Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Feb. 2011 - 4 U 148/10 Lw
Gericht
Tenor
I. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Landau in der Pfalz vom 10. September 2010 wird abgelehnt.
II. Die Berufung der Kläger gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
III. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
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Die Kläger nehmen den Beklagten u. a. auf Räumung und Herausgabe einer an ihn verpachteten Hofstelle nebst den dazugehörenden landwirtschaftlichen Grundstücken und auf Zahlung von rückständigem Pachtzins in Anspruch.
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Das die Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Landau in der Pfalz vom 10. September 2010 ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14. Oktober 2010 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger ist am 15. Oktober 2010 beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen. Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2010 haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Januar 2011 beantragt. Dem Gesuch entsprechend hat der Senatsvorsitzende die Berufungsbegründungsfrist verlängert. Am letzten Tag der verlängerten Frist ging beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eine mittels Fernkopie übermittelte nicht anwaltlich unterschriebene 19-seitige Berufungsrechtfertigung (Bl. 519 – 537 d. A.) mit dem Datum 4. Januar 2011 nebst einer als „Anlage K28“ beigefügten 4-seitigen und von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unterschriebenen Strafanzeige gegen den Beklagten vom 29. Juli 2010 (Bl. 538 – 541 d. A.) ein. Die Fernkopie der Berufungsrechtfertigung enthält auf Seite 1 über dem Adressfeld die Wörter „vorab per Telefax“.
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Am darauffolgenden Tag, dem 11. Januar 2011, ist eine von dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Kläger unterschriebene Berufungsbegründung mit dem Datum 4. Januar 2011 eingegangen, die in Abweichung zu der Fernkopie auf der ersten Seite über dem Adressfeld die Wörter „im Nachgang zu unserem Telefax“ enthält und der ebenfalls die Strafanzeige der Kläger gegen den Beklagten vom 29. Juli 2010, diesmal ohne Unterschrift, beigefügt ist (Bl. 542 – 564 d. A).
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Der Senatsvorsitzende hat die Kläger mit Verfügung vom 11. Januar 2011 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, da die am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist per Fernkopie übermittelte Berufungsrechtfertigung entgegen §§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben ist.
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Mit am 10. Februar 2011 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 9. Februar 2011 haben die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass von der Berufungsrechtfertigung mit Datum vom 4. Januar 2011 zwei Urschriften gefertigt worden seien, die sich textlich lediglich dadurch unterscheiden würden, dass – jeweils auf der ersten Seite - die eine Urschrift den Zusatz „vorab per Telefax“ und die andere den Zusatz „im Nachgang zu unserem Telefax“ enthält. Die erstgenannte Urschrift sei ausschließlich für die Übermittlung an das Berufungsgericht per Fernkopie angefertigt worden. Die zweite Urschrift mit dem Zusatz „im Nachgang zu unserem Telefax“, die für die Versendung auf dem Postwege angefertigt worden sei, habe der sachbearbeitende Rechtsanwalt D... unterzeichnet; sie sei dann per Post expediert worden. Bei der mittels Fernkopie übermittelten (weiteren) Berufungsrechtfertigung mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ habe Rechtsanwalt D... aus Versehen nicht die letzte Seite des bestimmenden Schriftsatzes, sondern die letzte Seite der diesem als Anlage beigefügten Strafanzeige unterschrieben. Die Übermittlung der Fernkopie sei durch die Auszubildende im zweiten Lehrjahr, J... B..., erfolgt. Diese sei durch die Bürovorsteherin, der Rechtsfachwirtin N... L..., überwacht worden. Die Bürovorsteherin habe den Übermittlungsvorgang kontrolliert, beginnend von der korrekten Eingabe der Telefaxnummer bis zu der OK-Meldung im Sendebericht. Gemäß der in der Kanzlei bestehenden Anweisung habe die Bürovorsteherin auch überprüft, ob der mittels Fernkopie übermittelte Schriftsatz unterschrieben sei. Dabei habe sie aber übersehen, dass sich die anwaltliche Unterschrift nicht am Ende des bestimmenden Schriftsatzes, sondern auf der letzten Seite der als Anlage beigefügten Strafanzeige befunden habe.
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Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger jeweils eine eidesstattliche Versicherung der Auszubildenden J... B... und der Rechtsfachwirtin N... L... vorgelegt.
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Der eidesstattlichen Versicherung von J... B... lautet auszugsweise wie folgt:
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„Ich habe am Nachmittag des 10.01.2011 die Kanzleiausgangspost bearbeitet, d. h. die Briefpost versandfertig gemacht sowie die Faxe versendet. Nach 15:00 Uhr habe ich auch das fragliche Fax in der Sache H... u.a. ./. H... versandfertig gemacht. Ich weiß, dass ich den Schriftsatz gesondert von Herrn D... habe unterzeichnen lassen. Hierzu bin ich in dessen Büro gegangen. Herr D... hatte eine Besprechung und hat mir den Schriftsatz unterzeichnet.
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Beim Versenden des Faxes wurde ich von Frau L... überwacht; diese hat einen Fehler beim Eintippen der Rufnummer festgestellt und mich korrigiert. Deswegen habe ich das Fax nochmals abgeschickt, die Rufnummer eingetippt, die einzelnen Blätter eingeschoben, danach habe ich die Anzahl der Seiten gezählt und geprüft, mein Handzeichen auf jeden Sendebericht gesetzt und Frau L... gesagt, dass alles in Ordnung ist“.
- 10
Die Rechtsfachwirtin N... L... hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung Folgendes erklärt:
- 11
„Der Vorgang ist mir allein deswegen erinnerlich, weil ich zunächst eine von der Auszubildenden falsch eingegebene Telefonnummer korrigierte.
- 12
Ich habe die gesendeten Fristsachen überprüft. Diese werden auf einen speziellen Platz, auf welchem sich ein foliertes Blatt mit dem Text „Fax gesendet“ befindet rechts neben das Fax gelegt. Bei dem fraglichen Fax bin ich entsprechend der Organisationsanweisung vorgegangen. Das heißt es wurde von mir zunächst die Faxnummer überprüft, dann habe ich die Seiten gezählt und mit der Seitenzahl auch auf den Faxberichten verglichen. Schließlich habe ich geprüft, ob die Übermittlung mit ok auf den Faxberichten bestätigt wurde. Am Ende habe ich auf der letzten Seite des Schriftsatzes die Unterschrift überprüft. Diese war ebenfalls vorhanden. Daher habe ich einen Haken gesetzt und mein Handzeichen auf die Sendeberichte gesetzt“.
II.
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1. Die Kläger haben die Frist zur Begründung ihrer Berufung versäumt.
- 14
Eine wirksame Berufungsrechtfertigung ist weder innerhalb der Zweimonatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 LwVG noch innerhalb der bis zum 10. Januar 2011 bewilligten Fristverlängerung beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen. Die vom sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Kläger unterzeichnete Berufungsbegründung nebst beigefügten Abschriften ist erst am 11. Januar 2011 und somit nach Fristablauf eingegangen. Die zuvor am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist per Fernkopie übermittelte Berufungsrechtfertigung hat die Frist nicht gewahrt, da dieser Schriftsatz wegen der fehlenden anwaltlichen Unterschrift unvollständig und damit unwirksam ist (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO, § 48 Abs. 1 LwVG).
- 15
Eine Berufungsrechtfertigung als bestimmender Schriftsatz muss im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO), da mit der Unterschrift der Nachweis geführt wird, dass der Berufungsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernimmt. Fehlt diese Voraussetzung, ist der bestimmende Schriftsatz grundsätzlich nicht wirksam (vgl. BHGZ 37, 156 ff; 97, 251 ff).
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Das Erfordernis der Unterschrift entfällt auch dann nicht, wenn die Berufungsschrift – wie hier – zulässigerweise durch Fernkopie übermittelt wird (vgl. Zöller/Heßler, 28. Aufl., § 519 Rdnr. 18 m. w. N.). In einem solchen Fall verzichtet die Rechtsprechung nur darauf, dass das bei Gericht eingehende Schriftstück (Fernkopie) eigenhändig unterschrieben sein muss. Erforderlich ist aber, dass die Kopiervorlage eine Unterschrift enthält und diese auf der Telekopie wiedergegeben wird (vgl. BGH NJW 1994, 2097).
- 17
Die mittels Fernkopie am 10. Januar 2011 übermittelte Berufungsrechtfertigung, datierend vom 4. Januar 2011, mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ ist im Gegensatz zur beigefügten Strafanzeige nicht unterschrieben. Der per Fernkopie übermittelte bestimmende Schriftsatz ist wegen seiner Unvollständigkeit unwirksam und hat deshalb die am 10. Januar 2011 ablaufende Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt.
- 18
Es liegt vorliegend auch keine Fallgestaltung vor, in der ausnahmsweise das Fehlen der Unterschrift unter einen bestimmenden Schriftsatz unschädlich wäre.
- 19
Dies ist dann der Fall, wenn sich für das Empfangsgericht aus anderen Umständen, die eine Beweisaufnahme nicht erfordern, eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür bietet, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt des bestimmenden Schriftsatzes übernommen und diesen willentlich in den Verkehr gebracht hat, wobei nur spätestens bei Fristablauf dem Berufungsgericht bekannt gewordene Umstände berücksichtigungsfähig sind (vgl. BGH VersR 2006, 387; BGH-Report 2004, 406). So kann beispielsweise die fehlende Unterschrift durch die Unterschrift unter eine beglaubigte Abschrift (BGHZ 92, 251), durch ein unterzeichnetes Begleitschreiben (BGH MDR 2009, 762) oder durch Beifügung einer unterschriebenen Vollmacht (BFH, 6. Senat, Beschluss vom 17. August 2009 – VI B 40/09 –, zitiert nach Juris) ersetzt werden.
- 20
So liegt der Fall hier aber nicht.
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Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die zusammen mit der Fernkopie des bestimmenden Schriftsatzes übermittelte Strafanzeige vom 29. Juli 2010 mit seiner Unterschrift versehen hatte. Denn die bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bekannten Umständen ließen, wie der vom Vorsitzenden am 11. Januar 2011 erteilte Hinweis belegt, für das Berufungsgericht als Empfänger des Telefaxschreibens gerade nicht zweifelsfrei erkennen, dass mit der Unterschrift unter der Strafanzeige zugleich die Verantwortung für den Inhalt der (nicht unterschriebenen) Berufungsrechtfertigung übernommen werden sollte. Denn die Strafanzeige datiert bereits vom 29. Juli 2010 und ist an die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz adressiert. Sie nimmt inhaltlich ausschließlich auf das zu diesem Zeitpunkt noch in erster Instanz beim Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Landau in der Pfalz anhängige Verfahren Bezug. Erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger dann mitgeteilt, dass die auf der letzten Seite der Strafanzeige vorhandene Unterschrift versehentlich an dieser Stelle angebracht worden sei und tatsächlich dem Zweck habe dienen sollen, die anwaltliche Verantwortung für die Berufungsrechtfertigung zu übernehmen. Diese spätere Erklärung ist aber für die Beurteilung der Wirksamkeit des Rechtsmittels nicht mehr zu berücksichtigen, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist und somit verspätet erfolgt ist.
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2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig (§§ 234, 236 ZPO), in der Sache führt er jedoch nicht zum Erfolg.
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Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Kläger (RA D...) hat die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, was sich die Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen. Der verspätete Zugang einer ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsbegründung beruht nicht allein auf einem dem Prozessbevollmächtigten nicht zurechenbaren Fehlverhalten des Büropersonals. Denn der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in eigener Person schuldhaft eine wesentliche Ursache für die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist gesetzt, indem er die ihm außerhalb des routinemäßigen Geschäftsablaufs vorgelegten Unterlagen, bestehend aus der (weiteren) Berufungsbegründung mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ nebst einer zu Informationszwecken beigefügten Strafanzeige an der falschen Stelle, nämlich auf der Anlage, unterschrieb. Bei genügender Aufmerksamkeit hätte er bei der Unterschriftsleistung bemerken müssen, dass er nicht die 19-seitige Berufungsrechtfertigung, sondern die Seite 4 der als Anlage beigefügten Strafanzeige unterschrieb. Dieser von ihm selbst so bezeichnete „Fehler“ ist bei lebensnaher Betrachtung eigentlich nur damit zu erklären, dass der Rechtsanwalt die ihm gesondert vorgelegte Telefaxvorlage ungelesen und damit „blind“ unterschrieben hat. Das darin liegende anwaltliche Verschulden ist dann im Weiteren auch (mit-)ursächlich dafür geworden, dass das Kanzleipersonal bei der Ausgangskontrolle von einer Unterzeichnung der Berufungsbegründung ausging und daraufhin das Telefaxschreiben versandte.
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Ein Rechtsanwalt muss organisatorische Vorkehrungen dafür treffen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierbei hat er zunächst dafür Sorge zu tragen, dass ihm Akten in Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Zusätzlich hat er eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die gewährleistet, dass fristwahrende Schriftsätze tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Ein Rechtsanwalt muss aber nicht jeden zur Fristwahrung erforderlichen Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfache Verrichtungen zur selbständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen. Dies gilt auch für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2009 – VIII ZB 62/08 –, zitiert nach Juris m. w. N.). Eine solche einfache Tätigkeit ist auch die Überprüfung bestimmender Schriftsätze auf die erforderliche Unterschrift (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW-RR 2002, 1004).
- 25
Nach der glaubhaft gemachten Darstellung der Prozessbevollmächtigten der Kläger bestanden in der Kanzlei organisatorische Vorkehrungen in dem oben genannten Sinn. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleivorsteherin ist auch davon auszugehen, dass der per Telekopie übermittelte Berufungsbegründungsschriftsatz mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ auf das Vorhandensein einer Unterschrift kontrolliert worden ist. Dabei hat die Kanzleivorsteherin jedoch fahrlässig übersehen, dass Rechtsanwalt D... nicht den bestimmenden Schriftsatz selbst, sondern die als Anlage beigefügte Strafanzeige unterschrieben hatte.
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Diese zusätzliche Fehlleistung bei der weiteren Bearbeitung durch das Kanzleipersonal ist allerdings nicht geeignet, das vorausgehende Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger sowie dessen Mitursächlichkeit für das Fristversäumnis in Frage zu stellen oder gar aufzuheben.
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Dabei liegt – unter Berücksichtigung der Erklärungen des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Kläger, der eidesstattlichen Versicherungen der Kanzleiangestellten und des sich aus der Akte ergebenden Telefax-Übermittlungsvorganges – für den Senat folgender tatsächlicher Ablauf des Geschehens nahe:
- 28
Am Tag des Fristablaufs für die Berufungsbegründung (10. Januar 2011) wurde durch das Büro der Prozessbevollmächtigten der Kläger in der Zeit von 15.32 Uhr bis 15.35 Uhr die sich auf Bl. 519 – 541 der Akte befindliche Fernkopie bestehend aus der nicht unterschriebenen Berufungsrechtfertigung vom 4. Januar 2011 mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ und der an die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz gerichteten Strafanzeige der Kläger gegen den Beklagten vom 29. Juli 2010 an das Pfälzische Oberlandesgericht in Zweibrücken übermittelt. Bereits zuvor am selben Tage hatte das Büro der Prozessbevollmächtigten in der Zeit von 15.06 Uhr bis 15.13 Uhr die ersten zwölf Seiten der oben genannten 19-seitigen Berufungsbegründung übermittelt und sodann den Übermittlungsvorgang von sich aus abgebrochen (Bl. 518 a – 518 l d. A). Daraus ist zu schließen, dass Ursache für den Abbruch des zunächst eingeleiteten Übermittlungsvorganges nicht etwa – so aber die Angaben der beiden Kanzleiangestellten – ein angeblicher Fehler beim Eintippen der Faxnummer des Berufungsgerichts war. Eine plausible Erklärung für den Abbruch könnte indes darin zu finden sein, dass während des (ersten) Übermittlungsvorgangs bemerkt wurde, dass die als Kopiervorlage dienende Berufungsbegründung mit dem Zusatz „vorab per Telefax“ bis dahin noch nicht unterzeichnet war. Die Zeitspanne von 17 Minuten zwischen dem abgebrochenen ersten und dem vollständig beendeten zweiten Übermittlungsvorgang wäre dann ohne weiteres in Einklang zu bringen mit der eidesstattlichen Versicherung der auszubildenden Rechtsanwaltsgehilfin J... B.... Diese gibt darin an, dass sie das fragliche Fax versandfertig gemacht habe. Sie wisse, dass sie den Schriftsatz gesondert von dem Rechtsanwalt D... habe unterzeichnen lassen. Hierzu habe sie dessen Büro aufgesucht. Dieser habe sich in einer Besprechung befunden und habe ihr den Schriftsatz unterzeichnet.
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Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Kläger hat einen solchen Geschehensablauf, den der Senat für realistisch hält, in dem gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausgeräumt. So gibt er selbst an, dass ihm ein „Fehler“ unterlaufen ist, indem er nicht den bestimmenden Schriftsatz, sondern die Strafanzeige unterschrieben hat, schweigt sich aber dazu aus, wie es zu diesem „Versehen“ gekommen ist.
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Die Unterschriftsleistung an der „falschen Stelle" ist nach alledem als von dem Prozessbevollmächtigten verschuldet anzusehen. Aufgrund des Vorbringens zur Wiedereinsetzung ist davon auszugehen, dass Rechtsanwalt D... als Aussteller der als Kopiervorlage für die Faxübertragung bestimmten Urkunde bereits zuvor am selben Tage das (weitere) Original der Berufungsrechtfertigung mit dem Zusatz „im Nachgang zu unserem Telefax“ unterschrieben und aufgrund dessen auch Kenntnis davon hatte, dass der bestimmende Schriftsatz aus insgesamt 19 Seiten besteht und mit folgendem Satz endet „Im Termin werden wir beantragen, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils der Klage stattzugeben“. Im Gegensatz dazu endet die letzte Seite der von ihm vermeintlich als weitere Urschrift der Rechtsmittelbegründung unterschriebenen Strafanzeige mit der Seitenzahl 4 und dem Satz „Wir ersuchen um Aufnahme der Ermittlungen nach, nachdem in der Vergangenheit mehrfach der Beschuldigte Eigentum der Antragsteller in sein Hausgrundstück in B... verbrachte, werden dort Ermittlungen und unter Umstände eine Hausdurchsuchung angeregt“.
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Dies belegt, dass eine pflichtgemäße nochmalige Kontrolle des zu unterzeichnenden Schriftstückes, bei deren Vornahme der Fehler vermieden worden wäre, versäumt wurde. Dieser anwaltliche Fehler (tatsächliche Unterschriftsleistung, aber an der „falschen“ Stelle) war auch (mit–) ursächlich für die weitere Fehlleistung bei der Ausgangskontrolle durch das Büropersonal.
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Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich auch von den Fällen, in denen das Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten die Wiedereinsetzung nicht ausschließt, wenn es seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis verliert. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Anwalt die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes vergisst und das nicht unterzeichnete Schriftstück durch ein Versehen des eingearbeiteten und überwachten Büropersonals abgeschickt wird, das allgemein angewiesen war, sämtliche ausgehenden Schriftstücke vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rdnr. 31; BVerfG NJW 1996, 309; BGH, 8. Zivilsenat, Beschluss vom 18. August 2009 - VIII ZB 62/08, zitiert nach juris). Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar, denn das Büropersonal hat die angeordnete Ausgangskontrolle nicht etwa unterlassen, sondern eine solche gerade vorgenommen. Hauptsächlich wegen der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger selbst gesetzten Ursache der irrtümlichen Unterzeichnung einer als Anlage beigefügten Strafanzeige statt der Berufungsrechtfertigung, hatte das Büropersonal die fehlende anwaltliche Unterschrift unter den bestimmenden Schriftsatz nicht bemerkt. Eine wertende Betrachtung der gesetzten Verursachungsbeiträge für die Fristversäumnis lässt das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger deshalb nicht entfallen, da dieser durch eigenes Tun aktiv in das Geschehen eingegriffen und eine besondere Gefahrsituation geschaffen hat.
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Abschließend ist anzumerken, dass das in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger für die Übermittlung fristgebundener Schriftsätze praktizierte System der Fertigung zweier Urschriften, die sich ausschließlich mit den Zusätzen „vorab per Telefax“ bzw. „im Nachgang zu unserem Telefax“ unterscheiden, für einen Fehler, wie er hier aufgetreten ist, besonders anfällig erscheint, da die in Rede stehenden Schriftsätze nicht einmal, sondern zweimal unterschrieben und dabei auch inhaltlich auf Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert werden müssen.
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3. Da die Berufung somit nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden ist, ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 LwVG).
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4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, § 48 Abs. 1 LwVG.
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Annotations
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)