bewertungsfehlers führen. Dass die Kritik nicht völlig bedeutungslos ist, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur als Randbemerkung, sondern ebenfalls im Erstvotum in der abschließenden Bewertung aufgeführt ist. Der Einfluss des Korrekturfehlers auf die Bewertung kann überdies schon deshalb nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, da der Zweitgutachter sich zu der Bedeutung des Fehlers nicht geäußert hat. Da dieser sowohl der ursprünglichen Bewertung als auch den Stellungnahmen im Widerspruchs- und Klageverfahren der Erstkorrektorin jeweils nur mit einem Satz zustimmte, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass auch für ihn die Kritik keinen Einfluss auf die Bewertung hatte. Dies wäre aber im Hinblick auf die Funktion des Überdenkensverfahrens, grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten, erforderlich gewesen.
87Soweit der Kläger weitere Einwände gegen die Klausur Zivilrecht 1 vorbringt, liegt ein Bewertungsfehler nicht vor.
88Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht zu beanstanden. Der Kläger kam in seiner Lösung zu dem Ergebnis, dass der Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger aus dem Unfall resultierender Schäden festzustellen, nur im Hinblick auf materielle Schäden und nicht hinsichtlich immaterieller Schäden begründet sei. Zur Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses führt er lediglich aus "vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB". Die Erstkorrektorin hat dies in ihrer ursprünglichen Bewertung zutreffend als kaum vertretbar bezeichnet und in einer Randbemerkung den schlichten Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als nicht tragfähige Begründung gekennzeichnet. Soweit die Korrektorin die Qualität der Begründung des Klägers für sein Ergebnis bemängelt, unterliegt dies bereits nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Dem Kläger ist es deshalb auch verwehrt, sich auf ein Urteil des OLG Oldenburg, das seine Rechtsansicht teile, zu berufen. Denn die Kritik der Korrektorin beruht nicht maßgeblich auf dem vom Kläger vertretenen Ergebnis, sondern auf der unzureichenden Begründung seiner Auffassung. Eine ausführliche Begründung wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das vom Kläger vertretene Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Dass der BGH einen Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden grundsätzlich als zulässig erachtet, hätte der Kläger mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln auch erkennen können. So wird im für die Klausur zugelassenen Kommentar zum BGB ausgeführt: "Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftige, bisher noch nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten."
89Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 253, Rn. 25.
90Soweit der Kläger sich gegen die Kritik an der Annahme eines Mitverschuldensanteils von 20% wendet, liegt ein materieller Bewertungsfehler nicht vor. Die Kritik der Korrektorin bezieht sich auf die Begründung des Klägers. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
91Die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 ist rechtswidrig, da sie auf einem materiellen Bewertungsfehler beruht. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
92Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren hat der Kläger nicht übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig ist. Er führte in der Klausur auf S. 6 f. unter der Überschrift "Allg. Rechtsschutzbedürfnis" aus:
93"Der Antrag nach § 123 I VwGO ist nicht fristgebunden (vgl. § 123 II S. 2 VwGO). Er ist aber nur solange zulässig wie ein Antrag in der Hauptsache noch möglich ist. […] Der Antrag kann daher noch gestellt werden. Da sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde, sollte aus Kostengründen auch gar keine Klageschrift eingereicht werden."
94Aus dieser Passage wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Erhebung einer Klage in der Hauptsache erkannt hat. Er ging ebenfalls rechtlich zutreffend davon aus, dass nach dem konkreten Sachverhalt die Klageerhebung aber nicht notwendig war, da die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids erst am 1. Juli 2011, also erst nach dem Ende des Volksfestes (23. Juni bis 27. Juni 2011), zu dem der Mandant die Zulassung begehrte, eintrat. Der Kläger hat auch implizit eine Zweckmäßigkeitserwägung angestellt, da er auf das Kostenrisiko der Klageerhebung hinwies.
95Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den ursprünglichen Voten der Korrektoren noch nicht enthaltenen und erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Kritik, dass der Kläger im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte eingehen müssen. Dies stellt zwar für sich eine zulässige Bewertung der Leistungen des Klägers dar, ändert aber nichts an der rechtsfehlerhaften Bewertung, der Kläger habe übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig sei. Von der rechtsfehlerhaften Bewertung haben die Korrektoren keinen Abstand genommen.
96Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung des Prüfungsgesprächs.
97Eine Neubewertung des Prüfungsgesprächs scheidet vorliegend von vornherein aus, da sie wegen Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt nur in Betracht, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgebenden Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme des Prüfungsprotokolls, handschriftlicher Notizen oder eines vom Prüfling erstellten Gedächtnisprotokolls - zu vergegenwärtigen. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1995 - 19 A 4947/94 -, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 14 B 1378/13 -, juris, Rn. 9, m.w.N.,
99So liegt der Fall hier, denn seit der mündlichen Prüfung vom 20. Dezember 2011 sind inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen.
100Auch die Wiederholung der Prüfung scheidet aus. Die Bewertungsrügen des Klägers gegen das Prüfungsgespräch greifen nicht durch.
101Die Bewertung des zivilrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Prüfungsausschuss nicht rechtlich zutreffende Ausführungen als falsch angesehen. Der Prüfungsausschuss kritisierte, dass der Kläger sich nicht vertieft - sondern nur oberflächlich - mit der Frage der Gewährleistung bei einem Dienstvertrag auseinandergesetzt hat. Er hat dementsprechend nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis kritisiert, sondern die Qualität der Argumentation. Die Bewertung der Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Problem unterliegt dem verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Prüfer, der hier nicht verletzt ist.
102Hinsichtlich des strafrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist die Rüge des Klägers schon unsubstantiiert. Er hat keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung geltend gemacht; wendet sich vielmehr gegen die Gewichtung der Vor- und Nachteile seiner Bewertung, die dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterliegt.
103Auch der öffentlich rechtliche Teil des Prüfungsgesprächs unterliegt keinem Bewertungsfehler.
104Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe rechtlich zutreffende Ausführungen zur Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gemacht. Der Prüfungsausschuss wirft dem Kläger lediglich vor, seine Prüfung des § 240 Abs. 2 StGB sei ungenau, zum Teil diffus gewesen. Dies greift die fachwissenschaftliche Korrektheit der Ausführungen nicht an, sondern stellt nur eine Einschätzung der Qualität der Argumentation und inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Prüfungsfrage dar, was dem Beurteilungsspielraum der Prüfer unterfällt.
105Auch die Kritik der Kommission, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht die Prüferkritik dadurch in Zweifel zu ziehen, dass er gezielt nach der Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB gefragt worden sei und im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Erlaubnisnormen nicht zu prüfen seien, er deshalb also auch nicht darauf habe eingehen müssen. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei zum Tatbestand und zur Rechtswidrigkeit der Nötigung befragt worden. Schon daraus wird deutlich, dass für den Kläger Anlass und Möglichkeit bestanden hat, auf Erlaubnisnormen einzugehen und sich nicht auf eine Darstellung zur Verwerflichkeit zu beschränken. Zum anderen hatte der Prüfer - wie auch vom Kläger selbst vorgetragen - zu Beginn der Prüfung klargestellt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche und keine strafrechtliche Prüfung handeln sollte und deshalb auf die Probleme des Gefahrenabwehrrechts einzugehen sei. Die Prüferkritik, dass er auf Erlaubnisnormen nicht eingegangen sei, hat der Kläger im Ergebnis mit seinem Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren selbst zugestanden.
106Überdies ist zweifelhaft, ob die vom Kläger angegriffene Prüferkritik sich auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs ausgewirkt hat. Insoweit ist fraglich, ob sich die Bewertung einer Detailfrage in einem Prüfungsteil der mündlichen Prüfung, insbesondere da es sich nach dem einvernehmlichen Vortrag des Klägers und des Beklagten nur um den Einstieg der Prüfung handelte, auf die Note das Prüfungsgesprächs (befriedigend, 8 Punkte) ausgewirkt hat.
107Die Kritik der Kommission an den Ausführungen zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass die Kommission nicht das von ihm vertretene Ergebnis, auf den Wortlaut der Norm abzustellen, kritisiert. Sie hat hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung des Klägers mit dem aufgeworfenen Problem kritisiert, insbesondere dass er nicht andere Lösungsansätze ausreichend bedacht und diskutiert hat. Dies überschreitet nicht den den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraum. Soweit der Kläger verlangt, die Kommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er methodisch sauber auf den Wortlaut der Norm abgestellt habe was der herrschenden Meinung zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entspreche, setzt er seine Bewertung seiner Leistung an die Stelle der des Prüfungsausschusses.
108Da die Bewertungsrügen gegen die Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 Erfolg haben und diese neu zu bewerten sind, kann die vom Prüfungsausschuss getroffene und vom Kläger ebenfalls angegriffene Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 JAG NRW i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW nicht mehr gerichtlich kontrolliert werden, da sie im Falle einer Notenabänderung neu zu treffen wäre.
109Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenteilung berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren nur teilweise obsiegt. Ein Kläger ist auch dann durch ein seinem Bescheidungsantrag (äußerlich) stattgebendes Bescheidungsurteil beschwert, wenn sich - wie hier - die vom Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils für verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt. Das Begehren eines Klägers in einer auf (Neu-) Bescheidung gerichteten Klage ist nämlich darauf gerichtet, in den Entscheidungsgründen für die (Neu-) Bescheidungsverpflichtung des Beklagten seine in der Klage vorgebrachten Rechtsansichten verbindlich zu machen.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30/38, 7 C 31/7 C 31/80 -, DVBl. 1982, 447 = juris, Rn. 13 f., und vom 24. September 2009 - 7 C 2/09 -, BVerwGE 135, 34 = juris, Rn. 67.
111Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten und den Kläger über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch; er begehrt die Neubewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, die Wiederholung der mündlichen Prüfung sowie die erneute Entscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.
3Der am 27. August 1983 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 2009 bis 2011 den juristischen Vorbereitungsdienst. Seine zweite juristische Staatsprüfung wurde mit Zeugnis vom 19. April 2011 mit der Note befriedigend (8,27 Punkte) für bestanden erklärt. Der Beklagte änderte im vom Kläger angestrengten Widerspruchsverfahren die Note auf befriedigend (8,35 Punkte) ab.
4Der Kläger unterzog sich daraufhin der streitgegenständlichen zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch. Die Klausuren des Klägers aus dem Juni 2011 wurden wie folgt bewertet: Zivilrecht 1: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 2: ausreichend (6 Punkte), Zivilrecht 3: befriedigend (8 Punkte), Zivilrecht 4: vollbefriedigend (12 Punkte), Strafrecht 1: ausreichend (5 Punkte), Strafrecht 2: gut (13 Punkte), Öffentliches Recht 1: befriedigend (8 Punkte), Öffentliches Recht 2: vollbefriedigend (10 Punkte). Nachdem der Kläger im September 2011 ein LL.M. Studium an der Universität Chicago begonnen hatte, kehrte er kurz vor dem Termin zur mündlichen Prüfung am 20. Dezember 2011 nach Deutschland zurück. Im Rahmen der mündlichen Prüfung wurden der Vortrag mit befriedigend (8 Punkte) und das Prüfungsgespräch mit befriedigend (9 Punkte) bewertet.
5Aufgabenstellung der Klausur Zivilrecht 1 war die Fertigung eines Urteils des Landgerichts Essen. Nach dem Sachverhalt suchte die 1,56 m große Klausur-Klägerin in Essen-Borbeck einen Supermarkt der beklagten KaufMarkt GmbH auf, um dort ihre Einkäufe zu erledigen. Die Klägerin wollte unter anderem eine Suppendose erwerben, welche sich im obersten Fach eines Regals auf einer Höhe von 1,70 m befand. In den Regalen wurden die 11,5 cm hohen Dosen in Papppaletten in drei Reihen übereinander gestapelt. Der Klägerin erschien die oberste der drei übereinander stehenden Paletten leer zu sein, weshalb sie eine Dose auf der sich darunter befindenden Palette ergriff. Sie trug vor, eine zuvor nicht erkennbare Dose sei aus der oberen Palette herabgestürzt und habe sie im Gesicht getroffen. Die Beklagte bestritt dies mit Nichtwissen. Die Klägerin erlitt eine Verletzung des rechten Auges und war seitdem auf diesem nahezu blind. Sie machte gegenüber der Beklagten verschiedene Schadenspositionen in der Höhe von insgesamt 1.233,00 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 9.000,00 €) geltend. Weiterhin beantragte sie, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr sämtliche künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Klägerin sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsse, da sie habe erkennen können oder müssen, dass sich noch eine Dose auf der obersten Palette befunden habe. Das Gericht erhob Beweis über den Unfallhergang durch Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen.
6Die Erstkorrektorin bewertete die Leistung des Klägers mit befriedigend (8 Punkte). Sie führte unter anderem aus:
7"In den Entscheidungsgründen leitet Verf. die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 21 ZPO her, obwohl es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handelt. § 32 ZPO hätte zur Anwendung kommen sollen. […]
8Dass der Feststellungsantrag lediglich wegen zukünftiger materieller Schäden zulässig sein soll, ist kaum vertretbar. […]
9Verfasser prüft sodann ein Mitverschulden der Klägerin, dass zunächst mit 20 % festgestellt wird. Dass Verf. keinen höheren Anteil annimmt, wird mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet. Dieser Ansatz kann keinesfalls überzeugend.“
10Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
11Aufgabenstellung der Klausur Verwaltungsrecht 2 war die Begutachtung eines Sachverhalts aus anwaltlicher Sicht und die anschließende Fertigung eines Schriftsatzes an das Gericht. Nach dem Sachverhalt begehrt der Mandant die Zulassung zum Sommersend 2011, einem großen Volksfest in Münster. Das Fest sollte vom 23. Juni bis zum 27. Juni 2011 stattfinden. Die Stadt Münster lehnte den Antrag des Mandanten auf Zulassung zum Markt mit Bescheid vom 1. Juni 2011 ab und bevorzugte zwei Konkurrenten.
12Der Erstkorrektor bewertete die Leistung des Klägers mit vollbefriedigend (10 Punkte). Er führte unter anderem aus:
13"Im Rahmen der Zweckmäßigkeitsüberlegungen geht Verfasser nicht hinreichend differenziert auf die Aspekte der Glaubhaftmachung und Beiladung der Mitkonkurrenten ein. Das Erfordernis der Erhebung der Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides wird nicht gesehen.“
14Der Zweitkorrektor stimmte der Bewertung zu.
15Mit Schreiben vom 26. Dezember 2011 beantragte der Kläger eine schriftliche Begründung der Bewertung seiner Leistungen im Prüfungsgespräch, die ihm mit Schreiben vom 16. Januar 2012 zur Verfügung gestellt wurde. In der Begründung heißt es auszugsweise:
16"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. […]
17Im zweiten Fall klagte eine Zahnärztin Honorar für eine Wurzelbehandlung eines Zahnes ein, obwohl die Behandlung erfolglos und der Zahn wegen einer abgebrochenen Behandlungsnadel verloren wurde (vereinfachter Sachverhalt zu MDR 2011, 1278). Herr Piepers sollte die Gewährleistung im Dienstvertragsrecht darstellen. Es fehlte die Erwägung, dass für eine völlig unbrauchbare Leistung, die der Nichtleistung der Dienste entspricht, eine Vergütung nicht verlangt werden kann. Die Ausführungen zu einer Gewährleistung (Minderung, Nachbesserung, Schadensersatz) waren oberflächlich und zäh; es gelang dem Prüfling in keinem Abschnitt, von sich aus die Problematik auf den Punkt zu bringen. […]
18Im öffentlichen Recht ging es um die Androhung von Folter durch einen Polizisten, der vom geständigen Straftäter den Aufenthaltsort des Entführten wissen wollte (Fall Daschner/Gaefgen/von Metzler). Herr Q. prüfte § 240 StGB, wurde bereits im Rahmen der Prüfung des § 240 Abs. 2 ungenau, zum Teil diffus. Es gelang ihm nicht, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen. […] Herr Q. hat sich zutreffend dazu geäußert, dass nach § 9 PolG die Befragung zulässig war, die Beantwortung der Frage aber, ob sich aus § 9 Abs. 2 PolG eine Verpflichtung des Handlungsstörers zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des Entführungsopfers ergibt, bedurfte erheblicher Hilfestellung durch den Prüfer. Zu dem im § 26 VwVfG geregelten Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Selbstbelastung hat er wenig sachdienliches beizutragen vermocht. Da er diese Vorschrift nicht kannte, machte er einen wenig förderlichen Exkurs in das US-amerikanische Recht; auch die praktischen Konsequenzen, die sich bei einer angenommenen Verpflichtung zur Auskunft ergeben, hatten allenfalls durchschnittliches Niveau. Negativ ins Gewicht fiel vor allem, dass der Prüfling das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftspflicht und Selbstbelastung mit dem Wegfall der Auskunftspflicht lösen wollte, statt ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen."
19Der Prüfungsausschuss setzte die Gesamtnote am 20. Dezember 2011 auf den aus den Einzelnoten rechnerisch ermittelten Wert „befriedigend (8,75 Punkte)“ fest. Er sah keinen Anlass für eine Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote. Das Landesjustizprüfungsamt teilte das Prüfungsergebnis dem Kläger mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 mit.
20Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2011, dem Beklagten zugegangen am 3. Januar 2012, legte der Kläger Widerspruch ein.
21Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 trug er vor, die Herleitung des Gerichtsstands aus § 21 ZPO sei vertretbar und es hätten gute Gründe vorgelegen, nicht auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung aus § 32 ZPO einzugehen. Seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags zukünftiger Schmerzensgeldansprüche wichen zwar von der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsauffassung ab, seien gleichwohl aber vertretbar. Hinsichtlich der Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 führte er aus, seine Überlegungen, eine Verpflichtungsklage nicht zu erheben, seien zutreffend. Er habe nicht verkannt, dass eine Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft erhoben werden müsse, sondern zutreffend ausgeführt, dass eine solche Bestandskraft gar nicht drohe, da sich das Begehren des Mandanten vor Ablauf der Klagefrist erledige. Von der Erhebung einer Verpflichtungsklage habe aus anwaltlicher Sicht abgeraten werden müssen, da sie lediglich ein unnötiges Kostenrisiko verursache.
22Weiterhin rügte er mehrere Bewertungsfehler hinsichtlich des Prüfungsgesprächs.
23Der öffentlich-rechtliche Teil des Gesprächs sei nach einer Sachverhaltsschilderung mit der Frage eröffnet worden, ob der handelnde Polizeipräsident sich wegen einer Nötigung nach § 240 StGB strafbar gemacht habe. Im Rahmen der Prüfung der Rechtswidrigkeit habe er klargestellt, dass bei der Nötigung zwischen dem Eingreifen von allgemeinen Rechtfertigungsgründen einerseits und der weiterhin festzustellenden Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB andererseits zu unterscheiden sei. Der Prüfer habe ihn daraufhin gefragt, ob die Handlung des Polizeipräsidenten denn verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei. Er, der Kläger, habe dann ausgeführt, dass sich die Verwerflichkeit aus dem eingesetzten Nötigungsmittel und dem verfolgten Zweck ergeben könne. Der Prüfer sei mit der Antwort nicht zufrieden gewesen, habe einen anderen Prüfling aufgerufen und schließlich resümiert, dass eine tatbestandliche Nötigung nicht verwerflich nach § 240 Abs. 2 StGB sein könne, wenn die Handlung von einer Rechtsnorm gedeckt sei. In der schriftlichen Begründung der Prüfungskommission werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe seine Aussage, Beamten dürften nach der Rechtsordnung nicht drohen, nicht auf eine Norm zurückgeführt. Anschließend sei zu prüfen gewesen, ob eine Auskunftspflicht des Täters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW durch das Bestehen eines Auskunftsverweigerungsrechts entfallen könne. Ihm sei die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG NRW nicht bekannt gewesen. Er habe erörtern sollen, ob der Konflikt zwischen Auskunftspflicht und Auskunftsverweigerungsrecht auch ohne den Wegfall der Auskunftspflicht gelöst werden könne. Er habe den Standpunkt vertreten, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eindeutig sei und daher die Norm keiner anderen Auslegung zugänglich sei. Die Prüfungskommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er sich methodisch sauber am Wortlaut der Norm orientiert habe und auf dieser Basis zu der für NRW herrschenden Rechtsauffassung gekommen sei.
24Die Bewertung des zivilrechtlichen Gesprächs unterliege einem Bewertungsfehler, da die von ihm dargestellte Lösung des zweiten Falls entgegen der Kritik durch die Kommission rechtlich richtig sei. Er habe die Auffassung vertreten, bei einer nicht lege artis durchgeführten und im Ergebnis unbrauchbaren ärztlichen Heilbehandlung komme ein Wegfall der Vergütung durch Minderung nicht in Betracht, da dies im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen sei. Ein Wegfall der Vergütung könne nur daraus resultieren, dass dem Vergütungsanspruch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB entgegengehalten werde. Auf Nachfrage habe er präzisiert, dass es als Anwalt die Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch erklären würde. Dies entspreche der h.M. in der Literatur und der Rechtsprechung.
25Im strafrechtlichen Prüfungsgespräch habe er ausgeführt, die Frage, ob eine Schreckschusspistole eine Waffe ist, sei streitig. Er habe die Auffassung vertreten, die Waffenqualität sei abzulehnen, da eine Schreckschusspistole bei bestimmungsgemäßer Verwendung nicht der Verletzung von Menschen diene. Weiterhin habe er dargestellt, dass Fahrer, die aus einem Kraftfahrzeug ausgestiegen sind, nur in absoluten Ausnahmefällen noch taugliche Opfer eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer sein können.
26Schließlich rügte er, dass der Prüfungsausschuss nicht von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote abgewichen sei. Schon seine Leistungen während des Vorbereitungsdienstes, insbesondere die in der praktischen Ausbildung erzielten Noten, würden zeigen, dass eine Anhebung der Gesamtnote geboten gewesen wäre. Zudem sei das in der mündlichen Prüfung erzielte Ergebnis ein Ausreißer, da er dort deutlich schlechter bewertet worden sei als in früheren mündlichen Prüfungen.
27Das beklagte Prüfungsamt holte Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten.
28Die Erstkorrektorin der Klausur Zivilrecht 1 führte unter anderem aus:
29"Soweit sich der Widerspruch gegen die Bewertung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Feststellungsantrages hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden wendet, bleibe ich ebenfalls bei meinen Beanstandungen – die allerdings gegenüber den zuvor aufgezeigten Mängeln der Arbeit hinsichtlich der Gesamtbewertung eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt haben.
30Die Annahme des § 21 ZPO bleibt spekulativ. Zudem ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Beklagte unter dem Ort einer Niederlassung in Anspruch nehmen wollte. Nahe liegend war dagegen die Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO. Wenn der Widerspruchsführer darauf hinweist, dass zur Begründung des § 32 ZPO nähere Ausführungen zu dem Begehren des Klägers und zur Prüfungsbefugnis des Gerichts im Gerichtsstand des § 32 ZPO erforderlich gewesen wären, so können von einer überdurchschnittlichen Leistung solche Ausführungen erwartet werden.
31Hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsantrages bleibe ich dabei, dass Verf. eine überzeugende Begründung nicht gegeben hat. Eine Auseinandersetzung mit der herrschenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist gerade nicht erfolgt. Von einer überdurchschnittlichen Leistung wäre das zu erwarten. Der Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist keinesfalls ausreichend.“
32Der Zweitkorrektor vermerkte handschriftlich auf der Stellungnahme der Erstkorrektorin: "Ich stimme dem uneingeschränkt zu". Nach Aufforderung des Beklagten hielt die Erstkorrektorin in einer zusätzlichen Stellungnahme weiter an ihrer Bewertung fest. Der Zweitkorrektor stimmte dem erneut handschriftlich mit einem Satz zu.
33Im Hinblick auf die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 1 führte der Erstkorrektor unter anderem aus:
34"Der Widerspruchsführer behandelt die Zweckmäßigkeitsfrage, ob der Mandant eine Verpflichtungsklage erheben sollte, zunächst systematisch zweifelhaft im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses des Eilantrages (Bl. 7). Er ist der Ansicht, dass „aus Kostengründen noch gar keine Klageschrift eingereicht werden“ soll. Zur Begründung hierfür wird weiter ausgeführt, dass „sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde“.
35Bei diesen aus anwaltlicher Perspektive unangemessen kurzen Erwägungen zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Verpflichtungsklage wird zunächst der Sinn einer solchen Klage, nämlich die Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 1.6.2011 nicht hinreichend erörtert. Es wird dabei zum einen nicht bedacht, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, bis zum Ablauf des Sommersends über die Klage entscheiden zu können.
36Sollte das Verwaltungsgericht bis zum Ablauf des Sommersends nicht über die Klage entschieden haben, wäre der Klageantrag auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umzustellen, vgl. § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt in der Wiederholungsgefahr und der Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Auch diese Klageart die dahingehenden Interessen spricht der Widerspruchsführer zu diesem Komplex in seiner Klausur nicht an."
37Der Zweitkorrektor nahm ebenfalls Stellung und stimmte der Einschätzung des Erstkorrektors zu.
38Hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs führte der Prüfungsausschuss in einer gemeinsamen Stellungnahme der Prüfer unter anderem aus:
39"Im Zivilrecht waren beide Fälle dem aktuellen Heft 21/2011 der MDR entnommen worden. Sie sollten aus der Sicht eines Rechtsanwalts begutachtet werden. […]
40Zutreffend erkennt der Widerspruchsführer in der Widerspruchsschrift (allerdings nicht während seiner mündlichen Prüfung), dass zur Gewährleistung im Dienstvertrag verschiedene Meinungen vertreten werden. […] Entscheidend war nicht, welche Meinung vertreten wurde, sondern dass man unterschiedliche Ansätze sieht und wie die Positionen herausgearbeitet, argumentativ hergeleitet und abgegrenzt wurden. Die rechtlichen Recherchen, die der Widerspruchsführer für seine Widerspruchsschrift angestellt hat, waren nicht Bestandteil einer Prüfungsleistung. Dabei wird nicht negativ bewertet, dass der Widerspruchsführer § 280 BGB für anwendbar erachtet. Eine überdurchschnittliche Leistung hätte eine mögliche andere Meinung und das Problem des Vorranges des besonderen Schuldrechts vor dem allgemeinen Schuldrecht herausgearbeitet. Der Widerspruchsführer blieb die Argumentation schuldig, seine Stellungnahme blieb oberflächlich, sein Verweis auf § 280 BGB undifferenziert und zu pauschal. […]
41Die Ausführungen des Widerspruchsführers im Prüfungsteil öffentliches Recht waren in weiten Teilen mängelbehaftet. […]
42Der Einstieg in die Prüfung des Falles erfolgte zwar über § 240 StGB, der Prüfer hatte aber von Anfang an klargemacht, dass er keine strafrechtliche, sondern eine öffentlich rechtliche Prüfung durchführen wollte; es sollte (deshalb) um die nach dem Polizeirecht (Gefahrenabwehr) zu beantwortende Frage gehen, ob der E. dem H. rechtmäßiger Weise Gewalt androhen durfte, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Entführungsopfers zu erfahren. […]
43Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung sollte die Beantwortung der Frage sein, ob die Regelung im § 26 Abs. 2 S. 4 VwVfG eine Abwägung zulässt, wenn es in einem konkreten Fall – wie hier – um das Leben eines Kindes geht. Ohne tiefergehende Argumentation hat sich der Widerspruchsführer unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift für den Wegfall der Auskunftspflicht entschieden. Von einem Kandidaten, der eine überdurchschnittliche Benotung anstrebt, hätte erwartet werden müssen, dass er auch ein anderes Ergebnis in Betracht zieht: unbeschränkte Auskunftspflicht trotz einer drohenden Selbstbezichtigung, wenn der Aussagepflichtige durch ein Verwertungsverbot von strafrechtlicher Verfolgungen geschützt wird. […]
44Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2012 teilte der Prüfungsausschuss mit, dass nach nochmaliger Beratung auch an der Entscheidung festgehalten werde, nicht von dem rechnerisch ermittelten Wert der Gesamtnote abzuweichen.
45Mit Bescheid vom 25. Juni 2012, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, wies das beklagte Landesjustizprüfungsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Korrektoren und des Prüfungsausschusses den Widerspruch zurück.
46Am 19. Juli 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug und trägt ergänzend vor: Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, der mündlichen Prüfung sowie die Abweichungsentscheidung seien rechtswidrig, da das Überdenkensverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts sei dieses so auszugestalten, dass sämtlichen beteiligten Prüfern die vom Prüfling geäußerten Überdenkensaspekte unabhängig voneinander zugeleitet werden. Die Prüfer müssten ihre Erwägungen zu den Überdenkensaspekten schriftlich fixieren, bevor sie sich untereinander austauschen dürften, da nur so ein ernsthaftes, unbeeinflusstes und unabhängiges Überdenken stattfinden könnte.
47Er beantragt,
48den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Klausuren 'Zivilrecht 1' und 'Verwaltungsrecht 2' neu zu bewerten sowie das Prüfungsgespräch zu wiederholen und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden,
49hilfsweise,
50den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote für seine zweite juristische Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch erneut zu entscheiden und ihn über das Ergebnis seiner zweiten juristischen Staatsprüfung im Notenverbesserungsversuch neu zu bescheiden.
51Der Beklagte beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Er verweist auf die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten Stellungnahmen der Korrektoren der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2, des Prüfungsausschusses sowie auf den Vermerk zur Vorbereitung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend trägt er zur Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 vor, dass der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 Abs. 1 ZPO entgegen der Lösung des Klägers nicht unproblematisch eröffnet sei. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung der Beklagten handele. Die Erstkorrektorin habe ihrer Kritik zudem allenfalls eine untergeordnete Rolle beigemessen, sodass auch bei Ausblenden des in Rede stehenden Kritikpunktes eine andere Gesamtnote nicht vergeben worden wäre. Im Hinblick auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs im Rahmen der mündlichen Prüfung stelle der Kläger nur dar, wie dieses aus seiner Sicht abgelaufen sei, ohne konkrete Bewertungsfehler zu rügen. Das Überdenkensverfahrens sei ordnungsgemäß abgelaufen. Die Korrektoren der Klausuren hätten selbstständige und nicht gemeinsame Stellungnahmen abgegeben. Der Prüfungsausschuss sei berechtigt und verpflichtet, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
55Entscheidungsgründe:
56Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
57Der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 22. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsklausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, weil deren Bewertung teilweise fehlerhaft ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der weitergehenden Einwände gegen die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 sowie gegen das Prüfungsgespräch, ist die Klage unbegründet.
58Bei der Anfechtung von Prüfungsentscheidungen sind die Gerichte grundsätzlich zur vollständigen Nachprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichtet. Lediglich bei "prüfungsspezifischen" Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde ein die gerichtliche Kontrolle insoweit einschränkender Entscheidungsspielraum, dessen Überprüfung darauf beschränkt ist, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob der Prüfer von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
59Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419.81 und 213.83 -, NJW 1991, 2005 ff.
60Zu den allgemein gültigen, aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Bewertungsgrundsätzen gehört, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Zusätzlich ist eine Willkürkontrolle durchzuführen. Bei der Willkürkontrolle ist davon auszugehen, dass eine willkürliche Fehleinschätzung der Prüfungsleistung schon dann anzunehmen ist, wenn die Einschätzung Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dabei setzt eine wirksame Kontrolle durch das Gericht allerdings voraus, dass der klagende Prüfling dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht "wirkungsvolle Hinweise" gibt.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 ‑, www.nrwe.de, und Urteile vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 - und vom 14. März 1994 - 22 A 201/93 -, beide juris.
62Dies bedeutet, dass der Prüfling seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründen muss, um dem Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welcher Richtung der Sachverhalt für eine gerichtliche Überzeugungsbildung - notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - (weiter) aufzuklären ist.
63Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - 26 K 1841/09 -, juris, m.w.N.
64Insoweit ist zu berücksichtigen, dass alle Fragen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich bzw. anhand objektiver fachwissenschaftlicher Kriterien zu beantworten sind, gerichtlich voll überprüfbar sind. Um Fachfragen geht es dabei unter anderem dann, wenn bei einer Beurteilung von Prüfungsleistungen etwa die Methodik der Darstellung oder die Vertretbarkeit der Lösung des Prüflings in Rede stehen. Prüfungsspezifische Bewertungen, die nur beschränkt einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind, sind solche, die im Gesamtzusammenhang eines oder mehrerer Prüfungsverfahren getroffen werden müssen und sich deshalb nicht isoliert nachvollziehen lassen, wie etwa die Entscheidung, welche der vom Prüfer angenommenen Mängel sich überhaupt und mit welchem Gewicht in ihrer Leistungsbeurteilung niederschlagen,
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404, und Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9.95 -, NJW 1998, 323; VG Köln, Urteil vom 2. Juni 2010 - 6 K 7330/08 -, juris.
66Hiervon ausgehend erweist sich die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 als rechtswidrig. Sie sind jeweils neu zu bewerten. Die Bewertung des Prüfungsgesprächs als Teil der mündlichen Prüfung ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden.
67Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 leidet an einem Verfahrensfehler. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Überdenkensverfahren aber hinsichtlich der übrigen gerügten Prüfungsteile ordnungsgemäß abgelaufen.
68Das Überdenkensverfahren besitzt im Hinblick auf die Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Prüfungsleistungen die Funktion, dem Kandidaten grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten. Dazu muss durch die Verfahrensgestaltung sichergestellt sein, dass die Kritik des Kandidaten an seiner Bewertung von den Prüfern behandelt und gewürdigt wird. Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn die Korrektoren eine gemeinsame Stellungnahme entwerfen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. April 2012 - 14 A 2687/09 -, juris, Rn. 69 ff.; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39/12 -, NVwZ-RR 2013, 44 = juris, Rn. 5 ff.
70Diesem Maßstab wird die Durchführung des Überdenkensverfahrens für die Klausur Zivilrecht 1 nicht gerecht. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass der Zweitkorrektor sich mit den Einwänden und der Kritik des Klägers auseinandergesetzt hat. Der Zweitkorrektor hat sich darauf beschränkt, sich den beiden Stellungnahmen der Erstkorrektorin im Überdenkensverfahren jeweils nur mit einem Satz anzuschließen. Zwar ist bei der ursprünglichen Bewertung einer Klausur die bloße Erklärung des Einverständnisses durch den Zweitguachter mit der Bewertung des Erstgutachters nicht zu beanstanden.
71Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 1988 - 7 B 155/88, juris; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 5/93 -, NVwZ-RR 1994, 582 = juris, Rn. 38; OVG NRW, Urteil vom 25. April 1997 - 22 A 4028/94 -, NWVBl. 1997, 434 = juris, Rn. 6.
72Dies gilt aber nicht mehr im Überdenkensverfahren. Der Prüfling muss im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2) substantiierte Angriffe auf die Prüferkritik vorbringen. Dies ist ihm - schon im Hinblick auf die begrenzte verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte im Prüfungsrecht - nur dann möglich, wenn die Prüfer im Überdenkensverfahren ihre - selbstständigen - Bewertungen erläutern und plausibilisieren. Nur die eigene textliche Stellungnahme eines Prüfers ermöglicht es dem Verwaltungsgericht, die ursprünglich vorgenommene Bewertung auf Fehler zu überprüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zweitkorrektor in der Ursprungsbewertung keine eigenen inhaltlichen Ausführungen zur Bewertung gemacht hat.
73Das Überdenkensverfahren hinsichtlich der Bewertung der Aufsichtsarbeit Verwaltungsrecht 2 ist hingegen ordnungsgemäß abgelaufen, da der Zweitkorrektor eine umfassende Stellungnahme abgegeben hat. Es ist auch unbedenklich, dass dem Zweitkorrektor bei der Verfassung seiner Stellungnahme im Überdenkensverfahren die Stellungnahme des Erstkorrektors bereits bekannt war. Mit dem Charakter des Überdenkensverfahrens sind nur gemeinsame Stellungnahmen der Korrektoren unvereinbar. Es ist hingegen nicht die Unkenntnis des Zweitgutachters von der Stellungnahme des Erstgutachters erforderlich.
74Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2013 - 14 B 1262/13 -, juris, Rn. 13.
75Soweit der Kläger eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses im Überdenkungsverfahren hinsichtlich der Bewertung des Prüfungsgesprächs sowie der Nichtabweichungsentscheidung rügt, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW trifft der Prüfungsausschuss alle Entscheidungen über Prüfungsleistungen, insbesondere - abgesehen von der Bewertung der Aufsichtsarbeiten - die Entscheidung über das Prüfungsergebnis. Er entscheidet gemäß Satz 2 der Vorschrift mit Stimmenmehrheit. Dies verdeutlicht, dass - anders als bei den Aufsichtsarbeiten - die Bewertung durch den Prüfungsausschuss und nicht durch die Prüfer jeweils selbstständig erfolgt. Demnach ist auch im Überdenkungsverfahren eine gemeinsame Stellungnahme des Prüfungsausschusses unbedenklich.
76Die Bewertung der Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 unterliegt materiellen Bewertungsfehlern.
77Die Bewertung der Klausur Zivilrecht 1 unterliegt einem materiellen Bewertungsfehler und erweist sich auch deshalb als rechtswidrig. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
78Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren kam der Kläger in seinem Urteilsentwurf rechtlich zutreffend zu dem Ergebnis, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen durch § 21 Abs. 1 ZPO, dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung, begründet wird. Die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Essen unterliegt als fachwissenschaftliche Frage der vollständigen Kontrolle des Gerichts; die Korrektoren können sich insoweit nicht auf einen prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum berufen. Die von den Prüfern vorgenommene Kritik, an der sie auch im Widerspruchs- und Klageverfahren festhielten, verletzt anerkannte Bewertungsmaßstäbe.
79§ 21 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass wenn jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, alle Klagen gegen ihn, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Orts erhoben werden können, wo die Niederlassung sich befindet.
80Sinn und Zweck des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO ist es, die Rechtsverfolgung gegen Gewerbetreibende für bestimmte vermögensrechtliche Klagen zu erleichtern. Eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift ist jede von dem Inhaber an einem anderen Ort als dem seines (Wohn-)Sitzes für eine gewisse Dauer eingerichtete, auf seinen Namen und für seine Rechnung betriebene und in der Regel selbstständig, d.h. aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluss und Handeln berechtigte Geschäftsstelle. Die Selbstständigkeit der Niederlassung kann bei Zweigbetrieben fehlen. Entscheidend ist nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
81Vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. (2012), § 21, Rn. 6 ff.; H. Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. (2003), § 21 Rn. 11 ff.; Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. (2008), § 21 Rn. 6 ff.
82Gemessen an diesen Anforderungen und im Hinblick auf die Angaben im Klausursachverhalt ging der Kläger in seiner Lösung zutreffend davon aus, dass das Landgericht Essen nach § 21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig sei. Er hat auf S. 17 seiner Klausurlösung feststellend subsumiert, dass es sich bei dem Supermarkt um eine Niederlassung handele, da "dort selbständig Geschäfte abgeschlossen und abgewickelt" werden. Dies entspricht einer lebensnahen Auslegung des Sachverhalts. Die Korrektoren haben die Lösung des Klägers hingegen als falsch bewertet. In der Randbemerkung auf S. 16 vermerkten sie zwar nur "fraglich, § 32 ZPO", was für sich genommen noch nur als Kritik an der Begründung des Klägers und nicht an dem Ergebnis verstanden werden könnte. In ihrem abschließenden Gutachten führte die Erstkorrektorin hingegen aus, dass § 32 ZPO zur Anwendung hätte kommen sollen. Dies und die im Widerspruchs- und Klageverfahren eingeholten weiteren Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kritik der Korrektoren sich nicht nur auf die Qualität der Begründung beschränkt. Die Korrektoren und der Beklagte haben trotz mehrfacher Stellungnahme nicht begründet, warum die vom Kläger vorgenommene Subsumtion fehlerhaft ist. Insbesondere überzeugt nicht die Kritik, dass die Annahme von § 21 Abs. 1 ZPO spekulativ sei. Die Angaben im Sachverhalt weisen genug Informationen auf, damit der Kläger von der Berechtigung des Supermarktes zum selbstständigen Abschluss von Geschäften ausgehen durfte. Dies gilt umso mehr, da es nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ausreicht, wenn der Anschein einer selbstständigen Niederlassung erweckt wird.
83Der Korrekturfehler ist auch nicht deshalb ausnahmsweise unbeachtlich, weil ein Einfluss auf die Bewertung auszuschließen ist.
84Unbeachtlich ist ein materieller Bewertungsfehler nur dann, wenn sich seine Auswirkung auf die Notengebung mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen lässt. Bei der Prüfung der Kausalität eines materiellen Bewertungsfehlers unterliegen die Gerichte denselben Beschränkungen wie bei der Überprüfung, ob ein materieller Prüfungsfehler vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen. Die Gerichte können deswegen mögliche Auswirkungen eines Prüfungsfehlers nicht in der Weise verneinen, dass sie selbst Bewertungen vornehmen, indem sie verschiedene gestellte Aufgaben untereinander oder Schwächen in der Bearbeitung oder die Bedeutung des Mangels gewichten. Lässt sich die Ursächlichkeit des Fehlers für die Notengebung nicht sicher ausschließen, kann das Gericht die Leistungsbewertung nicht ersetzen, sondern den Prüfungsbescheid lediglich aufheben.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2013 - 14 E 686/13 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Urteile vom 12. November 1997 - 6 C 11/96 -, BVerwGE 105, 328 = juris, Rn. 21 f. und vom 27. April 1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921 = juris, Rn. 34.
86Eine Auswirkung des Fehlers lässt sich vorliegend nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen. Zwar hat die Erstkorrektorin in ihrer zweiten Stellungnahme im Widerspruchsverfahren ausgeführt, die Kritik an der Prüfung des § 21 ZPO hinsichtlich der Gesamtbewertung habe eine allenfalls untergeordnete Rolle gespielt. Dies lässt es aber nicht hinreichend erkennen, dass ein Einfluss der Kritik auf die Gesamtnote ausgeschlossen ist. Die Formulierung "allenfalls untergeordnete Rolle" lässt nicht den für die Überzeugung des Gerichts sicheren Schluss zu, dass die Kritik überhaupt keinen Einfluss auf die Notengebung hatte. Nur dies würde aber zur Unbeachtlichkeit eines materiellen Bewertungsfehlers führen. Dass die Kritik nicht völlig bedeutungslos ist, ergibt sich auch daraus, dass sie nicht nur als Randbemerkung, sondern ebenfalls im Erstvotum in der abschließenden Bewertung aufgeführt ist. Der Einfluss des Korrekturfehlers auf die Bewertung kann überdies schon deshalb nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden, da der Zweitgutachter sich zu der Bedeutung des Fehlers nicht geäußert hat. Da dieser sowohl der ursprünglichen Bewertung als auch den Stellungnahmen im Widerspruchs- und Klageverfahren der Erstkorrektorin jeweils nur mit einem Satz zustimmte, hat er nicht substantiiert dargelegt, dass auch für ihn die Kritik keinen Einfluss auf die Bewertung hatte. Dies wäre aber im Hinblick auf die Funktion des Überdenkensverfahrens, grundrechtsadäquaten Rechtsschutz zu gewährleisten, erforderlich gewesen.
87Soweit der Kläger weitere Einwände gegen die Klausur Zivilrecht 1 vorbringt, liegt ein Bewertungsfehler nicht vor.
88Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die Kritik der Korrektoren an seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht zu beanstanden. Der Kläger kam in seiner Lösung zu dem Ergebnis, dass der Antrag, die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger aus dem Unfall resultierender Schäden festzustellen, nur im Hinblick auf materielle Schäden und nicht hinsichtlich immaterieller Schäden begründet sei. Zur Begründung des fehlenden Feststellungsinteresses führt er lediglich aus "vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB". Die Erstkorrektorin hat dies in ihrer ursprünglichen Bewertung zutreffend als kaum vertretbar bezeichnet und in einer Randbemerkung den schlichten Verweis auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB als nicht tragfähige Begründung gekennzeichnet. Soweit die Korrektorin die Qualität der Begründung des Klägers für sein Ergebnis bemängelt, unterliegt dies bereits nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da die Bewertung der Qualität der Argumentation des Kandidaten dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterfällt. Dem Kläger ist es deshalb auch verwehrt, sich auf ein Urteil des OLG Oldenburg, das seine Rechtsansicht teile, zu berufen. Denn die Kritik der Korrektorin beruht nicht maßgeblich auf dem vom Kläger vertretenen Ergebnis, sondern auf der unzureichenden Begründung seiner Auffassung. Eine ausführliche Begründung wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil das vom Kläger vertretene Ergebnis von der Rechtsprechung des BGH abweicht. Dass der BGH einen Feststellungsantrag für zukünftige immaterielle Schäden grundsätzlich als zulässig erachtet, hätte der Kläger mit den für die Klausur zugelassenen Hilfsmitteln auch erkennen können. So wird im für die Klausur zugelassenen Kommentar zum BGB ausgeführt: "Die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere immaterielle Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass künftige, bisher noch nicht erkannte und nicht voraussehbare Leiden auftreten."
89Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. (2011), § 253, Rn. 25.
90Soweit der Kläger sich gegen die Kritik an der Annahme eines Mitverschuldensanteils von 20% wendet, liegt ein materieller Bewertungsfehler nicht vor. Die Kritik der Korrektorin bezieht sich auf die Begründung des Klägers. Die Bewertung der Qualität der Argumentation unterfällt dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum der Korrektoren und unterliegt damit nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
91Die Bewertung der Klausur Verwaltungsrecht 2 ist rechtswidrig, da sie auf einem materiellen Bewertungsfehler beruht. Sie ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
92Entgegen der Bewertung durch die Korrektoren hat der Kläger nicht übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig ist. Er führte in der Klausur auf S. 6 f. unter der Überschrift "Allg. Rechtsschutzbedürfnis" aus:
93"Der Antrag nach § 123 I VwGO ist nicht fristgebunden (vgl. § 123 II S. 2 VwGO). Er ist aber nur solange zulässig wie ein Antrag in der Hauptsache noch möglich ist. […] Der Antrag kann daher noch gestellt werden. Da sich die Angelegenheit hier ohnehin vor Fristablauf erledigen würde, sollte aus Kostengründen auch gar keine Klageschrift eingereicht werden."
94Aus dieser Passage wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die grundsätzliche Notwendigkeit der Erhebung einer Klage in der Hauptsache erkannt hat. Er ging ebenfalls rechtlich zutreffend davon aus, dass nach dem konkreten Sachverhalt die Klageerhebung aber nicht notwendig war, da die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids erst am 1. Juli 2011, also erst nach dem Ende des Volksfestes (23. Juni bis 27. Juni 2011), zu dem der Mandant die Zulassung begehrte, eintrat. Der Kläger hat auch implizit eine Zweckmäßigkeitserwägung angestellt, da er auf das Kostenrisiko der Klageerhebung hinwies.
95Etwas anderes folgt auch nicht aus der in den ursprünglichen Voten der Korrektoren noch nicht enthaltenen und erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Kritik, dass der Kläger im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte eingehen müssen. Dies stellt zwar für sich eine zulässige Bewertung der Leistungen des Klägers dar, ändert aber nichts an der rechtsfehlerhaften Bewertung, der Kläger habe übersehen, dass die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Verhinderung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides notwendig sei. Von der rechtsfehlerhaften Bewertung haben die Korrektoren keinen Abstand genommen.
96Ohne Erfolg bleiben die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung des Prüfungsgesprächs.
97Eine Neubewertung des Prüfungsgesprächs scheidet vorliegend von vornherein aus, da sie wegen Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt nur in Betracht, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgebenden Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme des Prüfungsprotokolls, handschriftlicher Notizen oder eines vom Prüfling erstellten Gedächtnisprotokolls - zu vergegenwärtigen. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich.
98Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Oktober 1995 - 19 A 4947/94 -, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - 14 B 1378/13 -, juris, Rn. 9, m.w.N.,
99So liegt der Fall hier, denn seit der mündlichen Prüfung vom 20. Dezember 2011 sind inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen.
100Auch die Wiederholung der Prüfung scheidet aus. Die Bewertungsrügen des Klägers gegen das Prüfungsgespräch greifen nicht durch.
101Die Bewertung des zivilrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Prüfungsausschuss nicht rechtlich zutreffende Ausführungen als falsch angesehen. Der Prüfungsausschuss kritisierte, dass der Kläger sich nicht vertieft - sondern nur oberflächlich - mit der Frage der Gewährleistung bei einem Dienstvertrag auseinandergesetzt hat. Er hat dementsprechend nicht das vom Kläger vertretene Ergebnis kritisiert, sondern die Qualität der Argumentation. Die Bewertung der Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einem Problem unterliegt dem verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Prüfer, der hier nicht verletzt ist.
102Hinsichtlich des strafrechtlichen Teils des Prüfungsgesprächs ist die Rüge des Klägers schon unsubstantiiert. Er hat keine konkreten Einwendungen gegen die Bewertung geltend gemacht; wendet sich vielmehr gegen die Gewichtung der Vor- und Nachteile seiner Bewertung, die dem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum unterliegt.
103Auch der öffentlich rechtliche Teil des Prüfungsgesprächs unterliegt keinem Bewertungsfehler.
104Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe rechtlich zutreffende Ausführungen zur Prüfung der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB gemacht. Der Prüfungsausschuss wirft dem Kläger lediglich vor, seine Prüfung des § 240 Abs. 2 StGB sei ungenau, zum Teil diffus gewesen. Dies greift die fachwissenschaftliche Korrektheit der Ausführungen nicht an, sondern stellt nur eine Einschätzung der Qualität der Argumentation und inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Prüfungsfrage dar, was dem Beurteilungsspielraum der Prüfer unterfällt.
105Auch die Kritik der Kommission, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Aussage, Beamte dürften nach der "Rechtsordnung" nicht drohen, auf eine Norm zurückzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht die Prüferkritik dadurch in Zweifel zu ziehen, dass er gezielt nach der Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB gefragt worden sei und im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung Erlaubnisnormen nicht zu prüfen seien, er deshalb also auch nicht darauf habe eingehen müssen. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei zum Tatbestand und zur Rechtswidrigkeit der Nötigung befragt worden. Schon daraus wird deutlich, dass für den Kläger Anlass und Möglichkeit bestanden hat, auf Erlaubnisnormen einzugehen und sich nicht auf eine Darstellung zur Verwerflichkeit zu beschränken. Zum anderen hatte der Prüfer - wie auch vom Kläger selbst vorgetragen - zu Beginn der Prüfung klargestellt, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche und keine strafrechtliche Prüfung handeln sollte und deshalb auf die Probleme des Gefahrenabwehrrechts einzugehen sei. Die Prüferkritik, dass er auf Erlaubnisnormen nicht eingegangen sei, hat der Kläger im Ergebnis mit seinem Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren selbst zugestanden.
106Überdies ist zweifelhaft, ob die vom Kläger angegriffene Prüferkritik sich auf die Bewertung des Prüfungsgesprächs ausgewirkt hat. Insoweit ist fraglich, ob sich die Bewertung einer Detailfrage in einem Prüfungsteil der mündlichen Prüfung, insbesondere da es sich nach dem einvernehmlichen Vortrag des Klägers und des Beklagten nur um den Einstieg der Prüfung handelte, auf die Note das Prüfungsgesprächs (befriedigend, 8 Punkte) ausgewirkt hat.
107Die Kritik der Kommission an den Ausführungen zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass die Kommission nicht das von ihm vertretene Ergebnis, auf den Wortlaut der Norm abzustellen, kritisiert. Sie hat hingegen die inhaltliche Auseinandersetzung des Klägers mit dem aufgeworfenen Problem kritisiert, insbesondere dass er nicht andere Lösungsansätze ausreichend bedacht und diskutiert hat. Dies überschreitet nicht den den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraum. Soweit der Kläger verlangt, die Kommission hätte positiv berücksichtigen müssen, dass er methodisch sauber auf den Wortlaut der Norm abgestellt habe was der herrschenden Meinung zu § 26 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entspreche, setzt er seine Bewertung seiner Leistung an die Stelle der des Prüfungsausschusses.
108Da die Bewertungsrügen gegen die Klausuren Zivilrecht 1 und Verwaltungsrecht 2 Erfolg haben und diese neu zu bewerten sind, kann die vom Prüfungsausschuss getroffene und vom Kläger ebenfalls angegriffene Entscheidung über die Abweichung von dem rechnerisch ermittelten Ergebnis der Gesamtnote nach § 56 Abs. 4 JAG NRW i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW nicht mehr gerichtlich kontrolliert werden, da sie im Falle einer Notenabänderung neu zu treffen wäre.
109Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenteilung berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren nur teilweise obsiegt. Ein Kläger ist auch dann durch ein seinem Bescheidungsantrag (äußerlich) stattgebendes Bescheidungsurteil beschwert, wenn sich - wie hier - die vom Gericht in den Entscheidungsgründen des Urteils für verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit seiner eigenen deckt. Das Begehren eines Klägers in einer auf (Neu-) Bescheidung gerichteten Klage ist nämlich darauf gerichtet, in den Entscheidungsgründen für die (Neu-) Bescheidungsverpflichtung des Beklagten seine in der Klage vorgebrachten Rechtsansichten verbindlich zu machen.
110Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30/38, 7 C 31/7 C 31/80 -, DVBl. 1982, 447 = juris, Rn. 13 f., und vom 24. September 2009 - 7 C 2/09 -, BVerwGE 135, 34 = juris, Rn. 67.
111Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Gründe
- 1
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Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
- 2
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Die Klägerin erzielte bei ihrer wiederholten Teilnahme an der Ersten juristischen Prüfung in den sechs Aufsichtsarbeiten der schriftlichen Pflichtfachprüfung eine Durchschnittspunktzahl, die nicht ausreichte, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Daher erklärte das Prüfungsamt die Erste juristische Prüfung für endgültig nicht bestanden. Mit der Klage will die Klägerin unter anderem erreichen, dass sie die schriftliche Prüfung nochmals ablegen kann. In der nicht bestandenen Wiederholungsprüfung sei ihr Anspruch auf Chancengleichheit verletzt worden, weil rund 10 % der Teilnehmer der landesweiten Prüfungskampagne die sechs Aufsichtsarbeiten nicht - wie sie selbst - innerhalb von zwei Wochen geschrieben hätten. Diese Prüflinge, die den gestuften Kombinationsstudiengang Rechtswissenschaft der Universität M. belegt hätten, absolvierten die schriftliche Pflichtfachprüfung in zwei zeitlich weit auseinander liegenden Abschnitten von je drei Aufsichtsarbeiten, zunächst im Zivilrecht, danach im Strafrecht und im Öffentlichen Recht. Die Aufteilung des Prüfungsstoffes in zwei Abschnitte ermögliche eine konzentriertere Vorbereitung und eröffne daher bessere Erfolgschancen zu Lasten der anderen Prüflinge.
- 3
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Der gestufte Kombinationsstudiengang (sog. Mannheimer Modell) besteht in der ersten Phase aus dem modular aufgebauten Bachelor-Studiengang "Unternehmensjuristin/-jurist" mit dem berufsqualifizierenden Universitätsabschluss "Bachelor of Laws (LL.B.)" (erste Phase) und in der zweiten Phase aus ergänzenden Studien im Öffentlichen Recht und im Strafrecht. Die erste Phase gliedert sich in einen rechtswissenschaftlichen Bereich mit wirtschaftsrechtlichem Schwerpunkt und einen wirtschaftswissenschaftlichen Bereich. Als Prüfung im Modul "Zivilrecht in der Vertiefung" ist nach sechs Studiensemestern die Teilnahme an den drei zivilrechtlichen Aufsichtsarbeiten des staatlichen Teils der Ersten juristischen Prüfung vorgesehen. Die viersemestrige zweite Phase endet mit der Teilnahme an der strafrechtlichen und den beiden öffentlich-rechtlichen Aufsichtsarbeiten.
- 4
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Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. In dem Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Die unterschiedlichen Bedingungen der schriftlichen Pflichtfachprüfung verstießen nicht gegen das Gebot der chancengleichen Behandlung aller Teilnehmer an der jeweiligen Prüfungskampagne. Die Prüfungsvoraussetzungen beider Teilnehmergruppen könnten bei einer Gesamtschau der jeweiligen Vor- und Nachteile als vergleichbar angesehen werden. Die Prüfung in zwei Abschnitten biete die Vorteile der konzentrierteren Vorbereitungsmöglichkeiten und der geringeren Belastungssituation in der Prüfung. Dem stünden jedoch als Nachteile die Belastungen durch die wirtschaftswissenschaftlichen Anforderungen des Studiums vor den zivilrechtlichen Aufsichtsarbeiten, die engen zeitlichen Voraussetzungen der Abschichtungsmöglichkeit und die einheitliche, auch das Zivilrecht umfassende mündliche Prüfung am Ende des zweiten Abschnitts gegenüber. Auswirkungen der unterschiedlichen Prüfungsbedingungen auf die Ergebnisse könnten nicht festgestellt werden. Das sog. Mannheimer Modell sei von einer Experimentierklausel der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPrO) gedeckt, die ihrerseits auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage beruhe. Das Deutsche Richtergesetz stehe landesrechtlichen Bestimmungen über die zeitliche Abschichtung von Teilen der Ersten juristischen Prüfung nicht entgegen.
- 5
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Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision ausschließlich die in der Beschwerdebegründung angesprochenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Klägerin hält die Revisionszulassung für geboten, um in einem Revisionsverfahren die für rechtsgrundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage zu beantworten,
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ob es sich als eine Verletzung des bundesrechtlichen Gebots der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren darstellt, wenn Ungleichbehandlungen durch den Normgeber in Form von Wettbewerbsvorteilen oder Erleichterungen für einen Teil der Prüflinge in juristischen Staatsprüfungen dadurch gerechtfertigt werden, dass diese im Rahmen eines Reformstudiengangs erhebliche außerjuristische Leistungen zu erbringen haben und dem Normgeber im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Studiengänge ein großer Spielraum zusteht.
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Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - NVwZ-RR 2015, 416 Rn. 8).
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Danach hat die von der Klägerin gestellte Frage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht zur Bedeutung des Gebots der Chancengleichheit für berufsbezogene Prüfungen eindeutig im Sinne des Verwaltungsgerichtshofs beantwortet werden kann.
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1. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Prüflinge oder Teilnehmergruppen einer Prüfung sollen vermieden werden, um allen Teilnehmern gleiche Erfolgschancen zu bieten. Jeder Teilnehmer hat einen Anspruch auf chancengleiche Behandlung im Prüfungsverfahren (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <52>).
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Unter Prüfungsbedingungen sind diejenigen Regeln und Umstände zu verstehen, die das Verfahren gestalten, in dem die Prüfungsleistung erbracht wird. Sie bilden den äußeren Rahmen für die Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Prüflinge. Insoweit verlangt das prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit einheitliche Regeln für Form und Verlauf der Prüfungen sowie Gleichartigkeit der tatsächlichen Verhältnisse während der Prüfung (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 17.90 - BVerwGE 87, 258 <261 f.>).
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Unterschiedliche Prüfungsbedingungen für die Teilnehmer einer Prüfung sind mit dem Gebot der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie auf einen sachlichen Grund zurückzuführen sind, dessen Gewicht die Unterschiede nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1988 - 1 BvL 5, 6/85 - BVerfGE 79, 212 <218>; BVerwG, Beschlüsse vom 23. Februar 1990 - 7 B 24.90 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 272 S. 127 und vom 14. Oktober 1992 - 6 B 2.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 303 S. 217). Darüber hinaus darf die Ungleichbehandlung der Prüflinge keine ungleichen Erfolgschancen nach sich ziehen (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 6 B 25.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 419).
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Unterschiedliche Prüfungsbedingungen und damit eine Ungleichbehandlung der Prüfungsteilnehmer liegen vor, wenn der Normgeber vorgibt, dass verschiedene Gruppen von Prüflingen die selbständig zu bewertenden schriftlichen Teilprüfungen in unterschiedlicher zeitlicher Reihenfolge oder in unterschiedlichen zeitlichen Abständen ablegen. Zwar sind die äußeren Umstände, der Ablauf und die Aufgaben der einzelnen Teilprüfungen sowie das Verfahren und die Maßstäbe der Leistungsbewertung für alle Prüflinge gleich. Je gravierender die Abweichungen in der zeitlichen Abfolge der Teilprüfungen jedoch sind, desto näher liegt die Annahme, dass die unterschiedlichen Bedingungen Art und Umfang der Prüfungsvorbereitungen beeinflussen können.
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Diese Annahme ist jedenfalls dann berechtigt, wenn ein Teil der Prüflinge die schriftlichen Teilprüfungen in einem Block, d.h. hintereinander in kurzen zeitlichen Abständen, der andere Teil sie dagegen abgeschichtet nach Prüfungsgebieten in zeitlich weit auseinander liegenden Abschnitten absolviert. Die Abschnittsbildung ermöglicht eine inhaltlich konzentriertere Vorbereitung, weil sich die Prüflinge nicht auf den gesamten Prüfungsstoff vorbereiten und diesen zur gleichen Zeit beherrschen müssen.
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Allerdings bestimmt im Rahmen der normativen Vorgaben jeder Prüfling eigenverantwortlich, nach welchen Methoden und mit welchem zeitlichen Aufwand er sich auf die Prüfung vorbereitet. Daher ist es grundsätzlich Sache des Prüflings, Schwierigkeiten und Störungen, die seine Vorbereitung beeinträchtigen, zu bewältigen. Aufgrund dessen sind tatsächliche Ungleichheiten in der Vorbereitungsphase, die dem Lebensbereich des Prüflings zuzurechnen sind, als unvermeidbar hinzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 23. März 1994 - 6 B 72.93 - NVwZ-RR 1994, 585). Vor allem aber hängt der Prüfungserfolg weniger von dem Umfang des vorzubereitenden Prüfungsstoffes als vielmehr von Faktoren wie der individuellen Begabung, dem persönlichen Lerneifer und der Intensität der Vorbereitung ab (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1992 - 6 B 7.92 - DVBl. 1993, 49).
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Aufgrund dieser ganz erheblichen Unwägbarkeiten kann aus dem Umstand, dass ein Teil der Prüflinge die Möglichkeit einer konzentrierteren, weil stofflich eingeschränkten Vorbereitung auf einzelne Teilprüfungen hat, für sich genommen nicht geschlossen werden, dass diese Prüflinge zwangsläufig bessere Erfolgschancen in der Prüfung, d.h. begründete Aussichten auf bessere Prüfungsergebnisse, haben als die anderen Prüflinge, die sich auf den gesamten Prüfungsstoff aller Teilprüfungen vorbereiten müssen.
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Absolviert ein Teil der Prüflinge die Teilprüfungen in einem Block, ein anderer Teil dagegen in zeitlich weit auseinanderliegenden, nach Fachgebieten geordneten Abschnitten, setzt das Gebot der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zum einen voraus, dass sich jeder Prüfling rechtzeitig auf die für ihn geltenden Bedingungen und fachlichen Anforderungen der Prüfung einstellen kann. Dazu gehört, dass die ihm zur Verfügung stehenden Vorbereitungsmöglichkeiten, insbesondere der Vorbereitungszeitraum, in Anbetracht des Umfangs des von ihm gleichzeitig zu bewältigenden Prüfungsstoffes und des Schwierigkeitsgrades der Prüfung angemessen sind.
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Hinzukommen muss, dass die unterschiedlichen Vorbereitungsmöglichkeiten als gleichwertig anzusehen sind. Dem Gebot der Chancengleichheit wird nur eine Gleichwertigkeitsprüfung gerecht, die die Gesamtheit der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Prüfungsvorbereitung in den Blick nimmt und vergleicht. Insbesondere sind alle normativen Vorgaben einzubeziehen, die die Vorbereitung steuern oder sich typischerweise darauf auswirken. Gleichwertigkeit und damit eine chancengleiche Behandlung aller Prüflinge ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände der Schluss nahe liegt, dass die unterschiedlichen Prüfungsvorbereitungen zu ungleichen Erfolgschancen führen, d.h. die vorbereitungsbedingt guten Prüfungsleistungen des einen Teils der Prüflinge die Relation der Leistungsbewertungen zu Lasten des anderen Teils verzerrt. Unter dieser Voraussetzung ist der Anspruch des einzelnen Prüflings auf chancengleiche Bewertung seiner Prüfungsleistungen verletzt, wenn sich die vorbereitungsbedingte Verzerrung der Bewertungsrelationen zu seinem Nachteil ausgewirkt hat (BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 6 B 25.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 419).
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Eine Verletzung des Gebots der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht darauf gestützt werden, dass sich die Anzahl der nacheinander zu schreibenden Aufsichtsarbeiten womöglich auf die physische und psychische Belastungssituation auswirkt. Diese Belastungen entziehen sich einer objektiven Bewertung; sie hängen ausschließlich von der individuellen körperlichen und psychischen Verfassung des einzelnen Prüflings während der Prüfungen ab (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1992 - 6 B 7.92 - DVBl. 1993, 49).
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2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die entscheidungserheblichen Rechtsfragen auf der Grundlage der dargestellten Rechtsgrundsätze beantwortet, die sich aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Davon ausgehend hat er zu Recht angenommen, dass die unterschiedlichen Prüfungsbedingungen hinreichend sachlich gerechtfertigt und die Möglichkeiten der Prüfungsvorbereitung für beide Gruppen von Prüfungsteilnehmern gleichwertig sind. Demzufolge werden Prüflinge, die wie die Klägerin die sechs Aufsichtsarbeiten der schriftlichen Pflichtfachprüfung innerhalb von zwei Wochen absolvieren, nicht gleichheitswidrig benachteiligt, weil ihre Leistungen gemeinsam mit den Leistungen der Prüflinge bewertet werden, die diese Prüfung in zeitlich weit auseinander liegenden Abschnitten von je drei Aufsichtsarbeiten ablegen.
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Die Erprobung eines neuen Studiengangs, hier eines gestuften Kombinationsstudiengangs, der rechtswissenschaftliche und wirtschaftswissenschaftliche Inhalte kombiniert und neben einem berufsqualifizierenden Universitätsabschluss auch zur Ersten juristischen Prüfung führt, berechtigt jedenfalls für die bis zum 30. April 2019 befristete Erprobungszeit, die zeitliche Abfolge der staatlichen Pflichtfachprüfung abweichend vom Blockmodell an dem Aufbau dieses Studiengangs auszurichten (§ 35a Abs. 1 und § 35b, § 62a Abs. 1 und 2 JAPrO BW i.d.F. vom 25. August 2008, GBl. S. 298). An der Erprobung besteht ein berechtigtes Interesse, weil gestufte Kombinationsstudiengänge zusätzlich zu der fachlichen Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst eine besondere Qualifikation für eine spezifische juristische Berufsausübung, hier für Tätigkeiten in der Wirtschaft, vermitteln.
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Es entspricht dem Zweck der Erprobung, die Prüfungsleistungen der Studenten gestufter Kombinationsstudiengänge, die dem Nachweis der Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst dienen, mit denjenigen der Studenten der Rechtswissenschaften zu vergleichen. Hierfür bietet sich an, dass beide Gruppen an der staatlichen Pflichtfachprüfung der Ersten juristischen Prüfung teilnehmen.
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Die Gleichwertigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichtshofs trägt den Rechtsgrundsätzen des Gebots der Chancengleichheit nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung, weil ihr eine Gesamtwürdigung aller Umstände zugrunde liegt, die für den Prüfungserfolg bedeutsam sein können. Das Ergebnis dieser Prüfung, d.h. die Würdigung des - nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend - festgestellten Sachverhalts, kann nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil es auf der Anwendung der aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten Rechtsgrundsätze auf den konkret zu entscheidenden Fall beruht.
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Ungeachtet dessen liegt die Annahme nahe, der durch die Abschichtung bewirkte Vorteil der konzentrierteren, weil fachlich begrenzten Vorbereitung werde durch die wirtschaftswissenschaftlichen Belastungen des Bachelor-Studiengangs, insbesondere die Notwendigkeit des Erwerbs des berufsqualifizierenden Universitätsabschlusses, die zeitlichen Vorgaben für die beiden Phasen des gestuften Kombinationsstudiengangs und den großen zeitlichen Abstand zwischen den zivilrechtlichen Aufsichtsarbeiten und der mündlichen Prüfung im Zivilrecht kompensiert.
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Aus den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ergeben sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die Prüflinge des Kombinationsstudiengangs durch besonders gute Prüfungsleistungen hervortreten, die die Bewertungsrelationen zu Lasten der übrigen Prüflinge verschieben. Einer messbaren Verzerrung der Relationen bei der Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten dürfte bereits der geringe Anteil von Prüfungsteilnehmern des gestuften Kombinationsstudiengangs entgegenstehen. Darüber hinaus ergibt sich aus der Auskunft des Prüfungsamts vom 5. Mai 2014 im Berufungsverfahren, dass der Anspruch der Klägerin auf Chancengleichheit in der schriftlichen Pflichtfachprüfung nicht verletzt worden ist. Nach diesen Angaben kann ausgeschlossen werden, dass die Bewertungen der Prüfungsleistungen der Klägerin darauf beruhen, dass sich die Bewertungsrelationen aufgrund der Prüfungsergebnisse von Prüflingen des gestuften Kombinationsstudiengangs zu ihrem Nachteil verschlechtert haben.
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3. Die Ausführungen der Klägerin zu dem Erfordernis der bundesweiten Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen nach § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG können nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil die Bedeutung dieser Regelung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2013 (6 C 18.12, NVwZ 2014, 86 Rn. 12 ff.) geklärt ist. Danach soll die Regelung die inhaltliche Gleichwertigkeit der Abschlüsse im Bundesgebiet sicherstellen; sie steht allenfalls gravierenden Abweichungen vom bundesüblichen Standard entgegen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.
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Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.
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Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.
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Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben
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sowie dem Beklagten aufzugeben,
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sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
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sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten
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und
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die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
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sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.
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Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
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a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.
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b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.
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aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).
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Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.
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bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.
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c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.
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aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.
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bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.
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(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.
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(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.
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d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.
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2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.
- 2
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Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.
- 3
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Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.
- 4
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.
- 5
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Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben
-
sowie dem Beklagten aufzugeben,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten
-
und
-
die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
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Der Beklagte beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 8
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.
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Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
- 12
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a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.
- 13
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b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.
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aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).
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Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.
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bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.
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c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.
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aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.
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bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.
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(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.
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(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.
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d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.
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2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.
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Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.
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Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.
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Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben
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sowie dem Beklagten aufzugeben,
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sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten
-
und
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die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,
-
sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.
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Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.
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a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.
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b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.
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aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).
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Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.
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bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.
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c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.
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aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.
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bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.
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(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.
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(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.
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d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.
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2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Gründe
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1. Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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a) Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
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aa) Der Beklagte macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Frage geltend, ob "ein rechtmäßiges Überdenkungsverfahren bei berufsbezogenen Prüfungen (erfordert), dass bei vorangegangener offener Zweitkorrektur Erst- und Zweitkorrektor im Widerspruchverfahren (Überdenkungsverfahren) das Ergebnis ihres Überdenkens selbständig in Gestalt von zwei eigenständigen und eigenständig dokumentierten Stellungnahmen niederzulegen haben". Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass das Oberverwaltungsgericht eine fehlerhafte Gestaltung des im vorliegenden Fall auf den Widerspruch des Klägers gegen die Bewertung seiner juristischen Prüfungsklausuren durchgeführten Überdenkungsverfahrens angenommen und hieraus der Sache nach abgeleitet hat, dieses Verfahren sei von vornherein nicht geeignet gewesen, die in dem angefochtenen Urteil festgestellten Bewertungsfehler hinsichtlich zweier Prüfungsklausuren des Klägers zu beseitigen (vgl. UA S. 15 f.). Die fehlerhafte Verfahrensgestaltung hat das Oberverwaltungsgericht darin erblickt, dass dem Erstprüfer die Einwände des Klägers gegen die Bewertung seiner Klausuren vom Beklagten mit der Bitte übermittelt worden waren, "eine gemeinsame Stellungnahme der Korrektoren zu den erhobenen Einwänden zu entwerfen" und anschließend dem Zweitprüfer zuzuleiten, der seinerseits vom Beklagten über diese vorgesehene Verfahrensweise unterrichtet und gebeten worden war, "sich wegen einer erforderlichen Beratung mit dem Erstkorrektor ... in Verbindung zu setzen" (UA S. 17, 3).
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bb) Die aufgeworfene Frage führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung aus den nachstehenden Erwägungen mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13); die von der Vorinstanz offen gelassene Frage, ob die Ausführungen der Prüfer im Überdenkensverfahren tatsächlich zur Beseitigung der festgestellten Bewertungsfehler geführt hätten - und es mithin im Beschwerdeverfahren mit Blick auf den auch dort anwendbaren § 144 Abs. 4 VwGO auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verfahrensgestaltung überhaupt ankommt -, mag auf sich beruhen.
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(1) Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und ist der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72> und vom selben Tag - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45>). Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle - vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen - Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Dieses Erfordernis wird zusätzlich dadurch untermauert, dass die Bürger allgemein - als Kern grundrechtlicher Verfahrensgarantien - über die Möglichkeit verfügen müssen, ihren Standpunkt wirksam vertreten und Einwände gegen das Verwaltungshandeln wirksam vorbringen zu können, speziell bei Staatsprüfungen der Kandidat jedoch meist erst nach Erlass des Prüfungsbescheides in ausreichendem Umfang erfährt, wie seine Leistungen im Einzelnen bewertet worden und welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46 und vom selben Tag - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - a.a.O. S. 72 f.). Vor diesem Hintergrund besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46).
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(2) In Anknüpfung an diese Verfassungsrechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - (BVerwGE 92, 132 <137> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 262) ausgesprochen, dass das eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren zur Überprüfung der Einwände des Prüflings "einen unerlässlichen Ausgleich für die unvollkommene Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte (darstellt) und damit zugleich - in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes - eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (erfüllt)". Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss - wie der Senat in diesem Urteil präzisierend ausgeführt hat - gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (a.a.O. S. 137 bzw. 262; bestätigt durch Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34; seitdem stRspr).
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(3) Das Bundesverfassungsgericht hat betont, die zur Objektivitäts- bzw. Neutralitätssicherung des Bewertungsverfahrens gebotenen Regelungen beträfen auch "die Auswahl der Prüfer, ihre Zahl und ihr Verhältnis zueinander, insbesondere bei Bewertungsdifferenzen" (Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG wird vielfach nur dann genügt sein, wenn Prüfungsleistungen, durch deren Bewertung intensiv in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen wird, einer Bewertung durch zwei oder mehr Prüfer zugeführt werden (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 196 f.). Zudem ist es geboten, dass sämtliche mit einer Bewertung betrauten Prüfer ihre Beurteilung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig voneinander vornehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - juris Rn. 20; Niehues/Fischer a.a.O. S. 200). Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit würde andernfalls zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht werden. Das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung gilt auch im Stadium des Überdenkensverfahrens, das gerade hierdurch die nötige Kontrolleffizienz gewinnt. Es wird selbst dann nicht obsolet, wenn sich der Zweitprüfer im Rahmen des ersten Bewertungsdurchgangs der Bewertung des Erstprüfers ohne eingehende inhaltliche Begründung angeschlossen hatte (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <269> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 231 und vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 14). Ein Zweitprüfer, der sich die Bewertung des Erstprüfers vollständig zu eigen macht, erklärt hiermit nicht sein Einverständnis mit sämtlichen von diesem vorgenommenen prüfungsspezifischen Wertungen, weil diese Wertungen - was in der Natur der Sache liegt - in der schriftlichen Bewertungsbegründung des Erstprüfers zwangsläufig nicht sämtlich zur Abbildung gelangen können; zudem besteht die Möglichkeit, dass beide Prüfer die vom Prüfling im Überdenkensverfahren vorgebrachten Einwände in jeweils unterschiedlichem Umfang für begründet erachten (vgl. Beschluss vom 14. September 2012 - BVerwG 6 B 35.12 - noch unveröff.). Auch in dieser Konstellation kommt es somit auf die eigenständige und unabhängige Urteilsbildung des Zweitprüfers an.
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(4) Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die - wie im vorliegenden Fall - den Prüfern im Rahmen des Überdenkensverfahrens die Möglichkeit eröffnet, eine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwänden des Prüflings auf Grundlage eines entsprechenden, vom Erstprüfer gefertigten Entwurfs und einer nachfolgenden Beratung zwischen ihnen abzugeben, die stattfindet, ohne dass die Prüfer zuvor das Ergebnis ihres Überdenkens schriftlich niedergelegt haben.
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(a) Das Überdenken der Prüfungsbewertung findet für jeden beteiligten Prüfer seinen Abschluss erst mit der schriftlichen Niederlegung des Ergebnisses. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die schriftliche Fixierung eigener Überlegungen bzw. ihres Ergebnisses noch zu Änderungen führen kann. Tauschen sich die beteiligten Prüfer vor diesem Zeitpunkt untereinander aus, eröffnet dies zwangsläufig die Möglichkeit, dass der Austausch in ihre hier noch nicht abgeschlossene Urteilsbildung einfließt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 7 C 30. und 31.80 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 54 f.). Die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Zweitprüfers wird durch die mit einem solchen Austausch verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten deutlich stärker als dadurch in Frage gestellt, dass er - entsprechend den Gepflogenheiten einer sog. offenen Zweitkorrektur (zu deren Zulässigkeit: Beschluss vom 18. Dezember 1997 - BVerwG 6 B 69.97 - juris Rn. 6) - zu Beginn seiner eigenen Befassung die schriftliche Begründung der Überdenkensentscheidung des Erstprüfers zur Kenntnis nimmt; noch stärker wird naturgemäß die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Erstprüfers in Frage gestellt, dessen Befassung in Unkenntnis der Bewertung des Zweitprüfers einsetzte. Dass nicht in jedem Einzelfall ein solcher Austausch die Beteiligten in ihrer persönlichen Urteilsbildung tatsächlich beeinflusst, ändert nichts daran, dass die fragliche Verfahrensgestaltung eine dahingehende Gefahr begründet. Dieser Gefahr schon im Ansatz zu begegnen, ist im Prüfungsverfahren in Anbetracht der begrenzten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit prüfungsspezifischer Wertungen ein besonders gewichtiges Anliegen.
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(b) Die vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte Verfahrensweise diente offenkundig dem Ziel, auf eine Annäherung der beiderseitigen Überdenkensergebnisse oder zumindest der ihnen zugrundeliegenden, schriftlich zu fixierenden Begründungen hinzuwirken. Soweit der Beklagte hiermit die Absicht verfolgt haben sollte, die Komplexität des Überdenkensverfahrens zu reduzieren und die nachfolgende Widerspruchsentscheidung im Sinne von § 27 Abs. 1 JAG NW zu erleichtern, würde dies keine Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens rechtfertigen, wie sie mit dieser Verfahrensweise nach dem Vorgesagten verbunden sind. Dem verfassungsrechtlichen Rang des Anspruchs des Prüflings auf ein wirksames Überdenken der Prüferbewertungen entspricht es, dass Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens nur dann tolerabel sind, wenn sie sich als strukturell alternativlos erweisen, eine andernfalls drohende unzumutbare Arbeitsbelastung der Prüfungsbehörde abwenden oder einem vergleichbar gewichtigen Ziel dienen. Dass hiervon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist, belegt bereits die anders geartete Prüfungspraxis anderer Prüfungsämter.
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(c) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Erwägung, dass sich die Ergebnisrichtigkeit des Überdenkensverfahrens durch einen Austausch der beteiligten Prüfer mit Blick darauf durchaus auch erhöhen kann, dass die gesprächsweise Konfrontation mit anderen Standpunkten vielfach die gedankliche Durchdringung eigener Positionen zu vertiefen geeignet ist. Diese Erwägung führt nicht in einen zwingenden Widerspruch zum Vorgesagten, wie sich bereits anhand von § 14 Abs. 1 JAG NW illustrieren lässt. Nach dieser - auf das Stadium der Erstbewertung bezogenen - Vorschrift erfolgt bei abweichender Bewertung einer Aufsichtsarbeit eine Beratung der beiden Prüfer erst, nachdem diese die Aufsichtsarbeit "selbständig begutachtet und bewertet" haben. Bei einer solchen Gestaltung können die funktionellen Vorzüge eines Prüferaustauschs realisiert werden, ohne die Objektivitätsgewähr aufs Spiel zu setzen, die darin liegt, dass die Prüfer sich zunächst eigenständig und unabhängig voneinander ein Urteil bilden und dieses sodann schriftlich fixieren. Dem Beklagten steht es frei, im Stadium des Überdenkensverfahrens eine vergleichbare Gestaltung zu veranlassen.
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b) Die von der Beschwerde erhobenen Divergenzrügen greifen nicht durch.
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aa) Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil weder ausdrücklich noch konkludent den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die rein theoretische Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatz- oder Entschädigungsklage genügen würde, um das für die Statthaftigkeit einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen. Im Gegenteil ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall "der Vorbereitung einer Schadensersatzklage dient" (UA S. 12). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ausführt, zur Frage der Anhängigkeit einer Amtshaftungsklage oder ihrer alsbaldigen Erhebung seien im angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen worden, wird hiermit allenfalls die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz in Zweifel gezogen. Anerkanntermaßen ist aber der Umstand, ob die Vorinstanz auf der Ebene der Subsumtion einen höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewandt hat, nicht divergenzbegründend im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 7 B 62.03 - juris Rn. 8 - insoweit nicht abgedruckt bei Buchholz 310 § 135 VwGO Nr. 4).
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bb) Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lässt sich ferner nicht damit begründen, dass das Oberverwaltungsgericht bei Bejahung des Feststellungsinteresses nicht konkret auf Art und Umfang eines drohenden Schadens des Klägers eingegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht ist nach zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Schluss gelangt, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den Kläger nicht als offensichtlich aussichtslos einzustufen sei (UA S. 13). Es hat dabei auf den Verdienstausfall abgestellt, der dem Kläger wegen der verspäteten Aufnahme der Berufstätigkeit entstanden ist (UA S. 12 f.). Selbst wenn es hierfür weitgehenderer Prüfungen bedurft hätte, würde das Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts keine Divergenz zu einem abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte belegen.
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c) Die von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Die vom Beklagten vorinstanzlich unter Beweis gestellte Frage, ob die beteiligten Prüfer ihre eigenen Klausurbewertungen jeder für sich und unabhängig voneinander vorgenommen und sich nicht beraten haben, bevor die eigenständige Prüfung mit einem konkreten Ergebnis abgeschlossen war, war vom Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus gesehen nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des durchgeführten Überdenkensverfahrens - aus Sicht des beschließenden Senats nach dem oben Gesagten zu Recht - nicht auf die Merkmale der tatsächlich erfolgten Vorgehensweise der Prüfer in dem vorliegenden Fall, sondern auf die objektive Verfahrensgestaltung gestützt (UA S. 17).
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gegeben ist.
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Der Kläger wendet sich gegen die Bewertungen seiner schriftlichen Aufsichtsarbeiten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung (ZJS). Nach der Praxis des für die Beklagte zuständigen Prüfungsamts werden diese Arbeiten von zwei Prüfern selbständig bewertet, wobei der Zweitprüfer die Bewertung des Erstprüfers kennt (offene Zweitbewertung). Aufgrund von Einwendungen des Prüflings, die sich gegen beide Bewertungen richten, überdenken beide Prüfer ihre Bewertung in Kenntnis der ergänzenden Stellungnahmen des jeweils anderen. Auch ist ihnen der Namen des Prüflings bekannt.
- 3
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Der Kläger nahm im April 2007 an dem aus acht schriftlichen Aufsichtsarbeiten bestehenden Teil der ZJS teil. Nach der mündlichen Prüfung im August 2007 beschied ihn die Beklagte, dass er die ZJS mit der Gesamtnote "befriedigend (8,25 Punkte)" bestanden habe. Mit seinem Widerspruch erhob der Kläger Einwendungen gegen die Erst- und Zweitbewertungen von insgesamt fünf Aufsichtsarbeiten aus dem Zivilrecht (ZR II, ZR III und Themenschwerpunkt "Handels-, Gesellschafts- und Zivilprozessrecht"
) sowie aus dem Öffentlichen Recht (ÖR I und ÖR II). Aufgrund der Einwendungen setzten der Zweitprüfer der Arbeit ZR II und der Erstprüfer der Arbeit ÖR II ihre Benotung um jeweils einen Punkt herauf. Dementsprechend setzte die Beklagte die Prüfungsgesamtnote auf "befriedigend (8,33 Punkte)" fest; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.
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Mit seiner im Juli 2008 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst das Ziel verfolgt, die fünf Aufsichtsarbeiten erneut zu bewerten. Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens hat die Beklagte zugesagt, die Arbeit ZHG durch zwei neue Prüfer und die Arbeit ÖR II durch einen neuen Zweitprüfer bewerten zu lassen. Im Dezember 2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen: Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, soweit die Beklagte Neubewertungen zugesagt habe; im Übrigen wiesen die angegriffenen Bewertungen keinen Rechtsfehler auf. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte im Jahr 2013 die Arbeiten ZR II, ZHG und ÖR I durch andere Prüfer bewerten lassen. Diese Prüfer und ein Teil der Prüfer der anderen Aufsichtsarbeiten haben ihre Bewertungen nochmals überdacht.
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Im Berufungsverfahren hat der Kläger vorrangig beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die acht Aufsichtsarbeiten unter Vorgabe einer jeweils genannten Mindestpunktzahl erneut zu bewerten, auf der Grundlage der erneuten Bewertungen eine erneute Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Gesamtnote herbeizuführen sowie ein auf den 24. August 2007 datiertes Zeugnis über das vorläufige Prüfungsergebnis und eine Übersicht über alle Einzelbewertungen der ZJS zuzustellen. Hilfsweise hat er beantragt, die Aufsichtsarbeiten mit Ausnahme einer Arbeit aus dem Strafrecht (StR I) erneut zu bewerten sowie festzustellen, dass die Offenlegung seines Namens in den Überdenkensverfahren seine Rechte verletzt hat.
- 6
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Aufsichtsarbeiten ZHG und ÖR I erneut zu bewerten und erneut über die Gesamtnote zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Das Gericht hat in dem Berufungsurteil im Wesentlichen ausgeführt: Die Vorgabe von Mindestbenotungen für die Bewertung von Prüfungsleistungen sei ausgeschlossen, weil sie den Beurteilungsspielraum der Prüfer missachte. Deren Bewertungen setzten eine Vielzahl von komplexen, auf die konkrete Prüfungsleistung bezogenen Wertungen voraus, die sich nicht regelhaft erfassen ließen. Vielmehr beruhten sie auf einem Bewertungssystem, dem die persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen des Prüfers zugrunde lägen. Daher könnten Verwaltungsgerichte nur nachprüfen, ob der Beurteilungsspielraum überschritten sei, Prüfungsleistungen aber nicht selbst bewerten. Nur auf diese Weise könne die Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer gewahrt werden.
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Die offene Zweitbewertung sei verfassungsrechtlich zulässig; sie werde hier nicht durch die Prüfungsordnung ausgeschlossen. Es sei davon auszugehen, dass Zweitprüfer ihre Aufgabe auch bei Kenntnis der Erstbewertung selbständig und unabhängig erfüllten. Es gebe keinen Verfassungsgrundsatz der Prüfungsanonymität. Die Prüfer dürften über den bisherigen Gang des Bewertungsverfahrens in Kenntnis gesetzt werden. Der Verfassungsgrundsatz der Chancengleichheit schütze vor einer Herabsetzung der Benotung aufgrund einer nochmaligen Bewertung durch neue Prüfer.
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Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung seien hier die letzten Einzelbewertungen einschließlich ergänzender Stellungnahmen. Der Kläger habe sich mit dem Einsatz neuer Prüfer jeweils einverstanden erklärt. Die danach maßgeblichen Bewertungen der Aufsichtsarbeiten ZHG und ÖR I wiesen Rechtsfehler auf; die übrigen Bewertungen hielten sich innerhalb der Grenzen des Beurteilungsspielraums. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, weil er eine nicht sachdienliche Klageerweiterung darstelle. Der Kläger habe einen neuen Streitstoff in das Berufungsverfahren einführen wollen.
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1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - NVwZ-RR 2015, 416 Rn. 8).
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Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, erfüllen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht. Soweit sie nicht bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts beantwortet sind, können sie aufgrund dieser Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden oder sind nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits.
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a) Zu der Frage des Klägers,
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ob die Bewertung von Prüfungsleistungen in Kenntnis der Bewertungen des anderen Prüfers mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist,
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liegt eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, soweit es um die Bewertung des Zweitprüfers in Kenntnis der zeitlich vorangehenden Bewertung des Erstprüfers geht. Diese Rechtsprechung beansprucht auch Geltung für das Überdenken der Bewertungen durch die Prüfer aufgrund der Einwendungen des Prüflings gegen einzelne Wertungen.
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Sieht die Prüfungsordnung die Bewertung der Prüfungsleistungen durch zwei eigenständig tätige Prüfer vor, muss jeder die Leistung persönlich unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und eine selbständige, eigenverantwortliche Bewertungsentscheidung treffen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 16. März 1994 - 6 C 1.93 - BVerwGE 95, 237 <247> und vom 10. Oktober 2002 - 6 C 7.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402 S. 48). Davon ausgehend ist die offene Zweitbewertung, d.h. die Bewertung der Prüfungsleistung durch den Zweitprüfer in Kenntnis der Bewertung des Erstprüfers, mit dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und dem Gebot der fairen Gestaltung des Prüfungsverfahrens (Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz der Prüfungsanonymität; bundesverfassungsrechtlich ist sowohl eine offene als auch eine isolierte Zweitbewertung zulässig (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1995 - 6 C 1.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 343 S. 60 und vom 10. Oktober 2002 - 6 C 7.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402 S. 48 f.). Stimmt der Zweitprüfer der Benotung des Erstprüfers und dessen Begründung zu, kann er sich darauf beschränken, dies zum Ausdruck zu bringen, etwa durch die Formulierung "einverstanden". Einer eigenen Begründung bedarf es dann nicht; sie wäre eine bloße Wiederholung der Erstbewertung mit anderen Worten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <268 f.>; Beschlüsse vom 14. September 2012 - 6 B 35.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 416 Rn. 5 und vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417 Rn. 7).
- 13
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Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Prüfer ihre Aufgabe auch dann pflichtgemäß und unvoreingenommen erfüllen, wenn sie Kenntnis von anderen Bewertungen oder Einschätzungen der Prüfungsleistung oder von sonstigen prüfungsrelevanten Umständen haben. Es ist davon auszugehen, dass derartige Vorkenntnisse die unabhängige Beurteilung der Prüfungsleistung nicht beeinträchtigen. Daher können sie für sich genommen in aller Regel keine Voreingenommenheit begründen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 7.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402 S. 48 f.).
- 14
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Es liegt auf der Hand, dass diese Rechtsgrundsätze auch auf das Überdenken der Leistungsbewertungen aufgrund von Einwendungen des Prüflings anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1997 - 6 B 69.97 - juris Rn. 6). Dies folgt aus dem Zweck des Überdenkens: Es dient nicht dazu, eine vollständig neue Bewertung vorzunehmen. Vielmehr handelt es sich um eine inhaltlich beschränkte Nachbewertung: Der Prüfer darf das komplexe, im Wesentlichen auf seinen Einschätzungen und Erfahrungen beruhende Bezugssystem, das er der Bewertung zugrunde gelegt hat, nicht ändern. Er hat sich auf der Grundlage dieses Bezugssystems lediglich mit den beanstandeten Einzelwertungen auseinanderzusetzen. Er muss entscheiden, ob er an diesen Wertungen festhält, und dies begründen. Ändert er eine Einzelwertung, weil er den Einwendungen Rechnung trägt, muss er weiter entscheiden, ob dies Auswirkungen für die Benotung hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1996 - 6 B 88.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 368 S. 142).
- 15
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Der Beschwerdevortrag des Klägers kann diese Rechtsgrundsätze nicht in Frage stellen. Der Kläger folgert aus Häufigkeit und Abfolge der festgestellten Rechtsfehler bei den Bewertungen seiner Aufsichtsarbeiten, dass die Prüfer, insbesondere die Zweitprüfer, bei offenen Bewertungen geneigt sind, sich bereits vorhandenen Bewertungen und Einschätzungen unter Verzicht auf eine eigenständige Beurteilung anzuschließen. Er folgert dies aus der Vielzahl der Übernahmen von Erstbewertungen durch Zweitprüfer. Dieser Schluss kann schon deshalb nicht gezogen werden, weil das vorliegende Verfahren aufgrund der außergewöhnlichen Vielzahl von Nach- und Neubewertungen keine generellen Rückschlüsse zulässt. Hinzu kommt, dass die Zahl der Neubewertungen auch daraus resultiert, dass die Beklagte den Einsatz neuer Prüfer großzügig gehandhabt hat. Schließlich hat die berufungsgerichtliche Überprüfung ergeben, dass die überwiegende Zahl der vom Kläger beanstandeten Übernahmen von Erstbewertungen durch Zweitprüfer keine Beurteilungsfehler zum Gegenstand hatten.
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b) Die unter 1.a) dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vorkenntnissen der Prüfer ist auch maßgebend für die Beantwortung der weiteren Frage,
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unter welchen Voraussetzungen die Annahme der Unvoreingenommenheit des Prüfers widerlegbar ist und bei wechselseitiger Offenlegung der Bewertungen und Stellungnahmen von Erst- und Zweitprüfer aus verfassungsrechtlichen Gründen als erschüttert gilt (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).
- 17
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Es ist allgemein anerkannt, dass ein Prüfer von der Prüfung ausgeschlossen, eine von ihm vorgenommene Leistungsbewertung rechtswidrig ist, wenn begründeter Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Enthält die Prüfungsordnung keine spezielle Regelung für die Voreingenommenheit, ist § 21 VwVfG anzuwenden. Danach muss ein Grund vorliegen, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 - 7 C 57.83 - BVerwGE 70, 143 <144>). Dies ist etwa der Fall, wenn ein Prüfer gegen das Gebot der Sachlichkeit verstößt, beispielsweise seiner Verärgerung über eine schwache Prüfungsleistung freien Lauf lässt (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2012 - 6 B 36.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 411 Rn. 16). Aus dieser Rechtsprechung folgt zwingend, dass die Unvoreingenommenheit eines Prüfers im Einzelfall nicht mehr gegeben, d.h. widerlegt sein kann. Wie unter 1. dargestellt, folgt dies aber nicht bereits daraus, dass ein Prüfer seine Bewertung in Kenntnis der Bewertung eines anderen Prüfers abgibt.
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c) Auch die Frage,
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ob neuen Prüfern die Vorbewertungen der alten Prüfer mitzuteilen und Hinweise auf zu vermeidende Bewertungsfehler zu geben sind, um eine Chance auf eine bessere Benotung zu eröffnen und eine schlechtere Benotung auszuschließen,
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kann aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden: Prüfungsleistungen können nicht auf der Grundlage eines abstrakt-generellen, von der jeweiligen Prüfungsaufgabe gelösten Regelwerks bewertet werden. Maßgebend ist das aufgabenbezogene Bewertungssystem der Prüfer, in das deren persönliche Einschätzungen und Erfahrungen einfließen. Dies gilt insbesondere für die prüfungsspezifischen Wertungen wie die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads der Aufgabe, die Würdigung der Qualität der Darstellung und der Überzeugungskraft der Argumentation, die Gewichtung fachlicher Mängel sowie der für die Notenvergabe entscheidenden komplexen Gewichtung der Stärken und Schwächen der Bearbeitung. Diese Wertungen nimmt der Prüfer nach dem Maßstab durchschnittlicher Anforderungen vor, den er autonom aufgrund eines Leistungsvergleichs bildet. Hierfür ist ihm ein Beurteilungsspielraum eingeräumt; seine prüfungsspezifischen Wertungen und die darauf beruhende Notenvergabe unterliegen nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Juli 1999 - 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 <216> und Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25.04 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 68).
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Auch der Umstand, dass einem Prüfer ein Bewertungsfehler angelastet wird, ist nicht geeignet, seine Unvoreingenommenheit in Frage zu stellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 277; Beschluss vom 6. März 1995 - 6 B 96.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 346 S. 61 f.). Vielmehr folgt aus dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG), dass die bisherigen Prüfer nicht nur für das Überdenken ihrer Bewertung aufgrund von Einwendungen des Prüflings, sondern vorrangig auch für eine Nachbewertung heranzuziehen sind, die erforderlich wird, weil Prüfungsbehörde oder Verwaltungsgericht Rechtsfehler bei der Leistungsbewertung festgestellt haben. Auch in dieser Lage sind soweit als möglich gleiche Prüfungsbedingungen herzustellen. Dies kann bei dem Einsatz der bisherigen Prüfer gewährleistet werden, weil diese für die Nachbewertung auf ihr aufgabenbezogenes Bewertungssystem und darauf beruhende Leistungsvergleiche zurückgreifen können. Sie sind aus Gründen der Chancengleichheit gehindert, dieses System aus Anlass der Nachbewertung zu ändern. Daher müssen sie die als rechtswidrig beanstandeten Einzelwertungen erneut treffen und in das System komplexer Erwägungen einpassen, die sie bei der ersten Bewertung der Notengebung angestellt haben. Dies schließt eine Verschlechterung der Benotung aus (stRspr, BVerwG, Urteile vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 279 und vom 14. Juli 1999 - 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 <216 f.>; Beschluss vom 13. Mai 2004 - 6 B 25.04 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 68).
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Aus Gründen der Chancengleichheit darf die Prüfungsbehörde nur dann neue Prüfer einsetzen, wenn die alten Prüfer rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, die Nachbewertung vorzunehmen. In diesem Fall lässt sich eine vollständige Neubewertung nicht vermeiden, weil die Unabhängigkeit der neuen Prüfer deren Bindung an ein anderes, nicht von ihnen entwickelten aufgabenbezogenen Bewertungssystems ausschließt. Hier kann das Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) nur insoweit zur Geltung kommen, als es die Prüflinge vor einer Verschlechterung der Benotung schützt, die die alten Prüfer vergeben haben (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Februar 1993 - 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 280 und vom 10. Oktober 2002 - 6 C 7.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402 S. 47 f.).
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Die Frage, ob und inwieweit die Beklagte im vorliegenden Fall zu Recht Neubewertungen von Aufsichtsarbeiten des Klägers durch neue Prüfer veranlasst hat, ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam, weil sie von den konkreten Umständen abhängt und einer fallübergreifenden Beantwortung entzogen ist.
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Weder das Gebot der Chancengleichheit noch ein anderer prüfungsrechtlicher Verfassungsgrundsatz geben bindend vor, ob neuen Prüfern die Bewertungen ihrer Vorgänger mitzuteilen sind oder nicht. Bundesverfassungsrechtlich ist beides möglich; die Kenntnis der alten Bewertungen hindert die neuen Prüfer nicht, ihre Aufgaben pflichtgemäß und unvoreingenommen wahrzunehmen (vgl. unter 1.a). Aufgrund der Unabhängigkeit der Prüfer und der Eigenart des von ihnen auszuübenden Beurteilungsspielraums liegt auf der Hand, dass ihnen Prüfungsbehörden und Verwaltungsgerichte keine Vorgaben für die Bewertung machen dürfen. Es ist Sache der Prüfer, aufgrund ihrer prüfungsspezifischen Wertungen autonom ein aufgabenbezogenes Bewertungssystem zu entwickeln. Wie dargelegt sind die Prüflinge aus Gründen der Chancengleichheit unabhängig von dem Ergebnis der Neubewertung vor einer Verschlechterung ihrer Benotung geschützt.
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d) Die Frage,
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ob die offene Zweitbewertung nach Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG gesetzlich festgelegt oder gestattet werden muss,
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ist nicht entscheidungserheblich, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Das Oberverwaltungsgericht hat sich für die Zulässigkeit der offenen Zweitbewertung auf den Inhalt landesrechtlicher Bestimmungen berufen, nämlich auf § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Juristische Staatsprüfung in der Fassung des Staatsvertrags vom 20. April 2005 (HmbGVBl. S. 141), bekannt gemacht am 11. Mai 2005 (HmbGVBl. S. 213). Das Gericht hat angenommen, dass diese nach § 137 Abs. 1 VwGO irrevisiblen Bestimmungen die offene Zweitbewertung gestatten. Diese Auslegung bindet das Bundesverwaltungsgericht.
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e) Die Frage,
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ob die Gerichte nach Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG berechtigt oder verpflichtet sind, für erneute Bewertungen Notenuntergrenzen vorzugeben, wenn das behördliche Verfahren wegen der wechselseitigen Offenlegung der Bewertungen von Erst- und Zweitprüfern insgesamt rechtswidrig ist,
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kann aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts eindeutig beantwortet werden. Danach steht den Prüfern für die Bewertung von Prüfungsleistungen ein prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum zu, den sie persönlich eigenverantwortlich wahrzunehmen haben. Die Zuordnung der Prüfungsleistung zu einer Note ist das Ergebnis einer Vielzahl fachlicher und prüfungsspezifischer Wertungen und deren komplexer Gewichtung aufgrund der aufgabenbezogenen Bewertungsmaßstäbe des jeweiligen Prüfers. Die Verwaltungsgerichte sind in Bezug auf die prüfungsspezifischen Wertungen und die Gewichtung darauf beschränkt nachzuprüfen, ob die Prüfer den Sachverhalt, d.h. die Prüfungsleistung, richtig und vollständig zur Kenntnis genommen haben, keine sachwidrigen Erwägungen in die Bewertung haben einfließen lassen, die Bewertungsmaßstäbe einheitlich angewandt haben, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet haben und ihre prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nicht unhaltbar sind (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <50 ff.>; BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1993 - 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 307 f.; Beschluss vom 10. Oktober 1994 - 6 B 73.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 338 S. 47 f.).
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Mit dieser eingeschränkten Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte, aber auch mit dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit ist offensichtlich unvereinbar, dass die Gerichte den Prüfern Vorgaben für die Notenvergabe, etwa in Gestalt von Mindestpunktzahlen, machen. Dies setzte eine eigenständige Bewertung der Prüfungsleistung und damit die Entwicklung eines aufgabenbezogenen komplexen Bewertungssystems durch die Gerichte voraus, wodurch ohne zwingenden Grund besondere Prüfungsbedingungen zugunsten klagender Prüflinge geschaffen würden. Diesen würde eine zusätzliche Chance des Bestehens oder der Notenverbesserung eröffnet. Auch ist nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung des Beurteilungsspielraums durch gerichtliche Bewertungsvorgaben in Betracht kommen sollte.
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f) Die Frage,
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ob Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG oder der Folgenbeseitigungsanspruch (Art. 20 Abs. 3 GG) Prüflingen vor Ende des Bewertungsverfahrens einen Anspruch auf Ausstellung eines Prüfungszeugnisses vermitteln, das bereits erzielte Notenverbesserungen ausweist,
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kann ohne weiteres dahingehend beantwortet werden, dass sich die Ausstellung eines vorläufigen Prüfungszeugnisses nach der jeweiligen Prüfungsordnung richtet. Unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG kann ein derartiger Anspruch allenfalls dann folgen, wenn der Prüfling aus beruflichen Gründen, etwa für eine Bewerbung um eine neue Stelle, dringend auf die Ausstellung eines vorläufigen Zeugnisses angewiesen ist. Der Kläger hat bereits nicht vorgetragen, dass er sich in einer derartigen Situation befunden hat.
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2. Nach alledem beruht das Berufungsurteil auch nicht auf einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil in Bezug auf die Zulässigkeit der offenen Zweitbewertung und der Kenntnis der "Überdenkensstellungnahme" des jeweils anderen Prüfers, die Voraussetzungen für die Voreingenommenheit eines Prüfers und die Notwendigkeit einer normativen Grundlage für die offene Zweitbewertung nicht auf einen abstrakten Rechtssatz gestützt, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. zur Divergenz: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Wie unter 1. a), b) und d) dargelegt, stehen die Rechtsauffassungen des Oberverwaltungsgerichts zu diesen Fragen jeweils in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
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Zu dem Beschwerdevortrag des Klägers ist anzumerken: In dem Beschluss vom 9. Oktober 2012 (6 B 39.12) hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der Zulässigkeit der offenen Zweitbewertung befasst. Vielmehr hat es aus dem Gebot der persönlichen unmittelbaren Kenntnisnahme der Prüfungsleistung durch jeden Prüfer hergeleitet, dass Erst- und Zweitprüfer keine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwendungen des Prüflings gegen ihre Bewertungen abgeben dürfen. Beide Prüfer müssen das Überdenken jeweils eigenständig vornehmen. Diese Eigenständigkeit wird durch die Kenntnis der jeweils anderen Stellungnahme nicht in Frage gestellt.
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In dem Urteil vom 10. Oktober 2002 (6 C 7.02) hat das Bundesverwaltungsgericht keinen tragenden Rechtssatz zur Widerlegbarkeit der Unvoreingenommenheit eines Prüfers aufgestellt. Vielmehr hat es entschieden, dass ein Prüfer nicht schon deshalb voreingenommen ist, weil er seine Bewertung in Kenntnis anderer Bewertungen vornimmt. Berufsbezogene Prüfungen müssen nicht im Sinne des Grundsatzes der Prüfungsanonymität ausgestaltet werden.
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Weder in dem Beschluss vom 18. Dezember 1997 (6 B 69.97) noch in dem Urteil vom 29. Mai 2013 (6 C 18.12) hat das Bundesverwaltungsgericht den tragenden Rechtssatz aufgestellt, dass die offene Zweitbewertung normativ explizit angeordnet werden muss. In dem Beschluss vom 18. Dezember 1997 hat das Gericht ausgeführt, dass sich eine offene Zweitbewertung auch auf das Verfahren des Überdenkens erstreckt. In dem Urteil vom 29. Mai 2013 hat sich das Gericht mit den Auswirkungen des Nichtbestehens von Teilprüfungen für das Bestehen der Gesamtprüfung, nicht aber mit der offenen Zweitbewertung befasst.
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3. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann. Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft seine Anträge abgelehnt,
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- die in dem schriftlichen Teil der Prüfung des Klägers geltenden und angewandten Verfahrensregelungen und -praktiken, soweit sie nicht schriftlich niedergelegt sind, sowie die konkrete schriftliche Erläuterung des üblichen und tatsächlichen Ablaufs bei der Prüfung des Klägers - jeweils einschließlich der Überdenkens- und Gerichtsverfahren - anzufordern;
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- eine Auskunft über die Zahl der von den jeweiligen Prüfern im konkreten Klausurdurchgang des Klägers geprüften Klausuren, welche mit der von ihnen geprüften Klausurbearbeitung des Klägers übereinstimmt, und über die Gesamtzahl der Klausuren im konkreten Durchgang einzuholen;
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- schriftliche Wiedergaben des konkreten Inhalts der mündlichen und elektronischen Kommunikation des Prüfungsamts mit den Prüfern bei sämtlichen Bewertungen einschließlich des Überdenkens anzufordern;
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- die Gründe anzugeben, falls die Unterlagen nicht vorgelegt werden können.
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Diese Anträge sind keine Beweisanträge im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO. Ein Beweisantrag setzt voraus, dass für eine bestimmte Tatsachenbehauptung ausdrücklich ein näher bezeichnetes Beweismittel angeboten wird. Der Antrag muss erkennen lassen, dass durch die Ausschöpfung des Beweismittels das Bestehen oder Nichtbestehen einer konkreten Tatsache nachgewiesen werden soll. Ein Antrag, der diesen inhaltlichen Anforderungen nicht genügt, stellt lediglich eine Anregung an das Gericht dar, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts vorzunehmen (Beweisermittlungsantrag). Die Ablehnung derartiger Beweisanregungen ist daran zu messen, ob das Tatsachengericht seine Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14 und vom 26. März 2009 - 2 B 86.08 - juris Rn. 17; zum Ganzen: Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 86 Rn. 87).
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Die Anträge des Klägers stellen allesamt keine Beweisanträge, sondern Anregungen zur weiteren Sachaufklärung dar. Sie sind nicht auf den Nachweis konkreter Tatsachen gerichtet. Vielmehr will der Kläger wissen, welche Umstände des Prüfungsverfahrens ihm noch nicht bekannt sind.
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Nach § 86 Abs. 1 VwGO muss das Gericht diejenigen Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die ein Beteiligter hinwirkt oder die sich ihm aufdrängen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Beteiligter gegen die Richtigkeit der bisherigen Tatsachenfeststellungen begründete Einwendungen erhebt (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25). Dagegen muss das Tatsachengericht Anregungen nicht nachgehen, die ein Beteiligter ohne greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkt "ins Blaue hinein" vorträgt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 3). Auch erstreckt sich die Aufklärungspflicht nicht auf Ermittlungen, die aus Sicht des Tatsachengerichts unnötig sind, weil es auf deren Ergebnis nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (stRspr, BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 1984 - 6 C 49.84 - BVerwGE 70, 216 <221 f.> und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>).
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Danach hat das Oberverwaltungsgericht den Beweisanregungen des Klägers nicht nachgehen müssen. Soweit dessen Anträge darauf abzielen, mögliche Ungereimtheiten des Prüfungsverfahrens, insbesondere Absprachen zwischen Prüfungsamt und Prüfern oder zwischen den Prüfern, offenzulegen, entbehren sie einer tatsächlichen Grundlage. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die einen Schluss auf derartige Vorgänge zulassen könnten. Soweit es ihm um weitere Kenntnisse über Abläufe des Prüfungsverfahrens geht, hat er nicht dargelegt, ob und inwieweit diese Kenntnisse Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits erlangen könnten. Entsprechendes gilt für die in diesem Zusammenhang erhobenen Behauptungen, die Prüfungsakten der Beklagten seien "grob unvollständig" bzw. es seien Kontakte nicht dokumentiert.
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Im Übrigen wären derartige Ermittlungen nicht geeignet gewesen, die Leistungsbewertungen in Frage zu stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen, wonach Prüfer auch dann zu einer sachgerechten, eigenverantwortlichen Bewertung in der Lage sind, wenn sie mit anderen Meinungen über die Prüfungsleistung konfrontiert werden. Hierin liegt kein Eingriff in ihr autonomes Bewertungssystem. Die vom Kläger behauptete Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt offensichtlich nicht vor. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat insoweit ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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4. Die Verfahrensrügen des Klägers in Bezug auf seinen Hilfsantrag, die Rechtswidrigkeit der Offenlegung seines Namens festzustellen, können schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es auf die vom Kläger geforderten Ermittlungen nach dem insoweit maßgebenden Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts nicht angekommen ist. Das Gericht hat den Hilfsantrag als unzulässige, weil nicht sachdienliche Klageerweiterung angesehen (§ 91 Abs. 1 VwGO). Es hat hierfür nachvollziehbar darauf abgestellt, dass durch den Hilfsantrag neuer Streitstoff in das Berufungsverfahren eingeführt worden wäre, dessen Behandlung den Rechtsstreit weiter verzögert hätte. Dies verkennt der Kläger, wenn er das Fehlen von Aufklärungsbemühungen in Bezug auf diesen Streitstoff rügt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Verfahren auf Zulassung der Berufung auf 15.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
3Die gegen die Korrektur der Klausuren S 1, S 2 und Z 1 erhobenen Rügen greifen nicht durch. Grundlage für die gerichtliche Kontrolle einer Prüfungsentscheidung ist die Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Behörden- und Klageverfahren getroffen worden ist, soweit gegenüber der Ursprungsentscheidung zum Nachteil des Prüflings keine Änderung des Bewertungssystems erfolgt und im Falle einer Neubewertung diese nicht auf einem Nachschieben beliebiger Gründe beruht.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.3.2000 - 6 B 8.00 -, NVwZ-RR 2000, 503 und Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 20.98 -, BVerwGE 109, 211.
5Die berufsbezogene Prüfungsentscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Behörden- und Klageverfahren getroffen worden ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der die Verwaltungsgerichte folgen, mit Blick auf das Verfahrensgrundrecht des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG - von den Gerichten grundsätzlich vollständig nachzuprüfen.
6Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 ‑ 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 ‑, BVerfGE 84, 34 (49 ff.); BVerwG, Urteil vom 9.12.1992 ‑ 6 C 3.92 ‑, NVwZ 1993, 677 (678).
7Dies gilt für alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum. Andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden.
8Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 ‑ 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 ‑, BVerfGE 84, 34 (49 ff.); BVerwG, Beschluss vom 17.12.1997 ‑ 6 B 55.97 -, NVwZ 1998, 738; Urteil vom 21.10.1993 ‑ 6 C 12.92 ‑, Buchholz 421.0 Nr. 320 S. 307 f.
9Bei prüfungsspezifischen Wertungen verbleibt der Prüfungsbehörde allerdings ein Entscheidungsspielraum, dessen gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist zu überprüfen, ob Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anzuwendendes Recht vorliegen, ob die Prüfungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hat.
10Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.5.2004
11‑ 6 B 25.04 ‑, NVwZ 2004, 1375 (1377), vom 2.6.1998 ‑ 6 B 78.97 ‑, juris Rn. 4, vom 13.3.1998
12‑ 6 B 28.98 ‑, juris Rn. 5, vom 10.10.1994 ‑ 6 B 73.94 ‑, Buchholz 421.0 Nr. 338 S. 47 f., sowie Urteil vom 16.3.1994 ‑ 6 C 5.93 ‑, NVwZ-RR 1994, 582 (583).
13Den Prüfling trifft bei alledem - gewissermaßen vor dem "Einsetzen" der gerichtlichen Kontrolle - zunächst einmal die Pflicht, die Bewertung seiner Leistungen konkret und substantiiert anzugreifen. Das setzt auch voraus, dass er die Zielrichtung der Bewertung zutreffend erfasst.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.1993 - BVerwG 6 C 35.92 -, BVerwGE 92, 132 (137), und Beschluss vom 1.9.1992 - 6 B 22.92 -, Buchholz 421.0 Nr. 302; VGH B.-W., Urteil vom 1.8.1994 - 4 S 740/93 -, juris, Leitsatz 1.
15Dies zugrunde gelegt, bleiben die im Einzelnen erhobenen Rügen erfolglos.
16I. Dies gilt zunächst für die hinsichtlich der Klausur S 1 erhobenen Einwände.
171. Die Klägerin beanstandet zu Unrecht, das Verwaltungsgericht habe die Korrektur ihrer Ausführungen auf Bl. 5 und 10 durch die Bemerkung „fernliegend“ und sodann folgende Richtigkeitshaken nicht als Widerspruch und damit als Bewertungsfehler gewertet. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Erstprüfer damit zum Ausdruck gebracht, dass die Ausführungen der Klägerin zwar richtig, aber entbehrlich gewesen seien. Dieser Einschätzung ist die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht entgegen getreten, indem sie eine ausschließlich negative Bewertung der zwar als richtig, aber entbehrlich gewerteten Klausurpassagen rügt. Dass eine solche Gewichtung vorgenommen worden wäre, lässt sich weder der Erstkorrektur noch den ergänzenden Stellungnahmen der Prüfer entnehmen. Eine ausschließlich negative Bewertung läge erst vor, wenn der Prüfer die Prüfungsleistung als fernliegend und inhaltlich falsch bewertet hätte. Die Ausführungen des Verwaltungsgericht treffen auch für die gleiche Prüferkritik auf S. 10 der Klausur zu. Die räumliche Nähe zwischen Richtigkeitshaken und dem Wort fernliegend ist dafür unerheblich.
182. Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte die Bewertung ihrer kurzen Erörterungen der Qualifikationstatbestände § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB als „fernliegend“ beanstanden müssen, greift ebenfalls nicht durch. In ihrem Zulassungsvorbringen führt die Klägerin keinerlei Gründe an, warum die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Klausurfall habe keinen Anlass für die Prüfung eines „hinterlistigen Überfalls“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB geboten, unzutreffend sein sollte. Mit ihren Ausführungen zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und dem hinsichtlich des Merkmale „Waffe“ und „gefährliches Werkzeug“ bestehenden Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur weckt die Klägerin keine Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung ihrer hierzu verfassten Ausführungen als „fernliegend“. Wie der von dem Erstprüfer an diese Ausführungen gesetzte Richtigkeitshaken zeigt, hat er die Ausführungen der Klägerin nicht etwa als falsch oder unvertretbar bewertet, sondern – unter Zugrundelegung des Klausurfalls und der von der Klägerin nicht weiter problematisierten Darlegungen, dass eine Hand keine Waffe und kein gefährliches Werkzeug darstelle – als ersichtlich nicht in Betracht zu ziehen. Soweit die Klägerin nunmehr zutreffend darauf verweist, dass Körperteile in der Literatur zum Teil als „gefährliches Werkzeug“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB angesehen werden, hat sie diese Auffassung und ihren hiervon abweichenden Standpunkt in ihren Ausführungen nicht einmal ansatzweise dargestellt, so dass ihre kurzen Ausführungen zu diesem nach ihrer Auffassung ersichtlich nicht vorliegenden Qualifikationstatbestand vor diesem Hintergrund „fernliegend“ waren. Dabei hat das Verwaltungsgericht keineswegs einen falschen Überprüfungsmaßstab angelegt, wie später noch zur Frage grundsätzlicher Bedeutung ausgeführt wird.
193. Soweit die Klägerin demgegenüber meint, von ihr seien mit Blick auf die Einlassung des Beschuldigten S. zu Unrecht Ausführungen zu einem versuchten Mord erwartet worden, greift auch dieser Einwand nicht durch. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass jemand, der die Bremsschläuche eines Fahrzeugs durchtrennt, dem Fahrer normalerweise nach dem Leben trachtet, hat die Klägerin mit ihrem Verweis auf die Einlassung des Beschuldigten nicht in Zweifel gezogen. Denn auch wenn ein entsprechender Tötungsvorsatz dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden könnte, wäre eine Strafbarkeit gleichwohl zu prüfen gewesen. Als Mordmerkmal war hierbei das Merkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2, 5. Fall StGB) zu untersuchen. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.
20Vgl. BGH, Beschluss vom 30.7.2013 - 2 StR 5/13 -,
21NStZ 2013, 709.
22Dieses Merkmal drängte sich entgegen der Einschätzung der Klägerin mit Blick auf die Ahnungslosigkeit des Q. beim Einstieg in seinen Pkw auf.
234. Der Einwand der Klägerin, die Bemerkung „kaum vertretbar“ auf Seite 8 ihrer Klausur bedeute entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts die Annahme einer vertretbaren Lösung, die positiv in die Bewertung hätte einfließen müssen, trifft nicht zu. Aus den sonstigen Randbemerkungen des Erstprüfers und seinem Erstvotum lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass ein strafbefreiender Rücktritt nach Auffassung des Prüfers - wie auch von der Klägerin in ihrem Obersatz angenommen - nicht vorlag. Nach Einschätzung des Prüfers war der Versuch vielmehr beendet (vgl. die Randbemerkung auf Seite 6 der Klausur und die Anmerkungen auf Seite 1 des Erstvotums), da der Beschuldigte aus seiner Sicht alles zum Erfolgseintritt Erforderliche getan hatte, so dass ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr möglich war. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der ‑ gemessen an der vorgenommenen Bewertung vorsichtig-zurückhaltenden ‑ Bemerkung „kaum vertretbar“ kein Anspruch auf positive Berücksichtigung dieser Ausführungen ableiten.
245. Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte die Bewertung ihrer Ausführungen zu § 241 Abs. 1 StGB (S. 8 ihrer Klausur) als „fernliegend“ und „unvertretbar“ beanstanden müssen, greift ebenfalls nicht durch. Nach § 241 Abs. 1, 1. Fall StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn gerichteten Verbrechens bedroht. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut muss sich die Drohung gegen einen Menschen richten und die Begehung eines Verbrechens beinhalten. Der Klausurfall, in dem der Beschuldigte S. ankündigte, die Diskothek des Q. gegebenenfalls „gründlich auseinander zu nehmen“, bot ersichtlich keinen Ansatz für die Annahme eines Verbrechens im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB. Denn die angekündigte Sachbeschädigung stellt lediglich ein Vergehen dar (vgl. §§ 303 Abs. 1 12 Abs. 2 StGB). Zu Unrecht meint die Klägerin, das Verwaltungsgericht lege einen unzutreffenden Überprüfungsmaßstab an, wenn es die Prüferkritik als "nicht sachfremd" bezeichne. Mit der Kritik, die die Prüfung des Tatbestands für fernliegend erachtet, wendet sich der Prüfer gegen die Qualität der Darstellung, nämlich dass die Arbeit sich zu stark mit unproblematischen Fragestellungen befasse, wie es auch in der zusammenfassenden Bewertung des Erstvotums ausgeführt wird. Insoweit spricht das Verwaltungsgericht dem Prüfer einen Beurteilungsspielraum zu, dessen Grenzen u.a. bei sachfremden Erwägungen überschritten werden.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.5.2004 ‑ 6 B 25.04 ‑, NVwZ 2004, 1375 (1377).
26Die Verneinung einer Bedrohung mit dem Argument, die Drohung richte sich nicht gegen eine Person, sondern gegen eine Sache, beurteilt der Prüfer zu Recht als unvertretbar. Die Drohung richtete sich gegen den Q. , lediglich das Tatobjekt der angedrohten Straftat war eine Sache.
276. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Erstprüfer habe ihre Ausführungen zu § 226 StGB übersehen und ihren methodisch richtigen Prüfungsaufbau für einen Qualifikationstatbestand kritisiert. Zwar hat der Erstprüfer auf Seite 9 der Klausur Ausführungen zu § 226 StGB vermisst, diese dann aber auf Seite 12 der Klausur vorgefunden und mit Randbemerkungen versehen. In seinem Erstvotum hat er die entsprechende Prüfung für „i.O.“ befunden. Vor diesem Hintergrund bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Ausführungen der Klägerin zu § 226 StGB seien übersehen worden. Soweit der Prüfer durch Kreuz mit Nennung des Tatbestandes an einer Stelle und Hinweis "Aufbau - s.o." an der Stelle der Bearbeitung des Tatbestandes Kritik übt, hat er den Aufbau nicht als methodisch fehlerhaft beanstandet, was als der vollen gerichtlichen Kontrolle zugängliche Fachfrage angesehen werden könnte.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.2.1997 ‑ 22 A 1326/94 ‑, NWVBl. 1997, 380.
29Aber er hat dadurch die Qualität der Darstellung beanstandet, weil er einen anderen Aufbau für vorzugswürdiger ansah, und somit eine dem Bewertungsspielraum unterfallende Beurteilung getroffen. Diese Bewertung wäre fehlerhaft, wenn gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden wäre, der Prüfer sich von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt hätte. Sie wäre auch fehlerhaft, wenn sie auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers beruhte, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss.
30Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 13.5.2004 ‑ 6 B 25.04 ‑, NVwZ 2004, 1375 (1377).
31Dafür ist angesichts der vom Verwaltungsgericht genannten Umstände (positive Bewertung der Tatbestandsprüfung ohne ausdrückliche Kritik des Aufbaus in der abschließenden Bewertung) nichts ersichtlich.
327. Die Bewertung der Ausführungen zu § 223 StGB begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Kritik des Erstprüfers, sie habe nur auf die Einlassung des Beschuldigten S. abgestellt, ohne die vorhandenen Beweismittel (Zeugenaussagen, ärztliches Attest vom 07.03.2007) zu würdigen, ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Sie meint sinngemäß, eine solche Beweiswürdigung sei entbehrlich gewesen, da auch die von dem Beschuldigten eingeräumten Ohrfeigen den Tatbestand des § 223 StGB erfüllten. Diese Einschätzung ist ebenso unzutreffend wie ihre Annahme, auf eine genaue Angabe des verwirklichten Tatbestands verzichten zu können. Denn nach der Aufgabenstellung war nicht nur der Sachverhalt zu begutachten, sondern auch die Entschließung der Staatsanwaltschaft zu entwerfen. Im Fall der Anklageerhebung hat die Anklageschrift nach § 200 Abs. 1 StPO den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Mit Blick darauf, dass es für die Strafzumessung einen Unterschied macht, ob nur Ohrfeigen oder Faustschläge ins Gesicht und gegen den Kopf vorgelegen haben, konnte auf eine Beweiswürdigung nicht verzichtet werden. Denn bei genügendem Anlass (§ 170 Abs. 1 StPO) zur Annahme von Faustschlägen waren aufgrund der Konkretisierungsanforderungen in § 200 Abs. 1 StPO diese Tathandlung unter Benennung der – konkret – anzuwendenden Strafvorschriften anzuklagen und die insoweit zur Verfügung stehenden Beweismittel zu bezeichnen. Auf eine Präzisierung des erfüllten Straftatbestandes konnte daher, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ebenfalls nicht verzichtet werden.
338. Schließlich greift auch die Kritik der Klägerin an der Randbemerkung „Floskeln“ auf Seite 10 der Klausur nicht durch. Mit dieser Bemerkung stellt der Erstprüfer - wie sich auch aus seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 ergibt - nicht die Richtigkeit der von der Klägerin aufgeführten Kriterien infrage, sondern bemängelt, dass sie die Aussage des Zeugen X. nicht unter diese Kriterien subsumiert hat. Es mangelt an jeglicher Begründung, warum die Aussage des Zeugen X. Realkennzeichen aufweist, welches Randgeschehen überzeugend geschildert wurde und welche eigenen - auch inneren - Eindrücke der Zeuge widergegeben hat. Dass sie eine solche Begründung verfasst hätte, zeigt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht auf. Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass ihr Verweis auf ihre Würdigung der Aussage des Zeugen T. die Defizite bei der Würdigung der Aussage des Zeugen X. nicht ausgleichen kann.
34II. Bewertungsfehler der Klausur S 2 sind ebenfalls nicht dargelegt.
351. Dies gilt zunächst für die Bewertung der Ausführungen der Klägerin zu § 345 StPO. Nach § 345 Abs. 1 S. 1 StPO sind die Revisionsanträge und ihre Begründung spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. War zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung (§ 345 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Klägerin hatte folglich zu prüfen, ob das Urteil des Klausurfalls wirksam zugestellt worden war. Daher kritisieren die Prüfer zu Recht, dass sich die Klägerin in die Berechnung der Frist vertieft. Zu Recht beanstandet wurde jedoch die mangelnde Differenzierung zwischen den Absätzen 2 und 4 des § 275 StPO. Nach § 275 Abs. 2 StPO ist das Urteil von den Richtern - im Klausurfall von der Strafrichterin - zu unterschreiben. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nach § 275 Abs. 4 StPO die - zuzustellende - Ausfertigung des Urteils zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Die Ausfertigung des Klausurfalls war weder mit dem Gerichtssiegel noch mit der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen. Dieser Ausfertigungsmangel (vgl. § 275Abs. 4 StPO) hatte zur Folge, dass das Urteil noch nicht wirksam zugestellt worden war und der Fristlauf zur Begründung der bereits eingelegten Revision noch nicht begonnen hatte. Diesen Ausfertigungsmangel hat die Klägerin jedoch nicht ordnungsgemäß herausgearbeitet. Ihre Ausführungen zu § 275 Abs. 2 StPO und der fehlenden Unterschrift des Richters, mit der die Ausfertigung nicht zu versehen ist, konnte der Erstprüfer zum Anlass nehmen, auf das Original-Urteil einzugehen.
362. Der Einwand der Klägerin, der Klausurfall habe entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts keinen Anlass geboten, auf die Problemkreise „Beweisermittlungsantrag“ und „negative Beweistatsache“ einzugehen, trifft nicht zu. In ihrem Zulassungsantrag führt die Klägerin aus, der Beweisantrag des Angeklagten sei nach der Nachfrage des Vorsitzenden dahingehend zu verstehen gewesen, dass seine Ehefrau bezeugen könne, den gesamten Tag mit ihm verbracht und eine Manipulation des Verkehrsschildes durch den Angeklagten nicht beobachtet zu haben. Diese Ausführungen zeigen jedoch, dass die Beweistatsache jedenfalls zunächst unklar war und daher Anlass bestand, auf den Problemkreis des „Beweisermittlungsantrags“ einzugehen. Mit Blick auf die von dem Angeklagten gewählte Formulierung
37„dass ich die Tat vom 16.09.2006 nicht begangen und dass ich mich nicht an dem Schild zu schaffen gemacht habe“
38bestand auch Anlass, zu dem Problemkreis der „negativen Beweistatsache“ Stellung zu nehmen. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Tat nach der Anklageschrift um 2.00 Uhr nachts begangen worden sein soll, so dass die Zeugin geschlafen haben kann. Es war somit keineswegs selbstverständlich, dass sie die Begehung der Tat durch S1. bemerkt haben muss, selbst wenn sie "den gesamten Tag mit ihm zusammen gewesen" war.
39Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, das nicht nur das Ergebnis dieser Prüfung, sondern auch dessen Herleitung richtig sei. Dementsprechend ist auch die zusammenfassende Bewertung des Erstprüfers „Keiner der relevanten Problemkreise wird brauchbar erkannt und erörtert“ nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin darauf verweist, sie habe – wie der Erstprüfer angemerkt habe – breit und konsequent die Ungeeignetheit des Beweismittels geprüft, stellt dieser Umstand die vorgenannte zusammenfassende Bewertung nicht infrage. Denn ihre diesbezüglichen Ausführungen verhalten sich nicht zu einem „relevanten Problemkreis“.
403. Von der Klägerin konnten auch Ausführungen zu § 254 StPO erwartet werden. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift können Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll enthalten sind, zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen werden. In dem Klausurfall wurden zwar keine Erklärungen des Angeklagten verlesen, der vernehmende Polizeibeamte X1. aber als Zeuge über das ihm gegenüber abgegebene Geständnis des Angeklagten befragt. Ob durch eine Vernehmung einer Verhörsperson als Zeuge eine Umgehung des § 254 StPO liegt, wird in der Literatur kontrovers diskutiert und ist mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen.
41Vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 56. Aufl., § 254 Rn. 8; Kudlich/Schuhr in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, § 254 10 f.
42Der Klausurfall bot entgegen der Einschätzung der Klägerin durchaus Anlass, auf diese Fragestellung einzugehen.
434. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, dass ihre Annahme einer Täuschung im Sinne von § 136a Abs. 1 S. 1 StPO durch den Polizeibeamten X1. und eines daraus resultierenden Verwertungsverbots als falsch gewertet wurde. Zwar hat der Zeuge Q1. in der Hauptverhandlung angegeben, gegenüber dem Polizeibeamten X1. geäußert zu haben, er halte eine Täterschaft des Angeklagten für wahrscheinlich, habe ihn aber nicht mit hundertprozentiger Sicherheit erkannt. Die Mitteilung des Polizeibeamten X1. an den Angeklagten, der Zeuge Q1. habe ihn eindeutig erkannt, war daher falsch. Eine Täuschung im Sinne des § 136a Abs. 1 S. 1 StPO setzt jedoch eine bewusste Irreführung voraus.
44Vgl. BGH, Beschluss vom 21.5.2004 - 1 StR 170/04 -, NStZ 2004, 631.
45Für eine bewusste Täuschung durch den Polizeibeamten X1. gab der Klausurfall jedoch nichts her. In der Hauptverhandlung gab der Polizeibeamte X1. an, den Zeugen Q1. „so verstanden zu haben“. Bei der Vernehmung des Angeklagten war sich der Polizeibeamte folglich nicht bewusst, etwas Falsches zu übermitteln. Zweifel an der Richtigkeit seiner Mitteilung kamen dem Polizeibeamten erst in der Hauptverhandlung auf Nachfrage des Vorsitzenden. Von einer Fehlinformation des Angeklagten „wider besseres Wissen“ kann daher keine Rede sein.
465. Schließlich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, die Bewertung ihrer Klausur mit 2 Punkten (mangelhaft) sei unangemessen, weil die Prüfung der Zulässigkeit für brauchbar gehalten und die Prüfungsteile offenbar falsch gewichtet worden seien. Denn die Gewichtung von Prüfungsteilen und Notenvergabe bei juristischen Staatsprüfungen stellt eine prüfungsspezifische Wertung dar, die dem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des Prüfers unterfällt. Der Prüfer muss bei seinem wertenden Urteil nämlich von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die er im Laufe seiner Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt hat, und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folgt, dass die Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen des Prüfers beeinflusst wird. Da sich die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, nicht regelhaft erfassen lassen, würde eine gerichtliche Kontrolle zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen. Der Bewertungsspielraum ist überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.5.2004 - 6 B 25/04 -, NVwZ 2004, 1375.
48Hierfür bestehen nach den vorstehenden Ausführungen jedoch keine Anhaltspunkte.
496. Die Bewertung ihrer Ausführungen zu § 267 StGB als „zu oberflächlich“ stellt die Klägerin nicht substantiiert infrage. Soweit sie ihre Ausführungen wiedergibt, für ausreichend erachtet und fragt, welche weitere Begründung hätte erfolgen können, so ist auf die Erläuterungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 12f. des angefochtenen Urteils zu verweisen. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht an, dass die nicht weiter begründete Annahme der Klägerin, das Verkehrszeichen lasse den Aussteller nicht erkennen bzw. es sei dem Erklärenden nicht hinreichend zurechenbar, oberflächlich ist, weil es gute Gründe für die Annahme des Gegenteils gibt, nämlich die normative Aufgabenzuweisung der Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen an bestimmte Behörden. Die Ausführungen der Klägerin gehen daher nicht über eine bloße Behauptung hinaus und lassen die nötige Begründungstiefe vermissen, die die Prüfer mit der Kritik der Oberflächlichkeit zu Recht bemängeln. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln betrifft die Begründung dieses Gerichts für die Annahme, ein Verkehrszeichen sei keine Urkunde. Diese liegt gerade nicht in dem von der Klägerin genannten Umstand, vielmehr begründet das Gericht dort die gegenteilige Position und stellt auf einen anderen Gesichtspunkt ab.
507. Die Kritik an ihren Ausführungen zu § 304 StGB (unzureichende Begründung der Tatobjektqualität) ist entgegen der Einschätzung der Klägerin berechtigt. Die Klägerin begnügt sich mit der Erläuterung, Verkehrszeichen seien im Tatbestand des § 304 Abs. 1 StGB nicht als Tatobjekte aufgeführt. Zu den Tatobjekten des § 304 Abs. 1 StGB gehören jedoch „Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen dienen“. Verkehrszeichen werden von der Rechtsprechung als derartige Gegenstände eingeordnet.
51Vgl. BGH, Urteil vom 13.5.1960 - 4 StR 21/60 -, VRS 19, 130; OLG Köln, Beschluss vom 15.9.1998 - Ss 395/98 -, VRS 96, 23.
52Die Klägerin hätte begründen müssen, warum - offenbar - nach ihrer Auffassung Verkehrszeichen nicht dem öffentlichen Nutzen dienen.
538. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bewertung ihrer Klausur ein unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden wäre, da ihre Ausführungen zu § 303c StGB nicht in die Bewertung eingeflossen seien. Der Umstand, dass der Erstprüfer in seinem Korrekturbogen nur ihre Ausführungen zu § 303 StGB („fehlende Substanzverletzung“) erwähnt und als „brauchbar“ qualifiziert hat, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass er sie im Übrigen bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt hätte.
549. Es ist nicht erkennbar, warum in der Wertung des Antrags als "konsequent" eine Kritik enthalten sein soll. Die Bewertung bedeutet, dass der Antrag sich aus den vorherhergehenden Ausführungen ergibt, und zwar inhaltlich richtig, wie aus den fehlenden kritischen Randbemerkungen und dem Richtigkeitshaken entnommen werden kann.
5510. Schließlich ist auch die vier Mal angebrachte Randbemerkung „Urteilsstil“ nicht zu beanstanden. Die Klägerin zieht selbst nicht in Zweifel, dass diese Randbemerkung inhaltlich richtig ist, sie die entsprechenden Passagen also im Urteilsstil verfasst hat. Unter Verweis auf eine in der Ausbildungsliteratur vertretene Meinung macht sie jedoch geltend, die Verwendung des Urteilsstils sei auch im anwaltlichen Gutachten vertretbar und hätte folglich nicht beanstandet werden dürfen. Diese Einschätzung greift nicht durch. Denn bei der Frage des angewandten Stils - Gutachten- oder Urteilsstil - handelt es sich nicht um eine den Inhalt der Lösung betreffende Fachfrage, die das Gericht auf substantiierte Rüge des Prüflings daraufhin zu untersuchen hat, ob sie entgegen der Einschätzung des Prüfers richtig oder jedenfalls vertretbar ist. Der anzuwendende Stil ergibt sich vielmehr aus der Aufgabenstellung, die hier die Erstellung eines Gutachtens vorsah. Ein Gutachten ist jedoch grundsätzlich im Gutachtenstil anzufertigen. Ausnahmen von diesem Stil sind allenfalls bei der kurzen Erörterung unproblematischer Fragen angebracht.
56Anderer Auffassung m. w. N.: Bülter, Öffentlich-rechtliche Anwaltsklausuren im Assessorexamen, Rn. 126-128.
57Dies war bei den mit der Randbemerkung „Urteilsstil“ versehenen Passagen jedoch gerade nicht der Fall.
58Soweit die Klägerin das Urteil für nicht verständlich hält, weil es vom Erstkorrektor aufgezeigte Mängel zur Rechtfertigung der Rüge des Zweitkorrektors am Urteilsstil heranziehe, missversteht sie das Urteil. Das Urteil verhält sich zu zwei kritisierten Mängeln, nämlich einer unsauberen Prüfungstechnik und zum verfehlten Urteilsstil. Nur die Wertung unsauberer Prüfungstechnik wird mit den aufgezeigten Mängeln des Erstkorrektors begründet.
59III. Schließlich liegen auch keine Bewertungsfehler der Klausur Z 1 vor.
601. Dies gilt zunächst für die Einschätzung der Klägerin, ihre Annahme eines Verwahrungsvertrages zwischen Klägerin und Beklagter sei entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts vertretbar. Um die Annahme eines Verwahrungsvertrags vertreten zu können, hätte die Klägerin zunächst eine auf den Abschluss eines solchen Vertrages gerichtete Willenserklärung des Polizeibeamten feststellen müssen. Dies hat der Zweitkorrektor in Ergänzung seiner ersten Korrektur in seiner Stellungnahme vom 6. Mai 2008 zutreffend ausgeführt. Das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen hierauf Bezug genommen. Die Klägerin ist dieser Kritik in ihrem Zulassungsvorbringen nicht entgegen getreten. Eine Willenserklärung bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, das heißt einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt.
61Vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl. 2014, Vor § 116, Rn. 1.
62Eine solche Willenserklärung des Polizeibeamten hat die Klägerin in ihrer Klausur nicht herausgearbeitet. Sie begnügt sich mit der Feststellung, der Polizeibeamte habe „anlässlich des Telefonats die Willenserklärung übermittelt, das verunfallte Fahrzeug der Klägerin zu sichern und zum Betriebsgelände zu schleppen“. Diese Äußerung war jedoch ersichtlich nicht auf die Begründung eines privaten Rechtsverhältnisses zwischen Klägerin und Beklagter gerichtet. Denn der Polizeibeamte handelt aufgrund polizeirechtlicher Ermächtigung (§§ 8, 43 ff. PolG NRW).
63In Ermangelung einer Willenserklärung ist daher auch die weitere Kritik der Prüfer an den Ausführungen der Klägerin berechtigt, der Polizeibeamte habe als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt und die Beklagte des Klausurfalls habe dem von ihm abgeschlossenen Verwahrungsvertrag konkludent zugestimmt, indem sie das Fahrzeug trotz Information über seinen Verbleib im folgenden nicht abgeholt habe.
642. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihre Ausführungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag und zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis seien ‑ obgleich vorhanden - zu Unrecht als fehlend beanstandet und bei der Bewertung nicht berücksichtigt worden. Fehlende Ausführungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis sind von den Prüfern bereits nicht bemängelt worden. Die entsprechenden Darlegungen der Klägerin auf Seite 15 ihrer Klausur sind vielmehr mit Randbemerkungen versehen worden, so dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, die Prüfer hätten ihrer Klausur einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen. Die Ausführungen der Klägerin zu Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag sind ebenfalls nicht als fehlend beanstandet und übersehen worden. Die Kritik des Erstprüfers bestand vielmehr darin, dass die Klägerin entsprechende Ansprüche nicht problematisiert und erkannt hat.
653. Schließlich stellt die Klägerin die Kritik des Zweitkorrektors an ihrer Begründung zum Anspruch aus § 831 BGB nicht infrage. Unabhängig davon, dass dieser Umstand nach der Stellungnahme des Zweitkorrektors vom 6. Mai 2008 für seine Bewertung nicht kausal war, trifft die Kritik des Zweitprüfers zu: Dogmatisch lässt sich fehlende Widerrechtlichkeit nicht mit fehlendem Verschulden begründen, und die Ausführungen zur angeblichen unentgeltlichen Verwahrung sind völlig unzureichend (Vertragsschluss, Vertragspartner).
66IV. Ob die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer Klausur V 2 zutreffen, kann mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen offen bleiben. Denn es verbleibt folglich bei sechs als „mangelhaft“ bewerteten Aufsichtsarbeiten, so dass die Prüfung gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 JAG NRW a. F. nicht bestanden ist.
67Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil die aufgeworfenen rechtlichen Fragen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit der erforderlichen Sicherheit im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden können. Aus der Verhandlungs- und Beratungsdauer des Verwaltungsgerichts, die ersichtlich den umfangreichen Rügen der Klägerin geschuldet war, lassen sich keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten ableiten.
68Der Rechtssache kommt auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfene Frage,
69ob der gerichtliche Überprüfungsmaßstab von Prüferkritiken an Aufsichtsarbeiten dahin geht, ob die Prüferkritik berechtigt oder unberechtigt ist oder ob die Frage von Seiten des Gerichts zu beantworten ist, ob die Prüferkritik sich als vertretbar/ nachvollziehbar darstellt,
70ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem durchzuführenden Berufungsverfahren nicht stellen würde. Der Senat hat eingangs bereits erläutert, wie die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen nach ständiger Rechtsprechung erfolgt. Im Ergebnis hat das Gericht dabei immer festzustellen, ob die Kritik des Prüfers – ausgehend von den jeweiligen Prüfungsmöglichkeiten des Gerichts – berechtigt ist oder nicht. Eine Prüferkritik, die sich als nicht vertretbar und nachvollziehbar erweist, ist nicht berechtigt. Dies schließt es jedoch nicht aus, eine Prüferkritik als „vertretbar“ oder „nachvollziehbar“ zu bezeichnen, denn damit soll ihre Berechtigung zum Ausdruck gebracht werden.
71Der Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Insoweit wird zwar der Verfahrensmangel unterbliebener Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht. Dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt weiter hätte aufklären müssen, ist jedoch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend macht, verschiedene Randbemerkungen der Prüfer seien mehrdeutig und hätten weiterer Aufklärung durch Befragung der Prüfer bedurft, ist dem nicht zu folgen. Wie die vorstehenden Ausführungen belegen, hat auch der Senat keinen Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die von den Prüfern verfassten Randbemerkungen gesehen. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Prüfer hätten im Hinblick auf die erstmals in ihrem Schriftsatz vom 28. September 2011 geltend gemachten Einwendungen zur ergänzenden Stellungnahme hierzu aufgefordert werden müssen, insbesondere um die Erforderlichkeit der Prüfung eines versuchten Mordes in der Klausur S 1 zu überdenken. Das verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren wird in Nordrhein-Westfalen in Gestalt des Widerspruchsverfahrens gewährt. Das Widerspruchsverfahren ist abgeschlossen. Auf die weitere Überdenkung von im gerichtlichen Verfahren erstmalig angegriffenen Prüferkritiken besteht kein Anspruch,
72vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 858,
73unbeschadet dessen, dass materielle Bewertungsfehler grundsätzlich noch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht geltend gemacht werden können.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.1999 ‑ 2 C 30.98 ‑, NVwZ 2000, 921.
75Dies führt nur zur ‑ beschränkten ‑ gerichtlichen Kontrolle, nicht zur erneuten Prüferentscheidung in Wahrnehmung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
77Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt
- 1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, - 2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.
Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit. Die Kündigung ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig.
Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt
- 1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, - 2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Der Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Insoweit wird ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG geltend gemacht, da mindestens zwei der urteilenden Richter wegen einer Tätigkeit als Prüfer bei dem beklagten Land befangen gewesen seien. Hiervon habe der Kläger erst nach Zustellung des Urteils erfahren. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist nicht schon immer dann gegeben, wenn nachträglich ein Grund erkennbar wird, der vor dem Endurteil die Ablehnung hätte rechtfertigen können, also i. S. v. § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO geeignet gewesen wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, dass der Rechtsuchende nicht vor einem Richter steht, der - etwa wegen naher Verwandtschaft, Freundschaft oder auch Verfeindung mit einer Partei - die gebotene Neutralität und Distanz zu den Verfahrensbeteiligten vermissen lässt, geht nicht so weit, dass sie den Ablehnungsgrund der "Besorgnis der Befangenheit" nach § 42 Abs. 2 ZPO verfassungsunmittelbar vorgeben würde. Es ist vielmehr Sache des einfachen Gesetzgebers, einen Katalog der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe wie auch die Einzelheiten des Verfahrens zu dessen Feststellung festzulegen. Nur dann, wenn ein Richter unter eindeutiger Missachtung dieser Verfahrensvorschriften tätig wird, und sonst nur noch dann, wenn der tätig gewordene Richter tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erschiene, ist ein Verstoß unmittelbar gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gegeben. Dieser Verstoß kann auch dann, wenn er erst aus dem Endurteil ersichtlich wird, noch nachträglich geprüft werden. Unterhalb der genannten Schwelle hingegen lässt sich ein erst nachträglich erkennbar gewordener Ablehnungsgrund nicht mit Erfolg geltend machen.
4Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.4.1997 - 6 C 9.95 -, DVBl. 1997, 1235.
5Hiernach ist ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG offensichtlich zu verneinen. Denn die objektive Würdigung des Umstands, dass ein Richter in der ersten oder zweiten juristischen Staatsprüfung als Prüfer tätig ist, vermag nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zur Besorgnis der Befangenheit zu führen. § 4 Abs. 2 Nr. 4 DRiG sieht ausdrücklich vor, dass Richter neben ihrer richterlichen Tätigkeit Prüfungsangelegenheiten wahrnehmen dürfen. Wird davon im Interesse der Allgemeinheit - und nicht zuletzt der Prüfungskandidaten - Gebrauch gemacht, lässt dies in einem Verwaltungsstreitverfahren nicht auf eine Voreingenommenheit zugunsten der Prüfungsbehörde bzw. zum Nachteil des klagenden Prüflings schließen.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.4.1997 - 6 AV 1.97 -, Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 55.
7Besondere Umstände neben der Prüfertätigkeit, die auf mangelnde Neutralität der betroffenen Prüfer hindeuten würden, hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht.
8Der Zulassungsgrund einer Abweichung des angegriffenen Urteils von der Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ist nicht hinreichend dargelegt. Dazu ist erforderlich, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. In der Antragsschrift wird kein solcher Satz aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung benannt, mit dem das Verwaltungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz aus der zitierten Entscheidung des übergeordneten Gerichts abgewichen sein soll. Der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats ist zwar zu entnehmen, dass alle Zeugnisse für die Entscheidung über ein Abweichen von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nach Aussage, Gewicht und Stellenwert zu würdigen sind. Dem kann jedoch mitnichten entnommen werden, dass in der Begründung der Entscheidung zu jedem dieser Punkte Ausführungen zu machen wären und eine zusammenfassende Begründung unzulässig wäre.
9Auch soweit der Kläger darauf verweist, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, indem es zugrunde gelegt habe, dass eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur ausnahmsweise "aus gewichtigen Gründen" in Betracht komme, liegt keine Divergenz vor. Dass diese Korrektur der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur aus Gründen mit der Sache nach hinreichendem Gewicht, also aus gewichtigen Gründen, erfolgen darf, steht in keinem Gegensatz zur zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats und des Bundesverwaltungsgerichts.
10Vgl. zum Ausnahmecharakter der Korrekturvorschrift BVerwG, Urteil vom 10.10.2002 ‑ 6 C 7.02 ‑, NJW 2003, 1063 (1064); Urteil vom 19.12.2001 ‑ 6 C 14.01 ‑, NVwZ 2001, 1375 (1377); OVG NRW, Beschluss vom 16.6.2011 ‑ 14 A 117/10 ‑, NRWE Rn. 9.
11Entgegen der Auffassung des Klägers gibt die Entscheidung
12BVerwG, Urteil vom 12.7.1995 ‑ 6 C 12.93 ‑, NJW 1996, 942, (nicht der Beschluss vom 4.8.1997 ‑ 6 B 44.97 ‑, den der Kläger irrtümlich zitiert)
13nichts dafür her, dass der Ausnahmecharakter der Vorschrift nur für Abweichungen von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nach unten gälte. Vielmehr bestätigt gerade diese Entscheidung das allgemeine Erfordernis gewichtiger Gründe für eine Abweichung und stellt lediglich wegen der bei berufsbezogenen Prüfungen in die Berufsfreiheit eingreifenden Wirkung erhöhte Begründungsanforderungen an die Entscheidung.
14BVerwG, Urteil vom 12.7.1995 ‑ 6 C 12.93 ‑, NJW 1996, 942 (943 f.).
15Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 S. 4 VwGO). Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
16Vgl. Seibert in Sodan/ Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 211.
17Eine solche Frage hat der Kläger mit seinem Hinweis auf eine vermeintlich vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Beschränkung des Umfangs der Anwendung der Abweichensnorm in der Praxis des Beklagten nicht aufgezeigt.
18Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen.
19Derartige ernstliche Zweifel weckt zunächst nicht das Vorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Prüfungsausschuss das ihm eröffnete Ermessen unterschritten habe. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Prüfungskommission bei ihrer Abweichensentscheidung den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum sachfremd nicht ausgeschöpft hätte, wenn sie eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote mangels gewichtiger Gründe ablehnt, da dies mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmt.
20Ernstliche Zweifel weckt auch nicht das Vorbringen des Klägers, der Prüfungsausschuss hätte den Stationsnoten kein geringeres Gewicht als den sonstigen Leistungen des Vorbereitungsdienstes und den Examensleistungen beimessen dürfen. Einen Bewertungsfehler, den das Verwaltungsgericht verkannt hätte, zeigt der Kläger insoweit nicht auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats obliegt es dem Prüfungsausschuss, zur Bestimmung des Leistungsstands die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse mit ihrer jeweiligen Endnote und mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen und die Einzelzeugnisse nach Aussage, Gewicht und Stellenwert zu würdigen.
21OVG NRW, Urteil vom 9. 1. 2008 - 14 A 3658/06 -, juris, Rn. 65.
22Den Einzelzeugnissen der Ausbildung in den Arbeitsgemeinschaften und in der Praxis kommt dabei von vornherein kein bestimmtes Gewicht oder ein bestimmter Stellenwert zu. Es ist Sache der Prüfer, das jeweilige Gewicht und den jeweiligen Stellenwert einzelfallbezogen im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zu bestimmen. Mit dieser Einzelfallbetrachtung vereinbar ist jedoch die Einschätzung, dass "die Stationsnoten zumeist im oberen Bereich der Notenskala angesiedelt" seien und aus einem weitgehend einheitlich guten Leistungsbild in diesem Bereich allein nicht der Schluss gezogen werden könne, der Leistungsstand entspreche insgesamt diesem Niveau. Zwar trifft es zu, dass die Leistungen in der Praxisausbildung ebenso wie die Leistungen in den Arbeitsgemeinschaften und die Examensleistungen anhand der Notenskala in § 17 JAG NRW zu bewerten sind. Da es sich jedoch um unterschiedliche Leistungen in einem unterschiedlichen Leistungsumfeld handelt, sind die - auch dem Senat bekannten - tendenziell besseren Ergebnisse in der Praxisausbildung erklärlich und rechtfertigen nicht grundsätzlich die Annahme eines im Vergleich zu den Examensleistungen besseren Leistungsstands. Letzterer soll nach der Konzeption des Juristenausbildungsgesetzes NRW vielmehr in der zweiten juristischen Staatsprüfung bestehend aus Aufsichtsarbeiten und mündlicher Prüfung ermittelt werden, ohne dass die Leistungen in der praktischen Ausbildung hierbei rechnerisch berücksichtigt werden. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang beanstandet, dass die Bedeutung der praktischen Ausbildung und die dort erzielten Ergebnisse nicht hinreichend berücksichtigt würden, wendet sich auch hier der Kläger nur gegen die in der Sache nicht zu beanstandende Wahrnehmung des Beurteilungsspielraums der Prüfer.
23Einen Bewertungsfehler zeigt auch nicht das Vorbringen des Klägers auf, der Prüfungsausschuss habe den Klausuren in den Fortgeschrittenenarbeitsgemeinschaften im Gegensatz zu den Leistungen in der praktischen Ausbildung im zweiten Ausbildungsabschnitt ein größeres Gewicht beigemessen. Der Prüfungsausschuss durfte bei seiner Beurteilung berücksichtigen, dass die Klausuren in den Fortgeschrittenenarbeitsgemeinschaften sich dem Niveau der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung annähern, und ihnen daher einen größeren Aussagewert in Bezug auf den Leistungsstand im Zeitpunkt des Examens beimessen als den Klausuren am Anfang des Vorbereitungsdienstes. Eine entsprechende Parallele zu den Leistungen in der praktischen Ausbildung musste der Prüfungsausschuss nicht ziehen. Denn in der praktischen Ausbildung gibt es keine entsprechende Steigerung des Schwierigkeitsgrades.
24Ein Bewertungsfehler liegt schließlich auch nicht darin begründet, dass der Prüfungsausschuss die Leistungen in der praktischen Ausbildung und in den Arbeitsgemeinschaften allein mit den Examensklausuren des Klägers verglichen hätte. Die von dem Verwaltungsgericht im Tatbestand wiedergegebene Passage aus der Begründung der Prüfungsentscheidung vom 5.5.2011 (dort: S. 3) besagt vielmehr, dass der Prüfungsausschuss den Leistungsstand des Klägers mit dem rechnerischen Gesamtergebnis für zutreffend abgebildet hielt, da den überwiegend unterdurchschnittlichen Leistungen des Klägers in den Examensklausuren und den Klausuren der Fortgeschrittenenarbeitsgemeinschaften überwiegend überdurchschnittliche mündliche Leistungen gegenüberstanden, die insgesamt das Bild eines durchschnittlichen Leistungsstands ergaben. Die überdurchschnittlichen Leistungen in der praktischen Ausbildung und die überwiegend überdurchschnittlichen Leistungen in den Arbeitsgemeinschaften (insgesamt) waren in Anbetracht zweier mangelhafter und zweier ausreichender Examensklausuren und des sich hieraus ergebenden negativen Eindrucks nach Auffassung des Prüfungsausschusses jedoch nicht geeignet, insgesamt einen "vollbefriedigenden" Leistungsstand festzustellen. Der Prüfungsausschuss hat folglich nicht die Leistungen des Klägers in den Stationen und Arbeitsgemeinschaften isoliert mit den Examensklausuren verglichen, sondern - entsprechend seiner Aufgabe - hierzu ins Gewicht gesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden.
25Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Prüfungsausschuss die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht einzeln gewürdigt hätte. Dies zeigt - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - bereits die Auseinandersetzung des Prüfungsausschusses mit den Leistungen des Klägers in der Kanzlei "H. ". Dass der Prüfungsausschuss seine weiteren Überlegungen zu den Einzelzeugnissen nicht schriftlich niedergelegt hat, lässt nicht darauf schließen, dass er diese nicht gewürdigt hätte. In der Begründung der Entscheidung müssen nicht zu jedem Einzelzeugnis Ausführungen gemacht werden.
26Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Prüfungsausschuss habe bei seiner Entscheidung über eine Notenabweichung ausschließlich auf die Examensklausuren abgestellt, obwohl die Befähigung zur praktischen Tätigkeit vorwiegend in der praktischen Ausbildung erlernt und nachgewiesen werde. Dieser Einwand trifft nicht zu. Wie bereits dargelegt, hat sich der Prüfungsausschuss auch anhand der Leistungen des Klägers in der praktischen Ausbildung und in den Arbeitsgemeinschaften einen Gesamteindruck verschafft, diese Leistungen aber nicht als Beleg für einen höheren Leistungsstand gewertet. Einen allgemeinen Bewertungsgrundsatz, dass die Einzelzeugnisse der praktischen Ausbildung die Befähigung zur praktischen Tätigkeit als Ausbildungsziel des Vorbereitungsdienstes besser dokumentieren als die Leistungen der zweiten Staatsprüfung, gibt es entgegen der Einschätzung des Klägers nicht.
27Schließlich legt der Kläger nicht dar, dass der Prüfungsausschuss seine Leistungen außerhalb des Vorbereitungsdienstes zu Unrecht für nicht aussagekräftig in Bezug auf die Inhalte und Ziele des Vorbereitungsdienstes erachtet hat. Es wird nicht dargelegt, welche insoweit nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein nach den Inhalten und Zielen des Vorbereitungsdienstes so herausgehobenes Gewicht hätten, dass sie eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote rechtfertigten. Dass diese Kenntnisse und Fähigkeiten dem Kläger für seine heutige Tätigkeit nützlich sein mögen, reicht dafür nicht aus.
28Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil die aufgeworfenen Fragen nach den Anforderungen an eine Abweichensentscheidung und deren gerichtlicher Überprüfung ohne Weiteres auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit der erforderlichen Sicherheit im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden können.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
30Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.