Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Juni 2018 - 3 O 255/18
Gericht
Gründe
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Die gemäß §§ 165, 151, 146 Abs. 1, Abs. 3 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Die durch das Verwaltungsgericht erfolgte Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtes Magdeburg begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das Verwaltungsgericht hat auf die Erinnerung des Beklagten zu Recht festgestellt, dass die Kläger die Erstattung einer 0,3-Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in dem Klageverfahren nicht beanspruchen können. Zutreffend hat das Gericht deswegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 19. Dezember 2017 entsprechend abgeändert. Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG setzt voraus, dass der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit von mehreren Auftraggebern beauftragt worden ist. Der Gegenstand der anwaltlichen Vertretung war vorliegend jedoch nicht derselbe.
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Vertritt ein Rechtsanwalt in demselben Verfahren mehrere Auftraggeber, entsteht ihm regelmäßig ein höherer Aufwand, als dies beim Tätigwerden für nur einen Mandanten der Fall wäre. Um diesen Mehraufwand zu vergüten, sieht das Kostenrecht zwei im Ansatz unterschiedliche Wege vor: Dies kann durch eine Erhöhung des Streit- bzw. Gegenstandswertes bei unverändertem Gebührensatz oder durch eine Erhöhung des Gebührensatzes bei unverändertem Streit- /Gegenstandswert geschehen. Auf welchem dieser Wege eine Vergütung des Mehraufwands des Rechtsanwalts erfolgt, hängt davon ab, ob seine Tätigkeit für mehrere Mandanten sich auf einen oder mehrere Verfahrensgegenstände bezieht. Ist die Vertretung mehrerer Personen zugleich mit mehreren Verfahrensgegenständen verbunden, sind nach § 22 Abs. 1 RVG die Werte dieser unterschiedlichen Verfahrensgegenstände zusammenzurechnen. Eine Erhöhung des Gebührensatzes erfolgt hingegen nicht, denn Nr. 1008 Abs. 1 VV-RVG sieht eine solche nur vor, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die mehreren Auftraggeber derselbe ist. Der erhöhte Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts ergibt sich in diesen Fällen - trotz gleichbleibenden Gebührensatzes - aus den nach § 13 RVG mit der Höhe des Streit-/Gegenstandswertes steigenden Gebühren. Werden hingegen mit Blick auf denselben Verfahrensgegenstand mehrere Personen vertreten, bleibt der Streit-/Gegenstandswert und mit ihm die Höhe der nach § 13 RVG berechneten einzelnen Gebühr unverändert. Um den durch die Tätigkeit für mehrere Mandanten erhöhten Aufwand des Rechtsanwaltes zu vergüten, sieht Nr. 1008 VV-RVG für diesen Fall eine Erhöhung des Gebührensatzes um 0,3 für jeden zusätzlichen Auftraggeber vor, wobei mehrere Erhöhungen zusammengenommen einen Gebührensatz von 2,0 nicht überschreiten dürfen. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz enthält keine Legaldefinition des Gegenstandes im gebührenrechtlichen Sinne. Ob die Tätigkeit eines Rechtsanwalts für mehrere Mandanten denselben oder unterschiedliche Verfahrensgegenstände betrifft, ist im Einzelfall anhand der konkret wahrgenommenen Angelegenheiten zu ermitteln. Ein einheitlicher Gegenstand im gebührenrechtlichen Sinne ist nur gegeben, wenn der Rechtsanwalt für seine mehreren Auftraggeber wegen desselben konkreten Rechtes oder Rechtsverhältnisses tätig geworden ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2012 - 2 D 63/09.NE -, juris Rn. 4).Ist bei einem Verwaltungsakt jeder einzelne Auftraggeber nur in seinem persönlichen Recht betroffen, so handelt es sich um verschiedene Gegenstände (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 1. Juli 2010 - 2 O 154/09 -, juris).
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Vorliegend ist von selbstständigen Angriffen der Kläger zu 1. bis 9. auszugehen, weil sie nicht als notwendige Streitgenossen einer Rechtsgemeinschaft aufgetreten sind, sondern jeder für sich einen eigenen Anspruch geltend machen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger mag hier zwar „in derselben Angelegenheit“ tätig geworden sein. Insoweit genügt eine „gemeinschaftliche Beteiligung" am strittigen Anspruch (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2000 - 6 C 3.99 -, juris). Die Kläger haben jedoch jeder für sich - und nicht etwa als Rechtsgemeinschaft - Klage erhoben. Gegenstand der Klage war die Frage, ob die Klägerin zu 1. als Trägerin der Grundschule B-Stadt sowie die Kläger zu 2. bis 9. als Schüler der Grundschule B-Stadt einen Anspruch auf Aufhebung der allein an die Klägerin zu 1. gerichteten Entscheidung des Beklagten auf Überweisung der Schülerinnen und Schüler der Grundschule B-Stadt ab dem Schuljahr 2015/2016 an die Grundschule E-Stadt haben. Zwar bestand insoweit eine Identität, als sich sämtliche Kläger mit der Aufhebung der an die Klägerin zu 1. gerichteten Verfügung gegen die Schließung der Grundschule B-Stadt wandten.Gleichwohl handelte es sich nicht um denselben Gegenstand im Sinn von Nr. 1008 VV-RVG, weil die einzelnen Kläger in jeweils unterschiedlicher Weise in ihren Rechten betroffen gewesen sind. Die Klägerin zu 1. rügte als Adressatin der Verfügung die Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechtes (vgl. Klageschrift vom 29. Juni 2015), wohingegen die Kläger zu 2. und 9. in der angefochtenen Verfügung eine Beeinträchtigung ihres - jeweiligen - Rechtes auf freie Wahl der Ausbildungsstätte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG erblickten (vgl. Klageerweiterung vom 3. Juli 2015). Hiervon ausgehend hat nicht etwa das Gericht - wie die Kläger beschwerdebegründend vortragen - nachträglich eine eigene Begründung herangezogen, sondern die Kläger selbst in ihren jeweiligen Klagebegründungen aufgezeigt, dass sie nicht als Rechtsgemeinschaft auftreten.
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Diese mehrfache Prüfungsleistung des Prozessbevollmächtigten wurde in der Streitwertfestsetzung vom 21. Dezember 2015 gewürdigt, indem nicht nur der Auffangwert, der Betrag, um den in der Sache gestritten, sondern - entsprechend der Anzahl der Kläger - der neunfache Wert zugrunde gelegt wurde. Hierdurch wurde der Aufwand des Rechtsanwaltes, den er mit neun Streitgegenständen hat, abgegolten. In diesem Falle scheidet eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG, d.h. eine doppelte Honorierung aus. Bei verschiedenen Streitgegenständen werden die Gegenstandswerte gemäß § 22 Abs. 1 RVG addiert; die Gebühr nach VV 3100 wird hingegen nicht erhöht (vgl. VGH BW, Beschluss vom 29. Januar 1990 - 5 S 1030/87 -, juris), so dass neben der Gegenstandswerterhöhung keine mehrfache Abrechnung auf der Grundlage des bereits erhöhten Gegenstandswertes, aber auch keine 0,3-Erhöhung der Verfahrensgebühr auf der Grundlage des bereits erhöhten Gegenstandswertes mehr in Betracht kommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Festsetzung eines Streitwertes bedarf es nicht, weil für die Beschwerde nach Ziffer 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr erhoben wird.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.
Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.
(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
(1) In derselben Angelegenheit werden die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet.
(2) Der Wert beträgt in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit durch Gesetz kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen wegen verschiedener Gegenstände Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Millionen Euro, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Millionen Euro.
(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem
Gegen- standswert bis ... Euro | für jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euro | um ... Euro |
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2 000 | 500 | 39 |
10 000 | 1 000 | 56 |
25 000 | 3 000 | 52 |
50 000 | 5 000 | 81 |
200 000 | 15 000 | 94 |
500 000 | 30 000 | 132 |
über 500 000 | 50 000 | 165 |
Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.
(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.
(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) In derselben Angelegenheit werden die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet.
(2) Der Wert beträgt in derselben Angelegenheit höchstens 30 Millionen Euro, soweit durch Gesetz kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen wegen verschiedener Gegenstände Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Millionen Euro, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Millionen Euro.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.