Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 29. Apr. 2016 - 6 WF 57/16
Gericht
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird die Festsetzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 02. Dezember 2015 betreffend die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des der Antragsgegnerin beigeordneten Rechtsanwalts geändert:
Die dem Rechtsanwalt R…, aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird festgesetzt auf
1.427,64 €.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Zwischen den beteiligten Eltern war vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Speyer ein Verfahren über das Sorgerecht für das gemeinsame Kind anhängig; beide Elternteile haben wechselseitig Anträge auf Übertragung des Sorgerechts gestellt. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung, mit der das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter übertragen wurde, hat der Vater Beschwerde eingelegt.
- 2
Mit Beschluss vom 10. Juli 2015 wurde beiden Eltern Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung der Beschwerde bzw. Verteidigung gegen die Beschwerde bewilligt. Im Termin vom 21. Juli 2015 schlossen die Eltern eine Umgangsvereinbarung; im Anschluss daran nahmen beide Elternteile ihre jeweiligen Sorgerechtsanträge zurück. Mit Beschluss vom 01. September 2015 wurde u.a. der Gegenstandswert für das Verfahren und die Umgangsvereinbarung auf je 3.000,00 € festgesetzt und die beiden Eltern bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf die Umgangsvereinbarung erstreckt.
- 3
Der der Antragsgegnerin beigeordnete Rechtsanwalt hat sodann beantragt, ihm die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren festzusetzen; dabei hat er u.a. die Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr jeweils aus einem Gegenstandswert von 6.000,00 € angesetzt. Das Familiengericht hat diesem Antrag nur teilweise stattgegeben und die Verfahrens- und Terminsgebühr nur jeweils aus einem Gegenstandswert von 3.000,00 € festgesetzt, sowie die Einigungsgebühr in Höhe von 1,5 Gebühren aus einem Gegenstandswert von 6.000,00 €. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts blieb ohne Erfolg; hiergegen richtet sich seine Beschwerde, mit der er nach wie vor die Festsetzung der im Rahmen des Mehrvergleichs angefallenen Verfahrens- und Terminsgebühren begehrt.
II.
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Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung gemäß § 568 Abs. 1 S. 2 ZPO entscheidet, ist begründet.
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Ob und inwieweit aufgrund der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich, der auch zunächst nicht im Verfahren anhängige Gegenstände betrifft (sog. Mehrvergleich), dem beigeordneten Rechtsanwalt auch mit dem Vergleichsabschluss zusammenhängende sonstige Gebühren (d.h. neben der Einigungsgebühr auch die Verfahrens- und Terminsgebühr) aus der Staatskasse zu gewähren sind, ist streitig.
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Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass sich die Erstattungsfähigkeit solcher Gebühren in diesen Fällen gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses richtet. Soweit sich die Bewilligung ohne eine ausdrückliche Erstreckung auf die genannten Gebühren auf den Vergleich richtet, reiche dies allein nicht aus, um auch die weiteren Gebühren zu umfassen (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 19. Mai 2014 - 13 WF 369/14, zitiert in FamRZ 2014, 1877; AGS 2014, 527; OLG Dresden Beschluss vom 07. Mai 2015 - 19 WF 1424/14).
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Nach anderer Auffassung sei derartigen Formulierungen regelmäßig zu entnehmen, dass alle entstandenen Gebühren von der Landeskasse zu erstatten sind (vgl. OLG Köln Beschluss vom 29. April 2013 - 25 WF 235/12, zitiert in FamRZ 2014, 1875; ähnlich Keske NJW 2014, 2805).
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Hinsichtlich der Auslegung einer solchen erweiterten Bewilligung neigt der Senat der letztgenannten Auffassung zu. Darauf kommt es hier aber nicht an, weil auch auf der Grundlage der erstgenannten Auffassung die von dem beigeordneten Rechtsanwalt geforderten weiteren Gebühren zu gewähren sind. Von einer Erstreckung der Bewilligung für den Mehrvergleich auch auf diese Gebühren kann nämlich auszugehen sein, wenn zwischen dem eigentlichen Verfahrensgegenstand und dem zusätzlichen Gegenstand des Mehrvergleichs ein enger Zusammenhang besteht (vgl. OLG Koblenz AGS 2014, 527 für Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt; Senat Beschluss vom 08. Juni 2015 - 6 WF 123/15 für anhängigen Unterhalt im eA-Verfahren und Vergleich über endgültigen Unterhalt; Senat Beschluss vom 03. Juli 2015 - 6 WF 40/15 für Vollstreckung einer Umgangsregelung und Vereinbarung über Neuregelung des Umgangs).
- 9
Entgegen dem OLG Koblenz (vgl. Beschluss vom 26. Januar 2015 - 13 WF 67/15) ist der Senat der Auffassung, dass zwischen einem anhängigen Sorgerechtsverfahren und einem Umgangsverfahren bezüglich derselben beteiligten Kinder und Eltern jedenfalls dann ein enger Zusammenhang besteht, wenn - wie hier - beide Eltern wechselseitige Sorgerechtsanträge gestellt haben. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass gerade die Ausgestaltung eines Umgangsrechts zur (einvernehmlichen) Regelung des Sorgerechts beitragen kann und somit trotz unterschiedlicher Rechtsgrundlagen ein untrennbarer Zusammenhang zwischen beiden Verfahrensgegenständen bestehen kann.
- 10
Die Gebühren berechnen sich danach wie folgt, wobei unter Beachtung von § 15 Abs. 3 RVG ein Verfahrenswert von insgesamt 6.000,00 € (3.000,00 € + 3.000,00 €) und die Tabelle in § 49 RVG zugrunde zulegen ist, hinsichtlich der Einigungsgebühr kann der gestellte Vergütungsantrag nicht überschritten werden:
- 11
Verfahrensgebühr nach Nr. 3200: 267,00 € * 1,6 =
427,20 €
Terminsgebühr nach Nr. 3202: 267,00 € * 1,2 =
320,40 €
Einigungsgebühr nach Nr. 1004: 267,00 € * 1,3 =
347,10 €
Pauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 =20,00 €
Reisekosten Nr. 7005, 7003 =
82,00 €
Parkgebühr =
3,00 €
Summe:
1.199,70 €
zuzüglich Umsatzsteuer
227,94 €
Gesamtsumme somit
1.427,64 €
III.
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Die Kostenfolgen im Beschwerdeverfahren ergeben sich aus § 56 Abs. 2 RVG.
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Annotations
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
- 1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder - 2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist auf die gesetzliche Vergütung gerichtet und bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.
(2) In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen und die Beiordnung eine Berufung, eine Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, eine Revision oder eine Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands betrifft, wird eine Vergütung aus der Staatskasse auch für die Rechtsverteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel und, wenn der Rechtsanwalt für die Erwirkung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung beigeordnet ist, auch für deren Vollziehung oder Vollstreckung gewährt. Dies gilt nicht, wenn der Beiordnungsbeschluss ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag
- 1.
den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, - 2.
den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, - 3.
die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, - 4.
die Regelung des Umgangs mit einem Kind, - 5.
die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen, - 6.
die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder - 7.
den Versorgungsausgleich
(4) Die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Absatz 1 Betragsrahmengebühren entstehen, erstreckt sich auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Die Beiordnung erstreckt sich ferner auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.
(5) In anderen Angelegenheiten, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhängen, erhält der für das Hauptverfahren beigeordnete Rechtsanwalt eine Vergütung aus der Staatskasse nur dann, wenn er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet ist. Dies gilt insbesondere für
- 1.
die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung und den Verwaltungszwang; - 2.
das Verfahren über den Arrest, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung, die einstweilige Verfügung und die einstweilige Anordnung; - 3.
das selbstständige Beweisverfahren; - 4.
das Verfahren über die Widerklage oder den Widerantrag, ausgenommen die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
(6) Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.
(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.
(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.
(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.
(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.
(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.
(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.
Bestimmen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, werden bei einem Gegenstandswert von mehr als 4 000 Euro anstelle der Gebühr nach § 13 Absatz 1 folgende Gebühren vergütet:
Gegenstands- wert bis ... Euro | Gebühr ... Euro | Gegenstands- wert bis ... Euro | Gebühr ... Euro | |
---|---|---|---|---|
5 000 | 284 | 22 000 | 399 | |
6 000 | 295 | 25 000 | 414 | |
7 000 | 306 | 30 000 | 453 | |
8 000 | 317 | 35 000 | 492 | |
9 000 | 328 | 40 000 | 531 | |
10 000 | 339 | 45 000 | 570 | |
13 000 | 354 | 50 000 | 609 | |
16 000 | 369 | über 50 000 | 659 | |
19 000 | 384 |
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.