Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 22. Aug. 2014 - 4 B 717/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde, deren Prüfungsrahmen nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf das Beschwerdevorbringen begrenzt ist, hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin gegen Ziffer I der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 23. April 2014 (Untersagung des Spielhallenbetriebs) aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung folgt aus § 80 Abs 1 Satz 1 VwGO. Ein hier allein in Betracht zu ziehender Ausnahmefall nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf § 9 Abs. 2 GlüStV geht fehl. Diese Vorschrift, nach der Widerspruch und Klage gegen Anordnungen der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV keine aufschiebende Wirkung haben, findet vorliegend keine Anwendung.
4§ 2 Abs. 3 GlüStV bestimmt, dass auf Spielhallen, soweit sie Geld- und Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bereithalten, nur die §§ 1 bis 3, 4 Abs. 1, 3 und 4, §§ 5 bis 7 sowie die Vorschriften des Siebten und Neunten Abschnitts des Glücksspielstaatsvertrages gelten. § 9 GlüStV ist jedoch Teil des Zweiten Abschnitts.
5§ 9 Abs. 2 GlüStV ist auch nicht durch das nordrhein-westfälische Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages – AG GlüStV NRW – vom 13. November 2012 (GV.NRW. 523) für spielhallenbezogene Anordnungen übernommen worden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich die (entsprechende) Anwendung von § 9 Abs. 2 GlüStV nicht aus § 20 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 5 AG GlüStV NRW.
6Nach § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW üben die nach § 19 zuständigen Erlaubnisbehörden – für die Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse für Spielhallen sind das die örtlichen Ordnungsbehörden - gegenüber den Erlaubnis- und Konzessionsnehmern auch die Aufgaben der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV aus. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine reine Zuständigkeitsnorm. Sie räumt den nach § 19 AG GlüStV NRW zuständigen Erlaubnisbehörden keine Eingriffsbefugnisse nach § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GlüStV ein, sondern weist ihnen lediglich die zusätzliche Aufgabe der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gegenüber Erlaubnis- und Konzessionsnehmern zu. Das ergibt sich bereits aus ihrem Wortlaut. Mit der Verwendung des Begriffs „Aufgaben“ der Glücksspielaufsicht knüpft § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW an § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV an, der diese „Aufgaben“ beschreibt und gerade nicht als Befugnisnorm bzw. Eingriffsermächtigung zu verstehen ist.
7Vgl. zu Letzterem auch Oldag, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Aufl., § 9 GlüStV Rn. 3 ff.; Hambach/Brenner, in: Streinz/Lischung/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, Kommentar, 2014, § 9 GlüStV Rn. 4 ff.
8Die Verwendung des Wortes „ausüben“ lässt entgegen dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht – jedenfalls nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit - darauf schließen, dass den Aufsichtsbehörden durch § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW die Eingriffsbefugnisse nach § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GlüStV eröffnet werden sollen.
9Dass in § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW keine Eingriffsbefugnisse begründet werden, ergibt sich zudem aus dem systematischen Zusammenhang. Denn in den Absätzen 2 und 3 sind ebenfalls nur Zuständigkeiten und – in Abs. 2 Satz 3 - Mitwirkungserfordernisse geregelt.
10Abgesehen davon fände § 9 Abs. 2 GlüStV im vorliegenden Fall selbst dann keine Anwendung, wenn man unterstellt, dass § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW neben den Zuständigkeiten zugleich Eingriffsbefugnisse entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV begründet. Zum einen bestünde die Eingriffsbefugnis nur gegenüber Erlaubnis- und Konzessionsnehmern. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Norm regele die Zuständigkeit (und Eingriffsermächtigung) auch für die Fälle, in denen eine glücksspielrechtliche Erlaubnis oder Konzession zwar nicht erteilt, aber erforderlich sei, überzeugt nicht. Sie widerspricht nicht nur dem eindeutigen Wortlaut der Norm, sondern führte auch zu dem systematisch und praktisch verfehlten Ergebnis, dass die Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden nach § 20 Abs. 3 AG GlüStV NRW jedenfalls hinsichtlich der Überwachung und Untersagung unerlaubter Glücksspiele vollständig ins Leere liefe. Zum anderen wird § 9 Abs. 2 GlüStV in § 20 Abs. 1 AG GlüStV NRW gerade nicht genannt und kann – wie oben ausgeführt – auch nicht originär herangezogen werden.
11Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2, 1 GKG.
12Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.