Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Juli 2014 - 2 L 38/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:0707.2L38.13.0A
bei uns veröffentlicht am07.07.2014

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Umfang ihrer Heranziehung zu Baugebühren für die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Gewächshausanlage mit Logistikzentrum. Nachdem der Beklagte bereits am 07.09.2010 einen Kostenvorschuss in Höhe von 70.000.00 € angefordert hatte, setzte er mit Bescheid vom 29.06.2011 die von der Klägerin zu zahlenden Gebühren auf 168.260,00 € fest. Dabei ging er von einem Bauwert in Höhe von 16.961.000,00 € aus, den er gemäß Nr. 25 der Anlage 2 zur Baugebührenverordnung (BauGVO) nach dem von der Klägerin angegebenen Brutto-Rauminhalt der Gebäude errechnete, wobei auf das Gewächshauses ein Volumen von 1.111.684,25 m³ entfiel. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass der auf der Grundlage der BauGVO ermittelte fiktive Bauwert für die von ihr errichteten Venlo-Gewächshäuser im Vergleich zum tatsächlichen Bauwert weit überhöht sei. Die tatsächlichen Baukosten lägen bei ca. 4 Mio. €. Die BauGVO differenziere zu Unrecht nicht zwischen Breitschiff- und Venlo-Gewächshäusern.

2

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Gegen die Gebührenberechnung auf der Grundlage eines anrechenbaren Bauwerts in Höhe von – gerundet – 16.961.00,00 € bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die BauGVO sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Es sei nicht ersichtlich, dass die in Nr. 25 der Anlage 2 zur BauGVO vorgesehene Pauschalierung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG beinhalte. Die Anlage 2 unterscheide zwischen 25 Gebäudearten, die teilweise noch weiter differenziert würden. Sämtliche Gewächshäuser wiesen gleiche Merkmale auf, die eine Zusammenfassung rechtfertigten, da sie demselben Zweck dienten und die in der Anlage 2 genannten Gebäudearten an die Nutzung anknüpften. Die Einzelheiten der Bauart oder Ausstattung des Gebäudes seien – wie die übrigen tabellarisch aufgeführten Gebäudearten zeigten – rechtlich unerheblich. Die Tarifstellen schlössen im Rahmen ihrer pauschalierten Betrachtungsweise eine gewisse Bandbreite von Bauausführungen gerade ein. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die für Gewächshäuser ermittelten anrechenbaren Bauwerte in aller Regel das Maß des Verwaltungsaufwandes und den Nutzen oder die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner nicht ausreichend wirklichkeitsnah abbilden. Beim Vorhaben der Klägerin dürfe nicht außer Acht bleiben, dass es sich um ein Bauwerk mit einer erheblichen Größe handele, das einen hohen Prüfungsaufwand für den Beklagten hervorgerufen und für die Klägerin auch eine große (wirtschaftliche) Bedeutung habe. Es komme nicht darauf an, ob die ermittelten anrechenbaren Baukosten (erheblich) über den tatsächlichen Baukosten liegen und ob das Gewächshaus der Klägerin eine leichtere und daher kostengünstigere Baukonstruktion als andere Gewächshäuser aufweise. Mit der BauGVO habe der Verordnungsgeber bewusst eine Abkehr vom Begriff des Rohbauwertes vollzogen. Mit der Einführung des Begriffs des „anrechenbaren Bauwerts“ solle vielmehr ein fiktiver Bauwert zugrunde gelegt werden, der entsprechend § 3 Abs. 2 VwKostG LSA das Maß des Verwaltungsaufwandes, den Wert des Gegenstandes der Amtshandlung und den Nutzen oder die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner berücksichtige. Die BauGVO verstoße auch nicht gegen den gebührenrechtlichen Äquivalenzgrundsatz. Die Abweichung der von der Klägerin behaupteten tatsächlichen Baukosten vom anrechenbaren Bauwert betreffe vom Ansatz her nicht die Ebene, auf der sich der anzustellende Leistungsvergleich zu vollziehen habe. Der anrechenbare Bauwert sei lediglich ein Hilfsmittel, um die behördliche Leistung zu ermitteln. Mit dem durch Nr. 1.1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BauGVO bestimmten Gebührensatz von 1 % des Bauwertes stehe die erhobene Gebühr nicht in grobem Missverhältnis zum wirtschaftlichen Wert, den die Baugenehmigung für die Klägerin habe. Die Bemessung der Baugenehmigungsgebühr nach dem Bauwert weise einen hinlänglichen Bezug zur erbrachten Gegenleistung auf.

II.

3

A. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, 3506, RdNr. 36 in juris, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

5

Die Klägerin wendet ein, der Verordnungsgeber nehme eine unzulässige und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Typisierung vor, wenn er alle Gewächshäuser unter einer Bestimmung der Baugenehmigungsgebühren zusammenfasse, obwohl in aller Regel Produktionsgewächshäuser des Venlo-Typs, der inzwischen einen Marktanteil von 80 % im Erwerbsgartenbau erreicht habe, erheblich geringere Baukosten aufwiesen. Die durch die Fehlbehandlung entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten beträfen daher nicht nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Hinzu komme, dass nur mit dem Venlo-Typ außergewöhnlich große Bauvolumina verwirklicht werden könnten, die mit deutschen Normgewächshäusern oder Breitschiff-Gewächshäusern auf gleicher Grundstücksgröße nicht erreicht werden könnten. Deshalb lägen die Gebühren um 400 % über den Gebühren, die anfallen würden, wenn der Venlo-Typ mit realitätsnahen Werten angesetzt werde. Der Wert der Amtshandlung für den Bauherrn und der Prüfarbeit der Behörde korreliere mit dem Wert des Bauwerks. Dies zeige auch der Verweis in § 6 Abs. 2 BauGVO auf § 62 Abs. 4 bis 6 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der früheren Fassung (HOAI a.F.) zur Berechnung der anrechenbaren Bauwerte für Anlagen, die nicht in den Anlagen zur BauGVO genannt seien. Da eine um das vier- bis achtfache höhere Bemessungsgrundlage verwandt werde als bei anderen Antragstellern, liege auch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. Mit diesen Einwänden vermag die Klägerin nicht durchzudringen.

6

Die Anknüpfung der Baugenehmigungsgebühr an einen pauschalierten („fiktiven") Bauwert stellt lediglich einen „Ersatzmaßstab" dar, der an die Stelle des an sich zugrunde zu legenden Wertes des Gegenstandes tritt. Die Verknüpfung zwischen dem Wert der staatlichen Leistung und der Gebührenhöhe ist damit von vornherein gelockert. Deshalb ist es von untergeordneter Bedeutung, wenn es Bauwerke gibt, deren tatsächlicher Bauwert erheblich unter dem pauschalierten Bauwert liegt. Denn die Unterschreitung des pauschalierten Bauwertes sagt unmittelbar nichts darüber aus, dass die erteilte Baugenehmigung für den Träger des Vorhabens einen entsprechend geringeren Wert hat. In der Abweichung zwischen den tatsächlichen und den „fiktiven" Baukosten liegt daher kein zwingender Grund für eine unterschiedliche Gebührenbemessung. Gegen eine solche Differenzierung lässt sich vielmehr anführen, dass dies zu einer dem Zweck der Pauschalierung zuwiderlaufenden Kompliziertheit der Bauwerkstypen führen würde. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit jeher anerkannt, dass es nicht willkürlich ist, wenn im Rahmen der durch das Äquivalenzprinzip gezogenen Grenzen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf eine weiter differenzierende Gebührenregelung verzichtet wird (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 18.04.2000 – 11 B 20.00 –, DÖV 2000, 821, RdNr. 7 in juris).

7

In der Anlage 2 zur BauGVO werden die in den Ziffern 1 bis 25 aufgezählten Sachverhaltsgruppen, für die die einzelnen Bauwerte je m³ Rauminhalt festgelegt werden, grundsätzlich nach der Gebäudeart, also nach der Art der Nutzung des Bauwerks und nicht nach der Bauweise gebildet. Dem entsprechend hat der Verordnungsgeber für die Gruppe der Gewächshäuser nicht auf die Bauweise abgestellt, sondern sämtliche Gewächshäuser in einer Ziffer zusammengefasst. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist davon auszugehen, dass der Gebühren-Verordnungsgeber die Merkmale, nach denen Sachverhalte als im Wesentlichen gleich anzusehen sind, innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei bestimmen darf. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für eine unterlassene Differenzierung nicht mehr erkennbar ist, wobei auch hier wiederum der Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität zu berücksichtigen ist (vgl. OVG MV, Urt. v.20.05.2003 – 1 L 186/02 –, NVwZ-RR 2004, 165, RdNr. 25 in juris, m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass in Bezug auf die für die Gebührenbemessung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA maßgeblichen Gesichtspunkte (Maß des Verwaltungsaufwandes, Wert des Gegenstandes der Amtshandlung sowie Nutzen oder Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner) je nach Bauweise der Gewächshaustypen wesentliche Unterschiede bestehen, die eine weitere Differenzierung gebieten.

8

Eine unzulässige Typisierung mag dann gegeben sein, wenn für bestimmte Sachverhaltsgruppen der tatsächliche Wert regelmäßig vom pauschalierten Wert erheblich abweicht, d.h. wenn in aller Regel Gebäude, die unter dieselbe Gebäudeart nach der Anlage 2 zur BauGVO fallen, erheblich geringere Baukosten aufweisen als sich auf der Grundlage der Ermittlungen nach der BauGVO ergeben (vgl. OVG MV, Urt. v.20.05.2003, a.a.O., RdNr. 23, 27 in juris). Eine solche unzulässige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte liegt allerdings nur dann vor, wenn die landesweit vorgegebene pauschalierte Ermittlung der Baukosten landesweit zu Werten führt, die für den jeweils streitigen Bauwerkstyp den strukturellen Bezug zum übergeordneten Bemessungskriterium des „anrechenbaren Bauwerts“ vermissen lässt und damit im Binnenverhältnis zu Lasten jenes Bauwerkstyps einen partiellen Differenzierungsausfall bedingt (vgl. OVG NW, Beschl. v. 20.07.2004 – 9 A 201/02 –, juris, RdNr. 27). Es bestehen indes keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass dies bei der Sachverhaltsgruppe der Gewächshäuser der Fall ist. Zwar dürfte es zutreffen, dass Gewächshäuser des Venlo-Typs mittlerweile einen sehr hohen Marktanteil erreicht haben. Nach der von der Berichterstatterin telefonisch eingeholten Auskunft der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau Sachsen-Anhalt vom 16.01.2013 sind die Gewächshäuser dieses Typs, die sich durch günstigere Baukosten auszeichnen, bereits seit vielen Jahren auch in Sachsen-Anhalt verbreitet. Davon geht im Übrigen auch der Beklagte aus. In seinem Schriftsatz vom 11.01.2013 hat er darauf hingewiesen, dass das deutsche Normgewächshaus, das die Klägerin u.a. zum Vergleich herangezogen hat, bereits vor Jahrzehnten seine Bedeutung verloren habe und nach der „Wende“ auf seinem Gebiet nach seiner Kenntnis keine solchen Gewächshäuser mehr errichtet worden seien. Zur Ausführung gelangt seien ausschließlich Gewächshäuser in Kappen-(Venlo)- und Breitschiffbauweise. Dann aber kann mit dem Beklagten auch davon ausgegangen werden, dass die Kosten gerade auch für solche Gewächshäuser bei den statistisch ermittelten Erhebungen für die Bestimmung des anrechenbaren Bauwerts durch den Verordnungsgeber eingeflossen sind. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass Gewächshäuser regelmäßig erheblich geringere Bauwerte je m³ aufweisen als der Normgeber in Nr. 25 der Anlage 2 zur BauGVO pauschalierend angenommen hat. Für eine solche Annahme genügt es nicht, dass nach einem einzelnen Angebot, wie es die Klägerin für ihr Vorhaben vorgelegt hat, deutlich geringere Baukosten anfallen als nach der pauschalierten Berechnung (vgl. OVG NW, Beschl. v. 20.07.2004, a.a.O., RdNr. 29). Auch mit dem Hinweis der Klägerin darauf, dass nach der von ihr eingeholten Auskunft der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom 11.01.2013 (Bl. 168 GA) Venlo-Gewächshäuser gegenüber Breitschiff-Gewächshäusern Kostenvorteile bieten, ist nicht belegt, dass der sich nach Nr. 25 der Anlage 2 zur BauGVO ergebende anrechenbare Bauwert für Gewächshäuser erheblich über dem tatsächlichen Bauwert für solche Bauwerke liegt.

9

Gegen ein erhebliches Abweichen von tatsächlichen und pauschalierten Bauwerten im Regelfall spricht auch ein Vergleich mit Gebührenordnungen anderer Länder, in denen die Gebühren pauschalierend auf der Grundlage anrechenbarer Baukosten oder durchschnittlicher Rohbaukosten ermittelt werden. Für Gewächshäuser ergibt sich danach folgendes Bild:

10

Brandenburg (Anlage 2 Nr. 20 zu § 3 Abs. 1 BauGebO):

11

bis 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt

        

38 €/m³

über 1.500 m³ Brutto- Rauminhalt

        

27€/m³

12

Hamburg (Anlage 2 Nr. 27 zu § 3 Abs. 2 BauGebO):

13

bis 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt

        

31 €/m³

über 1.500 m³ Brutto- Rauminhalt

        

21€/m³

über 20.000 ³ Brutto-Rauminhalt

        

6 €/m³

14

Mecklenburg-Vorpommern (Anlage 2 Nr. 20 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGebVO):

15

bis 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt

        

25 €/m³

über 1.500 m³ Brutto- Rauminhalt

        

15 €/m³

16

Niedersachsen (Anlage 2 Nr. 24 zu §§ 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 BauGO):

17

(durchschnittlicher Rohbauwert)

18

bis 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt

        

26 €/m³

über 1.500 m³ Brutto- Rauminhalt

        

15 €/m³

19

Schleswig-Holstein (Anlage 2 Abschnitt B Nr. 9 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGebVO):

20

bis 1.000 m³ Brutto-Rauminhalt

        

34 €/m³

über 1.500 m³ Brutto- Rauminhalt

        

21 €/m³

21

Die anrechenbaren Baukosten für Gewächshäuser nach der Anlage 2 Nr. 25 BauGVO des Landes Sachsen-Anhalt liegen mit 23 €/m³ bis 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt und 14 €/m³ über 1.500 m³ Brutto-Rauminhalt – teilweise deutlich – unter den vorgenannten Werten.

22

2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen Schwierigkeiten rechtlicher und tatsächlicher Art im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

23

Besondere Schwierigkeiten liegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 13.02.2014 – 2 L 4/13 –, juris, RdNr. 50) vor bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Tatsächlichen besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn der Sachverhalt schwierig zu überschauen oder zu ermitteln ist, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen.

24

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob und inwieweit der Landesverordnungsgeber Bauwerte zur Ermittlung von Baugebühren pauschalieren darf und wo die Grenzen einer unzulässigen Pauschalierung liegen, lässt sich ohne besondere Schwierigkeiten anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantworten.

25

3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

26

Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein; jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.04.2010 – 2 L 148/09 –, Juris). Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Rechts- oder Tatsachenfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2006 – 5 B 99.05 –, Juris, m. w. Nachw.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

27

3.1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, „bis zu welcher Größe der Landesverordnungsgeber Bauwerte unterschiedlicher Bautypen unter einer Gebührenziffer pauschalieren kann“, lässt sich nicht generalisierend beantworten. Vielmehr hängt es von der jeweiligen Gebäudeart ab, ob der Verordnungsgeber für bestimmte Unterarten weitere Differenzierungen bezüglich des Bauwerts je m³ Brutto-Rauminhalt vornehmen muss.

28

3.2. Die Klägerin hält weiter für klärungsbedürftig, „ob der Landesverordnungsgeber eine Pauschalierung auf der Grundlage überhöhter Richtwerte beibehalten darf, wenn dies bei bestimmten Gewächshaustypen in 80 % der Fälle zu überhöhten Bauwerten führt“. Damit dürfte schon keine klärungsfähige Rechtsfrage aufgeworfen sein. Die Klägerin unterstellt, dass „überhöhte Richtwerte“ bzw. in 80 % aller Fälle „überhöhte“ Bauwerte vorliegen. Eine solche Feststellung hat weder das Verwaltungsgericht getroffen, noch liegen greifbare Anhaltspunkte für eine solche Annahme vor. Unabhängig davon ist weder die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage noch die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dargelegt

29

3.3. Die Klägerin möchte schließlich die Frage geklärt wissen, „inwieweit der Landes-Verordnungsgeber bei der Festlegung von Bauwerten als Grundlage für die Baugebührenberechnung an den Gleichheitssatz gebunden und gehindert ist, unterschiedliche Gewächshaustypen mit wesentlich unterschiedlichen Bauwerten in gleicher Weise zu pauschalieren“.

30

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, sie lässt sich vielmehr anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung im oben unter Ziffer 1 dargelegten Sinne beantworten.

31

4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.

32

Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, das angefochtene Urteil weiche von der Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 20.05.2003 (a.a.O.) ab. Bei diesem Zulassungsgrund kommt es nicht auf die Abweichung von einer Entscheidung irgendeines Oberverwaltungsgerichts an, sondern nur auf die Abweichung von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht im Rechtzug übergeordneten Oberverwaltungsgerichts; weicht die Entscheidung von der Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts ab, kommt eine Berufungszulassung nur wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 124 RdNr. 12, m. w. Nachw.).

33

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

34

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Juli 2014 - 2 L 38/13

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Juli 2014 - 2 L 38/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 07. Juli 2014 - 2 L 38/13 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen


Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. November 2011 - 13 LA 81/11 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beanstanden die Beschwerdeführer insbesondere, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil über ihre Klage gegen einen deichrechtlichen Planfeststellungsbeschluss abgelehnt hat.

A.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der an der Alten Aller gelegenen Flurstücke X, Y und Z, von denen eines mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist.

3

2. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz stellte mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 auf Antrag eines Deichverbands einen Plan für die Verbesserung der Deichsicherheit auf einem Streckenabschnitt von ungefähr 4 km fest. Der festgestellte Plan übernimmt auch einen Änderungsantrag des Deichverbands vom 7. Juli 2008. In diesem wird ausgeführt, für den Bereich der Flurstücke X, Y und Z habe der Antrag bisher die Herstellung einer neuen Hochwasserschutzmauer sowie die Anlage eines Deichverteidigungswegs zwischen der neuen Hochwassermauer und dem Wohngebäude der Beschwerdeführer auf dem Flurstück X vorgesehen. Aufgrund der doch nicht unerheblichen Vorteile eines grünen Deiches gegenüber einer Hochwasserschutzwand im Hinblick auf Sicherheit und Unterhaltungskosten habe die ursprüngliche Planung aus heutiger Sicht, nicht zuletzt auch aufgrund neuerer Vorgaben zur Finanzierung, einer neuen Bewertung bedurft. Im Ergebnis sei danach, soweit möglich, auch hier der grüne Deich zu realisieren. Der Bau des Deiches solle auf dem Flurstück Y erfolgen. Der dauerhaft in Anspruch genommene Flächenanteil dieses Flurstücks betrage 3.100 qm.

4

3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführer gegen den Planfeststellungsbeschluss weitgehend ab.

5

Eine Verletzung des Abwägungsgebotes könnten die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend machen. Der beklagte Landesbetrieb (im Folgenden: Beklagter) habe bei seiner Abwägungsentscheidung die Belange der Beschwerdeführer berücksichtigt. Das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Z werde im Umfang von 830 qm für den Neubau des Deichkörpers in Anspruch genommen. Eine Flächeninanspruchnahme sei bei der Entscheidung zugunsten des grünen Deiches in diesem Umfang geboten. Eine wesentliche Beeinträchtigung ihres verbleibenden Grundbesitzes ergebe sich daraus nicht, zumal auch bei einer Erhöhung der vorhandenen Flutschutzmauer, wie dies die Beschwerdeführer wünschten, Beeinträchtigungen ihres Grundbesitzes zu erwarten wären. Die Flächeninanspruchnahme sei dann allerdings geringer. Auch die Belange des Naturschutzes würden gewahrt. Denn der vorhandene Teich, der als Biotop einzustufen sei, werde an anderer Stelle neu hergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des vorhandenen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets (FFH-Gebiet) sei zudem durch die geplante Trassierung nicht zu erwarten. Dies wäre allenfalls bei einer Verlegung des Deiches in östlicher Richtung, also auf das Flurstück Y, der Fall. Dieses Flurstück werde aber durch die Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt, hiervon werde lediglich während der Bauzeit ein Arbeitsstreifen in Anspruch genommen.

6

4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.

7

Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sei nicht hinreichend dargetan und liege zudem nicht vor. Die Beschwerdeführer hätten die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht hinreichend in Frage gestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Abwägungsgebot entspreche.

8

Die Beschwerdeführer seien durch die Deicherneuerungsmaßnahme unmittelbar in ihrem Eigentumsrecht betroffen. Sie hätten deshalb einen Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle.

9

Das Abwägungsgebot habe in der Rechtsprechung zu der gerichtlichen Überprüfung von Planungsalternativen in Bezug auf abweichende Standorte beziehungsweise Trassen eine nähere Ausformung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung einer Deichlinienführung für einen der Planfeststellung unterliegenden Deichbau übertragen ließe: Ernsthaft in Betracht kommende Alternativlösungen müssten bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials berücksichtigt werden und mit der ihnen zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange eingehen. Die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen unterliege nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Eine Planfeststellungsbehörde handele nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls aus guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl seien erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen sei.

10

Einen derartigen Fehler hätten die Beschwerdeführer in ihrer Zulassungsbegründung nicht darzulegen vermocht.

11

So sei die dauerhafte Inanspruchnahme des im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Flurstücks Y durch die Erstellung eines grünen Deichs anstelle der Verstärkung und Erhöhung der alten Hochwasserschutzmauer Gegenstand der Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses gewesen. Der Änderungsantrag des Beigeladenen vom 7. Juli 2008 weise eindeutig darauf hin, dass alle beschriebenen Maßnahmen (Errichtung eines grünen Deiches anstelle einer Hochwasserschutzmauer) auf dem Flurstück Y zu realisieren seien. Der Änderungsantrag sei ebenso wie der zugehörige Lageplan Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses und damit Gegenstand der Abwägung geworden. Dass dieser Belang auch tatsächlich inhaltlich abgewogen worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses. Danach seien die Eigentumsbelange der Beschwerdeführer, die aufgrund der Vorgabe, dass ein grüner Deich errichtet werden müsse, betroffen würden, in die Abwägung eingestellt worden, hätten aber hinter die Belange des Hochwasserschutzes zurücktreten müssen. Einzig denkbare Alternative zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer sei die Herstellung eines grünen Deiches auf der Trasse des jetzigen Deiches. Dies hätte aber den Abriss dieses Wohnhauses zur Folge, was ungleich schwerer wiege als die Inanspruchnahme von Weideland.

12

Allerdings sei das Verwaltungsgericht offensichtlich irrig davon ausgegangen, das Flurstück Y werde nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens in Anspruch genommen. Dies sei jedoch für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ohne Bedeutung, da die dauerhafte teilweise Inanspruchnahme dieses Grundstücks - wie dargelegt - durch den Beklagten ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sei, mithin kein Abwägungsfehler vorliege, der der Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht entgegenstünde.

13

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht auch die Errichtung eines grünen Deiches vor dem Wohnhaus der Beschwerdeführer anstelle der ursprünglich geplanten Verstärkung und Erhöhung der vorhandenen Hochwasserschutzmauer als abwägungsfehlerfrei angesehen. Insoweit habe es zutreffend auf die Schwachstellen im Übergangsbereich einer Hochwasserschutzmauer zu dem sich anschließenden grünen Deich hingewiesen. Zu Recht habe es dabei auch darauf abgestellt, dass eine notfallmäßige Erhöhung durch Sandsäcke bei einem grünen Deich einfacher und sicherer zu bewerkstelligen sei, als dies bei einer Hochwasserschutzmauer der Fall wäre. Dies ergebe sich schon aufgrund der breiteren zur Verfügung stehenden Grundfläche und bedürfe keiner weiteren Erläuterung.

II.

14

1. Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Planfeststellungsbeschluss, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht. Sie rügen eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 GG und machen unter anderem geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, weil er die Anforderungen an die Darlegung der verschiedenen Zulassungsgründe überspanne.

15

Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hätten sie aufgezeigt, dass sich eine erhebliche Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Urteils schlüssig in Frage stellen lasse. Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil davon aus, dass das in ihrem Eigentum stehende Flurstück Y nicht auf Dauer, sondern lediglich für die Bauzeit in geringem Umfang beeinträchtigt werde. Mit der Feststellung dieser Tatsache gehe das Verwaltungsgericht außerdem davon aus, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des sich dort befindenden FFH-Gebiets nicht zu erwarten sei. Sie hätten dargelegt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts 3.100 qm des Flurstücks Y dauerhaft in Anspruch genommen werden sollten. Insoweit stimmten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss überein.

16

Diese Fehleinschätzung sei für das Urteil des Verwaltungsgerichts auch erheblich, denn sie betreffe die Art und Weise sowie den Umfang der Inanspruchnahme ihres Grundeigentums, darüber hinaus aber auch die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von ihnen rügefähige Frage der Vereinbarkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses mit (europäischem) Naturschutzrecht. Erheblich sei sie auch insofern, als das Verwaltungsgericht auf die Feststellung seine Überprüfung der dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Abwägung stütze und hiernach in dem Urteil zu dem Schluss komme, die Beklagte habe ihre Belange hinreichend berücksichtigt.

17

Die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts habe das Oberverwaltungsgericht im Grunde zwar auch erkannt, die "irrige" Annahme des Verwaltungsgerichts zu der Inanspruchnahme des Flurstücks Y jedoch als für die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils unbedeutend angesehen. Die angebliche Ergebnisrichtigkeit des Urteils begründe das Oberverwaltungsgericht damit, dass die Planfeststellungsbehörde die Inanspruchnahme des Flurstücks Y ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt habe. Mit dieser Würdigung greife das Oberverwaltungsgericht aber dem eigentlichen Berufungsverfahren vor. Unabhängig davon seien erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dargetan, wenn sich aus dem Vorbringen ergebe, dass das Urteil auf der fehlerhaften Annahme von in Anspruch genommenen Flächen fuße, denn es sei Aufgabe des Verwaltungsgerichts zu prüfen, ob die Belange tatsächlich ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden seien.

18

2. Die Niedersächsische Landesregierung sowie der Beklagte und der im Ausgangsverfahren beigeladene Deichverband hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten der Ausgangsverfahren sind beigezogen.

B.

19

Die Verfassungsbeschwerde hat hinsichtlich des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Erfolg.

I.

20

Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, ist sie zulässig (1.) und begründet (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

21

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben haben. Dies war weder zur Erschöpfung des Rechtswegs (a) noch wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (b) geboten.

22

a) aa) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so gehört eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; 126, 1 <17>). Erheben Beschwerdeführer in einem solchen Fall keine Anhörungsrüge, obwohl sie statthaft und nicht offensichtlich aussichtslos wäre, hat das zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt unzulässig ist, sofern die damit gerügten Grundrechtsverletzungen denselben Streitgegenstand betreffen wie der geltend gemachte Gehörsverstoß(vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10).

23

Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab. Wurde ein Anhörungsrügeverfahren vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführt, mit der Verfassungsbeschwerde aber kein Gehörsverstoß gerügt - etwa weil sich die Beschwerdeführer insoweit von den Gründen des die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschlusses haben überzeugen lassen -, zählt dieses Anhörungsrügeverfahren, wenn es nicht offensichtlich aussichtslos war, gleichwohl zum Rechtsweg und wirkt damit fristbestimmend für die Verfassungsbeschwerde.

24

bb) Die Beschwerdeführer machen mit ihrer Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend.

25

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde enthält allerdings Ausführungen, die - isoliert betrachtet - als Rügen einer Gehörsverletzung gedeutet werden könnten. So beanstanden die Beschwerdeführer unter anderem, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe. Dieses Vorbringen kann bei sachdienlicher Auslegung nicht als Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG verstanden werden. Es dient im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde eindeutig dem Ziel zu begründen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG den Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie den der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache verkannt habe. Dass die Beschwerdeführer ungeachtet dessen mit diesen Ausführungen gleichwohl der Sache nach einen Gehörsverstoß rügen wollen, kann nach dem Grundsatz wohlwollender Auslegung prozessualer Anträge im Sinne des erkennbaren Rechtsschutzanliegens auch deshalb nicht angenommen werden, weil ihrem Vorbringen ansonsten ein Verständnis unterlegt würde, das mangels Erhebung einer Anhörungsrüge zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde führen würde.

26

b) Die Erhebung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO war hier auch nicht mit Rücksicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde geboten.

27

aa) Dieser in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz verlangt, dass Beschwerdeführer alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>). Das kann auch bedeuten, dass Beschwerdeführer zur Wahrung des Subsidiaritätsgebots gehalten sind, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit den gegebenen Rechtsbehelfen, insbesondere mit einer Anhörungsrüge, selbst dann anzugreifen, wenn sie im Rahmen der ihnen insoweit zustehenden Dispositionsfreiheit mit der Verfassungsbeschwerde zwar keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen wollen (vgl. BVerfGE 126, 1 <17>), durch den fachgerichtlichen Rechtsbehelf aber die Möglichkeit wahren, dass bei Erfolg der Gehörsverletzungsrüge in den vor den Fachgerichten gegebenenfalls erneut durchzuführenden Verfahrensschritten auch andere Grundrechtsverletzungen, durch die sie sich beschwert fühlen, beseitigt werden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Denn die Dispositionsfreiheit der Beschwerdeführer enthebt sie nicht ohne Weiteres der Beachtung des Subsidiaritätsgebotes; als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist dieses der Verfügungsmacht der Beschwerdeführer entzogen.

28

Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07,1 BvR 1569/08 -, NJW 2012, S. 3081 <3082 [Tz. 45]>). Zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, müssen Beschwerdeführer daher aus Gründen der Subsidiarität eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf nur dann ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.

29

Das Subsidiaritätsgebot greift danach in den hier in Rede stehenden Fällen insbesondere dann, wenn auf der Hand liegt, dass mit dem Beschwerdevorbringen der Sache nach ein Gehörsverstoß gerügt wird, die Beschwerdeführer aber ersichtlich mit Rücksicht darauf, dass kein Anhörungsrügeverfahren durchgeführt wurde, ausschließlich die Verletzung eines anderen Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts geltend machen, das durch ein solches Vorgehen des Gerichts gleichfalls verletzt sein kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris).

30

Die Möglichkeit, über eine erfolgreiche Anhörungsrüge die Beseitigung anderweitiger Grundrechtsverletzungen zu erreichen, besteht im Übrigen von vornherein nur in dem Umfang, als diese denselben Streitgegenstand betreffen wie die geltend gemachte Gehörsverletzung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, juris Rn. 10). Nur insoweit kann aus dem Subsidiaritätsgrundsatz die Obliegenheit der Erhebung einer Anhörungsrüge auch für den Fall abgeleitet werden, dass mit der Verfassungsbeschwerde kein Gehörsverstoß gerügt wird.

31

bb) Gemessen hieran verletzt es nicht den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die Beschwerdeführer es unterlassen haben, eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung der Zulassung der Berufung zu erheben.

32

Soweit die Beschwerdeführer beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht auf die von ihnen gerügte Beeinträchtigung des FFH-Gebiets gar nicht eingegangen sei und auch den Einwand unberücksichtigt gelassen habe, dass nach langem Vorlauf im Planungsverfahren unvermittelt eine Planänderung stattgefunden habe, ist schon zweifelhaft, ob dieser Vortrag, selbst wenn er in der Sache zuträfe, überhaupt geeignet ist, eine Gehörsverletzung zu begründen. Wird bestimmter Vortrag in einer gerichtlichen Entscheidung nicht erwähnt, lässt dies nämlich nur unter besonderen Umständen den Rückschluss auf die Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens zu (vgl. BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Das hier in Frage stehende, für die Geltendmachung einer Gehörsverletzung eher unspezifische Vorbringen der Beschwerdeführer ist zudem eindeutig und sinnvoll in die Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingebunden, die sich gegen die Verneinung des Berufungszulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache richtet. Es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführer damit lediglich eine Versäumung der Anhörungsrüge umgehen wollten. Sie müssen sich daher nicht entgegenhalten lassen, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge nahe gelegen hätte und zu erwarten gewesen wäre, dass ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter eine Anhörungsrüge erhoben hätte.

33

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

34

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

35

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

36

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies ist den Beschwerdeführern gelungen. Sie haben aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht in einem für ihr Grundeigentum und damit für die Entscheidung wesentlichen Punkt von falschen Annahmen über die Festsetzungen im Planfeststellungsbeschluss ausgegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

37

Das Urteil des Verwaltungsgerichts geht von der Annahme aus, das im Eigentum der Beschwerdeführer stehende Flurstück Y werde durch die mit dem Planfeststellungsbeschluss zugelassene Maßnahme nicht auf Dauer beeinträchtigt; vielmehr werde lediglich während der Bauzeit ein Streifen dieses Flurstücks in Anspruch genommen.

38

Die Beschwerdeführer haben in der Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits im Änderungsantrag vom 7. Juli 2008 ausdrücklich von der Notwendigkeit der dauerhaften Inanspruchnahme von 3.100 qm des Flurstücks Y die Rede sei. Dementsprechend sei auch die Festsetzung im Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Der Planfeststellungsbeschluss enthalte keine gerechte Abwägung ihrer Belange.

39

Das Oberverwaltungsgericht hat erkannt, dass das Verwaltungsgericht "offensichtlich irrig" von einer nur vorübergehenden Inanspruchnahme des Flurstücks Y nur für die Dauer der Bauzeit im Umfang eines Arbeitsstreifens ausgegangen ist. Dennoch hat es sich nicht dazu veranlasst gesehen, die Berufung aufgrund einer unzutreffenden Annahme der tatsächlichen Betroffenheit der Beschwerdeführer zuzulassen. Es hat vielmehr im Berufungszulassungsverfahren eine eigene Prüfung der fachplanerischen Abwägungsentscheidung vorgenommen und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig befunden. Damit hat es in verfassungswidriger Weise Teile der dem Berufungsverfahren vorbehaltenen Sachprüfung in das Berufungszulassungsverfahren vorverlagert.

40

Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere entscheidungstragende Gründe abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

41

Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kontrolle der fachplanerischen Abwägungsentscheidung in einem für die Beschwerdeführer entscheidenden Punkt durch eine eigene Kontrolle ersetzt. Ob das Deichbauvorhaben die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer gemessen an den damit verfolgten Zielen und den in Frage kommenden Vorhabenalternativen - hier insbesondere der von den Beschwerdeführern statt des Deichneubaus verlangten Ertüchtigung der Hochwasserschutzwand - unverhältnismäßig beeinträchtigt, hängt unter anderem maßgeblich von der mit den festgestellten Maßnahmen einhergehenden Eigentumsbelastung für die Beschwerdeführer ab. Dass es insofern für die Abwägungsentscheidung von erheblichem Gewicht ist, ob das Flurstück Y nur vorübergehend während der Bauzeit als Arbeitsstreifen oder dauerhaft in dem doch beträchtlichen Umfang von 3.100 qm in Anspruch genommen wird, liegt auf der Hand. Es war dem Oberverwaltungsgericht bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren, das insbesondere mangels eines förmlichen Beweisaufnahmeverfahrens den Beteiligten von vornherein weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tatsachenfeststellung einräumt als das Hauptsacheverfahren, diese Frage der Abgewogenheit des Planfeststellungsbeschlusses abweichend vom Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.

42

Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesem Verfassungsverstoß. Ob die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts darüber hinaus auch Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, kann dahinstehen.

II.

43

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Planfeststellungsbeschluss des beklagten Landesbetriebs wendet, bedarf es keiner Entscheidung. Durch die Aufhebung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet und dadurch eine erneute fachgerichtliche Aufarbeitung des Ausgangsfalls möglich (vgl. BVerfGE 129, 1 <37>).

C.

44

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

45

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Gründe

I.

1

Der Kläger zu 2 wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Verwertung von nicht gefährlichen Abfällen (Altreifen) durch Pyrolyse mit einem Abfalleinsatz von maximal 3 t/h und kontinuierlichem 24-Stunden-Betrieb. Sein Wohngrundstück befindet sich ca. 850 m südöstlich des Vorhabengrundstücks.

2

Nach der dem Antrag beigefügten Vorhabensbeschreibung wird in der Anlage Altreifengranulat mit geringen Restmengen an Federstahl in zwei baugleichen, nur durch die Art der Beheizung sich unterscheidenden Pyrolyselinien unter Ausschluss von Luft in abgestuften thermischen Behandlungsschritten zersetzt. Am Ende der Behandlungszonen wird das freigesetzte Pyrolysegas jeweils abgezogen und durch einen Kondensator geleitet, wo die dampfförmigen organischen Komponenten des Pyrolysegases verflüssigt und als Pyrolyseöl ausgetragen werden, das in Lagertanks gepumpt wird. Das von den kondensierbaren Bestandteilen befreite Pyrolysegas wird in einer Nachverbrennungskammer bei Temperaturen oberhalb 850°C bis 1.100°C oxidiert und passiert eine Rauchgasbehandlungsstrecke, ehe es über einen 15 m hohen Schornstein in die Atmosphäre abgeleitet wird. Das Gas dient als Brennstoff für den endothermen Pyrolyseprozess. Die mehrstufige Rauchgasreinigung der verbrannten Pyrolysegase erfolgt durch SNCR (Selective Non Catalytic Reduction) im Temperaturbereich von 900°C bis 1.000°C und anschließendem sog. Flugstromverfahren unter Verwendung von Kalk/Herdkoks-Mischungen mit nachgeschaltetem Gewebefilter. Am Austritt der Pyrolysevorrichtung verbleibt eine Pyrolysekoksfraktion als Feststoff, die vornehmlich aus Ruß (Carbon Black) besteht und zur Erzeugung von Carbon-Rohstoffen unter Abtrennung der Eisenmetalle weiterverarbeitet wird. Zur Zwischenlagerung werden die Carbon-Fertigerzeugnisse über ein geschlossenes System pneumatisch in im Außenbereich aufgestellte Silos gefördert, von dort in Silofahrzeuge befüllt und von diesen abtransportiert.

3

Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 22.12.2009 enthält u.a. die Nebenbestimmungen (Nr. 3.1.2.2), dass die Temperatur der Verbrennungsgase bei der Verbrennung von Abfällen nach der letzten Verbrennungsluftzufuhr mindestens 850°C (Mindesttemperatur) betragen muss, und (Nr. 3.1.3.1), dass an der Emissionsquelle 01 (Abluft Pyrolyse) die Verbrennungsanlage einschließlich der nachgeschalteten Abgasreinigung so zu betreiben ist, dass gemäß den §§ 4 und 5 der 17. BImSchV im gereinigten Abgas der Emissionsquelle 01 die in § 5 der 17. BImSchV im Einzelnen genannten Grenzwerte nicht überschritten werden. Unter Nr. 3.1.4 sind Nebenbestimmungen zur Messung und Überwachung aufgenommen. So ist nach der Nebenbestimmung Nr. 3.1.4.1 zur messtechnischen Überprüfung der in der Nr. 3.1.3.1 angegebenen Emissionsgrenzwerte vor Errichtung der Abgasanlage im Einvernehmen mit einem Sachverständigen im Sinne der §§ 26, 28 BImSchG ein Messplatz und im Abgaskanal eine Probenahmestelle festzulegen. In der Nebenbestimmung Nr. 3.1.4.9 wird angeordnet, dass durch Messung einer nach § 26 BImSchG bekannt gegebenen Stelle der Nachweis zu erbringen ist, dass die unter Nr. 3.1.3.1 Pkt. 3 und 4 festgelegten Emissionsgrenzwerte (u.a. für Benzo(a)pyren sowie für die im Anhang I der 17. BImSchV genannten Dioxine und Furane) nicht überschritten werden. Die Messungen sind nach der Nebenbestimmung Nr. 3.1.4.10 im Zeitraum von zwölf Monaten nach Inbetriebnahme der Anlage alle zwei Monate mindestens an einem Tag und anschließend wiederkehrend spätestens alle zwölf Monate mindestens an drei Tagen durchzuführen. Die Messung soll durchgeführt werden, wenn die Anlage mit der höchsten Leistung betrieben wird, für die sie bei den während der Messung verwendeten Abfällen für den Dauerbetrieb zugelassen wurde.

4

Die von den Klägern erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung u.a. Folgendes ausgeführt:

5

Die Genehmigung verstoße nicht gegen die drittschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Die in der Genehmigung festgesetzten Emissionswerte der 17. BImSchV gewährleisteten als Vorsorgewerte ein hohes Schutzniveau für die Allgemeinheit; daher sei davon auszugehen, dass zugleich und „erst recht“ dem Schutzgebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG genüge getan werde. Diese Emissionsgrenzwerte könnten auch faktisch eingehalten werden. Die Gesamtheit der technischen Maßnahmen rechtfertige diese Prognose, und zwar auch hinsichtlich Benzo(a)pyren als Leitkomponente für PAK (polycyclische aromatisierte Kohlenwasserstoffe) und der in Anhang I der 17. BImSchV genannten Dioxine und Furane. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass bereits durch den ersten Behandlungsschritt (Kondensation) diese Stoffe größtenteils aus dem Pyrolysegasstrom entfernt und im Pyrolyseöl gebunden würden. Zudem würden Dioxine und Furane nach dem Vorbringen der Beigeladenen und Beiträgen in der Fachliteratur bei den im Pyrolysereaktor vorhandenen Sauerstoffmangelbedingungen zumindest bei Temperaturen bis 400°C bereits nicht gebildet. Ferner sei in Rechnung zu stellen, dass in einem zweiten Behandlungsschritt der – bereits größtenteils von PAK sowie Dioxinen und Furanen befreite – Pyrolysegasstrom in einer Nachverbrennungsvorrichtung in einem Temperaturbereich deutlich oberhalb von 850°C bis 1.100°C verbrannt und dabei die im Pyrolysegas noch vorhandenen Reste dieser Stoffe weitestgehend zerstört würden. Bei einer Vielzahl von Müllheizkraftwerken würden die Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV eingehalten. Darüber hinaus sei die Nachverbrennung nach den Antragsunterlagen so ausgelegt, dass die Anlage mit einer Betriebstemperatur von (sogar) 1.300°C gefahren werden könne. Soweit Frau Dr. S. in einer von ihr abgegebenen Stellungnahme eine Verbrennungstemperatur von 1.200°C für erforderlich gehalten habe, weil PAK unter pyrolytischen Bedingungen wie bei jedem Brand entstünden, führe dies schon deshalb nicht weiter, weil die Nachverbrennung der Pyrolysegase gerade nicht unter pyrolytischen Bedingungen (Sauerstoffmangel) stattfinde, sondern unter Zuführung von Sauerstoff (Sauerstoffüberschussbedingungen). Zudem würden nach dem Vortrag der Beigeladenen Zonen mit Sauerstoffmangel im Brennraum durch dem Stand der Technik entsprechende konstruktive, betriebstechnische und regelungstechnische Vorkehrungen vermieden. Auch hinsichtlich der Dioxine und Furane seien die in der Nachverbrennung vorgesehenen Temperaturen ausreichend. Durch die im Anschluss an die Nachverbrennung und Entwicklungsstufe vorgesehene schnelle Abkühlung des Gasstroms mittels zweier Wärmetauscher werde zudem dem Entstehen von Dioxinen und Furanen durch die De-Novo-Synthese bei Abkühlung der Verbrennungsgase entgegengewirkt. Durch das nachfolgende Flugstromverfahren und die nachgeschalteten Gewebefilter werde außerdem eine Abscheidung der Dioxine und Furane, der unverbrannten Kohlenwasserstoffe sowie der sauren Schadstoffe, der Stäube und der Schwermetallverbindungen gewährleistet. Der Einsatz von Adsorptionsmitteln und Gewebefiltern zur Abscheidung von PCDD/F, Schwermetallen, Stäuben und sauren Schadstoffen gehöre (nach verschiedenen Quellen im Internet) zu den „besten verfügbaren Techniken“ und werde in der Literatur insbesondere auch als in Müllverbrennungsanlagen bewährtes Verfahren zur Entfernung von Dioxinen und Schwermetallen aus dem Rauchgas beschrieben. Die an der Versuchsanlage der Beigeladenen durchgeführten Messungen hätten zudem ergeben, dass – anders als in Müllverbrennungsanlagen – die Emissionsgrenzwerte bezüglich fast aller Schadstoffe bereits im unbehandelten Rohgas eingehalten würden.

6

Es lägen auch keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigten, schädliche Umwelteinwirkungen durch das Vorhaben der Beigeladenen zu befürchten, obgleich die Emissionswerte des § 5 der 17. BImSchV eingehalten würden. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass nach der Immissionsprognose der öko-control GmbH vom 02.07.2008 die durch die Anlage der Beigeladenen hervorgerufene Zusatzbelastung an den ausgewählten Immissionsorten die in der TA Luft vorgesehene Irrelevanzschwelle nicht überschreite.

7

Die 12. BImSchV (Störfallverordnung) sei auf die Anlage der Beigeladenen nicht anwendbar.

II.

8

Der Antrag des Klägers zu 2 auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 –, NVwZ-RR 2011, 546, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

10

1.1. Ohne Erfolg rügt der Kläger zu 2, die 17. BImSchV könne auf das Verfahren der Beigeladenen nicht angewendet werden, weil eine pyrolytische Zersetzung von Altreifengranulat unter völligem Luftabschluss stattfinde.

11

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 der Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-ImmissionsschutzgesetzesVerordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 14.08.2003 (BGBl I S. 1614) – 17. BImSchV – gilt diese Verordnung insbesondere für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen, in denen feste, flüssige oder in Behältern gefasste gasförmige Abfälle oder feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die bei der Pyrolyse oder Vergasung von Abfällen entstehen, eingesetzt werden, soweit sie nach § 4 BImSchG in Verbindung mit der genannten Verordnung genehmigungsbedürftig sind.

12

a) Die von der Beigeladenen geplante Anlage ist zwar keine Verbrennungsanlage im Sinne von § 2 Nr. 6 der 17. BImSchV. Danach sind Verbrennungsanlagen Anlagen, die dazu bestimmt sind, thermische Verfahren zur Behandlung von Abfällen oder Stoffen nach § 1 Abs. 1 zu verwenden. Diese Verfahren umfassen die Verbrennung durch Oxidation dieser Stoffe und andere vergleichbare thermische Verfahren wie Pyrolyse, Vergasung oder Plasmaverfahren, soweit die bei den vorgenannten thermischen Verfahren aus Abfällen entstehenden festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe verbrannt werden. Verbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 6 der 17. BImSchV sind allerdings nur solche Anlagen, deren Hauptzweck darin besteht, die Substanz des Einsatzstoffs gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung bzw. dessen brennbare Bestandteile mittels Verbrennung durch Oxidation oder einer Kombination aus thermischen Verfahren und anschließender Verbrennung möglichst vollständig zu zerstören; eine Einheit, in der Abfälle thermisch behandelt werden, kann nur dann als „Verbrennungsanlage" eingestuft werden, wenn die beim Einsatz dieses thermischen Verfahrens entstehenden Stoffe anschließend verbrannt werden; dabei sind insbesondere die Menge der von der betreffenden Anlage erzeugten Energie oder produzierten stofflichen Erzeugnisse im Vergleich zur Menge der in dieser Anlage verbrannten Abfälle sowie die Gesichtspunkte der Stabilität oder der Kontinuität dieser Produktion zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2012 – 7 C 17.11 – NVwZ 2013, 437, RdNr. 17 ff.).

13

Nach der Vorhabensbeschreibung der Beigeladenen werden in der geplanten Anlage bei einer Einsatzstoffmenge von 360 t Altreifengranulat 120 t Carbon Black, 180 t Pyrolyseöle sowie 10 t Fe-Metalle gewonnen, die einer Weiterverwendung außerhalb der Anlage zugeführt werden sollen. Prozentual beträgt der Anteil von Carbon Black 42 %, der Anteil von Pyrolyseölen 44 %, der Anteil von Stahl 7 % und der Anteil von Pyrolysegas, das als Brennstoff für die Beheizung einer der beiden Pyrolyselinien dient, 7 %. Damit liegt der Hauptzweck der Anlage in der Erzeugung neuer Stoffe und nicht in der möglichst vollständigen Beseitigung der Einsatzstoffe.

14

b) Die Anlage der Beigeladenen unterfällt aber als Mitverbrennungsanlage im Sinne von § 2 Nr. 7 der 17. BImSchV dem Anwendungsbereich der Verordnung.

15

Danach sind Mitverbrennungsanlagen Anlagen, deren Hauptzweck in der Energiebereitstellung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und

16

- in denen Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 als regelmäßiger oder zusätzlicher Brennstoff verwendet werden oder

17

- in denen Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt werden.

18

Falls die Mitverbrennung in solch einer Weise erfolgt, dass der Hauptzweck der Anlage nicht in der Energiebereitstellung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse, sondern in der thermischen Behandlung von Abfällen besteht, gilt die Anlage als Verbrennungsanlage im Sinne der Nummer 6. Diese Begriffsbestimmung erstreckt sich auf die gesamte Mitverbrennungsanlage einschließlich aller Mitverbrennungslinien, die Annahme und Lagerung der Abfälle und Stoffe nach § 1 Abs. 1, die auf dem Gelände befindlichen Vorbehandlungsanlagen, das Zufuhrsystem für Abfälle und Stoffe nach § 1 Abs. 1, Brennstoffe und Luft, den Kessel, die Abgasbehandlungsanlagen, die auf dem Gelände befindlichen Anlagen zur Behandlung und Lagerung von bei der Mitverbrennung entstehenden Abfällen und Abwasser, den Schornstein, die Vorrichtungen und Systeme zur Kontrolle der Verbrennungsvorgänge, zur Aufzeichnung und Überwachung der Verbrennungsbedingungen.

19

Eine solche Anlage ist Gegenstand der angefochtenen Genehmigung. Der Hauptzweck der Anlage liegt – wie oben dargelegt – in der Produktion stofflicher Erzeugnisse (Carbon Black, Pyrolyseöle und Fe-Metalle). Dazu werden Altreifen als feste Abfälle im Sinne von § 1 Abs. 1 mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt. Mit der Nachverbrennung des Pyrolysegases wird nur ein kleiner Anteil der Einsatzstoffe verbrannt und dadurch zur Beheizung einer Pyrolysevorrichtung energetisch verwertet.

20

c) Damit greift auch nicht die Annahme des Klägers zu 2, die 17. BImSchV gelte nur für Hausmüll.

21

1.2. Der Senat vermag auch nicht dem Einwand des Klägers zu 2 zu folgen, bei Anwendbarkeit der 17. BImSchV halte die streitige Anlage die darin festgelegten Bedingungen nicht ein.

22

1.2.1. Zu Unrecht bemängelt der Kläger zu 2, § 4 Abs. 2 und 3 der 17. BImSchV schreibe für die Anlage eine Mindestverbrennungstemperatur von 1.100°C und nicht – wie in der Genehmigung festgelegt – von lediglich 850° C vor.

23

Da aus den oben dargelegten Gründen eine Mitverbrennungsanlage Gegenstand der Genehmigung ist, finden hier nicht die Absätze 2 und 3, sondern die Absätze 6 und 7 des § 4 der 17. BImSchV Anwendung. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 der 17. BImSchV sind Mitverbrennungsanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die Temperatur der bei der Mitverbrennung entstehenden Verbrennungsgase mindestens 850°C beträgt. Zwar bestimmt der nachfolgende Satz 2, dass bei der Verbrennung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen mit einem Halogengehalt aus halogenorganischen Stoffen von mehr als 1 vom Hundert des Gewichts, berechnet als Chlor, der Betreiber dafür zu sorgen hat, dass eine Mindesttemperatur von 1.100°C eingehalten wird. Es ist aber nicht ersichtlich, dass in der Anlage der Beigeladenen Abfälle dieser Art verbrannt werden.

24

Da der Begriff „besonders überwachungsbedürftige Abfälle“ weder in der 17. BImSchV noch im BImSchG definiert wird, ist auf die abfallrechtliche Begriffsbestimmung zurückzugreifen. Der im BImSchG verwendete Abfallbegriff entspricht dem des Abfallrechts (vgl. Jarras, BImSchG, 10. Aufl., § 2 RdNr. 33; BVerwG, Beschl. v. 14.08.2007 – 7 B 42.07 –, NVwZ 2007, 1314, RdNr. 4 in juris). Für den in der untergesetzlichen Norm (wie hier des § 4 Abs. 6 Satz 2 der 17. BImSchV) verwendeten Begriff der „besonders überwachungsbedürftigen Abfälle“ kann nichts anderes gelten, da der Verordnungsgeber zu dessen abweichender Definition nicht ermächtigt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.08.2007, a.a.O.). Nach § 2 Abs. 1 der auf der Grundlage des § 41 Satz 2 KrW-/AbfG bzw. § 48 S. 2 KrWG erlassenen Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis vom 10.12.2001 (BGBl I S. 3379) – AVV – sind, soweit Abfälle nach anderen Rechtsvorschriften zu bezeichnen sind, die Bezeichnungen nach der Anlage (Abfallverzeichnis) zu dieser Verordnung (Art und sechsstelliger Schlüssel) zu verwenden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AVV sind die mit einem Sternchen (*) versehenen Abfallarten im Abfallverzeichnis der AVV „besonders überwachungsbedürftig“ bzw. „gefährlich“ im Sinne des § 41 KrW-/AbfG bzw. § 48 KrWG. Der von der Beigeladenen verwendete Einsatzstoff „Altreifen“ nach der Abfallschlüsselnummer 16 01 03 der AVV ist dort nicht mit einem Sternchen gekennzeichnet.

25

Eine Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 2 der 17. BImSchV lässt sich auch nicht damit begründen, dass nach der Abfallschlüsselnummer 19 01 17 „Pyrolyseabfälle, die gefährliche Stoffe enthalten“ als gefährliche Abfälle bezeichnet sind. Darunter fallen Pyrolysegase, die in der Anlage selbst weiterbehandelt werden, schon deshalb nicht, weil im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung gasförmige Stoffe, die nicht in Behältern gefasst waren, keine Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG darstellten. Die Vorschrift erfasste nur bewegliche Sachen, worunter nicht gefasste gasförmige Stoffe mangels Abgrenzbarkeit nicht fielen (vgl. Breuer, in: Jarras / Petersen / Weidemann, KrW-/AbfG § 3 RdNr. 29). Zudem bestimmte § 2 Abs. 2 Nr. 5 KrW-/AbfG, dass die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für nicht in Behälter gefasste gasförmige Stoffe gilt. Daraus ergab sich, dass das KrW-/AbfG nicht nur auf frei in der Umwelt zirkulierende Gase, sondern auch auf die in Rohrleitungen gefassten gasförmigen Stoffe keine Anwendung fand. Auch der EuGH hatte in seinem Urteil vom 04.12.2008 (Rs. C-317/07 Lahti Energia Oynoch) noch klargestellt, dass der Begriff „Abfall“ in Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2000/76/EG über die Verbrennung von Abfällen keine gasförmigen Stoffe erfasst. Erst mit der Novelle des KrWG vom 24.02.2012, das am 01.06.2012 in Kraft trat und mit der die Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG) umgesetzt wurde, ist nach dessen § 3 Abs. 1 für die Bestimmung des Abfallbegriffs nicht mehr die Eigenschaft als bewegliche Sache maßgeblich, so dass nunmehr auch Abgase Abfälle sein können (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. § 2 BImSchG RdNr. 33). Allerdings bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 8 KrWG weiterhin, dass die Vorschriften dieses Gesetzes nicht gelten für gasförmige Stoffe, die nicht in Behältern gefasst sind. Ferner bestimmt § 2 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG, dass die Vorschriften dieses Gesetzes über Abfälle nicht für Luftverunreinigungen gelten. Diese Vorschrift gilt für alle Regelungen des BImSchG, die auf Abfälle anwendbar sind (Jarras, a.a.O.).

26

Im Übrigen kann für die Frage, ob Satz 1 oder 2 des § 4 Abs. 6 der 17. BImSchV anzuwenden ist, auch deshalb nicht auf das Pyrolysegas als „besonders überwachungsbedürftiger“ Abfall abgestellt werden, weil maßgeblicher Ansatzpunkt für die Betrachtung der Einsatzstoff ist, vorliegend also das Altreifengranulat. Das folgt schon daraus, dass Mitverbrennungsanlagen eine besondere Form der Verbrennungsanlagen sind (EuGH, Urt. v. 11.09.2008 – Rs. C-251/07 Gävle Kraftvärme AB ./. Länsstyrelsen i Gävleborgs län –, Slg. 2008 I, 7047, RdNr. 37) und eine Aufspaltung des Verfahrens in die (thermische) Behandlung der Einsatzstoffe einerseits und die Behandlung der dabei entstehenden Schadstoffe andererseits daher ausscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O., RdNr. 26).

27

1.2.2. Zu Unrecht moniert der Kläger zu 2, die vorherige Gewinnung von Pyrolyseöl füge sich nicht in den in § 4 der 17. BImSchV vorgesehenen Ablauf ein. Der Umstand, dass ein Großteil der bei der Pyrolyse entstehenden Gase nicht verbrannt, sondern daraus durch Kondensation Pyrolyseöl gewonnen wird, steht der Anwendbarkeit der 17. BImSchV nicht entgegen. Für die Einstufung einer Anlage als Mitverbrennungsanlage im Sinne von § 2 Nr. 7 der 17. BImSchV genügt es, wenn nur ein Teil des Pyrolysegases verbrannt wird und dadurch Emissionen entstehen. § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV setzt für die Anwendbarkeit lediglich voraus, dass in der (Mit-) Verbrennungsanlage feste, flüssige oder in Behältern gefasste gasförmige Abfälle oder feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die bei der Pyrolyse oder Vergasung von Abfällen entstehen, eingesetzt werden. Die 17. BImSchV und die ihr zugrunde liegende Richtlinie 2000/76/EG zielen darauf ab, Umweltbelastungen und Gesundheitsgefahren durch die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen zu vermeiden oder – soweit praktikabel – zu begrenzen, und legen zu diesem Zweck strenge Betriebsbedingungen, technische Anforderungen und Emissionsgrenzwerte fest, um das besondere Gefahrenpotential bei der Verbrennung von Abfällen zu bewältigen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O., RdNr. 22). Ein besonderes, mit dem Regelwerk und dem Instrumentarium der TA Luft nicht ausreichend beherrschbares Gefahrenpotential in diesem Sinne hat der Verordnungsgeber im Wege typisierender Betrachtung bei solchen Anlagen angenommen, in denen Abfälle oder Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 der 17. BImSchV entweder mittels Verbrennung durch Oxidation beseitigt oder energetisch verwertet werden oder einem Verfahren unterzogen werden, das mit einem vergleichbaren Gefahrenpotential für Umwelt und Gesundheit verbunden ist; die Emissionsrelevanz der thermischen Verfahren Pyrolyse, Vergasung und Plasmaverfahren hat der Verordnungsgeber dagegen als zu gering erachtet, um solche Anlagen ebenfalls dem Anwendungsbereich der 17. BImSchV zu unterwerfen (BVerwG, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O., RdNr. 22). Auch bezüglich des in der geplanten Anlage stattfindenden Zwischenschritts der Kondensation von Anteilen des Pyrolysegases zu Pyrolyseöl ist eine Emissionsrelevanz für die Nachbarschaft nicht erkennbar, insbesondere wenn das Pyrolyseöl – wie im angefochtenen Bescheid (vgl. die Nebenbestimmung Nr. 5.11.1) geschehen – zunächst als gefährlicher Abfall eingestuft und nur nach vorheriger Beprobung und Untersuchung – zur stofflichen Aufbereitung freigegeben wird.

28

Für die Befürchtung des Klägers zu 2, die Pyrolyseöle würden (unkontrolliert) bei niedrigeren Temperaturen als 1.100°C – auch als Heizöl bei Dritten – verbrannt, bestehen keine greifbaren Anhalthaltspunkte. Nach dem Betriebskonzept der Beigeladenen sollen die Pyrolyseöle vielmehr in einen Tank gepumpt werden. Die Pyrolyseölerzeugnisse werden nach der Vorhabensbeschreibung (vgl. Kapitel 7 - Angaben zum Arbeitsschutz, S. 7) nicht an private Endverbraucher abgegeben, sondern sind für die Verwendung als Brennstoff in feststehenden thermischen Verbrennungseinrichtungen (z.B. Zementdrehrohrofen) vorgesehen. Eine Verbrennung der Pyrolyseöle in der Anlage der Beigeladenen ist nicht vorgesehen. In der abfallrechtlichen Nebenbestimmung Nr. 5.11.1 des Genehmigungsbescheides werden zudem Anforderungen zur stofflichen oder energetischen Verwertung u.a. der Pyrolyseöle gestellt. So wird darin u.a. festgelegt, dass Pyrolyseöle, welche mehr als 20 mg PCB/kg oder mehr als 2 g Gesamthalogen/kg aufweisen und die sonstigen Anforderungen nach § 3 AltölV nicht erfüllen, nicht der Aufbereitung zugeführt werden dürfen.

29

1.2.3. Nicht stichhaltig ist der weitere Einwand des Klägers zu 2, die Herstellung des hoch krebserzeugenden Pyrolyseöls müsse vor ihrer Aufnahme nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/195EG und 2000/21/EG und der Kommission (sog. REACH-Verordnung) registriert werden. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist nicht ersichtlich, inwieweit bei einer Nichtbeachtung dieser Verpflichtung der Kläger zu 2 dadurch in eigenen Rechten verletzt wäre oder inwieweit diese Vorschriften die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisieren.

30

1.2.4. Der Kläger zu 2 ist ferner der Ansicht, die eingesetzten Filter und das Flugstromverfahren seien nicht geeignet, die krebserzeugenden Schadstoffe, insbesondere die PAK, zu entfernen. Nach der eingeholten Stellungnahme von Frau Dr. S. würden PAK oberhalb von 900°C bei Sauerstoffüberschuss zwar einerseits verbrannt, könnten sich aber andererseits bei 900°C noch bilden. Zudem habe sich experimentell herausgestellt, dass Dioxine und Furane oberhalb von 600°C zwar zerstört würden, sich aber zugleich durch Rekombination der entstehenden Bruchstücke wieder bildeten. Deshalb habe der Gesetzgeber die hohen Verbrennungstemperaturen von 1.100°C festgelegt. Eine hinreichende Sicherheit bestehe erst ab 1.200°C. Auch dies vermag nicht zu überzeugen.

31

Die 17. BImSchV konkretisiert mit ihren baulichen und betrieblichen Anforderungen an die Anlage sowie mit der Festlegung der Emissionsgrenzwerte insoweit die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG abschließend; im Kontext des § 7 Abs. 1 BImSchG ist der Begriff Emissionswert so zu verstehen, dass diese Werte unmittelbar geltende Grenze der zulässigen Emissionen und damit unmittelbar geltendes Recht sein sollen (BVerwG, Urt. v. 26.04.2007 – 7 C 15.06 –, NVwZ 2007, 1086, RdNr. 15 in juris). Der Verordnungsgeber ist davon ausgegangen, dass bei Einhaltung der Anforderungen des § 4 der 17. BImSchV an die Feuerung von (Mit-)Verbrennungsanlagen, insbesondere der angegebenen Mindesttemperaturen und -verweilzeiten der Verbrennungsgase, die Grenzwerte der 17. BImSchV eingehalten werden können. Er fordert nicht, dass die (krebserzeugenden) Schadstoffe bei der Verbrennung zu 100% zerstört werden, sondern lässt es damit bewenden, zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch solche Stoffe Grenzwerte festzulegen. Er ist ferner davon ausgegangen, dass diese Grenzwerte bei Einhaltung einer Temperatur der Verbrennungsgase von mindestens 850°C erreicht werden können, wenn nicht besonders überwachungsbedürftige bzw. gefährliche Abfälle mit einem Halogengehalt aus halogenorganischen Stoffen von mehr als 1 vom Hundert des Gewichts verbrannt werden. Die an Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.12.2000 über die Verbrennung von Abfällen (ABl. L 332, S. 91) angepassten Regelungen des § 4 Abs. 2 und 6 der 17. BImSchV unterscheiden sich damit maßgeblich von den Bestimmungen der bis zum 31.03.1999 geltenden ursprünglichen Fassung vom 23.11.1990 (BGBl I S. 2545 [2832]). Diese sahen noch vor, dass die Temperatur der Gase, die bei der Verbrennung von Hausmüll oder hinsichtlich ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung ähnlicher Einsatzstoffe, von Klärschlamm, krankenhausspezifischen Abfällen oder Einsatzstoffen, die keine Halogen-Kohlenwasserstoffe enthalten, entstehen, nach der letzten Verbrennungsluftzuführung mindestens 850°C (Mindesttemperatur) betragen muss, während bei der Verbrennung von anderen Einsatzstoffen die Mindesttemperatur 1.200° C betragen muss.

32

Um die tatsächliche Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen, sind in § 4 Abs. 6 Sätze 3 bis 7 der 17. BImSchV weitere Betreiberpflichten vorgesehen. So hat eine Messung zu erfolgen, die an einer nach näherer Bestimmung durch die zuständige Behörde in der Genehmigung festgelegten repräsentativen Stelle des Brennraums oder Nachverbrennungsraums erfolgen muss. Die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der repräsentativen Stelle erfolgt mit Zustimmung der zuständigen Behörde im Rahmen der Inbetriebnahme der Anlage. Die Einhaltung der festgelegten Mindesttemperatur und der Mindestverweilzeit ist zumindest einmal bei Inbetriebnahme der Anlage durch Messungen oder durch ein von der zuständigen Behörde anerkanntes Gutachten nachzuweisen. Die Mitverbrennungsanlagen sind so zu betreiben, dass eine möglichst vollständige Verbrennung von Abfällen und Stoffen nach § 1 Abs. 1 erreicht wird. Der Beklagte hat in der Nebenbestimmung Nr. 3.1.4 näher konkretisiert, wie und in welchen Intervallen die Messung und Überwachung zu erfolgen hat. So regeln die Nebenbestimmungen Nr. 3.1.4.9 und 3.1.4.10, dass durch Messung einer nach § 26 BImSchG bekannt gegebenen Stelle der Nachweis zu erbringen ist, dass die unter Nr. 3.1.3.1 Pkt. 3 und 4 festgelegten Emissionsgrenzwerte (u.a. für Benzo(a)pyren sowie für die im Anhang I der 17. BImSchV genannten Dioxine und Furane) nicht überschritten werden, und die Messungen im Zeitraum von zwölf Monaten nach Inbetriebnahme der Anlage alle zwei Monate mindestens an einem Tag und anschließend wiederkehrend spätestens alle zwölf Monate mindestens an drei Tagen durchzuführen sind. Das Immissionsschutzrecht begrenzt die schädlichen Umwelteinwirkungen vorrangig durch die Pflichten des Betreibers zur Einhaltung von Grenzwerten und zum Einsatz von dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Bei Erfüllung seiner Pflichten steht es dem Betreiber frei, welches Rauchgasreinigungsverfahren in seiner Anlage eingesetzt wird (BVerwG, Beschl. v. 09.04.2008 – 7 B 2.08 –, NVwZ 2008, 789 [790], RdNr. 7 in juris; Urt. v. 29.09.2011 – 7 C 21.09 –, NVwZ 2012, 176 [180], RdNr. 47). Der Anlagenbetrieb wäre einzustellen oder zu ändern, wenn es zu unzulässigen Überschreitungen der vorgegebenen Grenzwerte kommen sollte.

33

1.2.5. Vor diesem Hintergrund kann die Einschätzung des Beklagten, dass die Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV eingehalten werden können, nicht mit dem Hinweis darauf in Frage gestellt werden, dass die Messergebnisse aus einer Labor- und Technikumsanlage für die hier streitige Anlage nicht genügend Aussagekraft besäßen. Wie bereits die Vorinstanz ausgeführt hat, kommt es allein darauf an, ob die Prognose, die Anlage werde im bestimmungsgemäßen Betrieb die festgelegten Grenzwerte einhalten, vertretbar ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 – 7 C 19.02 –, BVerwGE 119, 329 [337], RdNr. 19 in juris).

34

1.2.6. Soweit der Kläger zu 2 einwendet, es stelle sich die Frage, was mit im Filter gebliebenen Dioxinen, Furanen, Schwermetallverbindungen, unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Stäuben und (anderen) Schadstoffen geschehe, ist nicht dargelegt, inwieweit sich daraus schädliche Umwelteinwirkungen für den Kläger zu 2 im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergeben können. Im Übrigen enthält die angefochtene Genehmigung auch hierzu Nebenbestimmungen. In dem in der Nebenbestimmung Nr. 5.5 aufgenommenen Output-Katalog sind u.a. Filterstäube genannt, und in den folgenden Bestimmungen ist festgelegt, wie mit dem Output zu verfahren ist.

35

1.2.7. Nicht zu folgen ist auch der Annahme des Klägers zu 2, eine Abkühlung der Pyrolysegase auf <100°C sei nicht erlaubt, vielmehr sei die in § 4 der 17. BImSchV vorgegebene Verbrennungstemperatur während des gesamten Verbrennungsvorgangs einzuhalten. Zu unterscheiden ist zwischen der Pyrolyse und der Kondensation der bei Pyrolyse entstanden Gase einerseits und der sich daran anschließenden Verbrennung der verbleibenden Pyrolysegase andererseits. Pyrolyse und Kondensation sind nicht Teil des (eigentlichen) Verbrennungsvorgangs. Die Pyrolyse stellt vielmehr ein anderes thermisches Verfahren zur Behandlung von Abfällen als eine Verbrennung durch Oxidation dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O., RdNr. 18). Nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 der 17. BImSchV muss die Mindesttemperatur nur bei der Verbrennung eingehalten werden, und zwar gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 der 17. BImSchV für eine Verweilzeit von mindestens zwei Sekunden.

36

1.3. Zu Unrecht rügt der Kläger zu 2, vor Erteilung der Genehmigung hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müssen.

37

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Nr. 8.1.1.3 der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 23.10.2007 (BGBl I S. 2470) bedurften u.a. Anlagen zur Beseitigung oder Verwertung fester nicht gefährlicher Abfälle durch thermische Verfahren, insbesondere Entgasung, Plasmaverfahren, Pyrolyse, Vergasung, Verbrennung oder eine Kombination dieser Verfahren mit einem Abfalleinsatz – wie hier – von bis zu 3 Tonnen pro Stunde einer allgemeinen Vorprüfung. Gemäß § 3c Satz 1 UVPG ist in diesem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären.

38

Eine solche Vorprüfung führte der Beklagte durch (vgl. Bl. 273 ff. der Beiakte A) und kam zu dem Ergebnis, dass nach überschlägiger Prüfung der mit dem Vorhaben zusammenhängenden Sachverhalte unter dem Blickwinkel der Kriterien der Anlage 2 zum UVPG auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzicht werden könne.

39

Bei der UVP-Vorprüfung muss die Behörde aufgrund summarischer Ermittlungen und Bewertungen eine Prognose anstellen. Angesichts des Gesetzeswortlauts („Einschätzung" der Behörde) und wegen des Prognosecharakters der Vorprüfung besitzt die Behörde auch insoweit einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (Einschätzungsprärogative). Dem trägt die Vorschrift des § 3a Satz 4 UVPG Rechnung, nach der die auf einer Vorprüfung des Einzelfalls beruhende Einschätzung der zuständigen Behörde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf zu überprüfen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Inhaltlich umfasst die richterliche Kontrolle der negativen Feststellung (§ 3a Satz 1 UVPG) nach einer Vorprüfung die Frage, ob die Behörde bei ihrer Einschätzung die in der Anlage 2 zum Gesetz aufgeführten Kriterien berücksichtigt hat (vgl. § 3c Abs. 1 Satz 1) und (aufgrund der ihr obliegenden überschlägigen Prüfung) insgesamt zu einem den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden, nachvollziehbaren und in diesem Sinne vertretbaren Ergebnis gelangt ist (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 – 4 C 16.04 – BVerwGE 127, 208 [228 f.], RdNr. 48 ff.). Nachvollziehbar im Sinne des § 3a Satz 4 UVPG bedeutet, dass das Ergebnis der behördlichen Prognose nach § 12 UVPG durch ein Gericht nicht auf materielle Richtigkeit, sondern lediglich auf Plausibilität zu überprüfen ist; im gerichtlichen Verfahren zu beanstandende Rechtsfehler, welche die Nachvollziehbarkeit ausschließen, liegen lediglich dann vor, wenn die Vorprüfung entweder Ermittlungsfehler aufweist, die so schwer wiegen, dass sie ersichtlich auf das Ergebnis durchschlagen konnten, oder wenn das Ergebnis außerhalb des Rahmens zulässiger Einschätzung liegt (VGH BW, Beschl. v. 25.09.2012 – 10 S 731/12 –, DVBl 2012, 1506, RdNr. 28 in juris, m.w.N.).

40

Gemessen daran kann der Kläger zu 2 die vom Beklagten vorgenommene Prognose bezüglich der Luftschadstoffe, dass durch die Reinigung der Pyrolyserauchgase die Grenzwerte der 17. BImSchV eingehalten werden, nicht mit dem Hinweis darauf in Zweifel ziehen, dass die Emissionslage der geplanten Anlage unklar sei und hohe ökotoxikologische und gesundheitliche Risiken durch die spezifischen und hochkomplexen Schadstoffemissionen der Anlage bestünden.

41

1.4. Ohne Erfolg bleibt auch der Vortrag des Klägers zu 2, es sollte durch einen unabhängigen Sachverständigen (nach § 29a BImSchG) festgestellt werden, ob die Anlage der Beigeladenen der Störfallverordnung (12. BImSchV) unterliege. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, weshalb nach seiner Auffassung der Betrieb der Beigeladenen nicht der 12. BImSchV unterliegt. Mit den ausführlichen Darlegungen hierzu (S. 34 ff. der Urteilsgründe) setzt sich die Zulassungsschrift nicht auseinander.

42

1.5. Zu Unrecht rügt der Kläger zu 2, die Beigeladene sei bisher den Nachweis schuldig geblieben, dass das von ihr angeblich patentierte Verfahren den Anforderungen nach dem Stand der Technik genüge.

43

Mangels Rechtsbetroffenheit kann sich ein Kläger nicht darauf berufen, eine Anlage entspreche entgegen der Vorgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht (mehr) dem Stand der Technik (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.01.2009 – 7 B 47.08 –, Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 27, RdNr. 11 in juris). Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine nachbarschützende Wirkung. Im Übrigen steht es dem Betreiber, auch wenn sich die Anlagentechnik neuen Verfahrensweisen zuneigt, im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG frei, welche Anlagentechnik er zum Einsatz bringt, wenn er durch fortschrittliche Abgasreinigungstechnik dafür Sorge trägt, dass die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte eingehalten werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.01.2009, a.a.O.).

44

1.6. Soweit der Kläger zu 2 nochmals darauf verweist, dass es sich bei den in der Anlage entstehenden Erzeugnissen Carbon Black und Pyrolyseöl um gefährliche Abfälle handele, ist wiederum nicht ersichtlich, inwieweit deshalb die angefochtene Genehmigung dem Schutz des Klägers zu 2 dienende Rechtsvorschriften verletzt.

45

In der Genehmigung sind in den abfallrechtlichen Nebenbestimmungen Nr. 5.4 und 5.5 die Pyrolyseabfälle (nicht spezifikationsgerechter Ruß und Pyrolyseöl) im Outputkatalog als gefährliche Abfälle bezeichnet. In der Nebenbestimmung Nr. 5.11.1 werden Anforderungen zur stofflichen oder energetischen Verwertung des nicht spezifikationsgerechten Rußes und der Pyrolyseöle gestellt. So wird darin u.a. festgelegt, dass Pyrolyseöle, welche mehr als 20 mg PCB/kg oder mehr als 2 g Gesamthalogen/kg aufweisen und die sonstigen Anforderungen nach § 3 AltölV nicht erfüllen, nicht der Aufbereitung zugeführt werden dürfen. Weiter wird darin bestimmt, dass der Betreiber für den Fall, dass nach Erreichen des bestimmungsgemäßen Betriebs eine Einstufung dieses Abfalls als nicht gefährlicher Abfall vorgesehen sein sollte, ein Gutachten von einem akkreditierten Labor vorzulegen ist, welches den Nachweis erbringt, dass der Abfall keine nach § 3 Abs. 2 AVV gefährlichen Eigenschaften enthält. (Erst) nach Bestätigung eines solchen Gutachtens durch die obere Abfallbehörde ist die Entsorgung als nicht gefährlicher Abfall möglich. Sollte die Einstufung von Ruß als Produkt vorgesehen sein, so ist diese Produktanerkennung von dem dafür zuständigen Materialprüfamt schriftlich bei der oberen Abfallbehörde vorzulegen. Nach Prüfung dieser Produktanerkennung durch die obere Abfallbehörde besteht je nach Prüfergebnis die Möglichkeit, den entstehenden Ruß nicht mehr dem Abfallbegriff zuzuordnen.

46

2. Der vom Kläger zu 2 geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Er rügt zu Unrecht, das Verwaltungsgericht habe nicht durch ein Sachverständigengutachten „die Plausibilität der Messergebnisse“ aufgeklärt.

47

Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998 – 6 B 67.98 –, Juris, m.w.N.; Beschl. d. Senats v. 21.02.2007 – 2 L 156/05 –, Juris). Ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt diesen Anforderungen nicht (BVerwG, Beschl. v. 03.07.1998, a. a. O.; Beschl. v. 06.03.1995 – 6 B 81.94 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwG Nr. 265).

48

Der Kläger zu 2 hat nicht dargelegt, hinsichtlich welcher entscheidungserheblichen Tatsachen sich dem Verwaltungsgericht – auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung – eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Seinem Vorbringen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (S. 9 des Begründungsschriftsatzes) dürfte zu entnehmen sein, dass er die Messergebnisse der Versuchsanlage bzw. deren Übertragbarkeit auf die streitgegenständliche Anlage anzweifelt. Es ist bereits zweifelhaft, ob mit der „Plausibilität der Messergebisse“ eine aufzuklärende Tatsache hinreichend bezeichnet ist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Prognose, dass die Grenzwerte der 17. BImSchV, insbesondere was PAK, Dioxine und Furane anbetrifft, auch tatsächlich eingehalten werden können, auf mehrere Gesichtspunkte gestützt. Es hat zum einen darauf verwiesen, dass bereits durch den ersten Behandlungsschritt (Kondensation der bei der Pyrolyse entstandenen Gase) PAK, Dioxine und Furane im Pyrolyseöl nicht gebildet sondern gebunden werden und sich insoweit auf Fachliteratur berufen. Zum anderen hat es sich darauf gestützt, dass jedenfalls im zweiten Behandlungsschritt durch Verbrennung der übrig gebliebenen Pyrolysegase in einem Temperaturbereich von 850°C bis 1.100°C wie bei einer Vielzahl anderer Müllverbrennungsanlagen und ggf. durch Erhöhung der Temperatur bis 1.300° C die Grenzwerte eingehalten werden können. Die Annahme, dass eine Verbrennung der Pyrolysegase zu einer weitgehenden, die Einhaltung der Grenzwerte gewährleistenden Zerstörung dieser Schadstoffe führt, begegnet aus den oben bereits dargelegten Gründen, keinen durchgreifenden Zweifeln. Lediglich ergänzend hat das Verwaltungsgericht auf die an der Versuchsanlage der Beigeladenen durchgeführten Messungen der öko-control GmbH verwiesen, die ergeben hätten, dass die Emissionsgrenzwerte bezüglich fast aller Schadstoffe bereits im unbehandelten Rohgas eingehalten worden seien.

49

3. Der Kläger zu 2 hat auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in ausreichender Weise dargetan.

50

Besondere Schwierigkeiten liegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.12.2006 – 2 L 66/05 –, Juris) vor bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Tatsächlichen besonders bei wirtschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen, wenn der Sachverhalt schwierig zu überschauen oder zu ermitteln ist, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich allerdings auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 124 RdNr. 10). Dem entsprechend müssen komplexe technische Zusammenhänge, um besondere tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache begründen zu können, für die Entscheidung bedeutsam sein. Besondere rechtliche Schwierigkeiten können sich auch dann ergeben, wenn zu einzelnen Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur uneinheitliche Auffassungen bestehen und deshalb eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Rechtsauffassungen nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 [3643], RdNr. 21 in juris). Wie beim Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 21.12.2011 – 4 B 14.11 –, juris, RdNr. 4) enthält hingegen nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift gleichzeitig eine im Berufungsverfahren zu klärende Fragestellung, namentlich dann wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Ob eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist, mag sich häufig schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ergeben; dann genügt der Antragsteller seiner Darlegungslast regelmäßig mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Soweit er die Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, kann gefordert werden, dass er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel macht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 – 1 BvR 830/00 –, DVBl 2000, 1458 [1459], RdNr. 17 in juris).

51

Gemessen daran genügt der Kläger zu 2 den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht. Zur Begründung tatsächlicher Schwierigkeiten verweist er lediglich darauf, dass der Sachverhalt vor allem in technischer Hinsicht höchst vielschichtig sei. Inwieweit es auf technische Einzelheiten der Anlage entscheidungserheblich ankommt, legt er indes nicht dar. Er benennt auch nicht, wo besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen sollen. Im Übrigen lassen sich die vom Kläger zu 2 beim Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfenen Fragen, insbesondere was die Anwendung der 17. BImSchV anbetrifft, ohne besondere Schwierigkeiten anhand des Wortlauts der Vorschriften unter Zuhilfenahme der bereits vorliegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.

52

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 –, BauR 2012, 756) sind die Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn, unabhängig davon, ob er einen Antrag gestellt hat, in der Regel für erstattungsfähig zu erklären.

53

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.2, 2.2.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).

54

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 14. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt ihre Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage durch Gerichtsbescheid vom 14. August 2009 abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit sie denn nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt sind, liegen nicht vor.

3

Dies gilt zunächst für die ausdrücklich bezeichneten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

4

Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angefochtenen Entscheidung orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats v. 31.07.2009 - 2 L 111/09 -, m.w.N.).

5

Die Zulassungsbegründung lässt in diesem Sinne schon keine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erkennen. Dabei wird deutlich, dass die Rechtsmittelführerin der Auffassung ist, sie könne für ihr Begehren § 6 Abs. 3 RGebStV als Anspruchsgrundlage heranziehen. Die Zulassungsbegründung lässt jedoch Ausführungen dazu vermissen, weshalb die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2008 (Az. 6 B 1/08 -, zit. nach juris) ernstlichen Zweifeln begegnen soll. Eine rechtliche Durchdringung der - zutreffenden - Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 3 RGebStV komme so lange nicht in Betracht, wie der Rundfunkteilnehmer nicht seine Obliegenheit nach § 6 Abs. 2 RGebStV erfüllt, Sozialleistungen zu beantragen und nachzuweisen, findet nicht statt.

6

Der der Zulassungsbegründung zu entnehmende gedankliche Ansatz, mit Rücksicht auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe handele es sich für die Klägerin um eine "Überraschungsentscheidung", könnte allenfalls unter den von der Rechtsmittelführerin nicht ausdrücklich benannten Berufungszulassungsgrund § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO subsumiert werden. Der Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs ist jedoch in dem hier zugrunde liegenden Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid ausgeschlossen. Das dem Unterliegenden nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eingeräumte Wahlrecht zwischen dem Antrag auf Zulassung der Berufung oder einer mündlichen Verhandlung reduziert sich bei der Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör versagt, auf den Antrag auf mündliche Verhandlung. Verzichtet der Kläger auf diesen ihm nach der Prozessordnung zur Verfügung stehenden Rechtsbehelf, ist er im Zulassungsverfahren mit seiner Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ausgeschlossen (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 15.03.2000 - A 6 S 48/00 -, zit. nach juris Rn. 5; VGH Kassel, Beschl. v. 04.08.2000 - 12 UZ 2595/00 -, zit. nach juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 84 Rn. 34; § 124 Rn. 13).

7

Unabhängig davon, dass es auch an einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Darlegung des Zulassungsgrundes fehlt, wäre dieser in der Sache nicht gegeben. Es liegt bereits keine Überraschungsentscheidung zugrunde. Von einer Überraschungsentscheidung kann nur dann ausgegangen werden, wenn das Gericht seine Entscheidung auf eine Vorschrift stützt, die vorher nicht erwähnt wurde (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.07.1985 - 4 C 62/82 -, zit. nach juris Rn. 11). So verhält es sich hier nicht. Insbesondere in dem Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht § 6 Abs. 1 und Abs. 3 RGebStV bereits als streitentscheidende Normen hervorgehoben. Darüber hinaus wurde in der Prozesskostenhilfeentscheidung hinreichend deutlich gemacht, dass die Prozesskostenhilfe nur mit Rücksicht darauf gewährt wurde, dass zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, also vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2008 von höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfragen auszugehen war. Das Verwaltungsgericht hat außerdem in den Gründen des Prozesskostenhilfebeschlusses deutlich gemacht, welche Rechtsauffassung es unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vertreten werde.

8

Soweit schließlich der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erwähnt wird, fehlt es der Begründung des Zulassungsantrags an der Bezeichnung einer bedeutsamen Rechtsfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache kann mit bloßen Angriffen gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht dargelegt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.02.1990 - 5 B 95/89 -, zit. nach juris; Beschl. des Senats v. 10.10.2005 - 2 L 303/04 -). Schließlich wäre auch die - von der Klägerin nicht formulierte - Frage ob einkommensschwache Personen, die keine der in § 6 Abs. 1 RGebStV aufgeführten Sozialleistungen beziehen, unter die Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RGebStV fallen können, hinreichend durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2008 - 6 B 1/08 -, zit. nach juris Rn. 5).

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

10

Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

11

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird der angefochtene Gerichtsbescheid rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.