Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 28. Jan. 2015 - 15 A 2439/14
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
3Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und dabei die Klägerin ohne Rechtsfehler für beteiligtenfähig gemäß § 61 Nr. 2 VwGO gehalten. Hiergegen wendet der Beklagte nichts Durchgreifendes ein. Es geht vorliegend nicht um die Frage, wem das Recht auf Fraktionsbildung zusteht, sondern ob die Klägerin eine Fraktion ist.
92. Das Vorbringen des Beklagten, aus dem „Vorwahlverhalten“ der Mitglieder der Klägerin ergebe sich, dass ihr Zusammenschluss nicht nachhaltig auf ein gleichgerichtetes Zusammenwirken im Sinne der Rechtsprechung des Senats ausgerichtet sei,
10vgl. zu diesem für das Bestehen einer Fraktion i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW notwendigem Kriterium OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 15 B 279/13 -, juris,
11weshalb der Klägerin kein Fraktionsstatus i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW zukomme, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung.
12Zum einen geht aus der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Antragsbegründung nur vage hervor, worin das gegen die Fraktionsbildung im Sinne vorzitierter Vorschrift sprechende „Vorwahlverhalten“ der Mitglieder der Klägerin konkret liegen soll. Zum anderen hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass die bei den Mitgliedern der Klägerin festzustellende grundsätzliche politische Übereinstimmung durch ihr Verhalten im Wahlkampf und unmittelbar nach der Kommunalwahl 2014 nicht in Frage gestellt werde. Dass gerade kleinere, demselben politischen Spektrum zuzuordnende Parteien einen intensiven, um Abgrenzung und Profilierung bemühten und den direkten Konkurrenten u. U. auch hart angehenden Wahlkampf führen, ist politische Normalität und kann daher – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – bei späterer Gründung einer Fraktion nicht als Indiz für eine fehlende grundsätzliche politische Übereinstimmung herangezogen werden. Der Beklagte überbewertet das Verhalten der Mitglieder der Klägerin im Wahlkampf. Er nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass die Wählerklientel der hier in Rede stehenden Wahlvorschlagsträger klein und politisch weitgehend ähnlich ausgerichtet ist. Mit Blick auf den Mangel an inhaltlichen Abgrenzungskriterien haben die hinter den Mitgliedern der Klägerin stehenden Parteien durch die Art und Weise des Wahlkampfes auf die Wahlentscheidung ihres Wähler-klientels Einfluss zu nehmen versucht.
13Eine andere Beurteilung des Vorgangs ist auch nicht unter Berücksichtigung des Verhaltens des Ratsmitglieds L. am 18. Dezember 2013 angezeigt, als dieser persönlich Erklärungen über das Zurückziehen von Unterstützungsunterschriften für die Gruppierung „ “ übergab. Dieses weit vor der Kommunalwahl liegende Verhalten des Ratsmitglieds L. reicht nicht aus, um die aus der Gesamtschau der Indizien abzuleitende Fraktionseigenschaft der Klägerin i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW durchgreifend in Frage zu stellen.
14Dies gilt auch für den vom Beklagten in Bezug genommenen Umstand, das Ratsmitglied L. habe nach der Wahl noch andere Bündnismöglichkeiten ausgelotet, bevor er sich der Klägerin angeschlossen habe. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht hierin kein gegen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung der Mitglieder der Klägerin sprechendes Indiz gesehen, und zwar auch soweit das Ratsmitglied L. etwa Sympathien in Richtung der Fraktion geäußert haben soll. Es gehört vielmehr zu normalen politischen Geschehensabläufen, vor dem Abschluss von Fraktions- oder Koalitionsvereinbarungen verschiedene Bündnismöglichkeiten auszuloten. Dabei ist es – wie der Senat bereits an anderer Stelle festgestellt hat – kein wirklichkeitsfernes politisches Phänomen, dass selbst zwischen Vertretern gegensätzlicher extremer politischer Anschauungen in Wirklichkeit dennoch in vielen Fragen eine grundsätzliche politische Übereinstimmung besteht.
15OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 15 B 2713/04 -,
163. Der Beklagte geht ferner davon aus, dass die Aufstellung des „11-Punkte-Plans“ erst zur „zweiten“ Fraktionsgründung gegen die Ernsthaftigkeit des Zusammenschlusses der Klägerin spreche. Dem folgt der Senat nicht. Selbst wenn die Mitglieder der Klägerin mit diesem Plan auf die rechtlichen Vorhaltungen des Beklagten reagiert haben, liegt darin kein die Fraktionseigenschaft i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW ausschließender Umstand. Es entspricht vielmehr rechtsstaatlichen Grundsätzen, innerhalb eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens unter Berücksichtigung ggf. zu beachtender (gesetzlicher) Ausschlussfristen zu bestimmten, für den Ausgang des Verfahrens maßgeblichen Aspekten ergänzend und vertiefend vorzutragen bzw. solche Aspekte in das Verfahren einzuführen. Dies entspricht prinzipiell auch der Ansicht des Beklagten, wenn er in seinem Schreiben an die Klägerin vom 11. Juni 2014 ausführt, sie möge zu den erforderlichen übereinstimmenden Grundüberzeugungen substantiierend vortragen.
17Im Übrigen ist auf der Grundlage des Vorbringens des Beklagten nicht erkennbar, dass die im „11-Punkte-Plan“ festgehaltenen politischen Absichten dem Zusammenschluss der Mitglieder der Klägerin nicht von Anfang an zugrunde gelegen haben.
184. Weiterhin schlussfolgert der Beklagte aus den Umständen der „ersten“ Fraktionsgründung vom 3. Juni 2014 und der nachfolgenden „zweiten“ Fraktionsgründung vom 24. Juni 2014, dass dem Zusammenschluss der Klägerin die erforderliche Ernsthaftigkeit fehlt. Dieser Bewertung hat indes schon das Verwaltungsgericht zutreffend entgegen gehalten, dass der am 24. Juni 2014 vorgenommene „zweite“ Zusammenschluss lediglich eine formale Wiederholung des (ersten) Gründungsaktes am 3. Juni 2014 darstelle. Zweck der Wiederholung war, nunmehr in rechtlicher Hinsicht bedenkenfrei zu dokumentieren, dass der Zusammenschluss auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung erfolgte. Dass es sich dabei um ein bloßes Lippenbekenntnis handelte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die Wahlvorschlagsträger der Mitglieder der Klägerin gehören beide zum rechten Parteienspektrum und präsentieren sich inhaltlich weitgehend gleich.
195. Schließlich führt auch die Einschätzung des Beklagten, es ließen sich im Zeitraum von der Kommunalwahl bis heute keine die Fraktionseigenschaft der Klägerin hinreichend belegenden Umstände feststellen, nicht zur Zulassung der Berufung. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau ergibt sich, dass die Klägerin Fraktion i. S. v. § 56 Abs. 1 S. 1 GO NRW ist. Dies hat das Verwaltungsgericht überzeugend und in Übereinstimmung mit der jüngsten Rechtsprechung des Senats,
20vgl. Beschluss vom 12. Dezember 2014 – 15 B 1139/14 -, juris,
21im Einzelnen dargelegt. Für eine hiervon abweichende Würdigung des Sachverhalts besteht auch unter Berücksichtigung der letztlich nur die gegenteilige Auffassung zum Ausdruck bringenden Antragsbegründung des Beklagten kein Anlass.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
moreResultsText
Annotations
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.