Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 10. Aug. 2016 - 1 B 37/16

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0810.1B37.16.0A
bei uns veröffentlicht am10.08.2016

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die dem Antragsteller bis zum 01.06.2016 erteilte Duldung vorläufig zu verlängern.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verlängerung seiner ihm zuletzt vom Landkreis Friesland/Niedersachsen bis zum 01.06.2016 erteilten Duldung

2

Der 1976 geborene Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger und 1999 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach erfolglosem Asylverfahren und Duldungserteilung tauchte er im Jahr 2001 unter und zog 2005 aus dem Ausland erneut nach Deutschland zu. Er stellte einen Asylfolgeantrag, der im 2006 rechtskräftig abgelehnt wurde. Der Antragsteller hielt sich in der Folgezeit geduldet im Landkreis Friesland auf, eine Rückführung scheiterte an der bislang ungeklärten Identität; die zuständige Auslandsvertretung lehnte mehrfach die Erteilung eines Passes mit Hinweis auf unstimmige Personenstandsangaben des Antragstellers ab. Seither befindet er sich im Besitz von Duldungen der zuständigen Ausländerbehörde in Niedersachsen, die zunächst durchgehend jedenfalls bis September 2015 mit der Nebenbestimmung einer Wohnsitz- und Aufenthaltsbeschränkung (Aufenthalt beschränkt auf das Land Niedersachsen, Wohnsitznahme nur in der Gemeinde V...) und der Gestattung einer unselbständigen Beschäftigung versehen waren.

3

Am 28.08.2014 erteilte die Ausländerbehörde Kreis Friesland dem Antragsteller die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des Duldungsbereichs bis zum 01.03.2015 nach A-Stadt und B-Stadt, da der Antragsteller sich dort bei seiner (deutschen) Verlobten, die er im Jahr 2007 kennengelernt hatte, aufhielt und in L…/B-Stadt einer Beschäftigung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 800 € nachging, die er bis heute ausübt.

4

In der zuletzt erteilten, bis zum 01.06.2016 gültigen Duldung ist die wohnsitzbeschränkende Auflage vom Kreis Friesland gestrichen worden.

5

Am 29.02.2016 meldete sich der Antragsteller in A-Stadt in der Wohnung seiner Verlobten an und beantragte beim Antragsgegner im Mai 2016 die Verlängerung seiner Duldung. Am 02.06.2016 beantragte der Antragsteller schriftlich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b AufenthG. Er ist der Ansicht, der Antragsgegner sei insbesondere auch für die Verlängerung der dringend benötigten Duldung zuständig, dies ergebe sich zwingend aus § 61 Abs.1 d) AufenthG.

6

Der Antragsgegner geht von einer weiterhin bestehenden Zuständigkeit des Kreises Friesland für diese Begehren aus.

7

Er vertritt die Ansicht, dass grundsätzlich für ausreisepflichtige, geduldete Ausländer bereits unabhängig von der Auflage einer Wohnsitzverpflichtung der Aufenthalt räumlich auf das bisherige Bundesland beschränkt ist. Nach seiner Rechtsauffassung ist bei Wegfall der Wohnsitzauflage weiterhin die Durchführung eines (asylrechtlichen) Umverteilungsverfahrens und die vorherige Prüfung der anschließend nach Umzug zuständig werdenden Ausländerbehörde notwendig, um die Länderzuweisungsquote von Asylbewerbern nicht in Frage zu stellen. Dies gelte vorliegend umso mehr, als dass dem Antragsteller auf Grund der ungeklärten Identität und der Negativbescheinigung der pakistanischen Botschaft zu keiner Zeit eine Erwerbstätigkeit gestattet worden wäre und der Antragsteller bei Zuzug somit nicht den Lebensunterhalt sichern könne.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

9

Der nach § 123 VwGO zulässige Antrag ist begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

10

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Form der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

11

Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite. Er benötigt die Duldungsbescheinigung, um sich gegebenenfalls ausweisen zu können und seinen zumindest geduldeten Aufenthalt nachzuweisen. Ein Zuwarten in der Hauptsache ist ohne wesentliche Nachteile nicht zumutbar.

12

Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass ihm gegenüber dem Antragsgegner ein Anspruch auf eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG zusteht. Nach dieser Norm ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (Satz 1).

13

Die Abschiebung des Antragstellers ist derzeit aus den weiterhin bestehenden Gründen der Passlosigkeit tatsächlich unmöglich.

14

Der Antragsgegner ist auch für die Verlängerung der erteilten Duldung die örtlich zuständige Ausländerbehörde (§ 31 Abs.1 Nr.3 a) LVwG SH). Der Antragssteller hat nämlich in dessen Zuständigkeitsbereich seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

15

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 a AufenthG ist in sogenannten anderen Angelegenheiten, wozu auch die hier streitgegenständlichen Entscheidungen der Ausländerbehörde gehören, die Behörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Für die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist auf die Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückzugreifen. Danach kommt es darauf an, wo sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wird dadurch begründet, dass sich der Betroffene an dem Ort oder in dem Gebiet „bis auf Weiteres“ im Sinne eines „zukunftsoffenen Verbleibs“ aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung hat (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 9. Februar 2010 - 4 LB 11/09 - m.w.N.).

16

Der Antragsteller ist auch in rechtlich zulässiger Weise in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners umgezogen.

17

Die vormals per Gesetz bestehende asylrechtliche Aufenthaltsbeschränkung auf das Land Niedersachsen ist erloschen. Dies folgt unmittelbar aus der Vorschrift des § 59a Abs. 2 S. 1 AsylG in der zum hier streitentscheidenden Zeitpunkt maßgeblichen Fassung, wonach die räumliche Beschränkung nach § 56 AsylG erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Räumliche Beschränkungen des Aufenthalts unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ergeben sich daher nach abgeschlossenem Asylverfahren regelmäßig nicht mehr.

18

Damit setzt ein Umzug in ein anderes Bundesland auch nicht eine vorherige länderübergreifende Umverteilung gemäß § 51 AsylVfG voraus. Zwar wurde in Rechtsprechung und Literatur bislang vertreten, ein länderübergreifender Wechsel des Wohnortes eines unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbers setze grundsätzlich eine länderübergreifende Umverteilung gemäß § 51 AsylVfG voraus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 15.05.2009 – 10 C 09.880 –, Juris RdNr. 6; OVG RP, Urt. v. 15.02.2012 – 7 A 11177/11 –, Juris RdNr. 24; Beschl. d. Senats v. 30.10.2014 – 2 M 106/14 – a.a.O. RdNr. 5; Funke-Kaiser, a.a.O., § 61 RdNr. 25). Grundlage dieser Auffassung war jedoch die Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, wonach räumliche Beschränkungen auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden. Diese Regelung wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.2014 (a.a.O.) zum 01.01.2015 aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 59a Abs. 1 AsylVfG n.F. in das Gesetz eingefügt.

19

Eine Aufenthaltsbeschränkung auf das Land Niedersachsen folgt auch nicht aus § 61 Abs.1 AufenthG in der zum jetzigen Zeitpunkt geltenden Fassung. Auch eine solche Beschränkung für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer erlischt nach § 61 Abs. 1b AufentG nach 3-monatigem ununterbrochenen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Aufenthalt im Bundesgebiet.

20

Der vormals zuständige Kreis Friesland hat auch die verfügte Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Gemeinde V... gestrichen. Die Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde, also des Antragsgegners, zu der Änderung der Wohnsitzauflage ist nicht erforderlich. Rechtlich bindende Beteiligungserfordernisse sind gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur bei der Änderung oder Aufhebung von Maßnahmen durch eine andere Behörde als der Behörde erforderlich, die die Maßnahme angeordnet hat. Das ist hier nicht der Fall.

21

Damit bedarf es eines Antrags des Antragstellers auf Streichung der Wohnsitzbeschränkung auch gegen den Kreis Friesland nicht mehr (vgl. insoweit zur grunds. Zuständigkeit der Ausländerbehörde des bisherigen Aufenthaltes für einen Antrag auf Streichung/Änderung einer Wohnsitzbeschränkung: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.01.2015, 2 O 1/15, Juris; VG Saarlouis, Beschluss vom 01.02.2016, 6 L 1103/15; Juris); diesem Begehren ist hier die vormals zuständige Ausländerbehörde bereits nachgekommen.

22

Der Antragsgegner ist daher antragsgemäß zur Verlängerung der Duldung als zuständige Behörde verpflichtet.

23

Es obliegt dabei dem Antragsgegner anhand der Ausländerakte zu prüfen, ob und ggf. mit welchen Nebenbestimmungen eine solche Duldung versehen werden soll. Ob die Voraussetzungen für eine Verbot der Erwerbstätigkeit nach § 60a Abs.6 Nr.2 AufenthG dabei im Sinne der zu fordernden unbedingten Kausalität der vom Antragsteller zu vertretenen Gründe für die Nichtvollziehbarkeit der Abschiebung vorliegen, wird vom Antragsgegner zu entscheiden sein und ist hier nicht streitgegenständlich.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 VwGO, das Gericht hat dabei den Auffangwert des § 52 Abs. 2 VwGO in Höhe von 5.000 €.


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(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Die räumliche Beschränkung nach § 56 erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Die räumliche Beschränkung erlischt abweichend von Satz 1 nicht, solange die Verpflichtung des Ausländers, in der für seine Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, fortbesteht.

(2) Räumliche Beschränkungen bleiben auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bis sie aufgehoben werden, längstens aber bis zu dem in Absatz 1 bestimmten Zeitpunkt. Abweichend von Satz 1 erlöschen räumliche Beschränkungen, wenn der Aufenthalt nach § 25 Absatz 1 Satz 3 oder § 25 Absatz 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes als erlaubt gilt oder ein Aufenthaltstitel erteilt wird.

(1) Die Aufenthaltsgestattung ist räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt.

(2) Wenn der Ausländer verpflichtet ist, in dem Bezirk einer anderen Ausländerbehörde Aufenthalt zu nehmen, ist die Aufenthaltsgestattung räumlich auf deren Bezirk beschränkt.

(3) (weggefallen)

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 15. September 2011 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung von Seiten des Klägers gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, sofern nicht dieser zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens geduldet wird, begehrt von der Beklagten die Erteilung einer weiteren Duldung, hilfsweise eine länderübergreifende Umverteilungsentscheidung, um ihm den ständigen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen.

2

Er wurde als Asylbewerber am 17. Juni 2004 der Stadt Bergisch Gladbach im beigeladenen Rheinisch-Bergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen zugewiesen. Die ihm am 24. Juni 2004 erteilte Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens enthielt eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Regierungsbezirk Köln. Die Wohnsitznahme war ihm nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. Im Dezember 2004 wurde sein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen. Er wird seitdem geduldet, weil seine Abschiebung unmöglich ist, da er nicht über einen Pass oder sonstige Reisepapiere verfügt und seine Identität ungeklärt ist. Vertreter der kamerunischen Botschaft in Deutschland erklärten nach einer Vorführung des Klägers im März 2007, dass er nicht - wie von ihm behauptet - ein kamerunischer Staatsangehöriger sei, da er bei einer ausführlichen Befragung zu seinem angeblichen Geburtsort keinerlei Kenntnisse gehabt habe. Daraufhin wurde er mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. April 2007 wegen mangelnder Mitwirkung bei der Beschaffung eines Passes, Passersatzpapiers oder sonstigen Identitätsnachweises ausgewiesen. Nach einer Vorführung des Klägers bei Vertretern der nigerianischen Botschaft in Deutschland im Oktober 2007 schlossen diese eine Herkunft aus Nigeria aus. Kamerunische Botschaftsvertreter bekräftigten nach einer erneuten Vorführung und Befragung des Klägers ihre bisherige Einschätzung.

3

In der ersten Duldungsbescheinigung für den Kläger vom 31. Januar 2005 war vermerkt, dass sein Aufenthalt auf Nordrhein-Westfalen beschränkt ist. Wohnsitznahme war nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. Gleichlautende Duldungsbescheinigungen erhielt er in der Folgezeit bis heute mit Ausnahme des Zeitraums von April 2007 bis August 2008, in dem nach seiner Ausweisung sein Aufenthalt auf den Regierungsbezirk Köln beschränkt war.

4

Für die am 14. Oktober 2009 geborene Tochter B. der ghanaischen Staatsangehörigen O. erkannte er mit deren Zustimmung und der ihres damaligen Ehemannes die Vaterschaft an und gab eine Erklärung zur Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts ab. Die Ehe der Kindesmutter wurde mit Urteil vom 13. April 2010 rechtskräftig geschieden. Die Vaterschaft für ihren während der Ehe im Jahr 2006 geborenen Sohn T. wurde von ihrem geschiedenen Ehemann mit Erfolg angefochten (vgl. Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 12. April 2011). Die Kindesmutter, die im September 2002 ins Bundesgebiet einreiste und seit Juli 2008 eine Niederlassungserlaubnis besitzt, lebt zusammen mit ihren Kindern in Ludwigshafen.

5

Unter dem 4. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine weitere Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen, da er nach Ludwigshafen zu seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter umziehen wolle, sein Aufenthalt aber auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt sei.

6

Mit Schreiben vom 15. April 2010 teilte die Beklagte ihm mit, es handele sich bei seinem Antrag um eine länderübergreifende Umverteilung, der bei der zuständigen Ausländerbehörde seines derzeitigen Wohnortes zu stellen sei. Daraufhin beantragte der Kläger vorsorglich unter dem 21. Mai 2010 bei der Ausländerbehörde des Beigeladenen, seine "Wohnsitzauflage zu streichen". Auf Nachfrage erklärte die Beklagte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 23. Juni 2010, sie stimme dem Zuzug des Klägers nach Ludwigshafen nicht zu, da der Lebensunterhalt voraussichtlich nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen gesichert sei und bereits erhebliche Belastungen durch Flüchtlinge und Asylsuchende in Ludwigshafen bestünden.

7

Am 25. Januar 2011 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, mit der er die Erteilung der von ihm beantragten weiteren Duldung für das Land Rheinland-Pfalz begehrt, um mit seiner Lebensgefährtin und seinem Kind in Ludwigshafen leben zu können. Die Beklagte habe über seinen Antrag bisher nicht entschieden. Es bestehe eine intakte familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter, die er regelmäßig mit entsprechender Erlaubnis des Beigeladenen besuche. Im Lichte des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sei die Ausübung des Sorgerechts durch die Erteilung einer Zuzugsgenehmigung zu gewährleisten. Die Wochenendfahrten nach Ludwigshafen seien sehr aufwendig. Es sei auch dem Kindeswohl zuträglicher, wenn er sich ständig bei seiner Tochter aufhalten könne. Der Kindesmutter mit ihren beiden Kindern sei ein Umzug zu ihm nach Bergisch Gladbach nicht zuzumuten. Ihr gesamtes soziales Umfeld befinde sich in Ludwigshafen. Das Kind T. besuche dort seit August 2010 den Kindergarten. Die Mutter der Kindesmutter lebe ebenfalls in Ludwigshafen. Eine länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG sei nach Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Duldung nicht mehr möglich. Deshalb könne ein länderübergreifender Wechsel eines geduldeten Ausländers - wie von ihm angestrebt - nur mit einer weiteren Duldung der Ausländerbehörde erreicht werden, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer auf Dauer zu wechseln beabsichtige. Vorsorglich hat der Kläger gleichwohl unter dem 23. Juni 2011 bei der Beklagten die länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG beantragt.

8

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. September 2011 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle aufgrund der asylrechtlichen Zuweisungsentscheidung zur Wohnsitznahme im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen bereits an der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten, die begehrte weitere Duldung zu erteilen. Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 1 LVwVfG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG habe der Kläger nicht begründen können. Die Wirkungen der Zuweisungsentscheidung bestünden auch nach dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens bis zu einer Ausreise des Klägers oder der Erlangung eines asylunabhängigen Aufenthaltsrechts fort mit der Folge, dass es zur dauerhaften Wohnsitzverlagerung einer Umverteilungsentscheidung in analoger Anwendung des § 51 AsylVfG bedürfe. Zudem lägen auch die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Duldung nicht vor.

9

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen.

10

Der Kläger beantragt,

11

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 15. September 2011 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Duldung für das Land Rheinland-Pfalz zu erteilen,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, seiner Umverteilung in das Land Rheinland-Pfalz zuzustimmen.

14

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er weist darauf hin, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 6. Dezember 2011 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden ist.

17

Hinsichtlich des Vorbringens des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (vgl. Bl. 167 ff. der Gerichtsakte). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist begründet.

19

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig und begründet.

20

Die Klage ist mit dem Hauptantrag gemäß § 75 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, weil die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 4. März 2010 auf Erteilung einer weiteren Duldung für das Land Rheinland-Pfalz ohne zureichenden Grund bis heute nicht entschieden hat. Ihr Hinweisschreiben vom 15. April 2010 enthält keinen ablehnenden Bescheid. Die Auffassung der Beklagten, örtlich nicht zuständig zu sein, stellt keinen zureichenden Grund dar, nicht über den Antrag des Klägers zu entscheiden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 75 Rn. 15).

21

Der Hauptantrag hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten weiteren Duldung gegenüber der Beklagten zu, die ihm einen dauerhaften länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts nach Rheinland-Pfalz ermöglicht.

22

Das Aufenthaltsgesetz enthält - anders als das Asylverfahrensgesetz für Asylbewerber (vgl. § 51 AsylVfG) - keine ausdrückliche Regelung für eine länderübergreifende Umverteilung eines vollziehbar ausreisepflichtigen, aber geduldeten Ausländers, dessen Aufenthalt gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes beschränkt ist, das heißt des Bundeslandes, dessen Ausländerbehörde eine Duldung erteilt hat oder für sonstige ausländerbehördliche Maßnahmen gegenüber dem Ausländer zuständig ist. Die gesetzlich vorgesehene räumliche Beschränkung bezieht sich dabei nicht nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt, sondern erfasst auch den tatsächlichen Aufenthalt (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand September 2011, § 51 AufenthG Rn. 7). Die Bestimmung des § 12 Abs. 5 AufenthG, wonach die Ausländerbehörde dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben kann, ermöglicht nur ein vorübergehendes Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 12 AufenthG Rn. 53; Armbruster, in: HTK-AuslR, Stand September 2011, § 61 AufenthG, zu Abs. 1 - Wohnsitzwechsel, Nr. 2; jeweils m. w. N.).

23

Strebt ein geduldeter Ausländer hingegen einen dauerhaften länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts an, kann er dies grundsätzlich nur dadurch erreichen, dass ihm die für den vorgesehenen Wohnort zuständige Ausländerbehörde eine weitere Duldung (sogenannte Zweitduldung) erteilt. Mit der Erteilung der Zweitduldung erledigt sich die erste Duldung auf andere Weise im Sinne von § 43 Abs. 2 VwVfG. Zugleich tritt die nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestehende räumliche Beschränkung auf das Gebiet des Bundeslandes, in dem die Zweitduldung erteilt wird, an die Stelle der bisherigen räumlichen Beschränkung. Dies entspricht bei geduldeten Ausländern, die kein Asylverfahren durchlaufen haben, der ganz überwiegend vertretenen Auffassung, der der Senat sich anschließt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -; NdsOVG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 PA 563/08 -; OVG LSA, Beschluss vom 5. April 2006 - 2 M 133/06 -; SächsOVG, Beschluss vom 19. Mai 2004 - 3 BS 380/03 -; alle in juris; Hailbronner, a. a. O., § 51 AufenthG Rn. 7a; Armbruster, a. a. O. m. w. N.; vgl. auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juni 2010, § 61 AufenthG, Rn. 18, der allerdings erst beim tatsächlichen Verlassen des bisherigen Bundeslandes von einer Erledigung der ersten Duldung ausgeht).

24

Umstritten und höchstrichterlich ungeklärt ist, inwieweit dies auch für geduldete Ausländer gilt, die - wie der Kläger - abgelehnte Asylbewerber sind. Bei diesem Personenkreis besteht nämlich die Besonderheit, dass nach der zum 1. Januar 2005 eingeführten Bestimmung des § 56 Abs. 3 AsylVfG räumliche Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung (vgl. § 56 Abs. 1 und 2 AsylVfG) auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung - also auch nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG) - in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden (Satz 1) oder ein Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. Satz 2), wozu eine Duldung nicht zählt (vgl. § 4 Abs. 1 AufenthG). Hieraus folgert ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass eine Duldung nicht geeignet sei, die im Asylverfahren begründete räumliche Beschränkung zu beseitigen. Folglich sei ein geduldeter abgelehnter Asylbewerber zur Überwindung dieser Beschränkung vorrangig auf das länderübergreifende Umverteilungsverfahren nach § 51 AsylVfG zu verweisen, solange die Wirksamkeit der Beschränkung fortbestehe (vgl. OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 2. Dezember 2009 - OVG 3 S 120.08 -; BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2009 - 10 C 09.880 -; HessVGH, Beschluss vom 25. August 2006 - 8 TG 1617/06.A -, alle in juris; ähnlich bereits vor Neufassung des § 56 AsylVfG OVG RP, Beschluss vom 16. Januar 2004 - 10 B 11661/03 -, juris).

25

Die Gegenmeinung verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine asylverfahrensrechtliche Zuweisungsentscheidung nur solange wirksam bleibe, bis der Ausländer ausgereist sei oder die Ausländerbehörde ihm einen Aufenthalt aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ermöglicht habe, wobei ein solcher Anschlussaufenthalt auch durch eine Duldung bewirkt werden könne. Durch die Erteilung einer Duldung aus asylverfahrensunabhängigen Gründen werde die Zuweisungsentscheidung gegenstandslos (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005, a. a. O., unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 155/90 -, juris, Rn. 21). Unter dieser Voraussetzung seien nicht nur die Zuweisungsentscheidung, sondern auch die räumlichen Beschränkungen nach § 56 AsylVfG obsolet (vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 1; wohl auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 22; a. A.: OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010 - 18 B 1702/09 -, juris, Rn. 10, wonach die Erteilung einer asylverfahrensunabhängigen Duldung auf den Fortbestand der räumlichen Beschränkungen - anders als auf die Zuweisungsentscheidung - keinen Einfluss habe).

26

Jedenfalls im vorliegenden Fall steht der Umstand, dass der Kläger ein unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ist, der von ihm begehrten Erteilung einer Zweitduldung nicht entgegen. Denn die räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung des Klägers sind nicht mehr in Kraft, weil sie zusammen mit der ihm erstmals am 31. Januar 2005 erteilten Duldung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG aufgehoben worden sind.

27

Eine Aufhebung der räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung im Sinne von § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG liegt nach Auffassung des Senats in allen Fällen vor, in denen dem Ausländer eine Duldung erteilt wird, deren räumliche Beschränkung sich nicht mit der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung deckt (enger: OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010, a. a. O.; vgl. auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 22).

28

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung nach § 56 AsylVfG beziehen sich nicht nur auf den ständigen Wohnsitz, sondern erfassen den gesamten Aufenthalt (vgl. Bodenbender, in: GK-AsylVfG, Stand Dezember 2011, § 56 AsylVfG, Rn. 11). Die dem Kläger erteilte Aufenthaltsgestattung vom 24. Juni 2004 enthielt eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf den Regierungsbezirk Köln. Wohnsitznahme war ihm nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet. In der ersten Duldungsbescheinigung des Klägers, die ihm am 31. Januar 2005 nach Abschluss seines Asylverfahrens ausgestellt wurde, war zwar ebenfalls vermerkt, dass ihm Wohnsitznahme nur im Stadtgebiet Bergisch Gladbach gestattet sei. Der Aufenthalt war jedoch im Gegensatz zur asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsgestattung nicht mehr auf den Regierungsbezirk Köln, sondern auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt. Nicht entscheidend ist, ob die Ausländerbehörde subjektiv lediglich auf die kraft Gesetzes bestehende räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet des Landes nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinweisen wollte. Aus der maßgeblichen Sicht des betroffenen Klägers konnte er der Duldungsbescheinigung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht entnehmen, dass die asylverfahrensrechtlichen räumlichen Beschränkungen noch weiter gelten sollten. Vielmehr musste er die Duldungsbescheinigung so verstehen, dass die darin vermerkten räumlichen Beschränkungen nunmehr nach Abschluss seines Asylverfahrens für ihn gelten sollten. Die hiervon abweichenden früheren räumlichen Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung konnten aus seiner Sicht hingegen nicht weiter gelten. Sie waren demnach aufgehoben.

29

Die Beklagte ist für die Erteilung der begehrten Duldung auch örtlich zuständig. In Rheinland-Pfalz ist nach § 90 Abs. 1 POG i. V. m. § 2 Nr. 2 der Landesverordnung über die Zuständigkeit der allgemeinen Ordnungsbehörden für die ausländerrechtlichen Angelegenheiten die Kreisordnungsbehörde sachlich zuständig. Örtlich zuständig ist gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 POG die allgemeine Ordnungsbehörde, in deren Dienstbezirk die ordnungsbehördlich zu schützenden Interessen gefährdet oder verletzt werden. Diese Bestimmung geht als speziellere Regelung der allgemeinen Zuständigkeitsvorschrift des § 3 VwVfG vor (so bereits Beschluss des Senats vom 12. Juli 2007 - 7 E 10589/07.OVG – m. w. N.). Die durch die Ordnungsbehörde zu schützenden Interessen liegen darin, die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes zu vollziehen, um Gefahren für die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Örtlicher Anknüpfungspunkt für Maßnahmen der Ausländerbehörde ist in der Regel der Ort, an dem sich der Ausländer aufhält oder kraft räumlicher Beschränkungen aufzuhalten hat. Da dem Kläger Wohnsitznahme nur in Bergisch Gladbach gestattet ist, dürfte zwar grundsätzlich für seine ausländerrechtlichen Angelegenheiten die Ausländerbehörde des Beigeladenen örtlich zuständig sein. Für sein Begehren auf Erteilung einer weiteren Duldung, um ihm den ständigen Aufenthalt in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen, kann aber nicht die Ausländerbehörde des Bundeslandes, auf dessen Gebiet der Aufenthalt des geduldeten Ausländers derzeit räumlich beschränkt ist ("abgebende" Ausländerbehörde), zuständig sein, sondern nur die Ausländerbehörde des Bundeslandes, in dem der Ausländer zukünftig seinen Aufenthalt begründen möchte ("aufnehmende" Ausländerbehörde). § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist zu entnehmen, dass eine Ausländerbehörde materiell-rechtlich keine Duldung für ein anderes Bundesland erteilen darf. Die Zuständigkeit der "aufnehmenden" Ausländerbehörde folgt insoweit aus dem Inhalt der erstrebten behördlichen Entscheidung (vgl. BremOVG, Beschluss vom 4. Juni 2008 - 1 B 163/08 -, juris, Rn. 22; OVG MV, Beschluss vom 23. Juli 2009 - 2 O 50/09 -, juris, Rn. 5; NdsOVG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 PA 563/08 -, juris, Rn. 3; OVG LSA, Beschluss vom 5. April 2006 - 2 M 133/06 -, juris, Rn. 5 ff.; Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 19). Dies entspricht im Ergebnis auch der mittlerweile - soweit ersichtlich - einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 3 m. w. N.). Demnach ist die Beklagte örtlich zuständig für die Erteilung der begehrten weiteren Duldung, weil der vom Kläger angestrebte neue Aufenthaltsort in ihrem Dienstbezirk liegt.

30

Der Kläger hat auch in der Sache einen Anspruch auf die von ihm begehrte weitere Duldung, die ihm einen länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthalts-ortes von Nordrhein-Westfalen nach Rheinland-Pfalz ermöglicht.

31

Unter welchen Voraussetzungen ein geduldeter Ausländer eine solche Zweitduldung für einen länderübergreifenden Wechsel seines Aufenthaltsortes verlangen kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Der Senat geht davon aus, dass die Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde steht, ein Wechsel zum Zwecke der Herstellung der Familieneinheit von Eltern und ihren minderjährigen Kindern indes in der Regel im Hinblick auf Art. 6 GG nicht ermessensfehlerfrei abgelehnt werden kann, sofern die Familieneinheit nicht in zumutbarer Weise auf anderem Wege hergestellt werden kann (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 23 ff.; enger wohl Teile der Rechtsprechung: vgl. Armbruster, a. a. O., Nr. 5 m. w. N.).

32

Der Kläger, dessen Aufenthalt auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt ist, begehrt die Erteilung einer Zweitduldung, um zu seiner im Jahr 2009 geborenen Tochter und deren Mutter, die in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz leben, ziehen zu können. Die beantragte Zweitduldung dient mithin der Herstellung der Familieneinheit des Klägers mit seiner minderjährigen Tochter, für die er auch sorgeberechtigt ist.

33

Anhaltspunkte dafür, dass die Familieneinheit im Herkunftsland der Kindesmutter - Ghana - oder des Klägers, dessen Identität und Staatsangehörigkeit ungeklärt sind, hergestellt werden könnte, sind nicht ersichtlich.

34

Der Kläger kann nach Auffassung des Senats nicht darauf verwiesen werden, dass sich die Familieneinheit auch durch einen Umzug seiner Tochter mit ihrer Mutter und deren Sohn T. von Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz nach Bergisch Gladbach in Nordrhein-Westfalen herstellen ließe.

35

Zwar wäre ein solcher Umzug möglich, da die Kindesmutter eine Niederlassungserlaubnis besitzt und daher keiner räumlichen Beschränkung unterliegt (vgl. §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 2 AufenthG). Ein Umzug wäre ihr und ihren Kindern jedoch nicht zumutbar. Die Kindesmutter, deren in Ludwigshafen wohnender geschiedener Ehemann allerdings nicht der Vater ihres Kindes T. ist, wohnt seit ihrer Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2002 im Raum Mannheim/Ludwigshafen und jedenfalls seit mehreren Jahren in Ludwigshafen. Dort leben auch ihre Mutter, die Großmutter der Tochter des Klägers, und deren Ehemann. Die Kindesmutter hat auch derzeit nach der Geburt ihrer Tochter wieder eine Arbeitsstelle in Ludwigshafen. Ihr Sohn T. geht dort in den Kindergarten. Angesichts dieses über Jahre gewachsenen sozialen Umfelds der Kindesmutter und ihres auch durch Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens in Ludwigshafen hält der Senat auch unter Berücksichtigung des mit der gesetzlichen räumlichen Beschränkung verfolgten Ziels einer gleichmäßigen Verteilung der Belastung mit Sozialleistungen an geduldete Ausländer (vgl. dazu Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 24) die mit einem Umzug verbundene Beeinträchtigung ihrer Belange für unzumutbar.

36

Die Erteilung der begehrten Zweitduldung kann auch nicht deswegen versagt werden, weil der nach Abschluss seines Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtige Kläger seinen Mitwirkungspflichten zur Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapieres und zur Klärung seiner Identität seit Jahren beharrlich nicht nachkommt und dadurch seine Abschiebung verhindert. An der Erfüllung der genannten Mitwirkungspflichten und letztlich auch der vollziehbaren Ausreisepflicht besteht allerdings ein erhebliches öffentliches Interesse. Den Verwaltungsvorschriften zu § 61 AufenhtG zufolge ist daher von einer Änderung der räumlichen Beschränkung bzw. der Erteilung einer Duldung - aus familiären Gründen - abzusehen, solange eine Aufenthaltsbeendigung ausschließlich aus Gründen nicht möglich ist, die selbst zu vertreten sind, wie zum Beispiel bei Identitätsverschleierung und Verhinderung der Beschaffung von Heimreisedokumenten (vgl. Nr. 61.1.1.2 AVwV vom 26. Oktober 2009, GMBl. 2009, 878). Mit Rücksicht auf den hierbei zu berücksichtigenden Gesichtspunkt des Kindeswohls kann dies aber nicht gelten, wenn die Verweigerung einer Zweitduldung zu einer Trennung der Familie auf unabsehbare Dauer führen würde. In einem solchen Fall darf die Trennung der Familie nicht aufrechterhalten werden, um auf diese Weise Druck bezüglich der Erfüllung der Mitwirkungs- oder der Ausreisepflicht auszuüben (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG Rn. 23). Nach Auffassung des Senats kommt dem Umstand, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch eine Aufenthaltsbeendigung verhindert, auch für die Frage, ob den übrigen Familienmitgliedern ein Umzug zum Kläger zur Herstellung der Familieneinheit zumutbar ist, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dieser Umstand weist nämlich keinen sachlichen Bezug zur Frage der Zumutbarkeit eines solchen Umzugs auf. Anderenfalls würde in unzulässiger Weise unter Vernachlässigung der Belange des Kindes und der Kindesmutter Druck ausgeübt, um den Kläger zur Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten zu bewegen.

37

Schließlich kann der Kläger auch nicht darauf verwiesen werden, sich zunächst Reisepapiere zu beschaffen und dann in sein Heimatland auszureisen, um dort das erforderliche Visumverfahren durchzuführen zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, die ihm den Aufenthalt bei seiner Tochter in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz ermöglichen würde. Ist einem Ausländer dies ohne weiteres möglich, so mag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein Anordnungsgrund für eine Verpflichtung zur Erteilung einer Zweitduldung fehlen. Ebenso kann eine Zusammenführung von Ehegatten im Ermessenswege rechtmäßig abgelehnt werden, wenn eine Ausreise oder Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Ehegatten in absehbarer Zeit möglich ist (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Mai 2006 - 8 K 1365/05 -, juris; Funke-Kaiser, a. a. O., § 61 AufenthG, Rn. 26). Auf den vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht übertragbar. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits seit über zwei Jahren seine Tochter nur im Wege von Besuchserlaubnissen nach § 12 Abs. 5 AufenthG an den Wochenenden sehen kann. Es kommt hinzu, dass nicht sicher ist, welchen Zeitraum der Kläger zur Beschaffung von Reisepapieren benötigt, selbst wenn er nunmehr seinen Mitwirkungspflichten nachkäme und sich mit Nachdruck darum bemühte. Außerdem ist bezüglich der voraussichtlichen Länge des Visumverfahrens zu bedenken, dass der Kläger bestandskräftig ausgewiesen ist und ebenso wie die Kindesmutter Sozialleistungen bezieht. Vor diesem Hintergrund erscheint eine weitere Trennung des Klägers von seiner minderjährigen kleinen Tochter während der Beschaffung von Reisepapieren und der Durchführung des Visumverfahrens nicht zumutbar.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht hier nicht der Billigkeit, da der Beigeladene seinerseits mangels eigener Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da der Fall Gelegenheit gibt, die Voraussetzungen für eine länderübergreifende Umverteilung eines geduldeten abgelehnten Asylbewerbers sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu klären, nachdem in Rechtsprechung und Schrifttum hierzu zahlreiche unterschiedliche Standpunkte vertreten werden.

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 8. September 2014 – 1 B 249/14 -HAL – geändert:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Rechtsmittelverfahren auf 2.500,-€ (zweitausendfünfhundert EURO) festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig eine Duldung zu erteilen. Zu Recht wendet der Antragsgegner ein, dass nicht er, sondern der Heidekreis (Niedersachsen), in dessen Bezirk der Antragsteller im Rahmen des mittlerweile beendeten Asylverfahrens zur Unterbringung zugewiesen wurde, für die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zuständig ist.

3

Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG ist diejenige Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die Person ihren "gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder zuletzt hatte. In Anlehnung an die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei Ausländern setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts allerdings voraus, dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechts zulässig ist; verlässt der Ausländer den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht (Urt. d. Senats v. 15.05.2014 – 2 L 136/12 –, AuAS 2014, 151, RdNr. 24 f., m.w.N.).

4

Hiernach ist allein der Landkreis Heidekreis die zuständige Ausländerbehörde, auch wenn der Antragsteller im März 2014 zu seiner Ehefrau nach A-Stadt gezogen ist. Die dem Antragsteller gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zur Durchführung des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsgestattung war gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG räumlich auf den Bezirk des Landkreises Heidekreis beschränkt. Die räumliche Beschränkung bleibt gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bis sie aufgehoben wird. Eine solche Aufhebung, die auch durch eine Duldung ausgesprochen werden kann (vgl. OVG RP, Urt. v. 15.02.2012 – 7 A 11177/11 –, juris, RdNr. 27, m.w.N.), ist bislang nicht erfolgt. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG, unter denen eine räumliche Beschränkung erlischt, liegen ersichtlich nicht vor. Die Ausländerbehörden des Landkreises Heidekreis und des Antragsgegners haben den Wohnortwechsel des Antragstellers auch nicht gebilligt.

5

Solange die im Asylverfahren ergangene Zuweisungsentscheidung über den Verfahrensabschluss hinaus gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG Wirksamkeit entfaltet, hat auch nach Abschluss des Asylverfahrens ein länderübergreifender Wohnsitzwechsel nach § 51 AsylVfG zu erfolgen (OVG BBg, Beschl. v. 02.12.2009 – OVG 3 S 120.08 –, juris, RdNr. 12; Jobs, in: GK-AsylVfG II -§ 51 RdNr. 2. m.w.N.). Nach § 51 Abs. 1 AsylVfG ist, wenn ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylVfG oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen. Gemäß § 51 Abs. 2 AsylVfG erfolgt die Verteilung nach Absatz 1 auf Antrag des Ausländers; über den Antrag entscheidet die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist. Eine Umverteilung nach § 51 AsylVfG mag zwar dann nicht mehr in Betracht kommen, wenn dem Ausländer aus asylverfahrensunabhängigen Gründen eine Duldung erteilt worden ist (vgl. OVG RP, Urt. v. 15.02.2012, a.a.O.; RdNr. 24 ff., m.w.N.; OVG MV, Beschl. v. 17.02.2004 – 2 L 261/03 –, juris, RdNr. 6; Jobs, a.a.O., m.w.N.). Dies ist beim Antragsteller bislang aber nicht erfolgt. Erst wenn die länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylVfG durchgeführt wurde, kann die Erteilung der Duldung für das aufnehmende Land durch die dort zuständige Ausländerbehörde erfolgen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG II - § 61 RdNr. 25). Solange eine solche Umverteilung des Antragstellers nicht erfolgt ist, bleibt es für die Erteilung der Duldung bei der örtlichen Zuständigkeit des Landkreises Heidekreis, der auch über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit Bescheid vom 30.07.2014 – seine örtliche Zuständigkeit bejahend – in der Sache (negativ) entschieden hat.

6

Etwas anderes folgt schließlich nicht aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Senats (Beschl. v. 05.04.2006 – 2 M 126/06 –, juris, RdNr. 3, m.w.N.), nach der im Falle einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei Vorliegen dringender persönlicher, insbesondere familiärer Gründe die Erteilung einer weiteren Duldung (sog. Zweitduldung) durch die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer seinen Wohnsitz verlegen will, in Betracht kommt.

7

Um eine solche Zweitduldung bei Bestehen einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geht es vorliegend nicht; der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner vielmehr die erstmalige Aussetzung der Abschiebung nach Beendigung des Asylverfahrens. Insoweit ist unerheblich, ob der Landkreis Heidekreis während des Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis den Antragsteller "faktisch" geduldet hat. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der am 26.11.2011 in Kraft getretenen Bestimmung des § 61 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Regelung geschaffen, nach der von der räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abgewichen werden kann, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient (vgl. dazu: Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 26). Durch diese Regelung wird die Ausländerbehörde am Wohnsitz des Ausländers nunmehr grundsätzlich in die Lage versetzt, die räumliche Beschränkung auf einen anderen Ort zu erweitern (vgl. OVG BBg, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 S 32.13 –, juris, RdNr. 2). Deshalb dürfte kein Bedürfnis mehr für eine Zweitduldung bestehen, um den Gewährleistungen des Art. 6 GG und 8 EMRK Rechnung tragen zu können (vgl. OVG BBg, Urt. v. 09.04.2014 – OVG 3 B 33.11 –, juris, RdNr. 20; VG Bremen, Urt. v. 11.04.2014 – 4 K 460/13 –, juris, RdNr. 20). Dem entsprechend wird der Landkreis Heidekreis, wenn er die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachte Risikoschwangerschaft seiner Ehefrau bejahen sollte, zugleich darüber zu befinden haben, ob er die räumliche Beschränkung dahingehend abändert, dass der Antragsteller sich aus den geltend gemachten familiären Gründen im Land Sachsen-Anhalt oder im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhalten darf.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

9

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.

(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.

(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.

(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn

1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder
3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
Eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde soll angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.

(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.

(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

Gründe

1

Die Beschwerde der Kläger hat Erfolg. Den Klägern ist die beantragte Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO zu bewilligen.

2

Die Kläger sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind auch die hinreichenden Erfolgsaussichten zu bejahen.

3

Die Klage dürfte gemäß § 88 VwGO als Verpflichtungsklage, gerichtet auf Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage, die der der Klägerin zu 1 erteilten Duldung beigefügt ist, zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen den Klägern und Herrn H. A., dem Ehemann der Klägerin zu 1 und dem Vater der Kläger zu 2 und 3, auszulegen sein. Dies dürfte dem erkennbaren Klagebegehren der Kläger, auf Dauer mit ihrem Ehemann bzw. Vater zusammenleben zu wollen, entsprechen. Die Verpflichtung zur Aufhebung der Wohnsitzaufnahme wird auch in dem in der Klageschrift vom 25.02.2014 angekündigten Antrag ausdrücklich genannt.

4

Die in der Klageschrift ebenfalls genannte Aufhebung der räumlichen Beschränkung dürfte bei sachgerechter Würdigung nicht mehr Klagegegenstand sein, denn die räumliche Beschränkung des Aufenthalts der Kläger auf das Bundesland Sachsen-Anhalt ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.2014 (BGBl. I S. 2439) zum 01.01.2015 kraft Gesetzes erloschen (vgl. BT-Drs. 18/3144, S. 13). Nach § 61 Abs. 1b AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2014 (AufenthG n.F.) erlischt die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Das ist bei den Klägern der Fall.

5

Die auf Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage gerichtete Verpflichtungsklage dürfte zulässig sein. Insbesondere dürfte es nicht an dem hierfür erforderlichen Antrag bei dem Beklagten fehlen. Dieser dürfte bei sachgerechter Würdigung in dem "Umverteilungsantrag" der Kläger vom 15. März 2010 zu sehen sein, der sowohl vom Beklagten im Bescheid vom 27.08.2010 als auch von der Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid vom 21.02.2014 als "Antrag auf Änderung der Wohnsitzauflage" verstanden worden ist. Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 1 am 13.08.2012 (erneut) einen ausdrücklichen Antrag auf Änderung der wohnsitzbeschränkenden Auflage bei dem Beklagten gestellt hat. Auf den Umstand, dass Herr H. A. damals noch in K-Stadt gewohnt hat, kommt es nicht an. Der mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 18.08.2014 angezeigte Umzug des Herrn H. A. nach B-Stadt führt – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nicht dazu, dass die Kläger einen neuen Antrag stellen müssen. Der jeweilige Wohnsitz des Ehemanns bzw. Vaters der Kläger stellt nur einen unwesentlichen Aspekt dar, der an ihrem Grundanliegen, der Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft, nichts ändert.

6

Die in der der Klägerin zu 1 erteilten Duldung enthaltene Wohnsitzauflage, wonach die Wohnsitznahme nur im Landkreis C. gestattet ist, ist nach wie vor wirksam. Sie stimmt mit den Regelungen des § 61 Abs. 1d Satz 1 und 2 AufenthG n.F. überein, wonach ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, verpflichtet ist, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Hiernach hat die Anordnung des Beklagten, dass der Klägerin zu 1 die Wohnsitznahme nur im Landkreis C. gestattet ist, weiterhin Bestand.

7

Die Klage dürfte auch begründet sein. Der Bescheid des Beklagten vom 27.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 21.02.2014 ist aller Voraussicht nach rechtswidrig, soweit hierin der Antrag der Kläger auf Änderung der Wohnsitzauflage abgelehnt wird. Es spricht viel dafür, dass den Klägern gemäß § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG n.F. ein Anspruch auf Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen ihnen und dem Ehemann der Klägerin zu 1 und dem Vater der Kläger zu 2 und 3, Herrn H. A., zusteht. Nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG n.F. kann die Ausländerbehörde die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen.

8

Zuständig für die Änderung der Wohnsitzauflage nach dieser Vorschrift ist der Beklagte als Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts (vgl. Beschl. d. Senats v. 30.10.2014 – 2 M 106/14 –, Juris RdNr. 7 zu § 61 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Dies steht in Übereinstimmung mit den Regelungen des Erlasses des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.01.2006 zur bundeseinheitlichen Verfahrensweise bei wohnsitzbeschränkenden Auflagen.

9

Die Änderung der Wohnsitzauflage steht nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG n.F. im Ermessen der Ausländerbehörde. Jedoch wird eine solche Änderung zum Zweck der Herstellung der Familieneinheit von Eltern und minderjährigen Kindern in der Regel im Hinblick auf Art. 6 GG nicht ermessensfehlerfrei abgelehnt werden können. Das gilt insbesondere dann, wenn die Familientrennung bereits seit längerer Zeit andauert und weder eine Aufenthaltsbeendigung eines beteiligten Familienmitglieds noch eine freiwillige Ausreise unmittelbar bevorstehen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG II, § 61 RdNr. 26). Nach diesen Grundsätzen dürfte im vorliegenden Fall eine Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage im Sinne der Kläger geboten sein. Sie dient der Herstellung der von Art. 6 GG geschützten Familieneinheit. Zwar bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der gemäß der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Urkunde vom 14.09.1992 (GA B Bl. 140) bescheinigten Eheschließung "nach dem Brauch der Bissa" in Burkina Faso zwischen der Klägerin zu 1 und Herrn H. A., zumal auch die Identität der Klägerin zu 1 angesichts des in der Urkunde angegebenen Geburtsjahres 1968 nicht gesichert ist. Ohne Zweifel ist jedoch die Klägerin zu 1 die Mutter und Herr H. A. der Vater des Klägers zu 2. Letzteres ergibt sich aus der vom Rhein-Sieg-Kreis ausgefertigten Urkunde vom 08.08.2005 über die Anerkennung der Vaterschaft sowie die Zustimmung der Mutter. Damit steht gemäß §§ 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB rechtlich fest, dass Herr H. A. der Vater des Kindes ist. Darüber hinaus hat Herr H. A. am 20.01.2009 vor dem Standesamt H. die Vaterschaft zum Kläger zu 3 anerkannt. Die Trennung der Familie dauert inzwischen seit langer Zeit an. Eine Beendigung des Aufenthalts der Kläger oder ihre freiwillige Ausreise in nächster Zeit sind nicht ersichtlich. Auch eine Herstellung der Familieneinheit in Burkina Faso dürfte den Klägern und Herrn H. A. nicht zumutbar sein, zumal letzterer seit dem 18.06.2012 über eine Niederlassungserlaubnis verfügt (BA B Bl. 184).

10

Die Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde, also der Stadt B-Stadt, zu der beantragten Änderung der Wohnsitzauflage ist nicht erforderlich. Rechtlich bindende Beteiligungserfordernisse sind gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur bei der Änderung oder Aufhebung von Maßnahmen durch eine andere Behörde als der Behörde erforderlich, die die Maßnahme angeordnet hat. Das ist hier nicht der Fall. Hier geht es um die Änderung einer vom Beklagten angeordneten Wohnsitzauflage durch ihn selbst. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den einschlägigen Verwaltungsvorschriften, etwa Nr. 12.2.5.2.4.3 AVwV-AufenthG. Hiernach darf die Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts die wohnsitzbeschränkende Auflage erst dann streichen oder ändern, wenn die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsorts vorliegt. Entsprechende Bestimmungen enthalten die einschlägigen Verwaltungsvorschriften in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Diesen Verwaltungsvorschriften kommt jedoch nur eine verwaltungsinterne Bindungswirkung zu. Einem nach materiellem Recht bestehenden Anspruch auf Änderung oder Aufhebung einer Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG n.F. stehen sie nicht entgegen. Gleichwohl erscheint eine Beiladung der Ausländerbehörde des Zuzugsorts gemäß § 65 Abs. 1 VwGO, nach derzeitigem Stand der Stadt B-Stadt, im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren sinnvoll.

11

Die Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage dahingehend, dass die Kläger ihren Wohnsitz (auch) in B-Stadt nehmen dürfen, setzt auch nicht eine vorherige länderübergreifende Umverteilung gemäß § 51 AsylVfG voraus. Zwar wurde in Rechtsprechung und Literatur bislang vertreten, ein länderübergreifender Wechsel des Wohnortes eines unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbers setze grundsätzlich eine länderübergreifende Umverteilung gemäß § 51 AsylVfG voraus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 15.05.2009 – 10 C 09.880 –, Juris RdNr. 6; OVG RP, Urt. v. 15.02.2012 – 7 A 11177/11 –, Juris RdNr. 24; Beschl. d. Senats v. 30.10.2014 – 2 M 106/14 – a.a.O. RdNr. 5; Funke-Kaiser, a.a.O., § 61 RdNr. 25). Grundlage dieser Auffassung war jedoch die Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, wonach räumliche Beschränkungen auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden. Diese Regelung wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.2014 (a.a.O.) zum 01.01.2015 aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 59a Abs. 1 AsylVfG n.F. in das Gesetz eingefügt, wonach die räumliche Beschränkung nach § 56 erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Räumliche Beschränkungen des Aufenthalts unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ergeben sich daher nach abgeschlossenem Asylverfahren regelmäßig nicht mehr.

12

Die Änderung der Wohnsitzauflage durch den Beklagten widerspricht auch nicht dem im Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes vom 21.02.2014 zitierten Beschluss des Senats vom 05.04.2006 – 2 M 133/06 –. In diesem Beschluss hatte der Senat die Auffassung vertreten, eine Anspruchsgrundlage, die die Gestattung einer auf Dauer angelegten Wohnsitznahme eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, dessen Aufenthalt gemäß § 61 Abs. 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes Sachsen-Anhalt beschränkt sei, in einem anderen Bundesland ohne Zustimmung der dort zuständigen Ausländerbehörde zulasse, sei nicht ersichtlich. Dieser Entscheidung ist durch das Inkrafttreten des § 61 Abs. 1b AufenthG n.F. mit Wirkung zum 01.01.2015 die Grundlage entzogen worden. Zudem besteht mit § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG n.F. nunmehr eine ausdrücklich gesetzliche Ermächtigung zur Änderung der Wohnsitzauflage durch die Ausländerbehörde des bisherigen Wohnortes.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 GKG und § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch das nächsthöhere Gericht bestimmt,

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist,
2.
wenn es wegen der Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiß ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist,
3.
wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 richtet und verschiedene Gerichte in Betracht kommen,
4.
wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben,
5.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 52 nicht gegeben ist, bestimmt das Bundesverwaltungsgericht das zuständige Gericht.

(3) Jeder am Rechtsstreit Beteiligte und jedes mit dem Rechtsstreit befaßte Gericht kann das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Das angerufene Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.