Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 10. Nov. 2010 - 8 L 102/10
Gericht
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald – 7. Kammer – vom 08.04.2010 wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
- 1
Im vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren geht es um die Gültigkeit der am 20.05.2009 durchgeführten Wahl der beteiligten beim Antragsteller gebildeten Personalvertretung.
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Bei dieser Wahl hatte auf einer Liste ein Wahlbewerber kandidiert, der seit September 2007 als Busfahrer bei dem Antragsteller eingesetzt war und zwar auf der Grundlage eines Arbeitsnehmerüberlassungsvertrages als sogenannter Leiharbeitnehmer.
- 3
Der Antragsteller hat seine Wahlanfechtung darauf gestützt, dass der erwähnte Wahlbewerber nicht wählbar gewesen sei.
- 4
Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und hat durch Beschluss vom 08.04.2010 die Wahl für ungültig erklärt.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten.
- 6
Im Beschwerdeverfahren wird weiter in erster Linie über die Frage der Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern gestritten.
- 7
Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
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die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern und den Antrag abzulehnen.
- 9
Der Antragsteller beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
- 11
Beide Seiten haben durch Schriftsätze vom 23. und 27. September 2010 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde, über die mit Einwilligung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist (vgl. Beschluss des Senats vom 29.12.2008 – 8 L 129/07 -), ist begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist zu ändern und der Antrag abzulehnen. Die Wahlanfechtung ist unbegründet. Der Antragsteller rügt zu Unrecht, dass der erwähnte Leiharbeitnehmer nicht als Wahlbewerber hätte zugelassen werden dürfen.
- 14
In Mecklenburg-Vorpommern sind Leiharbeitnehmer, wenn sie in die Dienststelle des Entleihers eingegliedert sind, als (wahlberechtigte) Beschäftigte im Sinne des Personalvertretungsrechts anzusehen.
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Für die rechtliche Beurteilung ist im vorliegenden Wahlanfechtungsverfahren von § 18 Abs. 1 Satz 1 PersVG M-V auszugehen. Danach ist die Wahl anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden ist. Zu den Vorschriften über das Wahlrecht gehören die §§ 11 und 12 PersVG M-V, die die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit regeln. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PersVG M-V sind alle Beschäftigten der Dienststelle wählbar, soweit weitere Voraussetzungen vorliegen, um die es im vorliegenden Verfahren aber nicht geht. Die Wählbarkeit setzt – wie sich aus § 12 Abs. 1 PersVG M-V ergibt – die Wahlberechtigung voraus. Dies bedeutet, dass es auch für die Wählbarkeit darauf ankommt, „Beschäftigter“ zu sein.
- 16
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PersVG M-V sind Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes die Beamten, Angestellten und Arbeiter der in § 1 bezeichneten Träger der öffentlichen Verwaltung einschließlich der in der Ausbildung befindlichen Personen. Nach der tarifrechtlichen Vereinheitlichung der Begriffe „Angestellter“ und „Arbeiter“ sind damit auch personalvertretungsrechtlich „Arbeitnehmer“ gemeint (vgl. Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V K § 4 Rn. 1a). Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, dass der Arbeitnehmer in die Dienststelle eingegliedert ist und dort an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirkt. Dabei ist die Eingliederung geprägt durch das Weisungsrecht der Dienststelle, dem eine entsprechende Weisungsgebundenheit des Beschäftigten gegenübersteht (vgl. Beschluss des Senats vom 29.11.2006 – 8 L 426/05 -, m.w.N.). Unter der Voraussetzung einer derartigen Integration in die Dienststelle sind auch Leiharbeitnehmer als Beschäftigte im Sinne von § 3 Abs. 1 PersVG M-V anzusehen. Zwar wird zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher kein eigenständiger Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der für die Bejahung der Beschäftigteneigenschaft erforderliche Mindesttatbestand an arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Entleiher ist aber trotzdem gegeben. Auf Grund des zwischen Ver- und Entleiher geschlossenen Vertrages werden dem Entleiher Arbeitgeberrechte eingeräumt, insbesondere ein Weisungsrecht gegenüber dem Leiharbeitnehmer und korrespondierend eine Weisungsgebundenheit des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Entleiher (vgl. Vogelgesang u.a. LPVG M-V § 3 Rn. 42).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 14 AÜG. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 sind Leiharbeitnehmer bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Die Bestimmung gilt für die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes sinngemäß (vgl. § 14 Abs. 4 AÜG). Kraft dieser ausdrücklichen gesetzlichen Regelung sind bei Bundesbehörden eingesetzte Leiharbeitnehmer in diesen Dienststellen nicht wählbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.09.1995 – 6 P 9/73 -, Rn. 22, zitiert nach juris). Dass bei Landesbehörden eingesetzte Leiharbeitnehmer dort nicht zur Personalvertretung wählbar wären, ist aber der zitierten Entscheidung nicht zu entnehmen. Diese Frage richtet sich ausschließlich nach dem maßgeblichen Landesrecht, d. h. für Mecklenburg-Vorpommern nach den bereits genannten allgemeinen Vorschriften der §§ 3, 11, 12 PersVG M-V; denn eine der Regelung des § 14 Abs. 4 AÜG entsprechende Spezialnorm gibt es für das Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht.
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Für das vorliegende Wahlanfechtungsverfahren bedeutet dies, dass ein Verstoß gegen Vorschriften über das Wahlrecht nicht festzustellen ist. Der Leiharbeitnehmer, um den es hier geht, war wählbar. Er war seit mehr als einem Jahr im Sinne der maßgeblichen Vorschriften „Beschäftigter“ des Antragstellers. Dem Vortrag des Beteiligten über die Eingliederung des Leiharbeitnehmers in die Dienststelle ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Er verweist lediglich auf die fehlenden direkten vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer, worauf es aber – wie ausgeführt – nicht entscheidend ankommt.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von §§ 87 Abs. 2 PersVG M-V, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen.
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Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren (vgl. Beschluss des Senats vom 29.11.2006, a.a.O.).
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Annotations
(1) Leiharbeitnehmer bleiben auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers.
(2) Leiharbeitnehmer sind bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat im Entleiherunternehmen und bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb nicht wählbar. Sie sind berechtigt, die Sprechstunden dieser Arbeitnehmervertretungen aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen im Entleiherbetrieb teilzunehmen. Die §§ 81, 82 Abs. 1 und die §§ 84 bis 86 des Betriebsverfassungsgesetzes gelten im Entleiherbetrieb auch in bezug auf die dort tätigen Leiharbeitnehmer. Soweit Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ausnahme des § 112a, des Europäische Betriebsräte-Gesetzes oder der auf Grund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen. Soweit Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes, des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes, des Drittelbeteiligungsgesetzes, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung, des SE- und des SCE-Beteiligungsgesetzes oder der auf Grund der jeweiligen Gesetze erlassenen Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern voraussetzen, sind Leiharbeitnehmer auch im Entleiherunternehmen zu berücksichtigen. Soweit die Anwendung der in Satz 5 genannten Gesetze eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.
(3) Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes zu beteiligen. Dabei hat der Entleiher dem Betriebsrat auch die schriftliche Erklärung des Verleihers nach § 12 Absatz 1 Satz 3 vorzulegen. Er ist ferner verpflichtet, Mitteilungen des Verleihers nach § 12 Abs. 2 unverzüglich dem Betriebsrat bekanntzugeben.
(4) Die Absätze 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie Absatz 3 gelten für die Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes sinngemäß.