Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Okt. 2014 - 2 M 106/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:1030.2M106.14.0A
bei uns veröffentlicht am30.10.2014

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 8. September 2014 – 1 B 249/14 -HAL – geändert:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Rechtsmittelverfahren auf 2.500,-€ (zweitausendfünfhundert EURO) festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine Duldung zu erteilen. Zu Recht wendet der Antragsgegner ein, dass nicht er, sondern der Heidekreis (Niedersachsen), in dessen Bezirk der Antragsteller im Rahmen des mittlerweile beendeten Asylverfahrens zur Unterbringung zugewiesen wurde, für die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zuständig ist.

3

Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG ist diejenige Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die Person ihren "gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder zuletzt hatte. In Anlehnung an die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei Ausländern setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts allerdings voraus, dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechts zulässig ist; verlässt der Ausländer den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht (Urt. d. Senats v. 15.05.2014 – 2 L 136/12 –, AuAS 2014, 151, RdNr. 24 f., m.w.N.).

4

Hiernach ist allein der Landkreis Heidekreis die zuständige Ausländerbehörde, auch wenn der Antragsteller im März 2014 zu seiner Ehefrau nach A-Stadt gezogen ist. Die dem Antragsteller gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zur Durchführung des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsgestattung war gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG räumlich auf den Bezirk des Landkreises Heidekreis beschränkt. Die räumliche Beschränkung bleibt gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bis sie aufgehoben wird. Eine solche Aufhebung, die auch durch eine Duldung ausgesprochen werden kann (vgl. OVG RP, Urt. v. 15.02.2012 – 7 A 11177/11 –, juris, RdNr. 27, m.w.N.), ist bislang nicht erfolgt. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG, unter denen eine räumliche Beschränkung erlischt, liegen ersichtlich nicht vor. Die Ausländerbehörden des Landkreises Heidekreis und des Antragsgegners haben den Wohnortwechsel des Antragstellers auch nicht gebilligt.

5

Solange die im Asylverfahren ergangene Zuweisungsentscheidung über den Verfahrensabschluss hinaus gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG Wirksamkeit entfaltet, hat auch nach Abschluss des Asylverfahrens ein länderübergreifender Wohnsitzwechsel nach § 51 AsylVfG zu erfolgen (OVG BBg, Beschl. v. 02.12.2009 – OVG 3 S 120.08 –, juris, RdNr. 12; Jobs, in: GK-AsylVfG II -§ 51 RdNr. 2. m.w.N.). Nach § 51 Abs. 1 AsylVfG ist, wenn ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylVfG oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen. Gemäß § 51 Abs. 2 AsylVfG erfolgt die Verteilung nach Absatz 1 auf Antrag des Ausländers; über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist. Eine Umverteilung nach § 51 AsylVfG mag zwar dann nicht mehr in Betracht kommen, wenn dem Ausländer aus asylverfahrensunabhängigen Gründen eine Duldung erteilt worden ist (vgl. OVG RP, Urt. v. 15.02.2012, a.a.O.; RdNr. 24 ff., m.w.N.; OVG MV, Beschl. v. 17.02.2004 – 2 L 261/03 –, juris, RdNr. 6; Jobs, a.a.O., m.w.N.). Dies ist beim Antragsteller bislang aber nicht erfolgt. Erst wenn die länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG durchgeführt wurde, kann die Erteilung der Duldung für das aufnehmende Land durch die dort zuständige Ausländerbehörde erfolgen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG II - § 61 RdNr. 25). Solange eine solche Umverteilung des Antragstellers nicht erfolgt ist, bleibt es für die Erteilung der Duldung bei der örtlichen Zuständigkeit des Landkreises Heidekreis, der auch über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit Bescheid vom 30.07.2014 – seine örtliche Zuständigkeit bejahend – in der Sache (negativ) entschieden hat.

6

Etwas anderes folgt schließlich nicht aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Senats (Beschl. v. 05.04.2006 – 2 M 126/06 –, juris, RdNr. 3, m.w.N.), nach der im Falle einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei Vorliegen dringender persönlicher, insbesondere familiärer Gründe die Erteilung einer weiteren Duldung (sog. Zweitduldung) durch die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer seinen Wohnsitz verlegen will, in Betracht kommt.

7

Um eine solche Zweitduldung bei Bestehen einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geht es vorliegend nicht; der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner vielmehr die erstmalige Aussetzung der Abschiebung nach Beendigung des Asylverfahrens. Insoweit ist unerheblich, ob der Landkreis Heidekreis während des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Antragsteller "faktisch" geduldet hat. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der am 26.11.2011 in Kraft getretenen Bestimmung des § 61 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Regelung geschaffen, nach der von der räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgewichen werden kann, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient (vgl. dazu: Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 26). Durch diese Regelung wird die Ausländerbehörde am Wohnsitz des Ausländers nunmehr grundsätzlich in die Lage versetzt, die räumliche Beschränkung auf einen anderen Ort zu erweitern (vgl. OVG BBg, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 S 32.13 –, juris, RdNr. 2). Deshalb dürfte kein Bedürfnis mehr für eine Zweitduldung bestehen, um den Gewährleistungen des Art. 6 GG und 8 EMRK Rechnung tragen zu können (vgl. OVG BBg, Urt. v. 09.04.2014 – OVG 3 B 33.11 –, juris, RdNr. 20; VG Bremen, Urt. v. 11.04.2014 – 4 K 460/13 –, juris, RdNr. 20). Dem entsprechend wird der Landkreis Heidekreis, wenn er die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachte Risikoschwangerschaft seiner Ehefrau bejahen sollte, zugleich darüber zu befinden haben, ob er die räumliche Beschränkung dahingehend abändert, dass der Antragsteller sich aus den geltend gemachten familiären Gründen im Land Sachsen-Anhalt oder im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhalten darf.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

9

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Okt. 2014 - 2 M 106/14

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Okt. 2014 - 2 M 106/14 zitiert 12 §§.

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden 1. des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,2. der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sons

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 30 Geltungsbereich


(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. (2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt. (3) Einen Wohnsitz hat jem

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(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfun

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(1) Örtlich zuständig ist 1. in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;2. in Angelegenheiten, die sich auf den Be

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Tatbestand 1 Der am (…) 1980 im Irak geborene Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er reiste am 25.01.2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.02.2001 einen Asylantrag. Aufgrund eines Verpflichtungsurteils des Verwalt

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. Feb. 2012 - 7 A 11177/11

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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 10. Aug. 2016 - 1 B 37/16

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Tenor Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die dem Antragsteller bis zum 01.06.2016 erteilte Duldung vorläufig zu verlängern. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegensta

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 22. Jan. 2015 - 2 O 1/15

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Gründe 1 Die Beschwerde der Kläger hat Erfolg. Den Klägern ist die beantragte Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO zu bewilligen. 2 Die Kläger sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage,

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Gründe 1 I. Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg. 2 Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Antrag der Antragsteller sei bereits unzulässig, da er zur Unzeit gestellt worden sei. Die Antragsteller hätt

Referenzen

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Örtlich zuständig ist

1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt;
2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3.
in anderen Angelegenheiten, die
a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte,
b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.

(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.

(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Tatbestand

1

Der am (…) 1980 im Irak geborene Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Er reiste am 25.01.2001 in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.02.2001 einen Asylantrag. Aufgrund eines Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12.02.2002 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 10.04.2002 fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AusIG hinsichtlich des Irak vorliegen. Der Landkreis G. erteilte ihm daraufhin mit Bescheid vom 22.04.2002 eine bis zum 21.04.2004 gültige Aufenthaltsbefugnis, die die Auflage enthielt, den Wohnsitz im Landkreis G. zu nehmen. Nachdem der Kläger nach M-Stadt verzogen war und dort eine Arbeit aufgenommen hatte, verlängerte die nunmehr zuständige Beklagte am 25.03.2004 die Aufenthaltsbefugnis bis zum 25.03.2006. Nachdem das Bundesamt die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AusIG mit Bescheid vom 24.09.2004 widerrufen und das Verwaltungsgericht Magdeburg die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18.03.2005 abgewiesen hatte, widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 17.03.2006 den als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG fortgeltenden Aufenthaltstitel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2010 zurück. Hiergegen erhob der Kläger keine Klage. Einen bereits am 28.02.2006 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nahm der Kläger daraufhin zurück. Einen weiteren Antrag vom 01.12.2006 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006 lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.05.2007 ab, weil der Kläger nicht seit acht Jahren ununterbrochen in der Bundesrepublik gelebt habe.

2

Den vom Kläger bereits am 27.10.2006 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.01.2007 ab. Zur Begründung gab sie an, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1, 2 oder 3 AufenthG seien nicht gegeben, weil der Kläger weder asylberechtigt sei noch die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60 AufenthG vorlägen. Es bestünden auch keine dringenden humanitären oder persönlichen Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen an der vorübergehenden weiteren Anwesenheit des Klägers in der Bundesrepublik, so dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht komme. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, scheide auch eine Verlängerung der Erlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG aus. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei schon deshalb nicht zu erteilen, weil der Kläger nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei, solange der Entzug der Aufenthaltserlaubnis angefochten sei. Es bestehe kein Abschiebestopp, und eine freiwillige Ausreise sei jederzeit möglich. Die Behauptung, im Irak durch Morddrohungen gefährdet zu sein, müsse der Kläger in einem Asylfolgeverfahren geltend machen und sei für die Aufenthaltserlaubnis unerheblich. Auch wenn der Kläger durch den vorgelegten Arbeitsvertrag und seine Gehaltsnachweise belege, dass er wirtschaftlich integriert sei und seinen Lebensunterhalt selbst sicherstellen könne, sei dies unerheblich; denn ungeachtet seines Integrationswillens müsse ein Ausländer stets mit der Beendigung seines Aufenthalts rechnen. Da die Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen widerrufen worden sei, müsse der Kläger seinen Aufenthalt beenden. Eine Aufenthaltsverfestigung liege nicht vor, da er nur drei Jahre und zwei Monate rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik nachweisen könne.

3

Hiergegen erhob der Kläger am 02.02.2007 Widerspruch. Am 28.02.2007 stellte er einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, den das Bundesamt mit Bescheid vom 07.03.2007 ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung seines Widerspruchs gab der Kläger an: Er erfülle die Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach mehreren Altfallregelungen nur knapp nicht. Die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise ergebe sich aus Art. 8 EMRK. Er habe sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als viele andere Ausländer intensiv in Deutschland eingelebt und integriert. Immer, wenn es möglich gewesen sei, habe er gearbeitet. Dem stehe eine Rückkehr in seine Heimat ohne nahe Verwandte und mit äußerst unsicherer Perspektive gegenüber. Er erfülle die Anforderungen an das Maß an Integration und könne zugleich nicht in den Irak, ein instabiles, im Umbruch begriffenes Land zurückkehren, dessen gesellschaftliche Verhältnisse durch religiöse und ethnische Konflikte geprägt seien. Er würde dann auch von seiner Familie getrennt, wobei der Familienbegriff auch die Familie eines Erwachsenen (Eltern, Geschwister) umfasse.

4

Mit Bescheid vom 23.09.2010 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde u.a. aus: Zwar sei der Kläger seit mehr als 18 Monaten geduldet, daraus erwachse jedoch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, da ihm die freiwillige Ausreise möglich und zumutbar sei. Das Bundesamt habe zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse bindend ausgeschlossen. Schutzwürdige persönliche Gründe, die ein Verlassen der Bundesrepublik unzumutbar machten, seien nicht vorgetragen. Der Familienverbund zwischen erwachsenen Familienmitgliedern gehöre nicht zum Schutzbereich der Kernfamilie. Die im Kulturkreis des Klägers übliche engere Verbindung der Familie über die Kernfamilie hinaus sei aufenthaltsrechtlich unerheblich. Es liege auch kein Sonderfall vor, in dem der Aufenthalt des Klägers etwa zur Pflege seiner Eltern notwendig sei. Zur sozialen und tatsächlichen Integration sei zu pauschal vorgetragen worden. Der Kläger sei während der ersten 20 Jahre im Irak sozialisiert worden. Daran könne er bei einer Rückkehr anknüpfen. Es fehle zudem an einem rechtmäßigen Aufenthalt.

5

Am 21.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes vorgetragen hat: Seine gesamte Familie (Eltern, fünf Schwestern, ein Bruder) besitze inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit. Er selbst habe sich ebenfalls in seinem 10jährigen Aufenthalt in Deutschland in die hiesigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse integriert. Im Irak habe er keine sozialen Kontakte mehr. Seine soziale Persönlichkeit würde zerstört, wenn er in den Irak zurückkehren müsste. Er habe am 26.12.2010 nach irakischem Recht eine in Deutschland lebende Irakerin geheiratet, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfüge.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 23.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen

10

und zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

11

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 23.09.2010 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in einem Maße in seinen Lebensbeziehungen in Deutschland integriert sei, dass eine erzwungene Aufenthaltsbeendigung eine Verletzung seines Rechts auf Achtung seines Privatlebens aus Art. 8 EMRK darstelle. Der Kläger lebe inzwischen seit mehr als 11 Jahren in Deutschland. Der Umstand, dass er sich den überwiegenden Teil der Zeit nur geduldet im Bundesgebiet aufgehalten habe, spreche nicht von vornherein dagegen, ihm ein Recht auf den Schutz seines sozialen Lebens zuzusprechen; denn die Dauer der verschiedenen Verfahren, die der Kläger durchlaufen habe, sei nicht ihm anzulasten. Er habe während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik schnell die deutsche Sprache erlernt und, soweit es erlaubt und im Rahmen seines Aufenthaltsstatus möglich gewesen sei, sozialversicherungspflichtig gearbeitet sowie seinen Lebensunterhalt weitgehend selbst bestritten. Er sei nicht straffällig geworden. Seine gesamte Familie besitze zwischenzeitlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe eine in Deutschland mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG ausgestattete Irakerin geheiratet, so dass, auch wenn die Gültigkeit dieser Eheschließung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht festgestanden habe, seine soziale Verwurzelung zwischenzeitlich in Deutschland liege. Eine Aufrechterhaltung dieser Beziehungen dürfte sich nach einer Rückkehr in den Irak nur schwer realisieren lassen. Da der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfülle, seien im Rahmen der Ermessensausübung die gegenläufigen öffentlichen Interessen abzuwägen, die gegen einen weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland sprächen. Die Beklagte und die Widerspruchsbehörde hätten insbesondere außer Acht gelassen, dass die gesamte Familie des Klägers – bis auf einen in Schweden lebenden Bruder – in Deutschland lebe und nach dem hier zu Grunde zu legenden Sachstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sogar die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Es stehe daher nicht zu erwarten, dass diese die Bundesrepublik je wieder verlassen werden, so dass der Kläger im Falle einer Abschiebung tatsächlich im Irak auf sich allein gestellt wäre. Selbst wenn eine „arabische Großfamilie“ nicht dem Kernfamilienbegriff des Art. 6 GG unterfalle, dürfte jedoch im Hinblick auf die für den Kläger und seine Familie prägende Kultur und die identitätsstiftende Wirkung der familiären Bindungen dieser Umstand nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Nach alledem dürfte der Kläger über starke soziale und wirtschaftliche Bindungen im Sinne qualitativer Integrationsleistungen verfügen, welche er ausschließlich im Bundesgebiet leben könne. Dringende öffentliche Belange, die einen weiteren Aufenthalt in Deutschland und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger unmöglich machten, seien dagegen nicht erkennbar. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Abschiebung in den Irak derzeit ohnehin nicht erfolge und eine freiwillige Ausreise im Hinblick auf die sozialen Beziehungen des Klägers in der Bundesrepublik ebenfalls zeitnah nicht zu erwarten sei, scheine die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis – vorbehaltlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 AufenthG – nicht geboten.

12

Die vom Senat zugelassene Berufung hat die Beklagte wie folgt begründet:

13

Sie sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts örtlich nicht mehr zuständig gewesen, da der Kläger bereits im Laufe des Gerichtsverfahrens im November 2011 nach A-Stadt verzogen sei. Eine Zustimmung der Ausländerbehörde zur Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 3 Abs. 3 VwVfG liege nicht vor. Daher habe das Verwaltungsgericht sie mit dem Bescheidungsurteil zu etwas verpflichtet, was sie wegen fehlender Zuständigkeit rechtlich gar nicht umsetzen könne bzw. dürfe. Der Kläger müsse vielmehr einen neuen Antrag in A-Stadt stellen.

14

Im Übrigen habe der Kläger auch materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Neubescheidung. Der dem Kläger erteilte Aufenthaltstitel sei bis zuletzt befristet gewesen, so dass sein Aufenthaltsrecht jederzeit habe enden können. Schon im Jahr 2004 habe ihn das Bundesamt über den beabsichtigten Erlass eines Widerrufsbescheides informiert. Ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand habe daher nicht entstehen können. Allein seine bisherige Aufenthaltsdauer belege nicht, dass eine Aufenthaltsbeendigung ihn wesentlich härter treffen würde als andere Ausländer in vergleichbarer Lage. Unabhängig davon könnten weder die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes noch die Zeiten seines faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht begründen. Auch aus dem Gesichtspunkt der Achtung des Familienlebens könne sich ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann ergeben, wenn die Ablehnung des Aufenthaltsrechts unter dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK bereits im Bundesgebiet bestehende familiäre Beziehungen zerstören würde. Allein die Tatsache, dass der Kläger nicht straffällig geworden sei, berufstätig sei und seine gesamte Familie die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei kein entscheidendes Kriterium, um eine soziale Verwurzelung zu bejahen. Insoweit könne nur auf die Kernfamilie abgestellt werden, nicht auf sonstige weitere Verwandte. Die Familienmitglieder des Klägers hätten den Irak bereits Jahre bzw. Monate vor ihm verlassen (Vater im Jahr 1997, Mutter und Geschwister im Januar 2000), so dass er bereits vor der Reise nach Deutschland allein im Heimatland ohne seine Geschwister und Eltern gelebt habe.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

18

die Berufung zurückzuweisen, soweit das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 23.09.2010 aufgehoben hat.

19

Er trägt vor: Zwar dürfte die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung aufzuheben sein, weil die Ausländerbehörde in A-Stadt die Wohnsitzänderung gebilligt und ihm eine Duldung erteilt habe. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, sei aber zutreffend. Im Falle einer Klageabweisung insgesamt würde der ablehnende Bescheid der Beklagten bestandskräftig mit der Folge, dass kein Raum für eine Neubescheidung durch die nunmehr zuständige Ausländerbehörde in A-Stadt bliebe. Die Entscheidung der Beklagten sei indes ermessensfehlerhaft. Es fehle die nach der Rechtsprechung des EGMR geforderte grundlegende Verhältnismäßigkeitsprüfung, die die Beklagte auch in ihrer Berufungsbegründung nicht vornehme und zudem im gerichtlichen Verfahren auch nicht nachholen könnte. Dass die Beklagte eine solche (erneute) Entscheidung zu fällen gar nicht mehr befugt sei, räume sie selbst ein. Diese Entscheidung müsse, nachdem die Berliner Ausländerbehörde mit Zustimmung der Beklagten die Zuständigkeit übernommen habe, auch von dieser erfolgen.

20

Die Beklagte interpretiere die kasuistische Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK unrichtig. Es bedürfe einer Gesamtschau im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auch das Verwaltungsgericht angemahnt habe. Ferner verkenne die Beklagte das Kriterium der Achtung des Privatlebens und des Schutzes der Familie im europarechtlichen Verständnis. Die „deutsche Kleinfamilie“ – Eheleute und minderjährige Kinder – sei nicht der Maßstab. Die familiären Beziehungen gälten im Eltern-Kind-Verhältnis und den Verhältnissen der Geschwister als geschützt. Im Übrigen sei der Irak ein von einem fortdauernden Bürgerkrieg gezeichnetes Land. Der Kläger finde dort, wo er gelebt habe, keine ihm bekannte Umgebung und Menschen. In Deutschland bestreite er seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigener Erwerbstätigkeit.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

22

Die zulässige Berufung des Beklagten, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit dem schriftsätzlich erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet.

23

1. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Neubescheidung des vom Kläger gestellten Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen verpflichtet. Das gegen den Beklagten gerichtete Verpflichtungsbegehren ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht mehr passivlegitimiert, weil ihre örtliche Zuständigkeit mit dem bereits im Jahr 2011 erfolgten Umzug des Klägers nach A-Stadt entfallen ist.

24

Örtlich zuständige Behörde ist gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG diejenige Behörde, in deren Bezirk der Kläger seinen „gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder zuletzt hatte. In Anlehnung an die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Kläger hat unstreitig im Jahr 2011 seinen Wohnsitz nach A-Stadt verlegt, wo er einer Beschäftigung nachgeht und viele seiner Familienmitglieder leben. Bei Ausländern setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zwar voraus, dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechts zulässig ist (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 19.02.2009 – 13 PA 159/08 –, Juris, m.w.N.; OVG BBg, Beschl. v. 20.05.2008 – OVG 2 S 6.08 –, Juris, m.w.N.). Verlässt der Ausländer den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht (OVG MV, Beschl. v. 10.04.2000 – 3 M 132/99 –, VwRR MO 2001, 101). Dies ist hier der Fall. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten hat im Oktober 2011 die Berliner Ausländerbehörde ihre Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage erteilt.

25

Verlegt der Ausländer während des gerichtlichen Verfahrens zulässigerweise seinen dauernden Aufenthalt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten in den einer anderen Ausländerbehörde, kann der Beklagte zur Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verpflichtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.1986 – I C 23.67 –, DÖV 1968, 772; sowie zur Einbürgerung: BVerwG, Urt. v. 31.03.1987 – 1 C 32.84 –, NJW 1987, 2179). Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Zustimmung der nunmehr zuständigen Behörde vorliegt, die die Beklagte nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 3 VwVfG zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigen würde.

26

2. Auch die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Aufhebung des Ablehnungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheides kann keinen Bestand haben.

27

2.1. Zwar kann der Kläger, nachdem sich der von ihm geltend gemachte Anspruch durch seinen Wohnsitzwechsel nach A-Stadt erledigt hat, seinen gegen die Beklagte gerichteten Verpflichtungsantrag auf eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis umstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996 – 1 C 28.94 –, InfAuslR 1997, 24 [25], RdNr. 13 in juris; Urt. v. 10.12.1996 – 1 C 19.94 –, InfAuslR 1997, 239, RdNr. 12 in juris; Beschl. v. 21.06.1993 – 1 C 16.93 –, InfAuslR 1993, 322). Stellt der Kläger seinen Klageantrag, was ebenfalls zulässig wäre, auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 31.03.1987 – 1 C 32.84 –, NJW 1987, 2179), folgt das insoweit erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides daraus, dass der Kläger damit rechnen muss, dass die inzwischen zuständig gewordene Behörde aus den von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde angeführten Gründen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ablehnen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.1987, a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob neben der Beklagten auch die jetzt zuständige Behörde durch das Urteil gebunden wird, wenn jedenfalls zu erwarten ist, dass sie der Entscheidung des Gerichts folgt (BVerwG, Beschl. v. 27.09.1993 – 1 B 73.93 –, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 261). Diese Erwägungen rechtfertigen auch die Annahme eines Rechtsschutzinteresses für eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid. Das Vorliegen des erforderliche Rechtsschutzinteresse des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht in diesen Fallgestaltungen als zweifelsfrei betrachtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, a.a.O.). Dem kann deshalb nicht entgegengehalten werden, dadurch werde das Verfahren in eine isolierte Anfechtung der Ablehnung einerseits und eine Weiterverfolgung des Verpflichtungsbegehrens andererseits bei jeweils gleicher Fragestellung künstlich aufgespalten, und der bisherige Beklagte sei auf Grund des Zuständigkeitsverlustes nicht mehr Herr des Verwaltungsverfahren und nicht mehr in der Lage, den Kläger nach Würdigung seines Klagevortrages oder dem Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme ggf. klaglos zu stellen (so allerdings VG Hannover, Urt. v. 26.04.2006 – 13 A 4126/05 –, juris). Der Kläger hätte zwar auch sein Primärziel unmittelbar weiterverfolgen und der geänderten Sachlage durch einen gewillkürten Parteiwechsel (subjektive Klageänderung) auf der Beklagtenseite Rechnung tragen können (vgl. BayVGH, Beschl. v. 09.02.2007 – 5 C 06.970 –, BayVBl 2008, 382). Diese Möglichkeit lässt das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer isolierten Anfechtungsklage des Ablehnungsbescheides aber nicht entfallen (so wiederum VG Hannover, Urt. v. 26.04.2006, a.a.O.). Das allgemeine Rechtsschutzinteresse für eine Anfechtungsklage ist (nur) dann nicht gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, wenn also die Inanspruchnahme des Gerichts sich als für die subjektive Rechtsstellung des Klägers zurzeit nutzlos darstellt (BVerwG, Beschl. v. 27.07.2005 – 6 B 37.05 –, juris, RdNr. 6, m.w.N.). Nicht nutzlos in diesem Sinne ist aber auch eine Entscheidung des Gerichts, wenn sie für den Rechtsschutzsuchenden lediglich aus tatsächlichen Gründen vorteilhaft ist; denn auch in diesem Fall werden die Gerichte nicht sinnlos in Anspruch genommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2002 – 4 CN 3.01 –, NVwZ 2002, 1126 [1127], RdNr. 11 in juris). Allein die Aufhebung des Versagungsbescheids kann ausnahmsweise ein zulässiges – gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres – Rechtsschutzziel sein, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so oder besser abgewendet werden kann, so dass ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage besteht; dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.2006 – 1 C 10.06 –, BVerwGE 127, 161 [166 f.], RdNr. 16).

28

2.2. Die isolierte Anfechtungsklage ist aber nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

29

2.2.1. Abzustellen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung von ablehnenden Bescheiden im Rahmen einer isolierten Anfechtungsklage ist, soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderes ergibt, grundsätzlich der der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.1996, a.a.O., RdNr. 15 in juris). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Aufenthaltsrecht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 –, AuAS 2013, 158, RdNr. 6 in juris, m.w.N.) hat sich zwar mittlerweile dahingehend entwickelt, dass bei Streitigkeiten um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiell-rechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte des Art. 8 EMRK oder des Art. 6 GG zu ermöglichen. Deshalb sind etwa Ausweisungen ebenso wie Abschiebungsandrohungen oder Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis sowie Entscheidungen über die Rücknahme oder den Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz darstellt. Diese Gründe treffen auf eine durch nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis bewirkte zeitliche Verkürzung des Aufenthaltsrechts in gleicher Weise zu. Einer Einbeziehung tatsächlicher Entwicklungen nach Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes bedarf es allerdings nicht, wenn die nachträglich eingetretenen Tatsachen sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt nicht mehr auswirken können, sondern – insbesondere nach dem Wegfall des Aufenthaltsrechts und dem Entstehen einer Ausreisepflicht – Bedeutung lediglich für die Neuerteilung eines Titels oder die Verlängerung des abgelaufenen Titels haben. Dem entsprechend ist vorliegend auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidungen abzustellen. Denn die danach eingetretenen tatsächlichen Entwicklungen haben nur Einfluss auf die Entscheidung der nunmehr zuständigen Berliner Ausländerbehörde.

30

2.2.2. Im Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde lagen indes die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor.

31

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Derartige Hindernisse können sich insbesondere aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u. a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 – 1 C 14.05 –, BVerwGE 126, 192 [197], RdNr. 17).

32

a) Aus Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stellt, ergab sich kein Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers, der im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung unverheiratet war. Die familiären Bindungen zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern standen einer Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet nicht entgegen. Art 6 Abs. 1 GG schützt das Zusammenleben von Eltern und Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR 37/85 –, BVerfGE 79, 203 [211]; Beschl. v. 31.05.1978 – 1 BvR 683/77 –, BVerfGE 48, 327 [339]). Diese Verfassungsnorm verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und angemessen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschl. v. 17.05.2011 – 2 BvR 2625/10 –, juris). Auch die Bindungen zwischen Eltern und volljährigen Kindern unterfallen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 05.02.1981 – 2 BvR 646/80 –, BVerfGE 57, 178 [178]). Ihnen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen einen angestrebten Daueraufenthalt sprechen, zurückzustellen. Weitergehende Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG kommen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und dieser Beistand nur im Bundesgebiet erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist (vgl. OVG BBg, Urt. v. 27.02.2014 – OVG 2 B 12.12 –, juris, RdNr. 35, m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht ersichtlich.

33

b) Auch aus Art. 8 EMRK ergab sich kein Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers.

34

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.

35

aa) Auf das Recht auf Achtung seines Familienlebens konnte sich der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung der Widerspruchsbehörde nicht berufen. Das Familienleben im Sinne dieser Norm umfasst die (eheliche) Beziehung zwischen Partnern und die der Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Burr, in: GK-AufenthG II - § 25 RdNr. 147 unter Hinweis auf EGMR, Urt. v. 09.10.2003 – 48321/99 [Slivenko/Lettland] –). Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen nicht ohne weiteres den Schutz nach Art. 8 EMRK, wenn keine zusätzlichen Elemente der Abhängigkeit dargelegt werden, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 – 52853/99 [Yilmaz/Deutschland] –, NJW 2004, 2147 [2148]). Solche „zusätzlichen Elemente", aufgrund derer der Kläger auf die Unterstützung seiner Angehörigen oder diese auf seine Unterstützung in besonderer Weise angewiesen wäre(n) und ihm ein besonderer Schutz zu teil würde, waren hier nicht vorgetragen worden und auch für die Behörden nicht ersichtlich. Bei jungen Erwachsenen, die nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, geht der EGMR zwar davon aus, dass auch ihre Beziehung zu den Eltern und anderen nahen Familienmitgliedern Familienleben darstellt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen daher auch in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen (EGMR, Urt. v. 23.06.2008 – Nr. 1638/03 [Maslov II] –, InfAuslR 2008, 333; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 05.02.2009 – 11 S 3244/08 –, InfAuslR 2009, 178, RdNr. 16). So liegt es hier aber nicht. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kläger, seinen Eltern und seinen Geschwistern wurde spätestens mit der (getrennten) Ausreise der Familienmitglieder aus dem Irak aufgegeben.

36

bb) Jedoch ist mit einer Aufenthaltsbeendigung der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK in Bezug auf das Privatleben des Klägers berührt. Der Schutz auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe aller sonstigen familiären, persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts dieser zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.02.2011 – 2 BvR 1392/10 –, InfAuslR 2011, 235, RdNr. 19 in juris).

37

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 –, InfAuslR 2011, 92 [93], RdNr. 14) kommt ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR begründet, zwar grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht. Diese Rechtauffassung ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht unumstritten; insoweit wird vielfach die Ansicht vertreten, die Frage der Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts sei vielmehr im Rahmen der Schrankenprüfung des Art. 8 Abs. 2 EMRK zu würdigen (vgl. etwa VGH BW, Urt. v. 13.12.2010 – 11 S 2359/10 –, DVBl 2011, 370 [372], RdNr. 31 ff.; Urt. v. 20.10.2011 – 11 S 1929/11 –, InfAuslR 2012, 1 [2 f.], RdNr. 28; Burr, a.a.O., § 25 RdNr. 149, m.w.N.). Eine eindeutige Aussage zu dieser Frage lässt sich der sehr stark einzelfallbezogenen Spruchpraxis des EGMR nicht entnehmen (vgl. Burr, a.a.O., § 25 RdNr. 149 a.E.). Der Senat kann diese Frage letztlich offen lassen. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist jedenfalls dann eröffnet, wenn – wie hier – der Aufenthalt im Bundesgebiet zumindest für einen nicht unerheblichen Zeitraum rechtmäßig gewesen ist, so dass der Ausländer ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts für eine gewisse Zeit entwickeln konnte.

38

Der mit einer Aufenthaltsbeendigung verbundene Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Privatleben des Klägers verstößt indes nicht gegen den in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

39

Nach dieser Norm darf eine Behörde in die Ausübung des Rechts nach Art. 8 Abs. 1 EMRK nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Im Rahmen dieser Schrankenprüfung ist die sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgende Rechtsposition des Ausländers gegen das Recht des Konventionsstaats zur Einwanderungskontrolle im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuwägen (vgl. EGMR, Entsch. v. 16.09.2004 – 11103/03 [Ghiban] –, NVwZ 2005, 1046). Allerdings lässt sich nach der ständigen Spruchpraxis des EGMR aus Art. 8 EMRK grundsätzlich kein irgendwie geartetes Recht dahingehend ableiten, ein Ausländer dürfe sich einen Aufenthaltsort in einem Konventionsstaat frei wählen; vielmehr ist den Konventionsstaaten grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Einwanderung in ihr Hoheitsgebiet zulassen wollen (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Urt. d. VGH BW v. 13.12.2010, a.a.O.).

40

Eine Verletzung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt jedoch bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 – 1 C 8.96 –, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 27.01.2009 – 1 C 40.07 –, BVerwGE 133, 73 [82 ff.], RdNr. 20 ff.; vgl. auch EGMR; Entsch. v. 16.06.2005 – 60654/00 – [Sisojeva] –, InfAuslR 2005, 349).

41

Ob eine solche Fallgestaltung vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen aber auch von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Das Ausmaß der „Verwurzelung“ bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung" verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Von erheblichem Gewicht sind dabei die Dauer des Aufenthalts, wo der Ausländer die Schulzeit verbracht hat und geprägt wurde, sowie der Schulabschluss und die Deutschkenntnisse, die er erworben hat. Von Bedeutung ist auch die Legitimität des bisherigen Aufenthalts. Was die berufliche Verwurzelung in Deutschland betrifft, ist zu prüfen, ob der Ausländer berufstätig und dadurch in der Lage ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft zu sichern, und ob er über längere Zeit öffentliche Sozialleistungen bezogen hat. Ferner ist von Bedeutung, ob der Betreffende eine Berufsausbildung absolviert hat und ihn diese Ausbildung gegebenenfalls für eine Berufstätigkeit qualifiziert, die nur oder bevorzugt in Deutschland ausgeübt werden kann. Bei der sozialen Integration ist das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie von Belang. Auch strafrechtliche Verurteilungen sind in die Betrachtung einzustellen. Alle diese Umstände sind im Wege einer Gesamtbewertung zu gewichten (vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urt. v. 27.01.2009, a.a.O., S. 84, RdNr. 24). Für die Frage der Verwurzelung ist die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von maßgeblichem Gewicht (vgl. BVerwG, Urt. 30.04.2009 – 1 C 3.08 – NVwZ 2009, 1239, RdNr. 20 in juris; Beschl. d. Senats v. 13.09.2010 – 2 M 132/10 –, Juris). Verfügt der Ausländer über kein Aufenthaltsrecht mehr, kann seinen Bindungen nicht mehr dasselbe Gewicht beigemessen werden wie zu Zeiten, in denen er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (vgl. VGH BW, Urt. v. 06.11.2012 – 11 S 2307/11 –, juris, RdNr. 54).

42

Gemessen daran vermag der Senat bei der gebotenen Gesamtschau nicht festzustellen, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 23.09.2010 den in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt hätte.

43

Für eine Verwurzelung des Klägers in Deutschland spricht zwar, dass er sich zu diesem Zeitpunkt bereits über 9 ½ Jahre im Bundesgebiet aufhielt, er offenbar die deutsche Sprache erlernt hatte, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war und Bindungen insbesondere zu seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern und Geschwistern hatte. Gegen eine Verwurzelung des Klägers spricht allerdings entscheidend, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur in der Zeit von der Erteilung der Aufenthaltsgestattung am 02.02.2001 (vgl. § 55 Abs. 3 AsylVfG) bis zum Widerruf der Aufenthalterlaubnis durch die Beklagte am 17.03.2006 und damit für einen Zeitraum von etwa fünf Jahren rechtmäßig war. Der vom Kläger gegen die Widerrufsentscheidung erhobene Widerspruch hatte unbeschadet seiner aufschiebenden Wirkung auf die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts keinen Einfluss, da der Widerrufsbescheid nicht durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wurde (§ 84 Abs. 2 Sätze 1 und 3 AufenthG). Bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 23.09.2010 folgten 4 ½ Jahre unrechtmäßigen Aufenthalts, in denen der Kläger nicht mehr berechtigterweise auf den Fortbestand seines Aufenthalts vertrauen konnte. Auch war dem Kläger eine wirtschaftliche Integration noch nicht vollständig gelungen. Zwar bestritt er seinen Lebensunterhalt zum überwiegenden Teil selbst (vgl. die Aufstellung auf Blatt 435 des Verwaltungsvorgangs sowie den Rentenversicherungsverlauf auf Blatt 19 der Gerichtsakte). Sein Einkommen erzielte er allerdings nur durch ungelernte, kurz- und mittelfristige Tätigkeiten bei wechselnden Arbeitgebern. Eine Berufsausbildung besitzt er – soweit ersichtlich – nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass der Kläger über soziale Bindungen bzw. Kontakte außerhalb der (Kern-)Familie verfügte.

44

Zudem besitzt der Kläger auch Möglichkeiten zur Reintegration in seinem Heimatland. Gesichtspunkte sind diesbezüglich vor allem, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen bzw. erworben werden können, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der Wiedereingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte (vgl. OVG RP, Beschl. v. 24.02.2006 – 7 B 10020/06 –, InfAuslR 2006, 274, RdNr. 6, m.w.N.). Das Maß der Vertrautheit hängt davon ab, in welchem Alter das Heimatland verlassen wurde; hat der Ausländer das Heimatland erst im Erwachsenenalter verlassen und dort einen Schul- oder Hochschulabschluss erworben, spricht dies gegen eine Entwurzelung von den dortigen Lebensverhältnissen. Bei der gebotenen Gesamtgewichtung ist hier zwar zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem Vortrag im Irak keine Verwandten mehr hat. Auf der anderen Seite ist für die Reintegrationsfähigkeit von erheblichem Gewicht, dass er in seinem Heimatland seine ersten 21 Lebensjahre verbrachte, daher dort geprägt wurde und die Heimatsprache spricht. Zwar mögen die Lebensverhältnisse im Irak schwierig sein. Dies betrifft allerdings – worauf die Widerspruchsbehörde zu Recht hingewiesen hat – eine Vielzahl von Rückkehrern in den Irak. Soweit der Kläger auf die fortbestehenden bürgerkriegsähnlichen Zustände im Irak verweist, betrifft dieses Vorbringen zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, deren Vorliegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den bestandskräftigen Bescheiden verneint hat und die von der Ausländerbehörde nicht mehr zu prüfen sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 18.12.2012 – 10 ZB 12.560 –, juris, RdNr. 8; NdsOVG, Beschl. v. 17.11.2006 – 10 ME 222/06 –, AuAS 2007, 28, RdNr. 12 f.).

II.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

47

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 15. September 2011 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten des Klägers gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens geduldet wird, begehrt von der Beklagten die Erteilung einer weiteren Duldung, hilfsweise eine länderübergreifende Umverteilungsentscheidung, um ihm den ständigen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen.

2

Er wurde als Asylbewerber am 17. Juni 2004 der Stadt Bergisch Gladbach im beigeladenen Rheinisch-Bergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen zugewiesen. Die ihm am 24. Juni 2004 erteilte Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens enthielt eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Regierungsbezirk Köln. Die Wohnsitznahme war ihm nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. Im Dezember 2004 wurde sein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen. Er wird seitdem geduldet, weil seine Abschiebung unmöglich ist, da er nicht über einen Pass oder sonstige Reisepapiere verfügt und seine Identität ungeklärt ist. Vertreter der kamerunischen Botschaft in Deutschland erklärten nach einer Vorführung des Klägers im März 2007, dass er nicht - wie von ihm behauptet - ein kamerunischer Staatsangehöriger sei, da er bei einer ausführlichen Befragung zu seinem angeblichen Geburtsort keinerlei Kenntnisse gehabt habe. Daraufhin wurde er mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. April 2007 wegen mangelnder Mitwirkung bei der Beschaffung eines Passes, Passersatzpapiers oder sonstigen Identitätsnachweises ausgewiesen. Nach einer Vorführung des Klägers bei Vertretern der nigerianischen Botschaft in Deutschland im Oktober 2007 schlossen diese eine Herkunft aus Nigeria aus. Kamerunische Botschaftsvertreter bekräftigten nach einer erneuten Vorführung und Befragung des Klägers ihre bisherige Einschätzung.

3

In der ersten Duldungsbescheinigung für den Kläger vom 31. Januar 2005 war vermerkt, dass sein Aufenthalt auf Nordrhein-Westfalen beschränkt ist. Wohnsitznahme war nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. Gleichlautende Duldungsbescheinigungen erhielt er in der Folgezeit bis heute mit Ausnahme des Zeitraums von April 2007 bis August 2008, in dem nach seiner Ausweisung sein Aufenthalt auf den Regierungsbezirk Köln beschränkt war.

4

Für die am 14. Oktober 2009 geborene Tochter B. der ghanaischen Staatsangehörigen O. erkannte er mit deren Zustimmung und der ihres damaligen Ehemannes die Vaterschaft an und gab eine Erklärung zur Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts ab. Die Ehe der Kindesmutter wurde mit Urteil vom 13. April 2010 rechtskräftig geschieden. Die Vaterschaft für ihren während der Ehe im Jahr 2006 geborenen Sohn T. wurde von ihrem geschiedenen Ehemann mit Erfolg angefochten (vgl. Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 12. April 2011). Die Kindesmutter, die im September 2002 ins Bundesgebiet einreiste und seit Juli 2008 eine Niederlassungserlaubnis besitzt, lebt zusammen mit ihren Kindern in Ludwigshafen.

5

Unter dem 4. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine weitere Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen, da er nach Ludwigshafen zu seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter umziehen wolle, sein Aufenthalt aber auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt sei.

6

Mit Schreiben vom 15. April 2010 teilte die Beklagte ihm mit, es handele sich bei seinem Antrag um eine länderübergreifende Umverteilung, der bei der zuständigen Ausländerbehörde seines derzeitigen Wohnortes zu stellen sei. Daraufhin beantragte der Kläger vorsorglich unter dem 21. Mai 2010 bei der Ausländerbehörde des Beigeladenen, seine "Wohnsitzauflage zu streichen". Auf Nachfrage erklärte die Beklagte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 23. Juni 2010, sie stimme dem Zuzug des Klägers nach Ludwigshafen nicht zu, da der Lebensunterhalt voraussichtlich nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen gesichert sei und bereits erhebliche Belastungen durch Flüchtlinge und Asylsuchende in Ludwigshafen bestünden.

7

Am 25. Januar 2011 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, mit der er die Erteilung der von ihm beantragten weiteren Duldung für das Land Rheinland-Pfalz begehrt, um mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind in Ludwigshafen leben zu können. Die Beklagte habe über seinen Antrag bisher nicht entschieden. Es bestehe eine intakte familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter, die er regelmäßig mit entsprechender Erlaubnis des Beigeladenen besuche. Im Lichte des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sei die Ausübung des Sorgerechts durch die Erteilung einer Zuzugsgenehmigung zu gewährleisten. Die Wochenendfahrten nach Ludwigshafen seien sehr aufwendig. Es sei auch dem Kindeswohl zuträglicher, wenn er sich ständig bei seiner Tochter aufhalten könne. Der Kindesmutter mit ihren beiden Kindern sei ein Umzug zu ihm nach Bergisch Gladbach nicht zuzumuten. Ihr gesamtes soziales Umfeld befinde sich in Ludwigshafen. Das Kind T. besuche dort seit August 2010 den Kindergarten. Die Mutter der Kindesmutter lebe ebenfalls in Ludwigshafen. Eine länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG sei nach Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Duldung nicht mehr möglich. Deshalb könne ein länderübergreifender Wechsel eines geduldeten Ausländers - wie von ihm angestrebt - nur mit einer weiteren Duldung der Ausländerbehörde erreicht werden, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer auf Dauer zu wechseln beabsichtige. Vorsorglich hat der Kläger gleichwohl unter dem 23. Juni 2011 bei der Beklagten die länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG beantragt.

8

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. September 2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle aufgrund der asylrechtlichen Zuweisungsentscheidung zur Wohnsitznahme im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen bereits an der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten, die begehrte weitere Duldung zu erteilen. Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 1 LVwVfG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG habe der Kläger nicht begründen können. Die Wirkungen der Zuweisungsentscheidung bestünden auch nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens bis zu einer Ausreise des Klägers oder der Erlangung eines asylunabhängigen Aufenthaltsrechts fort mit der Folge, dass es zur dauerhaften Wohnsitzverlagerung einer Umverteilungsentscheidung in analoger Anwendung des § 51 AsylVfG bedürfe. Zudem lägen auch die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Duldung nicht vor.

9

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.

10

Der Kläger beantragt,

11

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 15. September 2011 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, seiner Umverteilung in das Land Rheinland-Pfalz zuzustimmen.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er weist darauf hin, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 6. Dezember 2011 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden ist.

17

Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (vgl. Bl. 167 ff. der Gerichtsakte). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist begründet.

19

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig und begründet.

20

Die Klage ist mit dem Hauptantrag gemäß § 75 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 4. März 2010 auf Erteilung einer weiteren Duldung für das Land Rheinland-Pfalz ohne zureichenden Grund bis heute nicht entschieden hat. Ihr Hinweisschreiben vom 15. April 2010 enthält keinen ablehnenden Bescheid. Die Auffassung der Beklagten, örtlich nicht zuständig zu sein, stellt keinen zureichenden Grund dar, nicht über den Antrag des Klägers zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 75 Rn. 15).

21

Der Hauptantrag hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten weiteren Duldung gegenüber der Beklagten zu, die ihm einen dauerhaften länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts nach Rheinland-Pfalz ermöglicht.

22

Das Aufenthaltsgesetz enthält - anders als das Asylverfahrensgesetz für Asylbewerber (vgl. § 51 AsylVfG) - keine ausdrückliche Regelung für eine länderübergreifende Umverteilung eines vollziehbar ausreisepflichtigen, aber geduldeten Ausländers, dessen Aufenthalt gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes beschränkt ist, das heißt des Bundeslandes, dessen Ausländerbehörde eine Duldung erteilt hat oder für sonstige ausländerbehördliche Maßnahmen gegenüber dem Ausländer zuständig ist. Die gesetzlich vorgesehene räumliche Beschränkung bezieht sich dabei nicht nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt, sondern erfasst auch den tatsächlichen Aufenthalt (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 51 AufenthG Rn. 7). Die Bestimmung des § 12 Abs. 5 AufenthG, wonach die Ausländerbehörde dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben kann, ermöglicht nur ein vorübergehendes Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 12 AufenthG Rn. 53; Armbruster, in: HTK-AuslR, Stand September 2011, § 61 AufenthG, zu Abs. 1 - Wohnsitzwechsel, Nr. 2; jeweils m. w. N.).

23

Strebt ein geduldeter Ausländer hingegen einen dauerhaften länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts an, kann er dies grundsätzlich nur dadurch erreichen, dass ihm die für den vorgesehenen Wohnort zuständige Ausländerbehörde eine weitere Duldung (sogenannte Zweitduldung) erteilt. Mit der Erteilung der Zweitduldung erledigt sich die erste Duldung auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG. Zugleich tritt die nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestehende räumliche Beschränkung auf das Gebiet des Bundeslandes, in dem die Zweitduldung erteilt wird, an die Stelle der bisherigen räumlichen Beschränkung. Dies entspricht bei geduldeten Ausländern, die kein Asylverfahren durchlaufen haben, der ganz überwiegend vertretenen Auffassung, der der Senat sich anschließt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -; NdsOVG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 PA 563/08 -; OVG LSA, Beschluss vom 5. April 2006 - 2 M 133/06 -; SächsOVG, Beschluss vom 19. Mai 2004 - 3 BS 380/03 -; alle in juris; Hailbronner, a. a. O., § 51 AufenthG Rn. 7a; Armbruster, a. a. O. m. w. N.; vgl. auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juni 2010, § 61 AufenthG, Rn. 18, der allerdings erst beim tatsächlichen Verlassen des bisherigen Bundeslandes von einer Erledigung der ersten Duldung ausgeht).

24

Umstritten und höchstrichterlich ungeklärt ist, inwieweit dies auch für geduldete Ausländer gilt, die - wie der Kläger - abgelehnte Asylbewerber sind. Bei diesem Personenkreis besteht nämlich die Besonderheit, dass nach der zum 1. Januar 2005 eingeführten Bestimmung des § 56 Abs. 3 AsylVfG räumliche Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung (vgl. § 56 Abs. 1 und 2 AsylVfG) auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung - also auch nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG) - in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden (Satz 1) oder ein Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. Satz 2), wozu eine Duldung nicht zählt (vgl. § 4 Abs. 1 AufenthG). Hieraus folgert ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Duldung nicht geeignet sei, die im Asylverfahren begründete räumliche Beschränkung zu beseitigen. Folglich sei ein geduldeter abgelehnter Asylbewerber zur Überwindung dieser Beschränkung vorrangig auf das länderübergreifende Umverteilungsverfahren nach § 51 AsylVfG zu verweisen, solange die Wirksamkeit der Beschränkung fortbestehe (vgl. OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - OVG 3 S 120.08 -; BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2009 - 10 C 09.880 -; HessVGH, Beschluss vom 25. August 2006 - 8 TG 1617/06.A -, alle in juris; ähnlich bereits vor Neufassung des § 56 AsylVfG OVG RP, Beschluss vom 16. Januar 2004 - 10 B 11661/03 -, juris).

25

Die Gegenmeinung verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine asylverfahrensrechtliche Zuweisungsentscheidung nur solange wirksam bleibe, bis der Ausländer ausgereist sei oder die Ausländerbehörde ihm einen Aufenthalt aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ermöglicht habe, wobei ein solcher Anschlussaufenthalt auch durch eine Duldung bewirkt werden könne. Durch die Erteilung einer Duldung aus asylverfahrensunabhängigen Gründen werde die Zuweisungsentscheidung gegenstandslos (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005, a. a. O., unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 155/90 -, juris, Rn. 21). Unter dieser Voraussetzung seien nicht nur die Zuweisungsentscheidung, sondern auch die räumlichen Beschränkungen nach § 56 AsylVfG obsolet (vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 1; wohl auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 22; a. A.: OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010 - 18 B 1702/09 -, juris, Rn. 10, wonach die Erteilung einer asylverfahrensunabhängigen Duldung auf den Fortbestand der räumlichen Beschränkungen - anders als auf die Zuweisungsentscheidung - keinen Einfluss habe).

26

Jedenfalls im vorliegenden Fall steht der Umstand, dass der Kläger ein unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ist, der von ihm begehrten Erteilung einer Zweitduldung nicht entgegen. Denn die räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung des Klägers sind nicht mehr in Kraft, weil sie zusammen mit der ihm erstmals am 31. Januar 2005 erteilten Duldung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG aufgehoben worden sind.

27

Eine Aufhebung der räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung im Sinne von § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG liegt nach Auffassung des Senats in allen Fällen vor, in denen dem Ausländer eine Duldung erteilt wird, deren räumliche Beschränkung sich nicht mit der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung deckt (enger: OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010, a. a. O.; vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 22).

28

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung nach § 56 AsylVfG beziehen sich nicht nur auf den ständigen Wohnsitz, sondern erfassen den gesamten Aufenthalt (vgl. Bodenbender, in: GK-AsylVfG, Stand Dezember 2011, § 56 AsylVfG, Rn. 11). Die dem Kläger erteilte Aufenthaltsgestattung vom 24. Juni 2004 enthielt eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Regierungsbezirk Köln. Wohnsitznahme war ihm nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. In der ersten Duldungsbescheinigung des Klägers, die ihm am 31. Januar 2005 nach Abschluss seines Asylverfahrens ausgestellt wurde, war zwar ebenfalls vermerkt, dass ihm Wohnsitznahme nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet sei. Der Aufenthalt war jedoch im Gegensatz zur asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsgestattung nicht mehr auf den Regierungsbezirk Köln, sondern auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt. Nicht entscheidend ist, ob die Ausländerbehörde subjektiv lediglich auf die kraft Gesetzes bestehende räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet des Landes nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinweisen wollte. Aus der maßgeblichen Sicht des betroffenen Klägers konnte er der Duldungsbescheinigung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht entnehmen, dass die asylverfahrensrechtlichen räumlichen Beschränkungen noch weiter gelten sollten. Vielmehr musste er die Duldungsbescheinigung so verstehen, dass die darin vermerkten räumlichen Beschränkungen nunmehr nach Abschluss seines Asylverfahrens für ihn gelten sollten. Die hiervon abweichenden früheren räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung konnten aus seiner Sicht hingegen nicht weiter gelten. Sie waren demnach aufgehoben.

29

Die Beklagte ist für die Erteilung der begehrten Duldung auch örtlich zuständig. In Rheinland-Pfalz ist nach § 90 Abs. 1 POG i. V. m. § 2 Nr. 2 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden für die ausländerrechtlichen Angelegenheiten die Kreisordnungsbehörde sachlich zuständig. Örtlich zuständig ist gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 POG die allgemeine Ordnungsbehörde, in deren Dienstbezirk die ordnungsbehördlich zu schützenden Interessen gefährdet oder verletzt werden. Diese Bestimmung geht als speziellere Regelung der allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift des § 3 VwVfG vor (so bereits Beschluss des Senats vom 12. Juli 2007 - 7 E 10589/07.OVG – m. w. N.). Die durch die Ordnungsbehörde zu schützenden Interessen liegen darin, die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes zu vollziehen, um Gefahren für die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Örtlicher Anknüpfungspunkt für Maßnahmen der Ausländerbehörde ist in der Regel der Ort, an dem sich der Ausländer aufhält oder kraft räumlicher Beschränkungen aufzuhalten hat. Da dem Kläger Wohnsitznahme nur in Bergisch Gladbach gestattet ist, dürfte zwar grundsätzlich für seine ausländerrechtlichen Angelegenheiten die Ausländerbehörde des Beigeladenen örtlich zuständig sein. Für sein Begehren auf Erteilung einer weiteren Duldung, um ihm den ständigen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen, kann aber nicht die Ausländerbehörde des Bundeslandes, auf dessen Gebiet der Aufenthalt des geduldeten Ausländers derzeit räumlich beschränkt ist ("abgebende" Ausländerbehörde), zuständig sein, sondern nur die Ausländerbehörde des Bundeslandes, in dem der Ausländer zukünftig seinen Aufenthalt begründen möchte ("aufnehmende" Ausländerbehörde). § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist zu entnehmen, dass eine Ausländerbehörde materiell-rechtlich keine Duldung für ein anderes Bundesland erteilen darf. Die Zuständigkeit der "aufnehmenden" Ausländerbehörde folgt insoweit aus dem Inhalt der erstrebten behördlichen Entscheidung (vgl. BremOVG, Beschluss vom 4. Juni 2008 - 1 B 163/08 -, juris, Rn. 22; OVG MV, Beschluss vom 23. Juli 2009 - 2 O 50/09 -, juris, Rn. 5; NdsOVG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 PA 563/08 -, juris, Rn. 3; OVG LSA, Beschluss vom 5. April 2006 - 2 M 133/06 -, juris, Rn. 5 ff.; Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 19). Dies entspricht im Ergebnis auch der mittlerweile - soweit ersichtlich - einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 3 m. w. N.). Demnach ist die Beklagte örtlich zuständig für die Erteilung der begehrten weiteren Duldung, weil der vom Kläger angestrebte neue Aufenthaltsort in ihrem Dienstbezirk liegt.

30

Der Kläger hat auch in der Sache einen Anspruch auf die von ihm begehrte weitere Duldung, die ihm einen länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts-ortes von Nordrhein-Westfalen nach Rheinland-Pfalz ermöglicht.

31

Unter welchen Voraussetzungen ein geduldeter Ausländer eine solche Zweitduldung für einen länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthaltsortes verlangen kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Der Senat geht davon aus, dass die Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde steht, ein Wechsel zum Zwecke der Herstellung der Familieneinheit von Eltern und ihren minderjährigen Kindern indes in der Regel im Hinblick auf Art. 6 GG nicht ermessensfehlerfrei abgelehnt werden kann, sofern die Familieneinheit nicht in zumutbarer Weise auf anderem Wege hergestellt werden kann (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 23 ff.; enger wohl Teile der Rechtsprechung: vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 5 m. w. N.).

32

Der Kläger, dessen Aufenthalt auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt ist, begehrt die Erteilung einer Zweitduldung, um zu seiner im Jahr 2009 geborenen Tochter und deren Mutter, die in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz leben, ziehen zu können. Die beantragte Zweitduldung dient mithin der Herstellung der Familieneinheit des Klägers mit seiner minderjährigen Tochter, für die er auch sorgeberechtigt ist.

33

Anhaltspunkte dafür, dass die Familieneinheit im Herkunftsland der Kindesmutter - Ghana - oder des Klägers, dessen Identität und Staatsangehörigkeit ungeklärt sind, hergestellt werden könnte, sind nicht ersichtlich.

34

Der Kläger kann nach Auffassung des Senats nicht darauf verwiesen werden, dass sich die Familieneinheit auch durch einen Umzug seiner Tochter mit ihrer Mutter und deren Sohn T. von Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz nach Bergisch Gladbach in Nordrhein-Westfalen herstellen ließe.

35

Zwar wäre ein solcher Umzug möglich, da die Kindesmutter eine Niederlassungserlaubnis besitzt und daher keiner räumlichen Beschränkung unterliegt (vgl. §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 2 AufenthG). Ein Umzug wäre ihr und ihren Kindern jedoch nicht zumutbar. Die Kindesmutter, deren in Ludwigshafen wohnender geschiedener Ehemann allerdings nicht der Vater ihres Kindes T. ist, wohnt seit ihrer Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2002 im Raum Mannheim/Ludwigshafen und jedenfalls seit mehreren Jahren in Ludwigshafen. Dort leben auch ihre Mutter, die Großmutter der Tochter des Klägers, und deren Ehemann. Die Kindesmutter hat auch derzeit nach der Geburt ihrer Tochter wieder eine Arbeitsstelle in Ludwigshafen. Ihr Sohn T. geht dort in den Kindergarten. Angesichts dieses über Jahre gewachsenen sozialen Umfelds der Kindesmutter und ihres auch durch Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens in Ludwigshafen hält der Senat auch unter Berücksichtigung des mit der gesetzlichen räumlichen Beschränkung verfolgten Ziels einer gleichmäßigen Verteilung der Belastung mit Sozialleistungen an geduldete Ausländer (vgl. dazu Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 24) die mit einem Umzug verbundene Beeinträchtigung ihrer Belange für unzumutbar.

36

Die Erteilung der begehrten Zweitduldung kann auch nicht deswegen versagt werden, weil der nach Abschluss seines Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtige Kläger seinen Mitwirkungspflichten zur Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapieres und zur Klärung seiner Identität seit Jahren beharrlich nicht nachkommt und dadurch seine Abschiebung verhindert. An der Erfüllung der genannten Mitwirkungspflichten und letztlich auch der vollziehbaren Ausreisepflicht besteht allerdings ein erhebliches öffentliches Interesse. Den Verwaltungsvorschriften zu § 61 AufenhtG zufolge ist daher von einer Änderung der räumlichen Beschränkung bzw. der Erteilung einer Duldung - aus familiären Gründen - abzusehen, solange eine Aufenthaltsbeendigung ausschließlich aus Gründen nicht möglich ist, die selbst zu vertreten sind, wie zum Beispiel bei Identitätsverschleierung und Verhinderung der Beschaffung von Heimreisedokumenten (vgl. Nr. 61.1.1.2 AVwV vom 26. Oktober 2009, GMBl. 2009, 878). Mit Rücksicht auf den hierbei zu berücksichtigenden Gesichtspunkt des Kindeswohls kann dies aber nicht gelten, wenn die Verweigerung einer Zweitduldung zu einer Trennung der Familie auf unabsehbare Dauer führen würde. In einem solchen Fall darf die Trennung der Familie nicht aufrechterhalten werden, um auf diese Weise Druck bezüglich der Erfüllung der Mitwirkungs- oder der Ausreisepflicht auszuüben (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 23). Nach Auffassung des Senats kommt dem Umstand, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch eine Aufenthaltsbeendigung verhindert, auch für die Frage, ob den übrigen Familienmitgliedern ein Umzug zum Kläger zur Herstellung der Familieneinheit zumutbar ist, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dieser Umstand weist nämlich keinen sachlichen Bezug zur Frage der Zumutbarkeit eines solchen Umzugs auf. Anderenfalls würde in unzulässiger Weise unter Vernachlässigung der Belange des Kindes und der Kindesmutter Druck ausgeübt, um den Kläger zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten zu bewegen.

37

Schließlich kann der Kläger auch nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst Reisepapiere zu beschaffen und dann in sein Heimatland auszureisen, um dort das erforderliche Visumverfahren durchzuführen zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, die ihm den Aufenthalt bei seiner Tochter in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz ermöglichen würde. Ist einem Ausländer dies ohne weiteres möglich, so mag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein Anordnungsgrund für eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zweitduldung fehlen. Ebenso kann eine Zusammenführung von Ehegatten im Ermessenswege rechtmäßig abgelehnt werden, wenn eine Ausreise oder Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Ehegatten in absehbarer Zeit möglich ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2006 - 8 K 1365/05 -, juris; Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG, Rn. 26). Auf den vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht übertragbar. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit über zwei Jahren seine Tochter nur im Wege von Besuchserlaubnissen nach § 12 Abs. 5 AufenthG an den Wochenenden sehen kann. Es kommt hinzu, dass nicht sicher ist, welchen Zeitraum der Kläger zur Beschaffung von Reisepapieren benötigt, selbst wenn er nunmehr seinen Mitwirkungspflichten nachkäme und sich mit Nachdruck darum bemühte. Außerdem ist bezüglich der voraussichtlichen Länge des Visumverfahrens zu bedenken, dass der Kläger bestandskräftig ausgewiesen ist und ebenso wie die Kindesmutter Sozialleistungen bezieht. Vor diesem Hintergrund erscheint eine weitere Trennung des Klägers von seiner minderjährigen kleinen Tochter während der Beschaffung von Reisepapieren und der Durchführung des Visumverfahrens nicht zumutbar.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht hier nicht der Billigkeit, da der Beigeladene seinerseits mangels eigener Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da der Fall Gelegenheit gibt, die Voraussetzungen für eine länderübergreifende Umverteilung eines geduldeten abgelehnten Asylbewerbers sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu klären, nachdem in Rechtsprechung und Schrifttum hierzu zahlreiche unterschiedliche Standpunkte vertreten werden.

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.