Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 03. Feb. 2010 - 2 L 117/05
Gericht
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über eine Teilbefreiung der Klägerin vom Benutzungszwang für Trinkwasser.
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Die Klägerin betreibt als landwirtschaftlicher Betrieb im Einzugsbereich des Beklagten auf rund 1280 ha Feldwirtschaft und Rinderhaltung mit etwa 1.200 Tieren. Sie beabsichtigt, ihre Rinder über selbstgefördertes Brunnenwasser zu tränken. Mit Schreiben vom 09. März 2001 beantragte sie die Teilbefreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang von der Versorgung mit Brauchwasser "zur Durchführung einer weiteren Probebohrung". Eine zwischenzeitlich durchgeführte Probebohrung war erfolgreich.
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Der Funktionsvorgänger des Beklagten, der Amtsvorsteher des Amtes L., lehnte den Antrag "zur Teilbefreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Brauchwasserversorgung Ihrer Stallanlage" mit Bescheid vom 14. März 2001 ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin 43% des Trinkwassers des Wasserwerkes S. abnehme. Eine Befreiung mache es erforderlich, dass das Wasserwerk und die Versorgungsleitung zurückgebaut werden müssten, um die Trinkwasserqualität zu erhalten. Gebührenerhöhungen für die verbleibenden Nutzer seien die Folge.
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Den Widerspruch der Klägerin wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001 unter Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Ergänzend wurde ausgeführt, dass eine Befreiung der Klägerin Folgeanträge anderer landwirtschaftlicher Betriebe, die im gesamten Versorgungsgebiet ca. 25% des Trinkwassers abnähmen, zur Folge haben könne.
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Mit ihrer am 19. Oktober 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr sei als landwirtschaftlicher Betrieb entsprechend § 3 Abs. 1 AVBWasserV im Rahmen des öffentlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Brauchwasserbezug zu beschränken. Eine Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungszwang sei zu gestatten, wenn die Befreiung für den Beklagten wirtschaftlich zumutbar sei. Eine Ablehnung des Befreiungsantrags komme nur dann in Betracht, wenn andernfalls die öffentliche Trinkwasserversorgung nicht mehr aufrechterhalten werden könne, weil eine unerträgliche Erhöhung des Wasserpreises die Folge wäre. Dies sei erst dann der Fall, wenn eine Erhöhung um mehr als die Hälfte des bisherigen Preises erfolgen müsse. In der Gebührenkalkulation des Beklagten, die den Trinkwassergebühren zugrunde liege, sei auch für gegebenenfalls erforderliche Rückbaukosten durch die Bildung von Rücklagen Vorsorge getroffen worden. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Klägerin von dem Benutzungszwang teilweise befreit werde oder die Viehhaltung an diesem Standort einstelle.
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Nach einer Fusion der Ämter L. und K. ist mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 29. April 2004 die Aufgabe der Trinkwasserversorgung auf die Gemeinde L. übertragen worden. Der Vertrag ist von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt worden. Zugleich hat sie die Fortgeltung der Wasserversorgungssatzung vom 29. November 2001 des Amtes L. (WVS 2001) als Satzung der Gemeinde L. bis längstens 30. Juni 2005 verfügt.
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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Unter Zugrundelegung der damaligen Annahme, dass die Klägerin über eine 200er-Asbestzement(Az)-Leitung, die weiter zu den Ortsteilen T., Neu Z. und D. führe, mit Trinkwasser versorgt werde, trug er vor, in Folge einer Befreiung der Klägerin vom Benutzungszwang erhöhe sich die Durchlaufzeit in der Leitung auf 13,5 Tage. Der damit einhergehenden Gesundheitsgefährdung für die Abnehmer könne nur mit einem Umbau des Wasserwerks und der Neuverlegung von Rohrleitungen begegnet werden. Bei Teilbefreiung sämtlicher landwirtschaftlicher Betriebe im Versorgungsbereich würde sich insgesamt der Trinkwasserpreis von 2,60 DM/cbm netto auf 3,93 DM/cbm erhöhen. Damit wäre eine beinahe 50%-ige Steigerung erreicht, die für die Abnehmer unerträglich hoch sei und in keiner Weise der Gebührenstruktur in der Region entspräche.
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Mit dem von dem Beklagten angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, die Klägerin von dem Zwang zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage hinsichtlich des für den landwirtschaftlichen Betrieb benötigten Brauchwassers zu befreien. Gestützt auf die damalige Regelung des § 6 Abs. 2 WVS 2001 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Behörde durch die Regelung kein Ermessen eingeräumt werde. Den unbestimmten Rechtsbegriff der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit hat es dahingehend ausgelegt, dass eine Unerträglichkeit im Einzelfall bei einer Erhöhung des Netto-Wasserbezugs-Preises von 1,38 EUR auf 1,71 EUR, also um knapp 24% noch lange nicht angenommen werden könne. Eine Erhöhung der Trinkwasseraufenthaltszeiten sei differenziert zu betrachten. Die Überdimensionierung der Hauptleitung bis zu den Ortsteilen T., D. und Neu Z., die nach der Entnahmestelle des klägerischen Betriebs versorgt werden würden - so der damals zugrunde gelegte Sachverhalt -, führe schon ohne die Befreiung der Klägerin zu einem Verbleibezeitraum des Trinkwassers in der Versorgungsleitung von deutlich über 8 Tagen und könne weder in die Kostenberechnung in Folge einer Befreiung der Klägerin vom Benutzungszwang eingerechnet, noch sonst der Klägerin angelastet werden. Folgeanträge anderer landwirtschaftlicher Betriebe seien nicht hinreichend wahrscheinlich.
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Das Urteil ist dem Beklagten am 09. Februar 2005 zugestellt worden. Auf den am 09. März 2005 eingelegten und am 08. April 2005 begründeten Zulassungsantrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 02. Juli 2008 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die sich insbesondere im Hinblick auf die vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 11.04.1986 - 7 C 59.83 -, NVwZ 1986, 754 f.) genannten Kriterien einer Unzumutbarkeit der Befreiung vom Benutzungszwang ergaben, zugelassen.
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Nach Vorlage eines Übersichtsplans "Gruppenwasserversorgung S." und ergänzenden Ausführungen des Beklagten im Berufungsverfahren erfolgt die Wasserversorgung der Ortsteile T., Neu Z. und D. - in Abweichung zu dem erstinstanzlich zugrundegelegten Sachverhalt - über eine gesonderte 200er-Az-Leitung. Die Klägerin wird über eine vom Wasserwerk S. durch das Dorf führende 100er-Az-Leitung versorgt. Die Rohrleitung DIN 100 ist vom Wasserwerk bis zur Einmündung Dorfplatz 341 m lang, hat einen Rohrinhalt von 2.728 l und versorgt 24 Abnehmer. Bei einem für das Versorgungsgebiet durchschnittlichen Bedarfswert von 137 l/E/d errechnet sich auf diesem Teilstück ein Tagesverbrauch von 3.288 l. Der sich anschließende Leitungsstrang bis zum Übergabeschacht der Klägerin ist 712 m lang und hat einen Rohrinhalt von 5.696 l.
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Der Beklagte macht im Berufungsverfahren geltend, die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 09. März 2001 lediglich die Teilbefreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zur Durchführung einer Probebohrung begehrt. Sie verfolge jedoch mit der zugrundeliegenden Verpflichtungsklage die generelle Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Brauchwasser zum Betrieb ihres Brunnens. Es fehle damit an der erforderlichen Durchführung eines Vorverfahrens. Das Verwaltungsgericht habe die mit einer Teilbefreiung verbundenen Gesundheitsgefährdungen nicht berücksichtigt. So sei bereits fraglich, ob die Klägerin eine wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Betrieb eines eigenen Brunnens für die Nahrungsmittelproduktion erhalte. Darüber hinaus führe eine Teilbefreiung der Klägerin vom Anschluss- und Benutzungszwang zu hygienisch nicht zu vertretenden Bedingungen. Der Wasseraustausch bezogen auf die 100er-Az-Leitung, die vom Wasserwerk S. durch das Dorf führend 24 Abnehmer versorge, würde sich bei einem Tageswasserverbrauch der Klägerin unter Zugrundelegung einer Abnahme von 548 l/d (bezogen auf 4 Personen) auf 10,4 Tage belaufen. Bisher habe die Klägerin 20.075 cbm Trinkwasser jährlich abgenommen; der Durchsatz verringere sich damit um 90 %. Der Querschnitt der Versorgungsleitung wäre zur Herstellung hygienischer Bedingungen zu verringern, das Wasserwerk anzupassen. Außerdem sei die wirtschaftliche Unzumutbarkeit für das Versorgungsunternehmen durch das Verwaltungsgericht verkannt worden. Bereits ein "Abschlagen" nicht benötigten Wassers zur Erhöhung des Durchflusses sei unwirtschaftlich und verstieße gegen die Verpflichtung zum Schutz von Grundwasserressourcen nach § 44 LWG. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Beklagte im Vertrauen auf die Vollversorgung aller Anschlusspflichtigen die Anlage ausgebaut habe. Unter Inanspruchnahme von öffentlichen Zuwendungen in Höhe von 680.018,20 Euro sei unter anderem die Trinkwasserversorgung in L. erweitert und das Wasserwerk in S. umgebaut worden. Die Klägerin sei aus demselben Grund nicht schutzwürdig. Außerdem sei die Steigerung des Trinkwasserpreises bei Befreiung sämtlicher landwirtschaftlicher Betriebe im Versorgungsgebiet, nach den damaligen Preisen um fast 50%, für die verbleibenden Abnehmer unerträglich hoch und entspreche nicht mehr der Gebührenstruktur im mittleren Teil Mecklenburg-Vorpommerns. Aber auch die Steigerung des Wasserpreises um 25%, die sich aus der Teilbefreiung der Klägerin einschließlich aller Mehrbelastungen für den Beklagten ergäbe, führe dazu, dass der Wasserpreis des Beklagten um diesen Anteil die Preise des Umlandes überstiege. Dies würde erhebliche Nachteile für die Ansiedlungspolitik des Beklagten zur Folge haben.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 28. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie macht geltend: Ein Vorverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Bereits mit dem Ablehnungsbescheid vom 14. März 2001 sei der Befreiungsantrag der Klägerin zutreffend als Antrag auf Teilbefreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Brauchwasserversorgung nicht nur zur Durchführung einer Probebohrung, für die es keiner Befreiung bedürfe, ausgelegt worden. Auch der Widerspruchsbescheid umfasse dieses Begehren. Im Übrigen schließt sie sich der Begründung des erstinstanzlichen Urteils, insbesondere zur wirtschaftlichen Zumutbarkeit an und vertieft: Die von ihr begehrte Teilbefreiung könne nicht kausal zu einer Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung in den Ortschaften T., D. und Neu-Z. führen, weil die Wasserleitung - wie sich nunmehr gezeigt habe - an der Hofstelle der Klägerin ende. Zudem führe zu ihrem Betrieb nur eine 100er-Az-Versorgungsleitung. Der Beklagte nehme mit der Wasserführung über die gesondert verlaufende 200er-Az-Leitung über 6 km zu den wenigen Abnehmern in den auswärtigen Ortschaften eine erheblich höhere Verweildauer des Trinkwassers in der Wasserleitung in Kauf. Auch die Klägerin sei in der Lage, einen Brunnen mit angemessener Brauchwasserqualität zu betreiben. Dem Beklagten sei bereits seit Anfang 2001 bekannt gewesen, dass die Klägerin die Teilversorgung über einen eigenen Brunnen beabsichtigte. Hierauf habe er sich durch Änderung des bis dahin nicht beschiedenen Fördermittelantrags einstellen können. Darüber hinaus umfasse der Zuwendungsbescheid vom 18. Mai 2001 nach seinem Zuwendungszweck nicht lediglich den Umbau des Wasserwerkes S., sondern außerdem die Erweiterung des Wasserwerks L. und der Anschlüsse Gremmelin und Reinshagen. Die Instandsetzung des Wasserwerks S. sei ausweislich des Zuwendungsbescheides und der zugrundeliegenden Entwurfs- und Genehmigungsplanung dadurch gekennzeichnet, dass korrodierte Ausrüstungen, zwei Reinwasserbehälter und Verbindungsleitungen ausgewechselt werden sollten. Zusätzlich sollte durch Umzäunung und Herstellung von Außenanlagen die Sicherheit des Wasserwerks S. erhöht werden. Alte Wassererfassungen sollten stillgelegt werden. Die Annahme des Beklagten, der Tageswasserverbrauch der Klägerin sei einem 4-Personenhaushalt gleichzustellen, gehe fehl. Die Klägerin würde mit 17 Nutzern voraussichtlich 2.329 l/d Wasser täglich verbrauchen. Damit würde ein Wasseraustausch in der bestehenden Leitung nach 2,5 Tagen erreicht werden, der hygienisch unproblematisch sei. Eine Steigerung des Wasserpreises um 24 % sei nicht wirtschaftlich unzumutbar. Hinzu komme, dass nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, ohnehin Verschiebungen der Preisstruktur erfolgt seien, die zu einer geringeren Steigerung der Preise führten. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass damit zugleich um denselben Prozentsatz die Preise der Wasserversorgung im Umkreis überschritten würden. Folgeanträge anderer landwirtschaftlicher Betriebe seien schon wegen der Höhe der Kosten für die Errichtung eines Brunnens, die sich auf etwa 30.000 EUR beliefen, nicht hinreichend wahrscheinlich. Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung stünden dem Begehren der Klägerin damit weder Gründe der Volksgesundheit noch der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit entgegen.
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Zwischenzeitlich ist die "Wasserversorgungssatzung der Gemeinde L. für das Gebiet der Gemeinden L. und Langenhagen (WVS)" vom 27. Oktober 2008 (WVS 2008) in Kraft getreten. Deren § 6 "Befreiung vom Anschluss oder Benutzungszwang" lautet auszugsweise:
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(1) Von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung kann auf Antrag des Grundstückseigentümers ganz oder zum Teil befreit werden, wenn einerseits für den Grundstückseigentümer der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist und andererseits der Befreiung dringende öffentliche Bedürfnisse, insbesondere die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Befreiung für den Versorgungsbetrieb, nicht entgegenstehen.
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(2) Über die Befreiungsanträge wird nach pflichtgemäßen Ermessen und unter besonderer Berücksichtigung des Allgemeinwohls, insbesondere einer wirtschaftlichen Wasserversorgung entschieden.
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Ein Meditationsverfahren ist erfolglos durchgeführt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung vom Benutzungszwang der öffentlichen Wasserversorgungsanlage hinsichtlich des für ihren landwirtschaftlichen Betrieb benötigten Brauchwassers zum Tränken der Tiere und Reinigung der Stallanlage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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I. Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig, insbesondere stehen die §§ 68 ff. VwGO nicht entgegen. Bereits dem Antrag der Klägerin vom 9. März 2001 ist - trotz des Zusatzes "zur Durchführung einer weiteren Probebohrung" - ein Begehrten auf dauerhafte Befreiung vom Benutzungszwang für das für die Tiertränke und die Stallreinigung benötigte Brauchwasser zu entnehmen. Dies ergibt sich bei Zugrundelegung des erforderlichen Auslegungsmaßstabs des objektiven Empfängerhorizonts aus dem eindeutigen Betreff des Antragsschreibens, der Formulierung, "bitten wir um eine Teilbefreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang von der Versorgung mit Brauchwasser" wie auch daraus, dass für eine Probebohrung eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nicht erforderlich ist. Der Beklagte legte diese Sichtweise auch seinem Bescheid vom 14. März 2001 zugrunde. Sämtliche Ausführungen in dem Verwaltungsakt beziehen sich auf ein dauerhaftes Befreiungsbegehren. Dementsprechend hat die Klägerin auch ihr Widerspruchsbegehren mit Schreiben vom 9. April 2001 i.S. eines umfassenden Rechtsschutzziels formuliert. Nichts anderes gilt für die ausdrückliche Tenorierung im Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001. Letztlich hat sich der Beklagte mit seiner Klagerwiderung vorbehaltlos auf das umfassende Klagbegehren eingelassen und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er dem Begehren der Klägerin nicht abhelfen will, so dass auch aus prozessökonomischen Gründen die Durchführung eines förmlichen Vorverfahrens hier entbehrlich wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, zit. nach juris Rn. 9).
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Unerheblich ist, ob die Klägerin zum Betrieb ihres Brunnens einer wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung bedarf und eine solche auch erhält. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Klägerin nach § 33 Abs. 1 Satz 1 WHG aus ihrem Brunnen gefördertes Wasser für einen landwirtschaftlichen Hofbetrieb im Sinne der Vorschrift erlaubnisfrei nutzen darf. Selbst wenn die Klägerin eine wasserrechtliche Genehmigung benötigen sollte, eine solche Zulassung jedoch nicht erhielte, würde sie die Beschränkung ihrer Benutzungspflicht lediglich nicht in Anspruch nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.04.1988 - 7 B 54/88 - zit. nach juris Rn. 3). Auch eine ggf. erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis wäre für die Klägerin ohne Nutzen, wenn sie die hier im Streit befindliche Befreiung vom Benutzungszwang nicht erhielte. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin unter keinen Umständen berechtigt sein wird, selbstgefördertes Brunnenwasser zu dem angegebenen Zweck zu verwenden, so dass ihr allgemeines Rechtsschutzbedürfnis entfallen würde, bestehen - auch angesichts der bei den Akten befindlichen Schreiben der unteren Wasserbehörde - nicht. Besondere Vorschriften, die für die Viehtränke und erst recht die Stallreinigung Wasser in Trinkwasserqualität verlangen, sind nicht ersichtlich (vgl. VGH München, Urt. v. 26.04.2007 - 4 B 05.579 -, zit. nach juris Rn. 25).
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II. Die Klage ist auch begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Teilbefreiung vom Benutzungszwang für Trinkwasser; insbesondere ist die Befreiung für den Beklagten wirtschaftlich zumutbar.
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Das Befreiungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und damit einer Teilbefreiung zugänglich. Die Klägerin hat die Teilbefreiung vom Trinkwasserbezug hinsichtlich des Brauchwassers beantragt, das sie zum Tränken der Tiere und für die Stallreinigung auf ihrem landwirtschaftlichen Hof benötigt. Zusätzlich hat sie sich in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Beklagten verpflichtet, für den Fall der Befreiung 5.000 cbm Trinkwasser/jährlich abzunehmen.
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1. Anspruchsgrundlage für die begehrte Befreiung ist § 6 WVS 2008.
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Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei der Entscheidung über Verpflichtungs- und Bescheidungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.06.2003 - 4 B 14/03 -, zit. nach juris Rn. 9, m.w.N.). So ist mangels einer abweichenden materiellrechtlichen Regelung auch hier auf die aktuelle Wasserversorgungssatzung abzustellen.
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Nach § 6 Abs. 1 WVS 2008 kann auf Antrag des Grundstückseigentümers ganz oder zum Teil von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung befreit werden, wenn einerseits für den Grundstückseigentümer der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist und andererseits der Befreiung dringende öffentliche Bedürfnisse, insbesondere die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Befreiung für den Versorgungsbetrieb, nicht entgegenstehen. Nach § 6 Abs. 2 WVS 2008 wird nach pflichtgemäßem Ermessen und unter besonderer Berücksichtigung des Allgemeinwohls, insbesondere einer wirtschaftlichen Wasserversorgung über Befreiungsanträge entschieden. § 6 Abs. 3 Satz 2 WVS 2008 schließlich eröffnet die Befugnis, die Befreiung befristet, unter Bedingungen, Auflagen und Widerrufsvorbehalt zu erteilen.
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2. Die angefochtene Ablehnung des Befreiungsantrags der Klägerin widerspricht diesen entsprechend höherrangigem Bundesrecht auszulegenden Rechtsvorschriften.
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Die Wasserversorgungssatzung des Beklagten beruht auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 KV MV. Hiernach kann die Gemeinde für die Grundstücke ihres Gebiets durch Satzung den Anschluss u.a. an die Wasserversorgung und die Benutzung dieser Einrichtungen vorschreiben, wenn ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür besteht. Ein dringendes öffentliches Bedürfnis kann danach nicht ausschließlich mit der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung begründet werden. Nach § 15 Abs. 2 KV MV kann die Satzung Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang vorsehen. Hiervon hat der Beklagte durch die grundsätzliche Normierung eines Anschluss- und Benutzungszwangs mit Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 WVS 2008 Gebrauch gemacht. § 6 Abs. 1 sieht auf tatbestandlicher Ebene die Befreiung auch vom Benutzungszwang vor, wenn dringende öffentliche Bedürfnisse, insbesondere die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Befreiung für den Versorgungsbetrieb nicht entgegenstehen. Damit wird zugleich dem Freistellungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 AVBWasserV Rechnung getragen. § 3 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV schreibt vor, dass das Wasserversorgungsunternehmen dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen hat, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Entsprechendes gilt nach § 35 Abs. 1 AVBWasserV auch für öffentlich-rechtliche Versorgungsverhältnisse.
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a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die in § 6 Abs. 1 WVS 2008 geregelte Voraussetzung, dass die Benutzung dem Grundstückseigentümer aus besonderen Gründen nicht zumutbar sein darf, mit höherrangigem Recht, insbesondere mit den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 35 AVBWasserV vereinbar ist, wogegen einiges spricht. Denn mit Rücksicht auf die Kostenersparnis, die sich für die Klägerin aus der Nutzung des eigenen Brunnens ergibt, ist diese Voraussetzung hier jedenfalls erfüllt und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
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b) Die begehrte Befreiung vom Brauchwasserbezug ist für den Beklagten nicht wirtschaftlich unzumutbar.
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Wirtschaftlich unzumutbar i.S. des § 3 Abs. 1 AVBWasserV ist jedenfalls eine Befreiung vom Benutzungszwang, die zu für den Verbraucher nicht mehr tragbaren Wasserpreisen führen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986 - 7 C 50/ 83 -, zit. nach juris Rn. 13). Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass § 3 Abs. 1 AVBWasserV einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einer stabilen und kostengünstigen Wasserversorgung und den Individualinteressen des Grundstückseigentümers herstellen soll. Dementsprechend liegt ein dringendes öffentliches Bedürfnis für den Zwang zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung dann vor, wenn die Trinkwasserversorgung selbst davon abhängt, weil etwa nur auf diese Weise die erforderlichen Durchsatzmengen gewährleistet bleiben oder andernfalls die finanziellen Kapazitäten des Wasserversorgers überschritten werden und eine Wasserversorgung der Allgemeinheit zu erträglichen Preisen nicht mehr möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.04.1986, a.a.O. Rn. 11). Insoweit kommt es auf die wirtschaftliche Leistungskraft des Wasserversorgers und auf das Verhältnis des infolge der Befreiung zu erwartenden Wasserpreises zum bisherigen Preisniveau an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.05.1988 - 7 B 84/88 -, zit. nach juris Rn. 6; VGH Mannheim, Urt. v. 28.05.2009 - 1 S 1173/08 -, zit. nach juris Rn. 41). Den Träger der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung trifft insoweit die Darlegungslast (VGH München, Urt. v. 26.04.2007 - 4 B 05.579 -, zit. nach juris Rn. 27; OVG Koblenz, Urt. v. 30.05.1995 - 7 A 12843/94 -, zit. nach juris Rn. 32).
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aa) Eine hygienisch unvertretbare Durchsatzmenge infolge einer Befreiung der Klägerin vom Brauchwasserbezug kann nicht angenommen werden.
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Soweit der Beklagte vorgetragen hat, dass die Trinkwasserqualität in den Ortsteilen T., D. und Neu Z. infolge einer Befreiung der Klägerin vom Benutzungszwang leide, lässt sich dieser Vortrag nach dem im Berufungsverfahren offenbar gewordenen Leitungsverlauf nicht mehr nachvollziehen. Die Klägerin wird ausweislich des vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Leitungsplans über eine vom Wasserwerk S. durch den Ort verlaufende 100er-Az-Leitung versorgt. Sie ist letzter Abnehmer an dieser Leitung. Die benannten Ortschaften in einigen Kilometern Entfernung werden über eine gesondert vom Wasserwerk aus geführte 200er-Az-Leitung beliefert. Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität in den entfernter gelegenen Ortschaften aufgrund einer Verringerung der Fließgeschwindigkeit in der die Klägerin versorgenden Leitung sind daher nicht ersichtlich.
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Auch führt die begehrte Befreiung der Klägerin nicht zu hygienisch unverträglichen Bedingungen der Trinkwasserversorgung in der Ortschaft S.. Ausweislich der Entwurfs- und Bedarfsplanung, die dem Antrag auf Bewilligung von Fördermitteln u.a. für den Umbau des Wasserwerks S. zugrunde lag, besteht im Versorgungsbereich des Wasserwerks unter Abzug des Bedarfs für landwirtschaftliche Betriebe ein spezifischer Bedarfswert pro Einwohner von 137 l/d. Unter Zugrundelegung der klägerischen Angaben, dass auf ihrem Hof 17 Personen zu versorgen sind, ergibt sich daraus ein spezifischer Bedarf der Klägerin an Trinkwasser allein für diese Personen von 2329 l/d. Nach den Angaben des Beklagten zum Rohrinhalt der Versorgungsleitung bis zur Abnahmestelle der Klägerin beträgt dieser vom Wasserwerk bis zur Einmündung der Straße Dorfplatz, wo sich die letzten Abnehmer im Dorf befinden, 2728 l und weiter bis zum Übergabeschacht an dem klägerischen Grundstück nochmals 5596 l. Allein die Abnahme von Trinkwasser für die auf dem Hof wohnenden Familienangehörigen des Klägers und die 14 Mitarbeiter, die aufgrund des Einsatzes in der Nahrungsmittelproduktion einen erhöhten Wasserbedarf haben, führt zu einem Wasseraustausch nach 2,4 Tagen auf einer Rohrlänge von 712 m nach dem letzten Abnehmer im Dorf. Nach den rechtlich unverbindlichen Empfehlungen im Arbeitsblatt des Deutschen Verbandes des Gas- und Wasserfachs, Technische Regel, Arbeitsblatt W 400-1 S. 39, das als Richtwert empfiehlt, Fließgeschwindigkeiten von 432 m/d nicht zu unterschreiten, wäre damit zwar der auf einer solchen Streckenlänge empfohlene Wasseraustausch nach 1,65 Tagen überschritten. Dass sich dadurch Trübungen und Verfärbungen, Geschmacksbeeinträchtigungen, Ablagerungen oder Verkeimungen im Einzelfall ergeben können - dies dürfte insbesondere auch von dem Zustand der Rohre, der Verlegungstiefe, der Wasserqualität und weiterer Standortfaktoren abhängen - ist schon nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr stellt sich die Trinkwasserqualität nach einem Untersuchungsbericht der Aqua Service Schwerin von Ende 2001 als einwandfrei dar. In dem Bericht heißt es ausdrücklich, dass die entnommenen chemisch-mikrobiologischen Wasserproben sowohl im Wasserwerksausgang wie auch bei Ankunft im landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechen. Dass ggf. ungünstigen Veränderungen der Trinkwasserqualität durch eine höhere Verweildauer des Wassers in der Versorgungsleitung bis zur Abnahmestelle der Klägerin nicht auch auf anderem (verhältnismäßigem) Wege, insbesondere durch eine Reduzierung des Leitungsquerschnitts auf dem Teilstück nach dem letzten Abnehmer im Dorf begegnet werden könnte, ist nicht ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht behauptet. Da schon bei einer Abnahme von 3500 l/d durch die Klägerin exakt die Richtwerte des DVGW zur Fließgeschwindigkeit eingehalten würden, ist dem ohne jegliche Substantiierung durch den Beklagten von diesem aufrechterhaltenen Vortrag bei einer Abnahme von 5000 cbm jährlich nicht weiter nachzugehen.
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bb) Die Befreiung der Klägerin führt auch nicht zu einer unerträglichen Erhöhung der Verbrauchsgebühr für Trinkwasser.
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Auf der Grundlage der Ausführungen des Beklagten stünde allenfalls eine Erhöhung der Verbrauchsgebühr um 24 % in Rede.
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Dass weitere oder gar sämtliche landwirtschaftliche Betriebe im Einzugsbereich des Beklagten gleichfalls Ansprüche auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang geltend machen, ist nicht hinreichend wahrscheinlich dargetan. Zwar ist der Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung gehalten, auch Folgeanträge in die Betrachtung mit einzubeziehen. Es ist aber erforderlich, dass solche Anträge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit absehbar sein müssen (VGH Mannheim, Urt. v. 28.05.2009 -1 S 1173/08 -, zit. nach juris Rn. 38 m.w.N.). Dafür ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nichts ersichtlich. Auch das Berufungsvorbringen gibt dafür nicht mehr her.
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Im Übrigen bestünde bereits satzungsrechtlich für den Beklagten die Möglichkeit, sich für den Fall der Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze in der Zukunft, Handlungsspielräume offen zu halten, indem die Befreiung vom Benutzungszwang gemäß § 6 Abs. 3 WVS 2008 mit einer Nebenbestimmung, insbesondere einem Widerrufsvorbehalt versehen werden kann (VGH München, Urt. v. 26.04.2007 - 4 B 05.579 -, zit. nach juris Rn. 29)
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Die Verbrauchsgebühr beträgt ausweislich der aktuellen Trinkwassergebührensatzung des Beklagten 1,43 EUR (brutto). Selbst bei einer Erhöhung um 24 % - so sie denn durch die Befreiung der Klägerin vom Benutzungszwang überhaupt erforderlich würde - beliefe sich der Wasserpreis auf 1,77 EUR. Damit würden nicht einmal die Mengengebühren der im Wesentlichen im Landkreis Güstrow versorgenden Wasserverbände in Höhe von 1,80 EUR (WAZ Güstrow-Bützow-Sternberg) und 1,98 EUR (Warnow-Wasser- und Abwasserzweckverband) erreicht.
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Es kommt damit ersichtlich nicht darauf an, was im Rahmen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit einzustellen wäre, ob einer wirtschaftlich unzumutbaren Erhöhung der Verbrauchsgebühr nicht ggf. durch einen Ausgleich des Wasserpreises im Rahmen ordnungsgemäßer Kalkulation mittels Verschiebung des Verhältnisses zwischen Grund- und Verbrauchsgebühr zu begegnen wäre (vgl. VGH München, Urt. v. 26.04.2007 - 4 B 05.579 -, zit. nach juris Rn. 32).
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cc) Schließlich verhilft auch das Vorbringen des Beklagten, es seien im Vertrauen auf den Wasserversorgungsbedarf der Klägerin subventionierte Investitionen in die Erweiterung des Wasserversorgungswerks S. getätigt worden, nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Vertrauensschutz über § 242 BGB analog angesichts des Freistellungsanspruchs aus §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 AVBWasserV überhaupt Berücksichtigung finden kann. Denn der Fördermittelbescheid, auf den der Beklagte in diesem Zusammenhang verweist, ist erst unter dem 18. Mai 2001, also zeitlich nach dem von der Klägerin gestellten Teilbefreiungsantrag ergangen. Ein etwaiges Vertrauen des Beklagten war damit jedenfalls erschüttert. Davon unabhängig ist der Teil des geförderten Vorhabens, der sich auf die Wasserversorgung durch das Wasserwerk S. bezieht, ausweislich der Entwurfs- und Genehmigungsplanung nicht als Erweiterung der Kapazität, sondern im Wesentlichen als Umbau zur Erhöhung der Versorgungssicherheit beschrieben, der vornehmlich durch Sanierungsarbeiten an stark korrodierten Ausrüstungen des aus dem Jahr 1965 stammenden Wasserwerks gekennzeichnet ist.
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3. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Teilbefreiung in dem begehrten Umfang und nicht lediglich auf Neubescheidung.
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Soweit in § 6 Abs. 2 WVS 2008 dem Beklagten eine Ermessensentscheidung dergestalt eingeräumt wird, als über die Befreiungsanträge nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls, insbesondere einer wirtschaftlichen Wasserversorgung zu entscheiden ist, läuft diese Regelung hier jedenfalls leer.
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Denn über die §§ 3, 35 AVBWasserV ergibt sich ein Freistellungsanspruch der Klägerin. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts "muss" die Gemeinde nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 AVBWasserV bei der Ausgestaltung des satzungsrechtlichen Benutzungszwangs dem Wunsch des Grundeigentümers, den Wasserbezug auf einen bestimmten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken, in den Grenzen des wirtschaftlich Zumutbaren Rechnung tragen (BVerwG, Beschl. v. 24.09.1987 - 7 B 49/87 -, zit. nach juris Rn. 3, m.w.N.). Der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung von Satzungsbestimmungen gebietet hier, die Befreiungsmöglichkeit so zu interpretieren, dass den bundesrechtlichen Anforderungen aus § 3 Abs. 1 AVBWasserV ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. auch VGH München, Urt. v. 26.04.2007 - 4 B 05.579 -, zit. nach juris Rn. 31).
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a) Die Ermessensregelung des § 6 Abs. 2 WVS 2008 ist nicht schon deshalb unanwendbar, weil es sich bei der Befreiungsregelung um eine sog. Kopplungsnorm handelt.
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Bei den ortsrechtlichen Regelungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 WVS 2008 handelt es sich um Koppelungsvorschriften. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die Vorschriften auf der Tatbestandsseite einen unbestimmten Rechtsbegriff und auf der Rechtsfolgenseite eine Ermessensermächtigung enthalten (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl. 2009, § 7 Rn. 48 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 40 Rn. 36 m.w.N.). Es ist nicht begriffsnotwendig, diese Ermächtigung dahingehend auszulegen, dass sie die Ermessensausübung der Verwaltung für den Regelfall in eine bestimmte Richtung festlegt. Aus der Qualifizierung einer Norm als Koppelungsvorschrift kann für sich allein nämlich nicht schon auf ein intendiertes, d.h. ein auf ein bestimmtes Ergebnis ausgerichtetes Ermessen geschlossen werden.
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b) Etwas anderes gilt aber dann, wenn - wie hier - bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs bereits ein großer Teil der Gesichtspunkte zu berücksichtigen ist, die auch Bedeutung für die Ermessensausübung haben, und sich damit bei der Normanwendung Überschneidungen zwischen der Tatbestands- und der Rechtsfolgenseite ergeben. Die Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm gegeben sind, bedeutet in diesen Fällen zugleich, dass der Behörde für die Ausübung ihres Ermessens nur noch ein entsprechend eingeschränkter Spielraum verbleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1988 - 8 C 69.86 -, BVerwGE 79, 274).
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Dies führt hier jedenfalls dazu, dass die Aspekte der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, die bereits auf der Tatbestandsseite Eingang in die Prüfung eines Befreiungsanspruchs gefunden haben, nicht erneut im Rahmen einer - nur eingeschränkt überprüfbaren - Ermessensentscheidung und zudem nach milderen Maßstäben Berücksichtigung finden können. Das Ermessen ist hier jedenfalls intendiert.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).
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(1) Das Wasserversorgungsunternehmen hat dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wasserbedarf im vereinbarten Umfange aus dem Verteilungsnetz des Wasserversorgungsunternehmens zu decken.
(2) Vor der Errichtung einer Eigengewinnungsanlage hat der Kunde dem Wasserversorgungsunternehmen Mitteilung zu machen. Der Kunde hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wasserversorgungsnetz möglich sind.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Das Aufstauen eines oberirdischen Gewässers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer ist nur zulässig, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Zielen des § 6 Absatz 1 und der §§ 27 bis 31 zu entsprechen (Mindestwasserführung).
(1) Das Wasserversorgungsunternehmen hat dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wasserbedarf im vereinbarten Umfange aus dem Verteilungsnetz des Wasserversorgungsunternehmens zu decken.
(2) Vor der Errichtung einer Eigengewinnungsanlage hat der Kunde dem Wasserversorgungsunternehmen Mitteilung zu machen. Der Kunde hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wasserversorgungsnetz möglich sind.
(1) Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten; unberührt bleiben die Regelungen des Verwaltungsverfahrens sowie gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts.
(2) Bei Inkrafttreten dieser Verordnung geltende Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind bis zum 1. Januar 1982 anzupassen.
(1) Das Wasserversorgungsunternehmen hat dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wasserbedarf im vereinbarten Umfange aus dem Verteilungsnetz des Wasserversorgungsunternehmens zu decken.
(2) Vor der Errichtung einer Eigengewinnungsanlage hat der Kunde dem Wasserversorgungsunternehmen Mitteilung zu machen. Der Kunde hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wasserversorgungsnetz möglich sind.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Wasserversorgungsunternehmen hat dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wasserbedarf im vereinbarten Umfange aus dem Verteilungsnetz des Wasserversorgungsunternehmens zu decken.
(2) Vor der Errichtung einer Eigengewinnungsanlage hat der Kunde dem Wasserversorgungsunternehmen Mitteilung zu machen. Der Kunde hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wasserversorgungsnetz möglich sind.
(1) Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten; unberührt bleiben die Regelungen des Verwaltungsverfahrens sowie gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts.
(2) Bei Inkrafttreten dieser Verordnung geltende Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind bis zum 1. Januar 1982 anzupassen.
(1) Das Wasserversorgungsunternehmen hat dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wasserbedarf im vereinbarten Umfange aus dem Verteilungsnetz des Wasserversorgungsunternehmens zu decken.
(2) Vor der Errichtung einer Eigengewinnungsanlage hat der Kunde dem Wasserversorgungsunternehmen Mitteilung zu machen. Der Kunde hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß von seiner Eigenanlage keine Rückwirkungen in das öffentliche Wasserversorgungsnetz möglich sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.