Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 15. Aug. 2014 - 6 B 600/14
Gericht
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die am 30. Januar 2013 ausgeschriebenen zehn Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 10 LBesO/Vergütungsgruppe EG 9 TV-L (Werkstattlehrer) mit den Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf die Wertstufe bis 13.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe rechtfertigen es, seinem mit der Beschwerde weiter verfolgten erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen und den angefochtenen Beschluss zu ändern.
4Der Antragsteller hat entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen eines seinen Antrag stützenden Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers. Sie beruht auf einem rechtsfehlerhaften Qualifikationsvergleich, weil u.a. die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 25. Juni 2013, auf welche die Entscheidung gestützt ist, zu beanstanden ist.
5Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt überprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen im Einklang stehen.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, NVwZ 2003, 1398.
7Einer Überprüfung nach diesen Maßgaben hält die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 25. Juni 2013 und die ebenfalls aus Anlass der Bewerbung um die in Rede stehenden Beförderungsplanstellen erstellten Beurteilungen der Beigeladenen zu 1. bis 9. nicht stand, weil sie nicht im Einklang mit Nr. 4.2 Satz 1 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrkräfte sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren, RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 2. Januar 2003, ABl. NRW. S. 7, BASS 21 - 02 Nr. 2 (im Folgenden: BRL) stehen. Danach muss der Zeitraum, auf den sich die Beurteilung bezieht, aus der Beurteilung erkennbar sein. Dafür genügt es, dass aus der Beurteilung der Zeitraum, auf den sich diese bezieht, im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 -, juris, und Urteil vom 16. Mai 2012 - 1 A 499/09 -, mit weiteren Nachweisen.
9Dabei ist ausgehend vom Empfängerhorizont an objektive Anhaltspunkte anzuknüpfen. Nicht entscheidend ist demgegenüber ein gegebenenfalls abweichender, objektiv aber nicht zum Ausdruck gekommener innerer Wille des Beurteilers. Wenn es im Einzelfall an hinreichenden objektiven Anhaltspunkten dazu fehlt, wie der der Beurteilung zugrunde liegende Zeitraum eingegrenzt ist, kann die Auslegungsregel greifen, dass zur Vermeidung einer Beurteilungslücke "im Zweifel" beabsichtigt sein dürfte, unmittelbar an den Zeitraum der letzten Vorbeurteilung anzuknüpfen.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2013 - 6 B 285/13 -, vom 8. Juni 2012 - 6 B 480/12 - und vom 7. Juni 2011 - 6 B 544/11 -, jeweils juris.
11Im Streitfall lässt sich den genannten Anlassbeurteilungen der Zeitraum, auf den sich die jeweilige Beurteilung bezieht, nicht hinreichend verlässlich entnehmen. Sie weisen im Gegensatz zur Anlassbeurteilung des Beigeladenen zu 10. vom 12. Juli 2013 ("Berichtszeitraum: 01.12.2010 bis heute") den jeweiligen Beurteilungszeitraum nicht ausdrücklich aus. In ihnen wird jeweils lediglich das Datum der letzten Beurteilung angegeben bzw. im Fall der Beigeladenen zu 4. nicht einmal das Datum, sondern nur der Hinweis auf ihre letztmalige Beurteilung im Schuldienst des Landes O. . Gegen die Schlussfolgerung, dass die aktuellen Anlassbeurteilungen an den jeweiligen Zeitraum der letzten Beurteilung anknüpfen sollen, spricht jedoch, dass die Bezirksregierung N. die für die Erstellung der Beurteilungen zuständigen Schulleiter mit Schreiben vom 30. April 2013 gebeten hat, bei der Beurteilung „einen Beurteilungszeitraum von den letzten drei Jahren zugrunde zu legen". Die gerade vor diesem Hintergrund gebotene Klarstellung in der jeweiligen Beurteilung, auf welchen Zeitraum sie sich bezieht, ist indes ausgeblieben.
12Allein mit dem genannten Schreiben vom 30. April 2013 ist dem Erfordernis der Nr. 4.2 Satz 1 BRL nicht genügt. Der etwaige Wille des jeweiligen Beurteilers, der Beurteilung den in dem Schreiben genannten Zeitraum zugrunde zu legen, kommt in den aktuellen Anlassbeurteilungen nicht zum Ausdruck. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehlten durchgreifende Hinweise darauf, dass die Beurteiler von einem abweichenden Beurteilungszeitraum ausgegangen seien, steht entgegen, dass der Beurteiler des Beigeladenen zu 10. dessen Anlassbeurteilung vom 12. Juli 2013 ausdrücklich nicht auf den vorhergehenden Dreijahreszeitraum bezogen hat, sondern nur auf den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2010.
13Ob die aktuelle Anlassbeurteilung des Antragstellers und/oder die aktuellen Anlassbeurteilungen der Beigeladenen zu 1. bis 10. noch an weiteren Mängeln leiden, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidungserheblich. Angemerkt sei, dass es den rechtlichen Anforderungen wohl noch entspräche, wenn die Beurteilungen zwecks Vermeidung von Beurteilungslücken den mit dem Datum der jeweiligen Vorbeurteilung beginnenden Zeitraum erfassten, obwohl dadurch, weil das Beurteilungssystem nach der Bewährungsfeststellung keine Regel- oder Zwischenbeurteilungen vorsieht, teilweise extrem ausgedehnte Beurteilungszeiträume entstünden.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 6 B 1336/13 -, juris.
15Der Antragsteller hat schließlich auch Umstände glaubhaft gemacht, die einen Anordnungsgrund begründen. Würden die in Rede stehenden Stellen mit den Beigeladenen besetzt, wäre dies nicht ohne Weiteres wieder rückgängig zu machen.
16Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
17Die Streitwertfestsetzung/-änderung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 5 - in der bis zum 15. Juli 2014 geltenden Fassung (vgl. § 71 Abs. 1 GKG) - Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Der sich in Anwendung von § 52 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG in der bis zum 15. Juli 2014 geltenden Fassung ergebende Betrag ist im Hinblick auf den im Eilrechtsschutz lediglich angestrebten Sicherungszweck um die Hälfte zu reduzieren. Dieser Wert ist, obwohl die Besetzung von zehn Stellen verhindert werden sollte, nur einfach anzusetzen, weil im Hinblick auf die Stellenbesetzung ein im Wesentlichen einheitliches Verfahren durchgeführt worden ist und die Vergabe der Stellen durch eine einheitliche Auswahlentscheidung erfolgen sollte.
18Vgl. OVG NRW, Senatsbeschluss vom 19. März 2012 - 6 E 162/12 -, NVwZ-RR 2012, 663.
19Ausgangspunkt der vorzunehmenden (fiktiven) Berechnung der Bezüge ist das vom Antragsteller angestrebte Amt der Besoldungsgruppe A 10 LBesO sowie die von ihm erreichte Erfahrungsstufe 11. Der sich danach ergebende Betrag (Grundgehalt i.H.v. 3.385,07 Euro x 6 zuzüglich Sonderzahlung) ist zu halbieren und der Streitwert dementsprechend auf die Wertstufe bis 13.000,00 Euro festzusetzen.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.
(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.