Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 12. Dez. 2014 - 15 B 1139/14
Gericht
Tenor
1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert: Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragsteller vorläufig so zu behandeln, als ob ihnen Fraktionsstatus im Kreistag des Kreises N. zukommt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Der im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Antrag der Antragsteller,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie so zu behandeln, als ob ihnen Fraktionsstatus zukommt,
4ist begründet. Sie haben sowohl einen Anordnungsanspruch (1.) als auch einen Anordnungsgrund (2.) glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
51. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass den Antragstellern der geltend gemachte Anspruch zusteht. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bilden die Antragsteller eine Fraktion im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW.
6Zu einer vergleichbaren Fallkonstellation siehe bereits zuvor VG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2014 - 1 K 4415/14 ‑, juris.
7Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW sind Fraktionen freiwillige Vereinigungen von Kreistagsmitgliedern, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben.
8Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt zunächst, dass es für die Entstehung einer Fraktion nicht eines konstitutiven, anerkennenden Aktes des Kreises oder des Landrates bedarf. Dies bedeutet andererseits aber nicht, dass jeder sich als Fraktion bezeichnenden Vereinigung die Rechte und Befugnisse einer Fraktion einzuräumen wären. Der Kreis ist durch das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet, (nur) Fraktionen im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW die diesen nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Regelungen zustehenden Vergünstigungen zu gewähren. Dies setzt eine entsprechende Prüfung der Fraktionseigenschaft durch den Kreis voraus, erfordert aber keinen weiteren, auch nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehenen konstitutiven Anerkennungsakt.
9Allerdings entsteht die Fraktionseigenschaft nicht schon mit der bloßen – wenn auch bereits rechtlich verfestigten – Absicht, eine Fraktion zu bilden. Aus dem gesetzlichen Erfordernis, dass sich die Kreistagsmitglieder zusammengeschlossen „haben“ müssen, folgt, dass der Zusammenschluss bereits verwirklicht sein muss. Zudem ergibt sich aus der finalen Präposition „zu“ möglichst gleichgerichtetem Wirken, dass die Fraktionseigenschaft nicht davon abhängt, dass ein gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt; allerdings muss dieser Zweck dem Zusammenschluss zugrunde liegen.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –, vom 20. Juni 2008 – 15 B 788/08 – und vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
11Gemessen an diesen Voraussetzungen bilden die Antragsteller eine Fraktion im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW. Die Antragsteller wurden durch die Kommunalwahl von Mai 2014 in den Kreistag des Kreises N. gewählt und haben sich am 20. Juni 2014 freiwillig zu der Vereinigung „G. N1. Q. “ zusammengeschlossen.
12Weiterhin erfolgte der Zusammenschluss auch auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung. Der Annahme einer solchen grundsätzlichen politischen Übereinstimmung steht zunächst der Umstand nicht entgegen, dass die Antragsteller S. und T. über die Wahlliste der G. N1. und der Antragsteller E. hingegen über die Wahlliste der Partei Q. in den Kreistag des Kreises N. gewählt wurden. Denn das Fraktionsbildungsrecht ist Ausfluss des freien Mandats der Kreistagsmitglieder, die in ihrer Tätigkeit ausschließlich dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung verpflichtet und an Aufträge (auch des Wählers) nicht gebunden sind (vgl. § 28 Abs. 1 KrO NRW).
13OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –.
14Allerdings besteht in Fällen politisch extrem heterogener Zusammensetzung besonderer Anlass festzustellen, ob die erforderliche grundsätzliche politische Übereinstimmung besteht oder ob lediglich ein formaler Zusammenschluss zur Erlangung finanzieller Vorteile oder einer stärkeren Rechtsposition für die Verfolgung der uneinheitlichen individuellen politischen Ziele der einzelnen Mitglieder vorliegt. Demgegenüber ergibt sich bei einem Zusammenschluss aus Personen, die für ein und dieselbe Partei oder Wählergruppe angetreten sind, bereits aus dem Parteizusammenschluss bzw. dem mitgliedschaftlich organisierten Zusammen-schluss der Wahlberechtigten zum Zwecke gemeinsamer Wahlvorschläge (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz), dass auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung ein möglichst gleichgerichtetes Wirken erfolgen soll. Weiterer Indizien bedarf es im letztgenannten Fall regelmäßig nicht.
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 – und vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
16Eine in diesem Sinne politisch extrem heterogene Zusammensetzung liegt hier indes nicht vor. Sowohl die G. N1. als auch die Partei Q. gehören i. w. S. dem bürgerlichen Spektrum an und präsentieren sich unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Wahlprogramme in vielen Fragen übereinstimmend als sozial-liberal, mit zum Teil progressiven Tendenzen vor allem im Hinblick auf Fragen der modernen Informationsgesellschaft.
17Schon vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Antragsteller geltend machen, in zentralen politischen Fragen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung zu haben. Zwar kommt es angesichts des freien Mandats nicht zwingend auf die politischen Überzeugungen der Parteien oder Gruppierungen an, denen die gewählten Kreistagsmitglieder angehören. Diese können aber jedenfalls dann zugrunde gelegt werden, wenn sich die gewählten Kreistagsmitglieder – wie hier – nach der Wahl nicht erkennbar von „ihrem“ Wahlvorschlagsträger distanziert und einer abweichenden politischen Richtung zugewandt haben.
18Weitere indizielle Bedeutung für eine tatsächlich bestehende grundsätzliche politische Übereinstimmung kommt auch dem Beschluss vom 20. Juni 2014 zu, mit dem die Antragsteller die – sich nicht gegenseitig ausschließenden – 10-Punkte-Programme „ihrer“ Wahlvorschlagsträger zur Grundlage ihrer Zusammenarbeit in der Kreistagsfraktion erklären und mit dem sie verschiedene von ihnen angestrebte kommunalpolitische Ziele fixieren. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die kommunalpolitischen Zielsetzungen der Fraktion G. N1. Q. nur zum Schein formuliert wurden, um eine tatsächlich nicht vorhandene grundsätzliche politische Übereinstimmung vorzutäuschen, liegen nicht vor.
19In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ausweislich der gesetzlichen Regelung nur eine „grundsätzliche“, also sich nicht zwingend auf alle Bereiche und alle Einzelheiten erstreckende politische Übereinstimmung erforderlich ist. Daher ist es nicht von Bedeutung, wenn die Antragsteller bzw. die hinter diesen stehenden Wahlvorschlagsträger gelegentlich unterschiedliche politische Ansätze verfolgen sollten.
20Weiterhin haben die Antragsteller zur Überzeugung des Senats dargetan, dass ihrem Zusammenschluss der Zweck zugrunde liegt, möglichst gleichgerichtet zusammenzuwirken. Wie ausgeführt hängt die Fraktionseigenschaft nicht davon ab, dass ein gleichgerichtetes Wirken auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung bereits vorliegt. Die Absicht möglichst gleichgerichteten Zusammenwirkens kann aber unter Umständen – etwa bei schon längerem Bestehen der (vermeintlichen) Fraktion – nur dann als glaubhaft angesehen werden, wenn sich der Zweck des Zusammenschlusses nicht nur aus einer politischen Absichtserklärung ergibt, sondern er darüber hinaus auch sichtbaren – praktischen – Ausdruck gefunden hat.
21Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
22Ob der erforderliche Zweck verfolgt werden soll, bemisst sich allgemein nach den Vereinbarungen im Rahmen des Zusammenschlusses und gegebenenfalls ihrer tatsächlichen Anwendung sowie den Bekundungen der Mitglieder des Zusammenschlusses, soweit sich die Erklärungen als glaubhaft erweisen.
23Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –, vom 20. Juni 2008 – 15 B 788/08 – und vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
24Zusammenfassend muss sich aus den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles der zuverlässige Schluss ergeben, dass der Zusammenschluss nachhaltig auf das gleichgerichtete Zusammenwirken ausgerichtet ist.
25In Anwendung dieser Grundsätze liegt das erforderliche Merkmal hier vor. Zunächst ergeben sich aus dem am 20. Juni 2014 vereinbarten Statut i. V. m. der Geschäftsordnung der Fraktion G. N1. Q. vom selben Tag gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass dem Zusammenschluss tatsächlich die Absicht möglichst gleichgerichteten Zusammenwirkens zugrunde liegt. Bei dieser Bewertung kommt der Funktion von Fraktionen besondere Bedeutung zu, die Willensbildung und Entscheidungsfindung im Plenum vorzuprägen, indem sie vor der Plenardebatte und -abstimmung in interner Meinungsbildung Willensblöcke bilden, die sie im Plenum möglichst geschlossen zur Geltung bringen.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 1975 – III A 551/73 –.
27Der Wesenskern einer Fraktion liegt darin, dass ihre Mitglieder unter Aufgabe ihrer vollen politischen Autonomie auf die Ausübung eines Teiles ihrer politischen Gestaltungsrechte zu Gunsten einer Bündelung durch die Fraktion verzichten.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 –.
29Diesem Wesenskern entsprechen namentlich die Regelungen in §§ 5a und 6 der Geschäftsordnung der von den Antragstellern gebildeten Fraktion (GeschO). So bestimmt § 5a GeschO, dass die Fraktion über die Angelegenheiten der Sitzungen des Kreistages und aller Ausschüsse und Gremien entscheidet. Dabei sollen die Fraktionsmitglieder gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 GeschO im Kreistag, seinen Ausschüssen sowie in der Öffentlichkeit die Gesamtlinie der Fraktion vertreten. In diesem Zusammenhang geht § 6 Abs. 1 Satz 2 GeschO davon aus, dass die von der Fraktion gefassten Beschlüsse grundsätzlich für die Mitglieder verbindlich sind, wenn es dort heißt, dass ein Mitglied, will es im Einzelfall von den Beschlüssen der Fraktion abweichen, die Fraktion rechtzeitig zu unterrichten hat.
30Diese Regelungen fördern durch eine in ihnen angelegte Begrenzung der politischen Autonomie des einzelnen Fraktionsmitgliedes eine einheitliche Willensbildung und eine geschlossene Geltendmachung des Fraktionswillens. Weiter schafft die am 20. Juni 2014 erfolgte Bestellung einer Fraktionsgeschäftsführerin wie auch die in § 6 Abs. 2 GeschO enthaltene Regelung, wonach die Fraktionsmitglieder verpflichtet sind, an den Fraktions-, Kreistags- und die sie betreffenden Ausschusssitzungen teilzunehmen, die Grundlage dafür, dass die Fraktion tatsächlich Bündelungs- und Koordinierungsaufgaben wahrnehmen kann.
31Auch die tatsächlichen Bekundungen der Antragsteller bieten keine Anhaltspunkte, an der Ernsthaftigkeit ihrer erklärten Absicht zu zweifeln, künftig im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW möglichst gleichgerichtet und nachhaltig zu wirken. So haben die Antragsteller unter anderem ausgeführt, sich seit Fraktionsgründung in aller Regel wöchentlich zu (erweiterten) Fraktionssitzungen zu treffen, um hierbei ihr Vorgehen abzustimmen. Dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, ist nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Senats auch zu berücksichtigen, dass vom Antragsgegner weder hinreichend nachvollziehbare Gründe dargelegt wurden, noch solche sonst ersichtlich sind, weshalb die Antragsteller nicht ernsthaft die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der von ihnen gegründeten Fraktion anstreben sollten. Eine Fraktion ist ein Zweckbündnis, das seinen Mitgliedern durch umfangreiche Fraktionsrechte und die finanzielle Ausstattung der Vereinigung insbesondere im Vergleich zu Einzelmandatsträgern bessere Möglichkeiten bietet, politische Ziele effektiv durchzusetzen. Schon deshalb ist es für Kreistagsmitglieder grundsätzlich sinnvoll, sich in Fraktionen zusammenzu-schließen. Die Fraktionsmitgliedschaft bedingt zwar in gewissem Umfang eine Zurückstellung der eigenen politischen Autonomie. Dieser Aspekt steht aber der Entscheidung zum Zusammenschluss mit anderen Kreistagsmitgliedern in einer Fraktion in geringerem Umfang entgegen, wenn – wie hier – die Fraktionsmitglieder aus demselben Parteienspektrum stammen und bereits vor der Fraktionsbildung gleiche oder jedenfalls ähnliche politische Vorstellungen verfolgt haben. Denn dann wirkt sich der Verlust individueller politischer Gestaltungsoptionen faktisch kaum aus.
32Schließlich besteht entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht deshalb Anlass, den vorstehend geschilderten, dem Zusammenschluss zugrunde liegenden Zweck in Zweifel zu ziehen, weil er keinen ausreichend sichtbaren – praktischen – Ausdruck gefunden hat. Die Forderung nach einem sichtbaren – praktischen – Ausdruck der Zusammenwirkungsabsicht gewinnt vor allem bei bereits längerem Bestehen der (vermeintlichen) Fraktion Bedeutung.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 –.
34Diese Situation liegt hier jedoch noch nicht vor. Zwar hat sich die vorliegend in Rede stehende Fraktion bereits vor gut einem halben Jahr gegründet. Seit der Gründung der Fraktion haben jedoch erst zwei Kreistagssitzungen stattgefunden. Schon vor diesem Hintergrund können keine übertriebenen Erwartungen an die von den Antragstellern zu verlangenden Aktivitäten gestellt werden. Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Antragsteller, die vom Antragsgegner bisher nicht als Fraktion angesehen wurden und deshalb die (nur) Fraktionen zustehenden Befugnisse nicht ausüben konnten, vergleichsweise geringe Möglichkeiten hatten, ihre – etwa in den jeweiligen 10-Punkte-Programmen „ihrer“ Wahlvorschlagsträger fixierten - politischen Ziele anzugehen. So steht das insoweit bedeutsame Recht, Anträge unmittelbar in den Kreistag einzubringen, nach § 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistages für den Kreis N. (GeschO Kreistag) Fraktionen, aber nicht Gruppen oder Einzelmandatsträgern und auch nicht den Antragstellern in ihrer Gesamtheit zu.
35Unabhängig hiervon hat die Absicht der Antragsteller, tatsächlich nachhaltig möglichst gleichgerichtet zusammenzuwirken, auch praktischen Ausdruck erfahren. So sind die Antragsteller in den bisherigen Kreistagssitzungen gemeinsam und mit übereinstimmender Willensbildung aufgetreten, wobei sich ihr Abstimmungsverhalten offenbar auch auf eine gleichgerichtete Strategie zurückführen lässt – vor allem auch um auf Ausschusssitze zugreifen zu können. Dafür, dass das Abstimmungsverhalten nur zufällig oder aus im vorliegenden Zusammenhang nicht anerkennenswerten Motiven gleichgerichtet war, sind greifbare Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Gerade die offenbar zielgerichtete Zusammenarbeit bei der Besetzung der Ausschüsse erscheint nur vor dem Hintergrund eines von den Antragstellern tatsächlich angestrebten nachhaltigen Zusammenwirkens sinnvoll.
36Auch sonst bietet das Verhalten der Antragsteller keinen Ansatz für begründete Zweifel an der Fraktionseigenschaft der Fraktion G. N1. Q. . Im Gegenteil: Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der bisherigen Aktivitäten der Antragsteller, wie sie insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 3. September und vom 10. November im Einzelnen geschildert worden sind (diverse gemeinsame Anschreiben und Anfragen an den Landrat, gemeinsam vorgenommene Ortsbesichtigungen, gemeinsame Anschreiben an die Bezirksregierung, Errichtung von regelmäßig zusammenkommenden, sich mit kommunalpolitischen Themen befassenden Arbeitskreisen sowie zahlreiche Fraktionssitzungen), spricht gegenwärtig alles dafür, dass die Antragsteller auch in Zukunft als Fraktion politisch zusammenarbeiten wollen.
372. Weiterhin haben die Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung entstünden ihnen wesentliche Nachteile im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen ist es den Antragstellern nicht zuzumuten, sie auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen.
38Solche wesentlichen, mit der Verweigerung der Zugestehung des Fraktionsstatus verbundenen Nachteile ergeben sich für die Antragsteller aus den verschiedenen kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, die bestimmte Teilhaberechte und Wahrnehmungskompe-tenzen Fraktionen, aber nicht Gruppen oder einzelnen Ratsmitgliedern zuweisen. So ist etwa gemäß § 32 Abs. 1 Satz 3 KrO NRW auf Verlangen einer Fraktion oder eines Fünftels der Kreistagsmitglieder der Kreistag unverzüglich einzuberufen und muss gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW der Landrat Vorschläge einer Fraktion oder eines Fünftels der Ratsmitglieder in die Tagesordnung der Kreistagssitzung aufnehmen. Weitere spezifische Befugnisse, die Fraktionen, nicht aber Gruppen oder einzelnen Ratsmitgliedern zustehen, ergeben sich aus §§ 26 Abs. 2 Satz 3, 41 Abs. 3 Satz 7, 41 Abs. 4 Satz 4, 41 Abs. 7 Sätze 1, 2, 4 und 5 KrO NRW.
39Die vorgenannten Regelungen stellen – gerade auch soweit sie selbst kleinen Fraktionen wie der von den Antragsteller gebildeten Möglichkeiten bieten, Kreistagssitzungen zu erzwingen und die Tagesordnung zu beeinflussen bzw. mitzubestimmen – wichtige Instrumente dar, um eigene politische Ziele zu verfolgen. Die kontroverse Erörterung und Entscheidung kommunaler Angelegenheiten in kommunalen Vertretungen sind wesentliche Elemente der Kommunalverwaltung. Damit würden die Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung in erheblicher Weise an der Ausübung der ihnen zustehenden, für die Willensbildung der Vertretung wesentlichen Mitwirkungsbefugnisse gehindert. Weitere erhebliche Nachteile ergeben sich für die Antragsteller – auch wenn insoweit formal der Landkreis in Anspruch zu nehmen wäre – aus dem Umstand, dass sie die höheren, Fraktionen zu den Aufwendungen für ihre Geschäftsführung zustehenden Zuwendungen nicht erhalten.
40Die angeführten Nachteile sind insgesamt für die Dauer eines etwaigen Hauptsacheverfahrens – auch mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit der materiellen Rechtslage – unzumutbar.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
42Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.