Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Aug. 2008 - 6 A 10751/07
Gericht
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein im Jahre 1986 geborener afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit aus der Provinz Paktia, die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG – beanspruchen kann.
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Der Kläger reiste am 15. Januar 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2005 unter Androhung der Abschiebung ablehnte.
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Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.
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Der vom Kläger zur Weiterverfolgung seines Begehrens erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG stattgegeben. Zur Begründung des Urteils wurde im Wesentlichen ausgeführt, wegen der in Afghanistan bestehenden unzureichenden Versorgungslage bestehe für den Kläger eine extreme Gefahrenlage; Rückkehrer wie der Kläger gerieten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in eine nahezu aussichtslose Lage.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, eine extreme Gefahrenlage könne für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Rückkehrer nicht angenommen werden.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Hinweis auf gutachterliche Äußerungen zur Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan. Insbesondere den Gutachten Dr. D. sei zu entnehmen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan erheblich verschlechtert habe. Das gelte auch für Kabul und dessen Umgebung, in der die Taliban zunehmend Einfluss gewönnen, die Menschen drangsalierten und Mitkämpfer rekrutierten.
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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte in diesem sowie im Verfahren des Bruders des Klägers (A 6 K 11188/04) und der Verfahrensakte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Sie waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die Erkenntnismittel, die in der den Beteiligten übersandten Unterlagenliste aufgeführt sind, und wie die ergänzend in das Verfahren eingeführten Unterlagen über die Situation in Afghanistan.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 nicht beanspruchen kann (1.). Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor (2.). Dem Kläger steht auch kein subsidiärer Schutz unmittelbar aufgrund des Gemeinschaftsrechts zu (3.).
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1. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -) besteht zu Gunsten des Klägers kein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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Nach dieser Bestimmung kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dass für den Kläger im Rückkehrfall eine solche Gefahr nicht aus individuellen Gründen, die in seiner Person begründet sind, droht, hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, ohne dass dagegen im zweitinstanzlichen Verfahren Einwände erhoben wurden.
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Die Feststellung eines Abschiebungsverbots i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann der Kläger auch nicht wegen allgemeiner Gefahren beanspruchen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine solche Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr), seit mit Erlass des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2005, der dementsprechende Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder umsetzt, „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (24. Juni 2005) noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufhalten“, „mit Vorrang zurückzuführen sind“. Diese Sperrwirkung des 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift hier ein, ohne dass sie aus verfassungsrechtlichen Gründen einzuschränken ist.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den früheren Regelungen der §§ 53 Abs. 6, 54 des Ausländergesetzes – AuslG – über den Abschiebungsschutz bei sogenannten allgemeinen Gefahren (vgl. BVerwG, 1 C 2.01, BVerwGE 114, 349), an der das Bundesverwaltungsgericht festhält (BVerwG, 10 B 47.07, juris), ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 AufenthG nur gerechtfertigt, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit (BVerwG, 1 B 291.03, juris) mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahr dergestalt begegnen würde, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG zur Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, vgl. etwa 1 B 132.04, juris). In dieser Formulierung ist der hohe Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts der allgemeinen Gefahr für den jeweiligen Ausländer mit umschrieben, der dessen Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheinen lässt (BVerwG, 1 C 5.01, BVerwGE 115, 1 <9 f.>; 10 B 47.07, juris). Das ist bei einer allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage der Fall, wenn der Ausländer alsbald nach seiner Rückkehr in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geraten würde, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (OVG B-B, 12 B 9.05, juris). Eine nur „unberechenbare“ Sicherheitslage genügt ebenso wenig wie eine „hohe Zahl von Opfern“ unter der Zivilbevölkerung oder eine nur „erhebliche Gefahr“ (BVerwG, 1 B 121.04, juris). Mit dem Begriff „alsbald“ ist kein in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, 9 C 13/97, NVwZ 1998, 973). Eine extreme allgemeine Gefahrenlage setzt aber nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Nach diesem Maßstab würde der Kläger weder mit Rücksicht auf die Sicherheitslage in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geraten (a) noch mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein (BVerwG, 9 B 617/98, NVwZ 1999, 668) oder in hinreichender zeitlicher Nähe zu seiner Rückkehr in einen unausweichlichen lebensbedrohlichen pathologischen Zustand geraten (b).
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a) Der Kläger wäre im Falle einer erzwungenen Rückkehr nach Afghanistan wegen der dort herrschenden Sicherheitslage zwar Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Diese Bedrohung erreicht aber nicht den hohen Wahrscheinlichkeitsgrad einer extremen allgemeinen Gefahr.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist einmal durch militärische Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Kräften einerseits sowie afghanischen und internationalen Truppen andererseits beeinträchtigt, aber auch durch politisch motivierte und/oder kriminelle Gewaltanwendung. Während im Süden und Osten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen, sind es in anderen Teilen Afghanistans Rivalitäten lokaler Machthaber oder Milizenführer sowie die zunehmende Kriminalität, die die Sicherheit der Bewohner bedrohen.
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Der Kläger ist im Rückkehrfall weder in Kabul noch in seiner Heimatregion Said Karam in der Provinz Paktia einer extremen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. Nach seiner Einreise über den Flughafen Kabul kann er sich über die Straße von Kabul nach Gardez in seinen Heimatdistrikt Said Karam begeben, wo – nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung - seine Mutter, ein Onkel mütterlicherseits, zwei verheiratete Schwestern und weitere Geschwister leben.
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Der UNHCR stuft in seinem Bericht „Die Sicherheitslage in Afghanistan mit Blick auf die Gewährung ergänzenden Schutzes“ vom 25. Februar 2008 von den insgesamt 15 Bezirken Kabuls nur die Distrikte Sarobi, Paghman, Khak-e-Jabar, Musahi und Charasyab als unsicher ein. In diesem Bericht wird die Straße von Kabul nach Gardez ebenso wenig als unsicher bezeichnet wie die Stadt Gardez selbst und der Distrikt Said Karam, die Heimatregion des Klägers.
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Dass eine extreme Gefahr für Leib oder Leben bei einer Rückkehr des Klägers nicht besteht, ergibt sich im Einzelnen aus den folgenden Erkenntnismitteln:
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Dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008 zufolge ist in Kabul die Sicherheitslage weiter fragil, auch wenn sie auf Grund der ISAF-Präsenz im regionalen Vergleich als zufriedenstellend eingeschätzt werde. Gelegentlich komme es in Kabul zu Raketenbeschuss. Auch in Kabul habe die Zahl der Selbstmordanschläge stark zugenommen, wobei neben den afghanischen Sicherheitskräften auch ausländische Truppen die Hauptanschlagsziele gewesen seien. Eine deutliche Zunahme von Entführungen hauptsächlich afghanischer Staatsangehöriger zwecks Erpressung von Lösegeld sei ebenso zu verzeichnen wie Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften auf die Zivilbevölkerung. Angehörige der Sicherheitskräfte stellten sich gelegentlich als Täter von bewaffneten Raubüberfällen oder Diebstählen heraus (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. März 2008).
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Im Süden und Osten Afghanistans sei im Jahr 2007 ein deutlicher Anstieg von Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen und Hilfsorganisationen verzeichnet worden; gleichzeitig hielten die Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen weiter an, zu denen auch Stammesfehden rechneten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 7. März 2008).
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Dies bestätigt Amnesty international (Auskunft vom 17. Januar 2007 an HessVGH) und weist darauf hin, dass es in einigen Gegenden Kabuls vor allem nachts, aber auch tagsüber immer öfter zu Schießereien und Überfällen komme. Die Polizei sei in diesen Fällen nicht in der Lage oder willens, Schutz zu bieten. Rückkehrer aus westlichen Ländern seien besonders gefährdet, Opfer von Diebstählen, Raubüberfällen und Entführungen zu werden, da man bei ihnen Geld vermute.
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In dieser Auskunft vom 17. Januar 2007 bezeichnet amnesty international die Sicherheitslage in Afghanistan, die sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert habe, insgesamt als prekär. Die zunehmende Gewalt beschränke sich nicht nur auf den Süden und Osten Afghanistans, die Berichte von Unruhen im Norden und Westen mehrten sich. Die kämpferischen Auseinandersetzungen spielten sich nicht nur in abgelegenen Regionen ab, sondern zum Beispiel im Distrikt Ghazni, ganze zwei Stunden von Kabul entfernt. Diese Gegend entwickle sich zur Zeit immer mehr zu einer "no-go-Area", und internationale Hilfsorganisationen hätten sich selbst aus der Provinzhauptstadt zurückgezogen. Bombenanschläge und Selbstmordattentate mit Personenschaden hätten in der Zeit von Mai bis Dezember 2006 ganz überwiegend afghanischen Sicherheitskräften und ausländischen Soldaten, Beratern sowie Aufbauhelfern gegolten.
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Dr. D. hält in seinen Gutachten vom 18. Mai 2007 (an VG Koblenz) und vom 24. August 2007 die Sicherheitslage in den Großstädten Afghanistans, insbesondere in Kabul, für katastrophal. Im ganzen Land herrschten praktisch die Drogenmafia und die großen Kriegsfürsten. Weder die Regierung noch die ausländischen Truppen seien in der Lage, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Gefahr, durch Kriminalität, bei politisch motivierten Attentaten, als ziviles Opfer militärischer Auseinandersetzungen oder durch unterlassene Hilfeleistung und Machtmissbrauch seitens der Staatsorgane zu Schaden zu kommen, bestehe für jeden Afghanen, besonders jedoch für mittellose Rückkehrer. Staatliche Organe, beispielsweise Justiz oder Polizei, seien weder in der Lage noch bereit, jemanden zu schützen, der solchen Missständen zum Opfer falle. Die Ordnungskräfte seien vollständig korrupt. In den Wohngebieten, die für die ausländischen Truppen "no-go"-Gebiete seien, müsse sich ein abgeschobener Asylbewerber zwangsläufig niederlassen. Es gebe dort keine neutrale Instanz, die ihn vor Gefahren schützen könne. Nacht für Nacht kämen in Kabul Menschen ums Leben, ohne dass diese Fälle je aufgeklärt würden. Auch die in Afghanistan stationierte internationale Schutztruppe (International Security Assistance Force, ISAF) sei nicht in der Lage, ein gewisses Maß an Sicherheit und Schutz für die Bevölkerung zu gewährleisten. Bei seinem letzten Besuch in Afghanistan im Dezember 2005 habe er feststellen müssen, dass die ausländischen Schutztruppen und die Hilfsorganisationen sich hinter Betonabsperrungen verschanzt hätten, die oft die Gehwege und Teile der Straße einnähmen. Das Personal der europäischen Botschaften gehe aus Angst praktisch nie vor die Tür. Die ISAF-Präsenz sei relativ gering, selbst in der Kabuler Innenstadt. Er selbst habe während seines Aufenthalts im Dezember 2005 dort nur einmal zwei gepanzerte Bundeswehr-Fahrzeuge auf Patrouille und ein US-amerikanisches Fahrzeug gesehen.
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Dr. D. hat diese Ausführungen gegenüber dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter dem 29. Mai 2008 aktualisiert. Danach habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert. Den Taliban sei es mittlerweile gelungen, bis in die Außenbezirke von Kabul vorzudringen und von dort aus zu operieren. Sie hätten gewissermaßen einen Ring um Kabul gezogen. Dort rekrutierten sie junge Männer wie jene, die das Hotel Serena in Kabul am 14. Januar 2008 angegriffen hätten. In der Zeit vom 20. März bis zum 22. April hätten in Kabul 169 Entführungen stattgefunden, und zwar sowohl aus politischen Gründen als auch zur Erpressung von Geld durch Kriminelle. Gerade für Rückkehrer sei die Gefahr, durch Entführung oder Erpressung zu Schaden zu kommen, besonders groß.
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Die südlichen Provinzen, insbesondere Kandahar, Helmand, Uruzgan und Ghazni, befänden sich nach Einbruch der Dunkelheit in den Händen der Taliban. In den Provinzen Wardak und Logar, die unmittelbar westlich bzw. südlich von Kabul gelegen seien, beherrschten die Taliban sogar über Tag die Straßen und drangsalierten die Menschen.
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Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die militärisch, politisch und/oder kriminell motivierte Gewaltanwendung in Afghanistan in den letzten Jahren zugenommen hat und die Sicherheitslage insgesamt stark beeinträchtigt. Der Anstieg von Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen, der Hilfsorganisationen und der ausländischen Truppen betrifft Rückkehrer aus westlichen Ländern aber weder gezielt, sondern eher zufällig, noch mit einer Häufigkeit, die eine erhebliche oder gar eine extreme Gefahr für Leib oder Leben dieser Personengruppe bedeutet. Die Einschätzung Dr. D., die Gefahr, durch Kriminalität, bei politisch motivierten Attentaten, als ziviles Opfer militärischer Auseinandersetzungen oder durch unterlassene Hilfeleistung und Machtmissbrauch seitens der Staatsorgane zu Schaden zu kommen, bestehe für jeden Afghanen, besonders jedoch für mittellose Rückkehrer, lässt nicht erkennen, mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit diese Gefahr nach Ansicht Dr. D. droht. Auch wenn man Rückkehrer aus westlichen Ländern, bei denen Geld vermutet wird, generell als besonders gefährdet ansieht, Opfer von Diebstählen, Raubüberfällen und Entführungen zu werden, erlaubt dies nicht den Schluss, dass für diese Personengruppe eine erhebliche oder gar eine extreme Gefahr für Leib oder Leben besteht, zumal es möglich ist, den Eindruck von Wohlhabenheit zu vermeiden. Dass bestimmte Wohngebiete für die ausländischen Truppen "no-go"-Gebiete sind, heißt nicht ohne Weiteres, dass auch afghanische Staatsangehörige dort erheblich oder gar extrem gefährdet sind. Das gilt in besonderem Maß für den Kläger, der sich im Rückkehrfall zudem nicht länger als notwendig in Kabul aufhalten muss, sondern sich in seine Heimatregion und dort unter den Schutz seiner Großfamilie, insbesondere den seines Onkels und seiner Schwäger begeben kann.
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Damit übereinstimmend beurteilen auch andere Obergerichte die Sicherheitslage in Afghanistan nicht als so kritisch, dass jeder in sein Heimatland zurückkehrende und nach Kabul gelangende Afghane berechtigter Weise die Sorge haben muss, Opfer eines Übergriffs oder Anschlags zu werden oder in sonstiger Weise von rivalisierenden ethnischen, religiösen oder sonst motivierten Gruppen oder Banden in seinem Leben oder seiner Unversehrtheit geschädigt zu werden (vgl. HessVGH, 8 UE 1913/06.A, juris; OVG N-W, 20 A 5164/04.A, juris; 20 A 4676/06.A, juris; SächsOVG, A 1 B 58/06, AuAS 2007, 5, juris; OVG B-B, 12 B 9.05, juris; 12 B 11.05, juris).
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b) Der Kläger würde durch eine Abschiebung nach Afghanistan auch nicht mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert (BVerwG, 9 B 617/98, NVwZ 1999, 668) oder in einen unausweichlichen lebensbedrohlichen pathologischen Zustand geraten. Vielmehr könnte er im Rückkehrfall das zum Leben Notwendige durch die Unterstützung seiner dort lebenden Familienangehörigen sowie durch seine Mitarbeit in der Landwirtschaft erlangen und eine Unterkunft finden. Denn er kann sich in seinen – wie bereits ausgeführt – hinreichend sicheren Heimatdistrikt Said Karam begeben, wo – nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung – insbesondere seine Mutter, ein Onkel mütterlicherseits und zwei verheiratete Schwestern leben. Denn in Afghanistan übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung ihrer Mitglieder (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 01/2008, B 4). Extreme allgemeine Gefahren wegen der schlechten Versorgungssituation in Afghanistan drohen dem afghanischen Staatsangehörigen nicht, der in ein (groß-)familiäres Umfeld zurückkehren kann (vgl. OVG S-H, 2 LB 38/07, juris; OVG B-B, 12 B 11.05, juris).
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2. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor. Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, 10 C 42.07) entschieden, dass der subsidiäre Abschiebungsschutz keinen landesweiten (innerstaatlichen) bewaffneten Konflikt voraussetzt. Dennoch kann der Kläger Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG selbst dann nicht beanspruchen, wenn man die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und ISAF-Truppen einerseits sowie Talibangruppen und anderen regierungsfeindlichen Kräften andererseits als innerstaatlichen bewaffneten Konflikt versteht (vgl. OVG S-H, 2 LB 38/07, juris). Denn die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG führt dazu, dass nur im Falle extremer Gefahr Abschiebungsschutz eingreift (vgl. HessVGH, 8 UE 1913/06.A, juris). Dass davon auch hinsichtlich der in Afghanistan herrschenden Sicherheitssituation nicht gesprochen werden kann, ist bereits unter 1. a) ausgeführt worden. Die dort dargestellten Beeinträchtigungen der Sicherheit für die Zivilbevölkerung beruhen in den Gebieten insbesondere des Südens und Ostens des Landes zu einem beträchtlichen Teil auf den erwähnten bewaffneten Auseinandersetzungen.
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3. Dem Kläger kann auch kein subsidiärer Schutz unmittelbar aufgrund des Gemeinschaftsrechts zustehen, selbst wenn man annimmt, die Vorschriften der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 – EGRL 2004/83 - seien hinsichtlich des subsidiären Schutzes nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt worden. Auch eine unmittelbare Anwendung der Art. 2 Buchst. e, 15 Buchst. c EGRL 2004/83 vermittelt dem Kläger keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz. Ein Anspruch auf subsidiären Schutz setzt nach diesen Bestimmungen u.a. voraus, dass stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht werden, dass bei einer Rückkehr die tatsächliche Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, beispielsweise in eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu geraten. Zwar muss dieser bewaffnete Konflikt nicht landesweit bestehen (BVerwG, 10 C 42.07). Art. 15 Buchst. c EGRL 2004/83 lässt aber grundsätzlich keine allgemeine Bedrohung für den subsidiären Flüchtlingsschutz genügen, sondern verlangt eine individuelle Bedrohung (vgl. hierzu auch BVerwG, 1 B 217/06, juris), die die Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ist. Gefahren, die auf unterschiedslos wirkender, nicht auf eine bestimmte Person gerichteter Waffengewalt beruhen, sind jedoch typischerweise allgemeine Bedrohungen (so auch Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90 [93]). Ob sie deshalb mit Rücksicht auf den 26. Erwägungsgrund der EGRL 2004/83 keine individuelle Bedrohung sind, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre (vgl. hierzu VGH B-W, A 2 S 229/07, NVwZ 2008, 447, juris; OVG S-H, 1 LA 125/06, juris), bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit können allgemeine Gefahren nur darstellen, wenn stichhaltige Gründe im Sinne des Art. 2 Buchst. e EGRL 2004/83 für die Annahme vorgebracht werden, dass bei einer Rückkehr die tatsächliche Gefahr besteht, von dieser willkürlichen Gewalt betroffen zu werden. Der Betroffene muss darlegen, „dass er eine begründete Angst um sein Leben hat, wenngleich die Gründe für diese Angst nicht personenspezifisch sind“ (Müller, ASYLMAGAZIN 2008, 4 (8) unter Hinweis auf die Begründung der Kommission zum Richtlinien-Entwurf KOM (2001) 510). Hailbronner (ZAR 2008, 209 [214 f.]) hält besondere Merkmale, die die einzelne Zivilperson als potentielles Opfer willkürlicher Gewalt kennzeichnen, sowie das Ausmaß des generellen Verlustes an Schutz für die Gruppe, der der Betroffene angehört, für entscheidend.
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An einer solchen Darlegung individueller Gründe fehlt es hier jedoch. Dass der Vater des Klägers kommunistischer Offizier war und nach den Angaben des Klägers im Anschluss an Auseinandersetzungen mit Mullah Jilani umgebracht wurde, ist kein Vorbringen, aus dem sich eine ernsthafte individuelle Gefahr für den Kläger ergibt, im Rückkehrfall Opfer der willkürlichen Waffenwirkung im Rahmen des kriegerischen Konflikts in seinem Heimatland zu werden. Abgesehen davon hat das Bundesamt die Schilderungen des Klägers als nicht glaubhaft angesehen. Die Ungereimtheiten bezüglich des Zeitpunkts der vom Kläger angegebenen Bombardierung der Festung Jilanis vermochte auch das Verwaltungsgericht nicht aufzuklären. Der Kläger hat im zweitinstanzlichen Verfahren diese im angefochtenen Urteil angesprochenen Zweifel nicht ausgeräumt.
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Auch den vom Kläger vorgelegten Ausführungen Dr. D. vom 29. Mai 2008 gegenüber dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof kann nicht entnommen werden, inwiefern für den Kläger selbst eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge kriegerischer Gewalt in Kabul, auf dem Weg nach Paktia und/oder in der Heimatregion Said Kamal besteht. Dr. D. erwähnt die Provinz Paktia und die Region Said Kamal nicht im Einzelnen, sondern nur im Rahmen seiner Betrachtung der Gebiete im Süden und Osten Afghanistans. Da zudem der UNHCR – wie bereits erwähnt - in seinem Bericht „Die Sicherheitslage in Afghanistan mit Blick auf die Gewährung ergänzenden Schutzes“ vom 25. Februar 2008 die Straße von Kabul nach Gardez ebenso wenig als unsicher einstuft wie die Stadt Gardez selbst und den Distrikt Said Karam, kann nicht von einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers i.S.d. Art. 2 Buchst. e, 15 Buchst. c EGRL 2004/83 ausgegangen werden.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO.
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Gründe i. S. d. § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
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Beschluss
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.
(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.
(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.
(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.