Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. März 2014 - 1 L 190/10

bei uns veröffentlicht am18.03.2014

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25. August 2010 – 3 A 666/07 – im Umfang der Klagestattgabe geändert. Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.

Der Kläger zu 1.) trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens jeweils zu 97 v. H.; die Klägerin zu 2.) zu 3 v. H..

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenschuld abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Wasser- und Bodenverbandsgebühren.

2

Die Kläger sind (Mit-)Eigentümer von Grundstücken im Gebiet der Stadt A-Stadt; der Kläger zu 1.) darüber hinaus von verschiedenen forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken in der zur Stadt A-Stadt gehörenden Ortschaft L.. Die Stadt ist Mitglied des Wasser- und Bodenverbandes „Müritz“.

3

Mit mehreren Bescheiden vom 20. bzw. 21. Dezember 2006 hatte der Beklagte die Kläger für die Jahre 2002 bis 2006 gemeinsam jeweils zu einer im einstelligen Eurobereich liegenden „Gebühr Wasser- und Bodenverband“ für deren Grundstücke A-Straße (… m²) und M.-Straße … (… m²) in A-Stadt herangezogen. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 hatte der Beklagte darüber hinaus den Kläger zu 1.) für die Grundstücke in L. mit einer Gesamtgröße von ca. … ha für das Kalenderjahr 2006 zu einer „Gebühr Wasser- und Bodenverband“ i. H. v. 216,91 EUR herangezogen. Die Beträge umfassten jeweils die Umlage des an den Wasser- und Bodenverband entrichteten Beitrags sowie einen Betrag für jedes von den Bescheiden betroffene Flurstück i. H. v. jeweils 0,82 EUR. Grundlage der Bescheide war die nach ihrem § 7 Satz 1 rückwirkend zum 01.01.2002 in Kraft getretene Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Verbandsbeiträge des Wasser- und Bodenverbandes „Müritz“ vom 29.11.2005 (nachfolgend: GS). Diese sieht in ihrem § 3 Abs. 3 neben flächen- und nutzungsbezogenen Gebührensätzen die Erhebung eines Verwaltungskostenzuschlags von 0,82 EUR je Flurstück vor.

4

Mit einem weiteren Bescheid vom 21. Dezember 2006 hatte der Beklagte den Kläger zu 1.) für die Grundstücke in L. wegen Schöpfwerkskosten für Polderflächen und Deichanlagen zu Gebühren i. H. v. 279,57 EUR herangezogen.

5

Die Widersprüche der Kläger gegen die Gebührenbescheide, mit denen sich die Kläger insbesondere gegen die ihrer Meinung nach unmäßig hohen Verwaltungskostenzuschläge wandten, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 3. (Schöpfwerkskosten) bzw. 4. Mai 2007 zurück.

6

Die Kläger erhoben am 1. Juni 2007 Anfechtungsklage. Die Gebührensatzung verstoße wegen des Ansatzes eines Verwaltungskostenzuschlages pro Flurstück gegen das Äquivalenzprinzip. Die rückwirkende Gebührenerhebung sei unzulässig. Außerdem habe der Beklagte es versäumt zu prüfen, ob die Wegeparzellen auf den Grundstücken in L. grundsteuerpflichtig seien. Falls dies nicht zutreffe, sei der Kläger zu 1.) mit diesen Flächen selbst Mitglied im Wasser- und Bodenverband und nicht gebührenpflichtig.

7

In der mündlichen Verhandlung hob der Beklagte die das Grundstück M.-Straße … betreffenden Bescheide hinsichtlich der Gesamthöhe der jeweils festgesetzten Gebühren teilweise auf. Insoweit erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.

8

Die Kläger haben beantragt,

9

die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 - Steuer-Nrn.: 00/01-05439-5/690-003 (A-Straße) und 00/01-05440-2/690-002 (M.-Straße …) – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 04.05.2007 bzw. der Teilaufhebung vom 25.08.2010 aufzuheben.

10

Der Kläger zu 1.) hat beantragt,

11

die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 – Steuer-Nr.: 00/01-05441-1/690-002 (L.) – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 03.05.2007 aufzuheben.

12

Der Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Verwaltungsgericht hat den Klagen mit Urteil vom 25. August 2010 – 3 A 666/07 – teilweise stattgegeben und die Bescheide vom 20. und 21. Dezember 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. Mai 2007 und der Teilaufhebung vom 25. August 2010 hinsichtlich der Erhebung der grundstücksbezogenen Gebühren zum Wasser- und Bodenverband aufgehoben. Die Klage des Klägers zu 1.) gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2006 über die Gebühren für Schöpfwerkskosten für Polderflächen und Deichanlagen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

15

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die nach § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden (GUVG) vom 4. August 1992 (GVOBl. M-V S. 458) umlagefähigen Beiträge der Stadt zum Unterhaltungsverband sowie die bei der Umlegung entstehenden allgemeinen Verwaltungskosten bildeten eine einheitliche Kostenmasse i. S. d. § 6 Abs. 2 KAG M-V. Die Verteilung dieser einheitlichen Kostenmasse nach unterschiedlichen Maßstäben sei unzulässig. Zudem zeige der vorliegende Fall, dass die Gebühr bei kleinen Grundstücken in einem groben Missverhältnis zu dem vom Landesgesetzgeber verfolgten Regelungszweck der Refinanzierung der von den Gewässerunterhaltungsverbänden erhobenen Umlagen stehe. Wenn der Verwaltungskostenzuschlag – wie im Falle des Grundstücks A-Straße – den Umlagebetrag um ein Vielfaches übersteige, werde die Erhebung der Verwaltungskosten zum Selbstzweck; der gesetzgeberische Zweck werde verfehlt. Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung über den Verwaltungskostenzuschlag in § 3 Abs. 3 Satz 2 GS führe zur Fehlerhaftigkeit der Gebührenregelung für die Kosten der allgemeinen Gewässerunterhaltung insgesamt.

16

Gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wendet sich der Beklagte mit seiner durch den ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses seines Bevollmächtigten am 18. November 2013 zugestellten Beschluss des Senats vom 7. November 2013 zugelassenen Berufung. Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Umlage der Verwaltungskosten nach den gleichen Maßstäben wie die Verbandsgebühren zu erfolgen habe. Mit der Verhältnismäßigkeitsbetrachtung allein bei kleinen Grundstücken und der insoweit eingeschätzten Überproportionalität werde die spiegelbildliche Unterproportionalität bei großen Grundstücken außer Acht gelassen. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts liege ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zugrunde. Bei einer flächenproportionalen Umlegung der Verwaltungskosten, würden Eigentümer sehr großer Flächen überproportional und nicht mehr angemessen mit den Verwaltungskosten belastet. Bei kleinen Grundstücken, bei denen die Höhe der Verbandsumlage nur wenige Cent betrage, würde die Umlage der Verwaltungskosten nach Flächenproporz ebenfalls nur wenige Cent betragen, was zu Bescheiden über eine Höhe von wenigen Cent, meist weniger als 10 Cent führen würde. Da bereits äußerst zweifelhaft sei, ob die Geltendmachung solcher Kleinstbeträge überhaupt zulässig sei, könne dies bei Gemeinden mit hohem (Flächen-) Anteil an kleinen Grundstücken dazu führen, dass ein Großteil der Verwaltungskosten überhaupt nicht umgelegt werden könne. Damit führe der vom Verwaltungsgericht präferierte Maßstab letztlich in den Extremfällen aus dem Randbereich der zu veranlagenden Bandbreite der Fälle zu wohl wesentlich größeren Problemen als der Maßstab, den die Stadt A-Stadt nach Abwägung der verschiedenen Möglichkeiten gewählt habe.

17

Auch der Annahme, dass die Verwaltungskosten im Vergleich zu der Umlage in einem groben Missverhältnis zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck stehen, könne im Ergebnis nicht gefolgt werden. Regelungszweck des § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG sei nicht nur die Refinanzierung der von den Gewässerunterhaltungsverbänden erhobenen Umlage, sondern ausdrücklich daneben auch die Refinanzierung des Verwaltungsaufwandes, der durch die Umlegung der Beiträge entstehe.

18

Der Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25.August 2010 - 3 A 666/07 – im Umfang der Klagestattgabe abzuändern und die Klagen insgesamt abzuweisen.

20

Die Kläger beantragen,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verweisen zunächst auf die aus ihrer Sicht zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts. Gemäß § 3 Abs. 1 GUVG werde die Beitragspflicht nach dem Verhältnis bestimmt, in dem die Mitglieder Vorteile durch die Verwaltungstätigkeit hätten und am Verbandsgebiet beteiligt seien. Bei einem Pauschalbetrag pro Flurstück werde weder der Vorteil durch die Verwaltungstätigkeit herangezogen, noch die Beteiligung am Verbandsgebiet.

23

Auch sei das Argument, dass der Aufwand bei allen Flurstücken stets gleich sei und dementsprechend jedes Flurstück gleich zu berechnen sei, nicht ansatzweise zwingend. Bei einem großen Flurstück sei die Wahrscheinlichkeit, dass Zu- und Abschläge wegen des tatsächlichen Zustandes der Fläche notwendig würden, wesentlich größer, als bei einer kleinen Fläche. So könne ein abrechnungsfähiges Flurstück gerade im ländlichen Bereich sowohl aus Ackerflächen, aus einer Naturschutzfläche und/oder einer Wasserfläche bestehen. Es müssten dann gemäß § 3 Abs. 3 der Gebührensatzung verschiedene Berechnungen angestellt werden.

24

Bereits erstinstanzlich sei die Frage aufgeworfen worden, woher der Beklagte eigentlich die Höhe des Betrages von 0,82 EUR/Flurstück nehme.

25

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten dieses Verfahrens und des beigezogenen Verfahrens des Verwaltungsgerichts Greifswald zum Aktenzeichen 3 A 667/07 sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten (2 Hefter), die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die Berufung hat Erfolg.

27

Die Berufung ist zulässig. Die Berufungsbegründung ist am 13. Dezember 2013 fristgerecht eingegangen; sie enthält einen bestimmten Antrag und die Gründe der Anfechtung des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 3 S. 3 bis 5, Abs. 6 VwGO).

28

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen der Kläger gegen die Bescheide des Beklagten über die Erhebung der Gebühren zur Umlage der Beiträge zum Wasser- und Bodenverband „Müritz“ vom 20. und 21. Dezember 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 4. Mai 2007 bzw. der Teilaufhebung vom 25. August 2010 zu Unrecht stattgegeben und die Bescheide aufgehoben; die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

29

Rechtsgrundlage für die mit den angefochtenen Bescheiden erhobenen Gebühren ist § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG i. V. m. der Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Verbandsbeiträge des Wasser- und Bodenverbandes „Müritz“ vom 29.11.2005 (GS). Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG können die Gemeinden die (von ihnen zu leistenden) Beiträge zum Unterhaltungsverband (Wasser- und Bodenverband) sowie die bei der Umlegung entstehenden Verwaltungskosten den Eigentümern, Erbbauberechtigten oder sonstigen Nutzungsberechtigten nach den Grundsätzen der §§ 2 und 6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG M-V) auferlegen. § 3 Abs. 3 Satz 1 GS sieht für die allgemeine Gewässerunterhaltungsgebühr Gebührensätze nach Größe und Nutzungsart der Grundstücke vor und bestimmt in Satz 2 der Norm, dass je Flurstück ein Verwaltungskostenzuschlag von 0,82 EUR erhoben wird.

30

Die in der Satzung geregelte flurstücksbezogene Umlage der Verwaltungskosten auf die Gebührenpflichtigen ist entgegen der anderslautenden Auffassung des Verwaltungsgerichts mit höherrangigem Recht, insbesondere den anzuwendenden Grundsätzen der §§ 2 und 6 KAG M-V, vereinbar und führt nicht zur Unwirksamkeit der Regelungen in der Satzung und zur Rechtswidrigkeit der darauf beruhenden Gebührenbescheide. Dabei ist dem Verwaltungsgericht zunächst insoweit zu folgen, als es darauf verweist, dass die in § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG genannten Verwaltungskosten neben den umzulegenden Beiträgen an den Unterhaltungsverband zu den Kosten i. S. v. § 6 Abs. 2 KAG M-V gehören, die (zunächst) eine einheitliche Kostenmasse bilden. Diese Kostenmasse ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG nach den Grundsätzen des § 6 Abs. 3 KAG M-V auf die einzelnen Gebührenschuldner zu verteilen. § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt dazu, dass die Gebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen ist, also etwa bei leitungsgebundenen Versorgungseinrichtungen nach dem Verbrauch. Bei entsprechender Anwendung dieses Grundsatzes aus § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V auf die Verteilung der Beiträge zum Unterhaltungsverband auf die grundsteuerpflichtigen Grundstückseigentümer der Gemeinde kann als zulässiger Verteilungsmaßstab an die Stelle von Art und Umfang der Inanspruchnahme eine Verteilung nach Größe und Nutzungsart der betroffenen Grundflächen treten (st. Rspr. des Senats, vgl. OVG M-V, Urt. v. 23. Februar 2000 - 1 L 50/98 -, zit. n. juris, Rz 32; Urt. v. 23. Juni 2010 - 1 L 100/05 -, zit. n. juris, Rz 38). Dabei bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Regelung in der Gebührensatzung, die die nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG umzulegenden Verwaltungskosten als unselbstständigen Teil der Kostenmasse i. S. v. § 6 Abs. 2 KAG M-V erfasst und sie gemeinsam mit den Beiträgen zum Unterhaltungsverband nach dem oben beschriebenen Flächenmaßstab erhebt. Dies bedeutet indes entgegen der anderslautenden Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht, dass ausschließlich eine solche flächenbezogene Umlage der Verwaltungskosten zulässig wäre. Die über § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG anwendbare Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG M-V lässt die Erhebung einer Grundgebühr neben der Gebühr nach den Sätzen 1 bis 3 sowie die Erhebung einer Mindestgebühr zu. Unter einer Grundgebühr i. S. d. § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG M-V wird im Allgemeinen eine Benutzungsgebühr verstanden, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- und Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr werden die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten abgegolten. Zu diesen Betriebskosten, die unabhängig vom Maß der Inanspruchnahme der Einrichtung auch über eine Grundgebühr abgerechnet werden können, werden u. a. auch die Personalkosten für das Stammpersonal gerechnet (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 29. November 2001 - 5 D 25/00 -, zit. n. juris, Rz 94; Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand Juli 2013, § 6 Nr. 7.2.3.1). Transformiert auf den Regelungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG bedeutet die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG M-V, dass Kosten, die der Mitgliedsgemeinde nicht in Abhängigkeit der Größe der Flächen und deren Nutzungsart entstehen, auch nach einem flächen- und nutzungsartunabhängigen Maßstab auf die Umlagepflichtigen verteilt werden können. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, die Verwaltungskosten nach einem für die Verteilung des Verwaltungsaufwandes passenden Wirklichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu regeln (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22. November 2006 - 9 B 13.05 -, zit. n. juris, Rz 19 zu der vergleichbaren Rechtslage in Brandenburg).

31

Ob und auf welche Art und Weise dies geschieht, steht nach § 3 Abs. 1 GUVG i. V. m. § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG M-V im pflichtgemäßen Ermessen des kommunalen Satzungsgebers. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, verfügt der Satzungsgeber bei der Bemessung von Gebühren über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Verfolgt die Gebühr den Zweck der Kostendeckung, darf dieser Zweck bei der Bemessung der Gebühr nicht gänzlich aus dem Auge verloren werden. Die gerichtliche Kontrolle der Gebührenbemessung darf daher nicht überspannt werden. Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen die Gebühr vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutung in gewissem Maß vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann. Bei der Ordnung der Gebührenerhebung ist der Gesetz- und Verordnungsgeber daher berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtblick zu erfassen und generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. April 2005 - 6 C 5.04 -, zit. n. juris, Rz 16).

32

Nach diesen Grundsätzen beurteilt, ist die hier in Rede stehende und nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG bereits vorgezeichnete Aufteilung der umlagefähigen Kostenmassen, bestehend aus dem Beitrag an den Unterhaltungsverband einerseits und den bei der Umlage entstehenden Verwaltungskosten andererseits, sowie die Verteilung der Verwaltungskosten zu jeweils gleichen Teilen auf die betroffenen Flurstücke nicht zu beanstanden. Den vorliegenden Kalkulationsunterlagen zur Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Verbandsbeiträge des Wasser- und Bodenverbandes „Müritz“ vom 29.11.2005 ist zu entnehmen, dass der Satzungsgeber als nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG umlagefähige Verwaltungskosten ausschließlich Personalkosten in Höhe von 4.150,00 EUR veranschlagt hat, was bei der Gesamtzahl von 5059 zu berücksichtigenden Flurstücken einen Betrag von 0,82 EUR je Flurstück ergibt. Dieser Verteilungsmaßstab entspricht im vorliegenden Fall den oben dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gebührenbemessung. Wie sich aus der Gebührensatzung ergibt und den angefochtenen Bescheiden anschaulich zu entnehmen ist, besteht die abzugeltende Tätigkeit des Personals im Wesentlichen in der Erfassung der einzelnen Flurstücke nach Bezeichnung, Größe und Nutzungsart, ihrer Zuordnung zu den in § 3 Abs. 3 Satz 1 GS festgelegten Gebührenmaßstäben sowie der Errechnung der daraus resultierenden Gebührenhöhe bzw. der Eingabe der entsprechenden Daten in ein Computerprogramm, welches die Berechnung vornimmt. Die Tätigkeit des mit der Gebührenerhebung befassten Personals erscheint mithin ganz überwiegend flurstücksbezogen und rechtfertigt die Verteilung der dadurch entstehenden Personalkosten auf einen bestimmten Betrag je Flurstück, wie in § 3 Abs. 3 Satz 2 GS geschehen. Dies kann auch sowohl für die Folgejahre nach einer erstmaligen Erfassung der Flurstücke als auch – wie im vorliegenden Fall – bei einem Sammelbescheid für mehrere Jahre angenommen werden, weil die Daten für jedes Jahr der Gebührenerhebung gesondert auf entsprechende Veränderungen hin geprüft und ggf. geändert werden müssen. Die dabei durch das Einpflegen neuer Daten bei einzelnen Flurstücken auftretenden Unterschiede in der Bearbeitungszeit der Flurstücke sind im Rahmen des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes von untergeordneter Bedeutung und können deshalb bei der flurstücksbezogenen Verteilung der Personalkosten hingenommen werden. Soweit die Kläger dagegen einwenden, es sei nicht ansatzweise zwingend, dass der Aufwand bei allen Flurstücken stets gleich und dementsprechend jedes Flurstück gleich zu berechnen sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar sind Fälle denkbar, bei denen ein Flurstück unterschiedliche Nutzungsarten aufweist und dementsprechend nach § 3 Abs. 3 und 4 GS die auf jede Teilfläche entfallende Gebühr getrennt zu ermitteln ist, was den Verwaltungsaufwand für ein solches Flurstück erhöht. Dies stellt jedoch einen Ausnahmefall von der Regel dar, nach der für die Flurstücke im allgemeinen jeweils eine einheitliche Nutzungsart i. S. v. § 3 Abs. 3 GS ausgewiesen ist und deshalb der Aufwand für Erfassung und Bewertung in aller Regel flurstücksbezogen gleich hoch ist. So auch im vorliegenden Fall: Sämtliche 64 Flurstücke des Klägers zu 1.) in der Gemarkung L. weisen jeweils nur eine Nutzungsart i. S. v. § 3 Abs. 3 GS auf. Eine Regelung wie die vorliegende, die den Regelfall zutreffend erfasst, ist nach den oben dargestellten Voraussetzungen auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie im Wege der notwendigen Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung im Einfall auftretende Abweichungen außer Acht lässt.

33

Die so vorgenommene Umlage der veranschlagten Verwaltungskosten verursacht auch entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bei kleinen Grundstücken kein grobes Missverhältnis zu dem vom Landesgesetzgeber verfolgten Regelungszweck. Eine Gebühr entbehrt von Verfassungs wegen einer sachlichen Rechtfertigung, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu dem vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Gebührenzweck steht (BVerwG, Urt. v. 13. April 2005, a. a. O.). Anerkannt ist, dass die Kostendeckung ein legitimer Gebührenzweck ist. Mit Gebühren wird regelmäßig die besondere Zweckbestimmung verfolgt, Einnahmen zu erzielen, um spezielle Kosten der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Urt. v. 19. März 2003 - 2 BvL 9/98 u.a. -, zit. n. juris Rz 58). Regelungszweck des § 3 Abs. 3 Satz 2 GS ist die Deckung der durch die Umlage nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG entstehenden Verwaltungskosten und nicht die Refinanzierung des vom Gewässerunterhaltungsverband erhobenen Beitrages. Letzterer wird durch die flächen- und nutzungsartbezogenen Gebühren nach § 3 Abs. 3 Satz 1 GS refinanziert. Es besteht bei kleinen Grundstücken also kein grobes Missverhältnis zwischen Verwaltungszuschlag und Gebührenzweck (Deckung der Verwaltungskosten), sondern allenfalls ein vom Empfänger des Gebührenbescheides u. U. subjektiv so empfundenes Missverhältnis zwischen der geringen Höhe der Beitragsumlage und dem im Verhältnis dazu höheren Aufwand für die Erhebung dieser Umlage. Dieser Umstand ist die zwangsläufige Folge der flächenbezogenen Verteilung der Umlage, weil die Kosten der Erhebung im Einzelfall nicht in Abhängigkeit zur Größe der veranlagten Fläche stehen, also nicht um so geringer ausfallen, je kleiner die Grundstücke sind. Die Gemeinde kann aber auch nicht auf die Erhebung der Gebühren bei kleinen Grundstücken verzichten, da sie sonst bei der Vielzahl solcher kleiner Grundstücke einen beachtlichen Teil der an den Gewässerunterhaltungsverband geleisteten Beiträge nicht refinanzieren könnte. Darüber hinaus würde eine flächenbezogene Umlage der Verwaltungskosten bei kleinen Grundstücken dazu führen, dass Bescheide im unteren Centbereich ergehen müssten, was der Akzeptanz der Gebührenerhebung wohl mindestens ebenso wenig förderlich wäre, wie die hier gewählte Verteilung der Verwaltungskosten.

34

Der weitere Einwand der Kläger im Berufungsverfahren, der Beklagte habe es bisher versäumt zu erläutern, woher er eigentlich die Höhe des Betrages von 0,82 EUR/Flurstück nehme, lässt keinen Zweifel an der Wirksamkeit der GS aufkommen. Wie bereits oben dargestellt, ist den vorliegenden Kalkulationsunterlagen zur Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Verbandsbeiträge des Wasser- und Bodenverbandes „Müritz“ vom 29.11.2005 zu entnehmen, dass der Satzungsgeber als nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG umlagefähige Verwaltungskosten ausschließlich Personalkosten in Höhe von 4.150,00 EUR veranschlagt hat, was bei der Gesamtzahl von 5059 zu berücksichtigenden Flurstücken einen Betrag von 0,82 EUR je Flurstück ergibt. Der in § 3 Abs. 3 S. 2 GS festgesetzte Betrag von 0,82 EUR je Flurstück ergibt sich mithin unschwer aus den veranschlagten Verwaltungskosten geteilt durch die Anzahl der Flurstücke. Beide Daten haben die Kläger nicht substantiiert bestritten. Der von den Klägern bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragene Einwand, dass der flurstücksbezogene Aufwand nach der erstmaligen Erfassung der Flurstücke in den Folgejahren durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung, wie etwa den Abgleich mit anderen bei der Stadt A-Stadt vorhandenen Steuerdateien, drastisch sinken müsste, kann bei entsprechendem Einsatz solcher technischer Mittel zwar nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Kläger tragen im Berufungsverfahren aber keine näheren Umstände vor, die den Schluss zuließen, dass der flurstücksbezogene Aufwand nach der erstmaligen Erfassung der Daten in einem Maße zurückgegangen sein könnte, das die Kalkulation der Personalkosten für die Folgejahre als fehlerhaft erscheinen ließe. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen, die unwidersprochen ausgeführt hat, dass der zugrunde gelegte Personalkostenaufwand mit 10 % der Personalkosten für die zuständige Mitarbeiterin sehr vorsichtig gewählt sei und in Wirklichkeit etwa 30 % der Personalkosten zu veranschlagen wären. Die Annahme von durchschnittlich 10 % der Personalkosten im Rahmen der Kalkulation über einen Zeitraum von mehreren Veranlagungsjahren würde die tatsächlich anfallenden Personalkosten also selbst dann noch im Rahmen des anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes zutreffend darstellen, wenn die Kosten in den Folgejahren nach der erstmaligen Erfassung der Flurstücke tatsächlich gesunken wären.

35

Dem im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger zu 1.) vorgetragenen Einwand, der Beklagte habe es versäumt zu prüfen, ob die Wegeparzellen auf den Grundstücken in L. grundsteuerpflichtig seien und falls dies nicht zutreffe, sei er mit diesen Flächen selbst Mitglied im Wasser- und Bodenverband und nicht gebührenpflichtig, musste im Berufungsverfahren nicht weiter nachgegangen werden. Zum einen hat der Kläger zu 1.) selbst nicht behauptet, dass es sich bei den Wegeparzellen um von der Grundsteuer befreite, dem öffentlichen Verkehr dienende Straßen, Wege und Plätze i. S. v. § 4 Nr. 3 Buchst. a) Grundsteuergesetz (GrStG) handelt; zum anderen ist ein solcher Sachverhalt auch sonst nicht erkennbar. Voraussetzung für eine Grundsteuerfreiheit ist nämlich eine öffentliche Straße i. S. d. Straßenrechts (BFH, Urt. v. 9. Mai 1990 - II R 170/87 - zit. n. juris). Waldwege sind in der Regel keine öffentlichen Straßen i. S. d. Straßenrechts.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 159 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.

38

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 18. März 2014 - 1 L 190/10

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 15. Sept. 2016 - 3 A 123/15

bei uns veröffentlicht am 15.09.2016

Tenor 1. Die Bescheide des Beklagten vom 27. Oktober 2014 (Az.: A; B; C; D und E) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2015 und die Bescheide des Beklagten vom 13. November 2015 (Az.: B; D; E; A; C) werden aufgehoben. 2. Der Bek

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 21. Apr. 2016 - 3 A 252/14

bei uns veröffentlicht am 21.04.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der.

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 07. Aug. 2014 - 3 A 608/12

bei uns veröffentlicht am 07.08.2014

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2012 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 wird insoweit aufzuheben, als darin Wasser- und Bodenverbandsgebühren festgesetzt sind. 2. Die Kosten des Rechtsstreits wer

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Tenor

1. Auf die Klage der Kläger zu 1. und zu 2. werden die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 – Steuer-Nrn.: 003 (M.-straße A) und 002 (M.-Straße B) - in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 04.05.2007 und der Teilaufhebung vom 25.08.2010 aufgehoben. Auf die Klage des Kläger zu 1. wird der Bescheid des Beklagten vom 20.12.2006 – Steuer-Nr.: 0-002 (L.dorf) - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1. abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. Die übrigen Kosten tragen der Beklagte zu 45,37 v.H. und der Kläger zu 1. zu 54,63 v.H.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger zu 1. und dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Wasser- und Bodenverbandsgebühren.

2

Der Kläger ist Eigentümer des im Gebiet der Stadt A-Stadt gelegenen Grundstücks Flurstück G1, Flur 19, Gemarkung A-Stadt, in einer Größe von 43 m² (M.-Straße A), des Grundstücks Flurstücke 14/1 und 15/2, Flur 19, Gemarkung A-Stadt, in einer Größe von 369 m² (M.-Straße B) sowie verschiedener fortwirtschaftlich genutzter Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ca. 26 ha in der zur Stadt A-Stadt gehörenden Ortschaft L.-Dorf. Die Stadt A-Stadt ist Mitglied des Wasser- und Bodenverbandes "Müritz".

3

Mit Bescheid vom 20.12.2006 zog der Beklagte die Kläger für das Grundstück M.-Straße A für das Kalenderjahr 2006 zu einer "Gebühr Wasser- und Bodenverband" i.H.v. 0,87 EUR heran. Der Betrag umfasst die Umlage des an den Wasser- und Bodenverband entrichteten Beitrags i.H.v. 0,05 EUR sowie einen je Flurstück i.H.v. 0,82 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 21.12.2006 zog der Beklagte die Kläger für das Grundstück M.-Straße A zu einer "Gebühr Wasser- und Bodenverband" i.H.v. 0,85 EUR pro Jahr für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 (zusammen 3,48 EUR) heran. Den gegen die Bescheide erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2007 zurück.

4

Ebenfalls mit Bescheid vom 20.12.2006 zog der Beklagte die Kläger für das Grundstück M.-Straße B für das Kalenderjahr 2006 zu einer "Gebühr Wasser- und Bodenverband" i.H.v. 2,20 EUR heran. Der Betrag umfasst die Umlage des an den Wasser- und Bodenverband entrichteten Beitrags i.H.v. 0,56 EUR sowie einen Verwaltungskostenzuschlag je Flurstück i.H.v. 1,64 EUR (2 x 0,82 EUR). Mit Änderungsbescheid vom 21.12.2006 zog der Beklagte die Kläger für das Grundstück M.-Straße B zu einer "Gebühr Wasser- und Bodenverband" i.H.v. 2,20 EUR pro Jahr für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 (zusammen 8,80 EUR) heran. Den gegen die Bescheide erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2007 zurück.

5

Mit Bescheid vom 20.12.2006 zog der Beklagte den Kläger zu 1. für die Grundstücke in L.-Dorf zu einer Gebühr Wasser- und Bodenverband 2006 i.H.v. 216,91 EUR heran. Der Betrag umfasst die Umlage des an den Wasser- und Bodenverband entrichteten Beitrags i.H.v. 164,43 EUR sowie einen Verwaltungskostenzuschlag je Flurstück i.H.v. zusammen 52,48 EUR. Mit Bescheid vom 21.12.2006 zog der Beklagte den Kläger für die Grundstücke in L.-Dorf zu Gebühren (Schöpfwerkskosten für Polderflächen und Deichanlagen) (Kalenderjahre 2006) i.H.v. 279,57 EUR heran. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zu 1. gegen diese Bescheide zurück.

6

Am 01.06.2007 haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung hob der Beklagte die das Grundstück M.-Straße B betreffenden Bescheide insoweit auf, als die Festsetzungen die Beträge von jeweils 1,87 EUR (Bescheide vom 20.12.2006 und vom 2007) bzw. 7,48 EUR (Bescheid vom 21.12.2006) übersteigen. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

7

Die Kläger sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Gebührensatzung sei fehlerhaft. Der Ansatz eines Verwaltungskostenzuschlages pro Flurstück verstoße gegen das Äquivalenzprinzip. Die rückwirkende Gebührenerhebung sei unzulässig. Die Jahresbelastung für die Grundstücke in L.-Dorf von 496,43 EUR sei aus den Grundstücken nicht zu erwirtschaften. Fehlerhaft seien die Bescheide für die L.-Dorfer Grundstücke auch deshalb, weil es der Beklagte unterlassen habe, zu klären, ob die Wegeparzellen grundsteuerpflichtig seien. Sollte dies nicht zutreffen, so sei der Kläger zu 1. für diese Flächen selbst Mitglied des Wasser- und Bodenverbandes und beitragspflichtig. Eine Gebührenerhebung für diese Flächen scheide aus. Fehlerhaft sei es auch, unbefestigte Waldwege im Rahmen der Gebührenerhebung wie befestigte Straßen zu behandeln. Die Satzung lasse nicht erkennen, ob die Schöpfwerkskosten zusätzlich zu den allgemeinen Gewässerunterhaltungskosten erhoben würden. Erst durch die 1. Änderungssatzung vom 16.12.2008 werde klargestellt, dass die Schöpfwerkskosten zusätzlich erhoben würden. Die Schöpfwerkskosten selbst seien nicht belegt. Jährliche Schwankungen von 17,00 EUR/ha bis 34,00 EUR/ha seien nicht nachvollziehbar. Es sei nicht belegt, dass Bauleistungen ausgeschrieben worden seien.

8

Die Kläger beantragen,

9

die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 - Steuer-Nrn.: 003 (M.-Straße A) und 002 (M.-Straße B) - in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 04.05.2007 bzw. der Teilaufhebung vom 25.08.2010 aufzuheben.

10

Der Kläger zu 1. beantragt,

11

die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 - Steuer-Nr. 0-002 (L.-Dorf) - in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 03.05.2007 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er ist der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Die Gebührensatzung sei wirksam. Die Rückwirkungsanordnung sei ebenso zulässig, wie die Umlage der allgemeinen Verwaltungskosten nach der Anzahl der Flurstücke. Dies sei nach der einschlägigen Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 22.11.2006 - 9 B 13.05) zulässig.

15

Mit Beschluss vom 13.10.2009 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

17

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren analog § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Im Übrigen ist die zulässige Klage nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 20.12.2006 und 21.12.2006 (M.-Straße A und M.-Straße B) in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 04.05.2007 bzw. der Teilaufhebung vom 25.08.2010 und sein Bescheid vom 20.12.2006 (L.-Dorf - allgemeine Gewässerunterhaltung 2006) in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger bzw. den Kläger zu 1. in ihren bzw. seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (1.). Der Bescheid des Beklagten vom 21.12.2006 (L.-Dorf - Schöpfwerkskosten 2006) - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 ist dagegen nicht zu beanstanden (2.).

18

1. Den streitgegenständlichen Gebührenbescheiden fehlt die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden (GUVG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage, soweit sie allgemeine Gewässerunterhaltungsgebühren festsetzen. Denn die Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Verbandsbeiträge des Wasser- und Bodenverbandes "Müritz" (Gebührensatzung) vom 29.11.2005, die gemäß ihrem § 7 Satz 1 rückwirkend zum 01.01.2002 in Kraft treten soll, ist insoweit unwirksam. Die Kalkulation der Gebührensätze weist einen methodischen Fehler auf, der zur Nichtigkeit der die allgemeine Gewässerunterhaltung betreffenden Gebührensätze führt. Als Folge davon ist die Satzung insoweit unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) unwirksam. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

19

Im Gebiet der Stadt A-Stadt wird die allgemeine Gewässerunterhaltungsgebühr nach einem kombinierten Flächen- und Vorteilsmaßstab erhoben. Hierzu bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 3 GS, dass sich die Gebühr nach näherer Bestimmung durch die Absätze 3 bis 5 nach Größe und Nutzungsart der Grundstücke bestimmt. Die von der Nutzungsart abhängigen Gebührensätze sind in § 3 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 GS aufgeführt. Zusätzlich bestimmt § 3 Abs. 3 Satz 2 GS, dass je Flurstück ein Verwaltungskostenzuschlag von 0,82 EUR erhoben wird. Dieser Zuschlag tritt neben die Gebührensätze nach § 3 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 GS. Diese Regelung verstößt gegen § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG. Die Vorschrift bestimmt, dass die Gemeinden die Beiträge zum Unterhaltungsverband sowie die bei der Umlegung entstehenden Verwaltungskosten den Eigentümern, Erbbauberechtigten oder sonstigen Nutzungsberechtigen nach den Grundsätzen der §§ 2 und 6 des Kommunalabgabengesetzes auferlegen können. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bilden die Beiträge zum Unterhaltungsverband sowie die bei der Umlegung entstehenden Verwaltungskosten eine gebührenfähige Kostenmasse, deren Verteilung nach den dort genannten Grundsätzen zu erfolgen hat. Zu diesen Grundsätzen gehört, dass auch Verwaltungskosten gebührenfähige Kosten sind. Denn der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff des § 6 Abs. 2 KAG M-V, auf den § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG verweist, umfasst auch die allgemeinen Verwaltungskosten der Gebührenerhebung. Die Verteilung dieser einheitlichen Kostenmasse nach unterschiedlichen Maßstäben ist unzulässig (so im Ergebnis auch Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 06/10, § 6 Anm. 13.5.4 m.w.N.).

20

Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg ausführt, dass die Umlage der Verwaltungskosten nach der Anzahl der Flurstücke erfolge, weil der Verwaltungsaufwand keine hinreichende sachliche Beziehung zum Ausmaß der zu veranlagenden Fläche aufweise, da er nicht proportional mit der zu veranlagenden Fläche wachse, sondern in Abhängigkeit zur Zahl der Veranlagungsfälle im Gemeindegebiet stehe (vgl. Urt. v. 22.11.2006 - 9 B 13.05, Juris Rn. 19), kann dem für das Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht gefolgt werden. Selbst wenn diese Annahme in tatsächlicher Hinsicht zutreffen sollte, ist dies rechtlich unerheblich. Denn generell gilt bei der Erhebung von Benutzungsgebühren i.S.d. § 6 KAG M-V, dass der allgemeine Verwaltungsaufwand für die Abrechnung einer gebührenfähige Maßnahme keine Beziehung zu den Parametern aufweist, nach denen der besondere Verwaltungsaufwand für die Durchführung der Maßnahme abgerechnet wird. So steigt der allgemeine Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Gebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Straßenreinigung oder der Abfallbeseitigung nicht mit der Zahl der Frontmeter eines Grundstücks bzw. der überlassenen Abfallmenge. Dennoch wird der allgemeine Verwaltungsaufwand bei der Kalkulation der Benutzungsgebühr berücksichtigt und nach denselben Maßstabsregeln umgelegt, die auch für den besonderen Verwaltungsaufwand gelten. Nichts anderes hat in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG zu gelten.

21

Zudem zeigt gerade der vorliegende Fall, dass die Umlage der allgemeinen Verwaltungskosten nach der Anzahl der Flurstücke dazu führt, dass die Gebühr bei kleinen Grundstücken in einem groben Missverhältnis zu dem vom Landesgesetzgeber verfolgten (legitimen) Regelungszweck steht. Regelungszweck des § 3 Abs. 1 Satz 3 GUVG ist die Refinanzierung der von den Gewässerunterhaltungsverbänden erhobenen Umlagen. Bei dem Flurstück G1, Flur 19, Gemarkung A-Stadt (M.-Straße A) beläuft sich der Verwaltungskostenzuschlag auf 1.640 v.H. der Umlage des an den Wasser- und Bodenverband entrichteten Beitrags (0,82 EUR ./. 0,05 EUR). Die Erhebung der Umlage tritt völlig hinter die Erhebung der mit der Erhebung der Umlage verbundenen Verwaltungskosten zurück. Die Erhebung der Verwaltungskosten wird damit zum Selbstzweck; der gesetzgeberische Zweck wird verfehlt.

22

Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung über den Verwaltungskostenzuschlag in § 3 Abs. 3 Satz 2 GS führt zur Fehlerhaftigkeit der Gebührenregelung für die Kosten der allgemeinen Gewässerunterhaltung insgesamt. Die Annahme einer auf § 3 Abs. 3 Satz 2 GS beschränkten Teilnichtigkeit, die die Gebührensätze des § 3 Abs. 3 erster Halbsatz Nrn. 1 bis 5 GS nicht erfasst, scheidet aus, da die vom Ortsgesetzgeber getroffene Unterscheidung auf einer einheitlichen Ermessensentscheidung beruht, die sich an der bereits zitierten Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg orientiert.

23

2. Der Bescheid vom 21.12.2006 findet dagegen seine erforderliche Rechtsgrundlage in der Gebührensatzung vom 29.11.2005. Die Satzung ist, soweit sie die Erhebung von Gebühren für Schöpfwerkskosten regelt, wirksam. Verwaltungskostenzuschläge werden für die Umlage der Schöpfwerkskosten nicht erhoben. Auch schlägt die Fehlerhaftigkeit der Gebührensätze für die allgemeine Gewässerunterhaltung nicht auf die Gebührensätze für die Schöpfwerkskosten durch. Denn beide Regelungsbereiche sind logisch voneinander trennbar; sie könnten auch in unterschiedlichen Satzungen normiert sein. Es liegt ein Fall der Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB vor. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Stadt A-Stadt bei Kenntnis der Nichtigkeit der Gebührensätze für die allgemeine Gewässerunterhaltung auch von der Normierung der Gebührensätze für die Schöpfwerkskosten abgesehen hätte.

24

Nach § 3 Abs. 3 GS wird für die Gebührenerhebung zwischen den alle Flächen gleichermaßen bevorteilenden allgemeinen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen (erster Halbsatz Nrn. 1 bis 5) und den nur einigen Grundstücksflächen zugute kommenden besonderen Aufwendungen für Schöpfwerke (zweiter Halbsatz Nrn. 1 und 2) unterschieden. Die Erforderlichkeit einer solchermaßen differenzierten Verteilungsregelung entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 23.02.2000 - 1 L 50/98, NordÖR 2000, S. 301 ff. und LKV 2000, S. 502 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers zu 1. kann den genannten Bestimmungen hinreichend deutlich entnommen werden, dass die Gebühren für Flächen im Schöpfwerksbetrieb bzw. an Deichanlagen zusätzlich zu den allgemeinen Gewässerunterhaltungsgebühren erhoben werden. Anhaltspunkte für ein Ausschließlichkeitsverhältnis sind nicht ersichtlich. Sie folgen insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die - vorliegend nicht einschlägige - 1. Änderungssatzung vom 16.12.2008 die Wendung enthält, wonach die Gebühr für Schöpfwerkskosten „zusätzlich“ erhoben wird. Denn hierbei handelt es sich lediglich um eine (überflüssige) Klarstellung des ohnehin ersichtlichen.

25

Die Kalkulation und die darauf beruhenden Gebührensätze für Schöpfwerkskosten sind nicht zu beanstanden. Insbesondere sind sie nicht deshalb fehlerhaft, weil die ihnen zugrundeliegende Beitragserhebung des Wasser- und Bodenverbandes "Müritz" gegenüber der Stadt A-Stadt ihrerseits rechtswidrig war. Zwar hat der Wasser- und Bodenverband Müritz die Höhe der Verbandsbeiträge in verfahrensrechtlicher Hinsicht fehlerhaft ermittelt, weil nicht sämtliche Mitglieder des Verbandes erfasst und zu den betreffenden Verbandsversammlungen geladen worden sind (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.12.2007 - 3 A 587/05, S. 10 ff. des Entscheidungsumdrucks betreffend den Wasser- und Bodenverband Müritz). Auch schlägt ein solcher Fehler der Beitragserhebung auf die Gebührenerhebung durch (Einwendungsdurchgriff). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dieser Fehler zwischenzeitlich geheilt worden ist. Nach § 3a GUVG i.d.F. des 2. Änderungsgesetzes vom 17.12.2008 sind Fehler bei der Ladung zur Verbandsversammlung und der Beschlussfassung für die Wirksamkeit der bis zum 31.12.2008 erfolgten Wahlen und Beschlüsse der Verbandsversammlung unbeachtlich, sofern diese Entscheidungen nicht durch die Aufsichtsbehörde aufgehoben worden sind. Damit ist eine Fehlerheilung eingetreten. Verfassungsrechtliche Bedenken an der Regelung, insbesondere der Zulässigkeit der darin liegenden Rückwirkung, bestehen nicht (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v . 09.06.2009 - 1 L 113/05, S. 5 ff. des Entscheidungsumdrucks).

26

Soweit der Kläger zu 1. die in der Kalkulation berücksichtigte Höhe der Schöpfwerkskosten bezweifelt (Erklärbarkeit der jährlichen Schwankungen, Ausschreibung von Bauleistungen), ist der Vortrag unsubstanziiert. Daher war das Gericht nicht gehalten, zu diesen Fragen weitere Ermittlungen anzustellen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche "ins Blaue" hinaus. Es ist die Sache des Klägers zu 1., etwaige Fehler hinreichend bestimmt darzulegen. Der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76). Den Beteiligten obliegt, wollen sie aus einem bestimmten Sachverhalt ihnen rechtlich günstige Konsequenzen ziehen, diesen Sachverhalt wenigstens vorzutragen. Unterbleibt dies, ist das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus auf die Suche nach dem Sachverhalt zu gehen, den die jeweiligen Beteiligten für sich geltend machen können. Den Verfahrensbeteiligten obliegt daher die prozessuale (Mitwirkungs-)Pflicht, einen Sachverhalt so konkret vorzutragen, dass das Gericht daraus entnehmen kann, welche tatsächlichen Umstände das Vorbringen stützen sollen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 13.07.1999 - 1 M 59/99, S. 2 f. des Entscheidungsumdrucks).

27

In Ansehung der Schöpfwerkskosten ist auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger zu 1. vorträgt, der Beklagte habe nicht geklärt, ob bestimmte Wegeparzellen von der Grundsteuer befreit seien, so dass er - der Kläger zu 1. - für diese Flächen selbst Mitglied des Wasser- und Bodenverbandes daher insoweit nicht gebührenpflichtig sei, ist der Vortrag ebenfalls unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Es ist die Sache des Klägers zu 1., die Grundsteuerbefreiung seiner Grundstücke darzulegen.

28

Die Gebührenerhebung verletzt den Kläger zu 1. nicht in seinem "Grundrecht auf Eigentum", weil der Schutzbereich des Art. 14 Grundgesetz (GG) durch die Erhebung öffentlicher Abgaben regelmäßig nicht berührt wird. Es fehlt in diesen Fällen an dem staatlichen Zugriff auf einen bestimmten, von der Bestandsgarantie geschützten Vermögenswert. Denkbar - und vom Kläger zu 1. wohl auch gemeint - ist allenfalls eine mit Blick auf Art. 12 GG unzulässige "erdrosselnde Wirkung", die vorliegend allerdings ebenfalls nicht gegeben ist. Zwar macht der Kläger zu 1. in Bezug auf die von ihr bewirtschafteten fortwirtschaftlichen Flächen in L.-Dorf ein negatives Betriebsergebnis geltend, ohne dies auch nur ansatzweise zu belegen. Selbst wenn man dennoch von die Richtigkeit seines Vortrages ausgeht, kann daraus nicht auf eine erdrosselnde Wirkung der Gebührenerhebung geschlossen werden. Ob einer Gebühr zur Deckung der Beiträge und Gebühren des Wasser- und Bodenverbandes eine erdrosselnde Wirkung zukommt, ist nicht danach zu beurteilen, ob einzelne land- oder forstwirtschaftliche Flächen wegen der Abgabe unwirtschaftlich sind, sondern danach, ob die Bewirtschaftung forstwirtschaftlicher Flächen und damit der Beruf des Waldbauers insgesamt unmöglich gemacht wird (vgl. für die Spielgerätesteuer: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.12.1997 - 6 L 199/96, S. 22 des Umdrucks; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 17.07.1989 - 8 NB 2/89, NVwZ 1989, 1176). Für die Frage der erdrosselnden Wirkung der Abgabe ist es somit irrelevant, ob bei einem einzelnen Waldbauern in einem begrenzten Zeitraum ein negatives Betriebsergebnis eingetreten ist. Von einem unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit könnte vielmehr nur dann ausgegangen werden, wenn die Abgabe aufgrund der Höhe der Gebührensätze generell, d.h. "flächendeckend" für alle Waldbauern eine erdrosselnde Wirkung hätte. Dies wird vom Kläger zu 1. jedoch nicht behauptet.

29

Auch soweit er behauptet, die nachhaltige Bewirtschaftung seiner vornehmlich mit der Baumart Weißerle bestockten Bruchflächen sei angesichts der Gebührenbelastung unmöglich, zwingt dies zu keiner anderen Betrachtungsweise. Die Behauptung - als wahr unterstellt - zeigt nur, dass Betrieb mit dem Produkt Weißerle nicht rentabel betrieben werden kann und daher die Notwendigkeit besteht, nach und nach die Produktpalette zu verändern.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Abwasserabgaben für die Kalenderjahre 1994 bis 1997 und damit zusammenhängend über die Frage der "Einleitung" i.S.v. § 2 Abs. 2 AbwAG von Abwasser aus einer "abflusslosen Grube" in den Untergrund.

2

Der Kläger war bis zum Jahre 1997 Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten, von 2 Personen bewohnten Grundstückes ... Straße ... in ... . In den Bauunterlagen des VEB (K) Bau Ueckermünde vom 25. März 1975 heißt es u. a., das aus dem Wohnhaus anfallende Abwasser sei in eine wasserdichte, abflusslose Grube abzuleiten.

3

Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 18. Dezember 1998 für sein (früheres) Grundstück ... Straße ... in ... zu Abwasserabgaben heran, und zwar

4

für 1994 zu 60,- DM,
für 1995 zu 60,- DM,
für 1996 zu 60,- DM sowie
für 1997 zu 70,- DM.

5

und forderte zur Zahlung auf. Dem Bescheid liegt die Satzung der Stadt Eggesin über die Abwälzung der Abwasserabgabe für Kleineinleiter vom 05. Juni 1996 zugrunde, die nach ihrem § 9 rückwirkend zum 01. Januar 1994 in Kraft treten sollte. Unter dem Ausfertigungsdatum findet sich der Vermerk: "Die kommunalaufsichtliche Genehmigung für das rückwirkende Inkrafttreten wurde am 03.06.1996 erteilt". Der Kläger erhob gegen den Bescheid Widerspruch, da der Beklagte hier rückwirkend Abgaben erhebe und die Kleinkläranlage auf eigene Kosten periodisch ausgepumpt werde. Der Beklagte bat um Übersendung von Belegen für ein Jahr über eine fachgerechte Entsorgung des Schlammes aus der Kleinkläranlage. Dann könne über eine Befreiung von der Abwasserabgabe für Kleineinleiter entschieden werden.

6

Nachdem der Kläger eine Bestätigung der Firma ... vorgelegt hatte, wonach er von dieser regelmäßig Fäkalien entsorgen lasse, wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 15. März 2000 zurück. Zur Begründung heißt es, die von dem Kläger eingereichten Unterlagen reichten nicht aus, um von der Abwasserabgabe befreit zu werden, denn die Menge der abgefahrenen Fäkalien müsse bei einer abflusslosen Sammelgrube ungefähr identisch mit der verbrauchten Trinkwassermenge sein. Abgabenfrei nach § 5 AbwAG seien Einleitungen aus Kleinkläranlagen nur dann, wenn sie die Voraussetzungen nach Nr. 3.2 der Kleinkläranlagen-Verwaltungsvorschrift vom 07. Dezember 1993 erfüllten. Dies sei hier nicht der Fall.

7

Der Kläger hat dagegen am 22. März 2000 Klage bei dem Verwaltungsgericht erhoben, zu deren Begründung er u. a. vorgetragen hat, der angefochtene Bescheid setze die Abgaben unzulässigerweise rückwirkend fest.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Abgabenbescheid des Beklagten vom 18. Dezember 1998 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 aufzuheben.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Mit dem angefochtenen Urteil vom 21. Januar 2005 - dem Beklagten zugestellt am 16. Februar 2005 - hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 1998 sowie dessen Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Berufung zugelassen.

13

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Heranziehungsbescheid sei für die Kalenderjahre 1994 bis 1996 schon deshalb rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Satzungsgrundlage fehle. Soweit die Satzung der Stadt Eggesin über die Abwälzung der Abwasserabgabe für Kleineinleiter nach § 9 rückwirkend zum 01. Januar 1994 in Kraft treten solle, fehle es an der nach § 5 Satz 5 KV-DVO erforderlichen ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Genehmigungserteilung. Dem Genehmigungsvermerk mangele es an der genauen Bezeichnung der Genehmigungsbehörde. Eine lediglich funktionelle Bezeichnung der Genehmigungsbehörde reiche nicht aus. Erforderlich sei die konkrete Bezeichnung der Genehmigungsbehörde als "Landrat des Landkreises...". Daher sei die Satzung ohne Rückwirkung nur mit Wirkung für die Zukunft in Kraft getreten. Auch für das Jahr 1997 sei der Kläger nicht abgabepflichtig, denn im Falle sogenannter "abflussloser Gruben" liege keine Einleitung i.S.d. § 2 Abs. 2 AbwAG vor. Das Einleiten erfordere ein gezieltes, zweckgerichtetes Verhalten, die bloße Verursachung des Verbringens von Abwasser reiche nicht aus. Es gelte ein subjektiver Einleitungsbegriff. Finalität verlange nicht den Vorsatz, dass Schadstoffe in das Gewässer gelangten, lasse aber auch nicht die bloße Verursachung genügen. Wenn Abwasser aus undichten Kanalnetzen austrete und in das Grundwasser gelange, sei der Einleitungstatbestand nicht erfüllt. Dafür spreche auch die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des Abwasserabgabengesetzes. Dort heiße es, dass bei Unfällen oder anderen vom Verursacher nicht vorhergesehenen Ereignissen, bei denen Stoffe in Gewässer gelangten, keine Abgabenpflicht ausgelöst werde. Die Anreizfunktion, unvorhergesehene Ereignisse möglichst gering zu halten, könne besser durch Straf- und Bußgeldbestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes als durch eine Abgabenregelung geschaffen werden. Sei dem Betreiber einer (undichten) abflusslosen Grube der schadhafte Zustand seiner Anlage bekannt und dulde er diesen, so liege kein Einleiten von Abwasser vor. Anders als bei echten Kleinkläranlagen, die bestimmungsgemäß undicht seien, solle bei abflusslosen Gruben ein Verbringen nach der Zweckbestimmung des Betreibers gerade nicht stattfinden. Undichte abflusslose Gruben seien insofern abwasserabgabenrechtlich einem zeitlich begrenzten Unglücksfall gleichzustellen, auch wenn das Eindringen des Abwassers in den Untergrund über einen längeren Zeitraum erfolge. Anderes könne nur dann gelten, wenn der Betreiber der Anlage an dieser bewusst Manipulationen vornehme mit dem Ziel, entgegen der Zweckbestimmung der Anlage eben doch eine Versickerung von Abwasser zu bewirken. Dann wäre ein zielgerichtetes Verhalten anzunehmen. Dafür beständen vorliegend aber keine Anhaltspunkte. Ob aus der Grube Abwasser in den Untergrund verbracht worden sei, könne offenbleiben, da dies für eine Abgabenpflichtigkeit nicht ausreiche. Bei abflusslosen Gruben sei schon der Einleitungstatbestand nicht erfüllt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Fallgestaltungen bei abflusslosen Gruben hinsichtlich Bauart, Alter und der Frage der Undichtigkeit sehr unterschiedlich sein könnten und eine generalisierende Erfassung unter eine Abgabenregelung, anders als bei zielgerichteten Abwassereinleitungen, nicht zweckmäßig erscheine. Das Gericht sei daher der Auffassung, dass den hier betroffenen umweltrechtlichen Belangen nicht abgabenrechtlich, sondern ordnungsrechtlich Rechnung getragen werden müsse.

14

Der Beklagte hat am 07. März 2005 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, seiner Auffassung nach sei der Genehmigungsvermerk in der Satzung der Stadt Eggesin vom 05. Juni 1996 ausreichend. Aus dem Umstand, dass auf eine kommunalaufsichtliche Genehmigung hingewiesen werde, sei der Schluss zu ziehen, dass diese Genehmigung durch den Landrat des Landkreises ...-... erteilt worden sei. Nur dort existiere eine Kommunalaufsichtsbehörde. Es mache auch für den Betroffenen keinen Unterschied, ob auf die "Kommunalaufsicht" oder den "Landrat des Landkreises" hingewiesen werde; in beiden Fällen gehe er davon aus, dass eine rückwirkende Inanspruchnahme ermöglicht werden solle. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege ein gezieltes und zweckgerichtetes Verhalten vor, wenn es der Betreiber einer abflusslosen Grube wissentlich unterlasse, Maßnahmen zu treffen, um das Eindringen von Abwasser in den Untergrund zu verhindern. Hier habe der Kläger zweifelsfrei Kenntnis von der Undichtigkeit seiner Klärgrube gehabt. Dies ergebe sich zwangsläufig aus den abweichenden Trink- und Abwassermengen.

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Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er hält das Urteil für zutreffend, soweit danach der Genehmigungsvermerk der Satzung der Stadt Eggesin nicht ausreiche. Der durchschnittliche Bürger habe keine verwaltungsrechtlichen Kenntnisse über den Behördenaufbau bzw. kommunale Zuständigkeiten. Daher könne er aus einem Vermerk wie dem hier streitigen nicht entnehmen, an wen er sich im Falle von Einwendungen oder Fragen halten könne. Im Übrigen habe eine Einleitung aus seiner abflusslosen Grube nicht vorgelegen. Der Beklagte, der die Abgabe fordere, habe den Nachweis der Undichtigkeit nicht erbracht, denn er habe die Nicht-Übereinstimmung der Trink- und Abwassermengen nicht nachweisen können. Kenntnis von einer Undichtigkeit der Sammelgrube habe er - der Kläger - nicht gehabt.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 1998 über die Abwälzung der Abwasserabgabe für Kleineinleiter für die Veranlagungsjahre 1994 bis 1997 in Höhe von insgesamt 250,-- DM sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 zu Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die hier betroffenen Veranlagungsjahre 1994 bis 1996 fehlt bereits die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erforderliche Satzungsgrundlage (nachfolgend 1.). Das Veranlagungsjahr 1997 wird zwar vom zeitlichen Geltungsbereich der Satzung der Stadt Eggesin vom 05. Juni 1996 erfasst. Im Falle des Klägers liegen jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abgabenpflicht nicht vor (nachfolgend 2.).

22

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Bekanntmachung der Satzung vom 05. Juni 1996 mit dem Vermerk: "Die kommunalaufsichtliche Genehmigung für das rückwirkende In-Kraft-Treten wurde am 03.06.1996 erteilt", nicht den Erfordernissen des § 5 Satz 4 KV-DVO vom 26.01.1995, jetzt § 5 Satz 5 KV-DVO i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG (in der zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Satzung geltenden Fassung vom 01. Juni 1993) entsprochen hat, so dass ein rückwirkendes In-Kraft-Treten der Satzung zum 01. Januar 1994 (§ 9 der Satzung) ausscheidet. Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis ist, dass mit In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 und dem damit verbundenen Wegfall des § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG rückwirkend erlassene Abgabensatzungen nicht mehr der Genehmigung, sondern nur noch der Anzeige nach § 5 Abs. 4 Satz 5 KV M-V bedürfen. Die Ordnungsgemäßheit des Bekanntmachungsverfahrens bestimmt sich nach dem zur Zeit des Bekanntmachungsvorgangs geltenden Recht, hier also u.a. nach § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG M-V in der Fassung vom 01. Juni 1993. Eine rückwirkende Geltung des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 auf frühere vorschriftswidrige Bekanntmachungsverfahren ist nicht geregelt.

23

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur rückwirkenden Geltung der Satzung vom 05. Juni 1996 sind dahin zu ergänzen, dass - anders als es hier das Verwaltungsgericht ausführt - in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald bisher nicht abschließend geklärt ist, ob eine lediglich funktionelle Bezeichnung der Genehmigungsbehörde nach § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG M-V (a.F.) ausreichend sei. Weder dem von dem Verwaltungsgericht zitierten Normenkontrollurteil vom 03. Dezember 2002 (4 K 15/01) noch dem Beschluss vom 01. Oktober 2003 (1 M 130/03) ist eine solche abschließende Entscheidung zu entnehmen. Der Senat hat in dem Beschluss vom 01. Oktober 2003 zwar bei summarischer Prüfung die Auslegung für vorzugswürdig gehalten, dass die funktionelle Behördenbezeichnung ("Rechtsaufsichtsbehörde") den Anforderungen des § 5 Satz 4 KV-DVO a.F., § 5 Satz 5 KV-DVO n.F. i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG (a.F.) nicht genüge, die abschließende Entscheidung jedoch verschiedenen, später aber unstreitig beendeten Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die Entscheidung 4 K 15/01 nimmt hierauf lediglich Bezug.

24

Auch der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, diese Frage abschließend zu beantworten. Die in der hier streitigen Bekanntmachung der Satzung der Stadt Eggesin vom 05. Juni 1996 enthaltene Angabe: "Die kommunalaufsichtliche Genehmigung für das rückwirkende In-Kraft-Treten wurde am 03.06.1996 erteilt" bezeichnet die Genehmigungsbehörde im funktionellen Sinne mit dem in der Kommunalverfassung nicht enthaltenen Begriff der "Kommunalaufsicht". Wenn der betroffene Bürger mit der funktionellen Bezeichnung "Rechtsaufsichtsbehörde" noch nach § 79 KV M-V den Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde oder das Innenministerium als zuständige Stelle bestimmen kann, so setzte dies bei der Verwendung der im Gesetz nicht gebrauchten Bezeichnung "Kommunalaufsicht" voraus, dass er diesen Begriff auch in den rechtlich zutreffenden Zusammenhang mit der "Rechtsaufsicht" setzen kann (vgl. hierzu etwa: Lübking/Vogelsang, Die Kommunalaufsicht, Rn 119ff m.w.N.), sowie die Kenntnis, dass hiermit nicht etwa auch die "Fachaufsicht" nach § 86 KV M-V gemeint ist, die noch weiteren Behörden ("die fachlich zuständigen obersten Landesbehörden") obliegt. Eine in dieser Weise funktionelle Bezeichnung der Genehmigungsbehörde jedenfalls wird den Vorgaben des § 5 Satz 4 KV-DVO a.F. i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG M-V (a.F.) nicht mehr gerecht. Sie setzt Kenntnisse juristischer Begrifflichkeiten voraus, deren Bedeutung dem Gesetz nicht entnommen werden kann und keineswegs allen Satzungsunterworfenen bewusst ist.

25

2. Auch wenn demnach der Geltungsbereich der Satzung der Stadt Eggesin jedenfalls das nach ihrem In-Kraft-Treten liegende Kalenderjahr 1997 als Veranlagungszeitraum erfasst (§ 3 Abs. 1 der Satzung vom 05. Juni 1996), kann die Heranziehung des Klägers zu den streitigen Abwasserabgaben auf sie nicht gestützt werden. Die Satzung setzt nach dem rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AbwAG M-V), sowie nach ihren eigenen Regelungen über Entstehung und Ende der Abgabenpflicht (§ 3 Abs. 2, 3 Satz 1) voraus, dass eine "Einleitung" von Abwasser stattfindet. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall - wie im Ergebnis vom Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht entschieden - nicht gegeben.

26

Nach § 2 Abs. 2 AbwAG ist "Einleiten" das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer; das Verbringen in den Untergrund gilt als Einleiten in ein Gewässer. Das Erfordernis der "Unmittelbarkeit" bedeutet, dass sich zwischen das Wegschaffen von Abwasser und dessen Eindringen in ein Gewässer keine andere Verantwortlichkeit schieben darf, was hier unproblematisch nicht der Fall ist. Solches wäre nur dann anzunehmen, wenn die Sachherrschaft über das Abwasser bei einem anderen, der dadurch seinerseits verantwortlich wird, anfiele (BVerwG, 07.11.1990, ZfW 1991, 163, 165).

27

Der Begriff "Einleiten" ist außer im Abwasserabgabenrecht im Bereich des Wasserhaushaltsgesetzes (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 WHG) von zentraler Wichtigkeit. Hier ist seine rechtliche Bedeutung geklärt (s. BVerwG, 16.11.1973, ZfW 1974, 296; BVerwG, 07.11.1990, a.a.O.). Danach wird das Hineingelangen von Stoffen in ein Gewässer über ein lediglich kausales Geschehen hinaus zu einem Einleiten erst dadurch, dass es die Folge einer auf die Gewässerbenutzung zweckgerichteten menschlichen Handlung ist. Als "Einleiten" kann danach nicht schon das nur zufällige Hineingelangen angesehen werden und insbesondere reicht die bloße Verursachung des Hineingelangens für das "Einleiten" als eine auf einen bestimmten Erfolg abzielende zwecktätige Handlung nicht aus. So liegt in einem nicht final beherrschten Unfallgeschehen kein Einleiten, denn hier fehlt es an jeglicher zweckgerichteten Handlung. Durch Unterlassen leitet jemand ein, wenn er mit seinem Untätigbleiben planvoll darauf abzielt, dass Stoffe in oberirdische Gewässer oder in das Grundwasser gelangen. Die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ("Einleiten") durch Unterlassen unterscheidet sich von seiner Verwirklichung durch positives Handeln allein darin, dass als Mittel der Tatbestandsverwirklichung in dem einen Fall ein zielgerichtetes Handeln, in dem anderen Fall ein zielgerichtetes Unterlassen eingesetzt wird.

28

Diese zum Begriff "Einleiten" nach dem Wasserhaushaltsgesetz ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist wegen des sachlichen Zusammenhanges zwischen dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Abwasserabgabengesetz auf den abwasserabgabenrechtlichen Begriff des Einleitens nach § 2 Abs. 2 AbwAG übertragbar. Dafür spricht der Gesichtspunkt einer einheitlichen Anwendung gewässerschützender Vorschriften, die Begründung des Regierungsentwurfes, wonach durch nicht vorgesehene Ereignisse eine Abgabenpflicht nicht ausgelöst werden solle, sowie die Verwendung des Ausdrucks "Verbringen" in § 2 Abs. 2 AbwAG. Dieser kann als Hinweis darauf angesehen werden, dass für das Hineingelangen des Abwassers in den Untergrund ein Verhalten ursächlich sein muss, welches gerade hierauf gerichtet ist (OVG NW, 08.02.1982, NVwZ 1983, 619, 620; OVG NW, 23.01.1985, DÖV 1985, 685, 686).

29

Danach ist für die Frage des "Einleitens" aus einer "abflusslosen Grube" und - daraus folgend - für die Frage der Abgabenpflicht des Eigentümers des Grundstückes, auf dem sich die Grube befindet, von folgenden rechtlichen Maßstäben auszugehen: Voraussetzung ist zunächst in jedem Einzelfall, dass überhaupt Abwasser aus der Grube in die Umgebung, ein Gewässer oder den Untergrund hineingelangt. Dieser Vorgang muss sodann auf einer auf die Gewässer- (bzw. Untergrund-) Benutzung zweckgerichteten menschlichen Handlung beruhen. Einer solchen zweckgerichteten Handlung steht ein zielgerichtetes Unterlassen gleich. Danach ist - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist - derjenige Betreiber einer abflusslosen Grube als "Einleiter" im Sinne des Abwasserabgabenrechts zu behandeln, der seine "abflusslose Grube" dergestalt manipuliert, dass sie ihre Dichtigkeit einbüßt und Abwasser in die Umgebung abgibt. Darüber hinaus gilt als Einleiter aber auch derjenige, der aus einer aus anderen (etwa Alterungs-)Gründen undicht gewordenen "abflusslosen Sammelgrube" einleitet, wenn ihm bei unbefangener Betrachtung aller bekannten Umstände, d.h. ohne Berücksichtigung subjektiver, vielleicht falscher Vorstellungen des Betreibers über die Folgen seines Tuns, die Undichtheit der Grube bekannt ist (bzw. sein müsste). Das Hineinleiten von Abwasser in eine undichte Grube im - bei einer solch objektiven Betrachtung anzunehmenden - Wissen um deren Undichtigkeit ist nichts anderes als ein zweckgerichtetes Einleiten von Teilmengen des Abwassers in die Umgebung der Grube (so im Ergebnis auch Köhler, Abwasserabgabengesetz, Kommentar, § 2 Rn. 43; Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 182).

30

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach ein Einleiten aus einer "abflusslosen Grube" lediglich bei bewussten Manipulationen des Anlagenbetreibers gegeben sein soll, folgt der Senat daher nicht. Die Behandlung auch desjenigen als "Einleiter", der trotz (bei objektiver Betrachtung vorhandener) Kenntnis einer ohne Manipulationen aufgetretenen Schadhaftigkeit seine Sammelgrube weiter mit Abwasser beschickt, vermeidet einen Wertungswiderspruch und entspricht dem Zweck des Abwasserabgabengesetzes. Dieses hat mit seiner Anreiz- und Antriebsfunktion (Reinhaltung der Gewässer durch Schaffung ökonomischer Anreize) Lenkungscharakter dahin, dass weniger Schadstoffe in Gewässer gelangen sollen (vgl. dazu BVerwG, 07.11.1990; Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 520).

31

Von einem bestimmungswidrigen Hineingelangen von Abwasser aus einer abflusslosen Grube in die Umgebung als notwendige Voraussetzung für ein Einleiten kann die für die Abgabenerhebung zuständige Behörde grundsätzlich ausgehen, wenn prüfbare Nachweise über die Menge zugeführten Frischwassers auf das Grundstück und die Menge aus der Grube entsorgten Abwassers ein erhebliches Überwiegen der Frischwasserzufuhr belegen und als Ursache dieses Umstandes allein ein Abwasserverlust aus der Grube in Betracht kommt. Ein Austreten von Abwasser aus der Grube und damit ein "Einleiten" i.S.d. § 2 Abs. 2 AbwAG kann nicht angenommen werden, wenn vorliegende Differenzen zwischen Frisch- und Abwassermenge auf die Verwendung von Frischwasser für eine Gartenbewirtschaftung, die Tränke von Vieh oder vergleichbare Zwecke zurückgeführt werden können. Können mangels Nachweisen weder eine Übereinstimmung der zugeführten Frischwassermenge mit der Menge entsorgten Abwassers noch entsprechende Differenzen belegt werden, kann die abwasserabgabenerhebende Behörde nicht ohne Weiteres eine Undichtigkeit der fraglichen "abflusslosen Grube" zu Lasten des Betreibers annehmen. Eine solche Vermutung zu Lasten der Inhaber - auch alter - abflussloser Gruben ist nach den Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes nicht vorgesehen. Der Betreiber einer abflusslosen Grube ist auch abwasserabgabenrechtlich nicht verpflichtet, die Dichtigkeit der Anlage nachzuweisen. Er unterliegt keiner gesetzlichen Pflicht zur Führung von Entsorgungsnachweisen oder Aufbewahrung entsprechender Belege (vgl. dazu die auf abflusslose Sammelgruben nicht anwendbare Verordnung über die Selbstüberwachung von Abwasseranlagen und Abwassereinleitungen vom 09. Juli 1993, GVOBl. M-V, S. 774). Besteht ein hinreichender Gefahrenverdacht, so wird der Betreiber durch die zuständige Wasserbehörde zum Nachweis des ordnungsgemäßen Betriebes seiner Anlage ordnungsbehördlich verpflichtet werden können, wozu auch die Aufbewahrung von Entsorgungsnachweisen gehören mag. Jedenfalls ohne Anordnung einer solchen konkreten Verpflichtung kann aus dem Fehlen von Abfuhrbelegen nicht schon auf eine Undichtigkeit einer Grube im Verfahren zur Veranlagung zu Abwasserabgaben geschlossen werden.

32

Fehlen der die Abwasserabgaben erhebenden Behörde auch im Übrigen konkrete Erkenntnisse, ob eine "abflusslose Grube" ordnungsgemäß funktioniert oder aber undicht ist, scheidet eine Heranziehung des Betreibers der Grube bzw. des Grundstückseigentümers aus. Hat die Gemeinde den Grundstückseigentümer ohne schlüssige Nachweise über die Undichtigkeit der Grube, etwa allein auf Grund des Alters der Anlage und darauf gestützte Vermutungen gleichwohl veranlagt, ist in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren die Frage der Ordnungsgemäßheit/Dichtigkeit der Grube im betreffenden Veranlagungsjahr mit den in Betracht kommenden prozessrechtlichen Mitteln aufzuklären. Wird die Undichtigkeit der Sammelgrube festgestellt, kommt es - wie oben dargestellt - darauf an, ob das Einleiten "zweckgerichtet" geschehen ist. Dazu muss die Schadhaftigkeit der Grube bei unbefangener Betrachtung bekannt gewesen sein.

33

Lässt sich der Zustand der Anlage im fraglichen Veranlagungsjahr nicht mehr aufklären, muss demnach offenbleiben, ob eine Einleitung stattgefunden hat, kann die zugrundeliegende Abgabenvorschrift nicht zu Lasten des Betroffenen angewendet werden. Die Beweislast trägt dann der Abgabengläubiger, die abgabenerhebende Gemeinde, die sich auf das Tatbestandsmerkmal "Einleiten" beruft und damit eine für sie günstige Norm geltend macht (Beschluss des Senats, 14.04.2003 - 1 O 6/03 -, juris; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. A., § 108, Rn 12).

34

Nach diesen Maßstäben gilt im vorliegenden Fall:

35

Der Kläger hat nach der von ihm vorgelegten Baubeschreibung aus dem März 1975 eine abflusslose Sammelgrube aus Betonhohlblocksteinen mit einer verputzten und mit dreifachem Isolieranstrich versehenen Grubeninnenfläche, deren Zweckbestimmung die Aufnahme sämtlichen anfallenden Abwassers, also nicht die Verrieselung oder Versickerung von Klärflüssigkeit gewesen ist, betrieben. Nachweise über entsorgte Abwassermengen liegen nicht mehr vor. Das steht nach der Mitteilung der Firma ... an das Verwaltungsgericht vom 15. Juni 2004 zur Überzeugung des Senates fest. Damit wäre eine weitere Aufklärung der Dichtigkeit der Sammelgrube des Klägers in dem hier allein noch interessierenden Veranlagungsjahr 1997 nur durch eine sachverständige Untersuchung der Grube möglich. Diese ist jedoch - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung unbestritten vorgetragen hat - im Zusammenhang mit dem Anschluss an die zentrale Kläreinrichtung beseitigt worden. Eine weitere Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens scheidet damit aus. Die Nichterweisbarkeit einer "Einleitung" i.S.v. §2 Abs. 2 AbwAG aus der Sammelgrube des Klägers im Jahr 1997 geht zu Lasten des Beklagten. Der angefochtene Bescheid ist damit insgesamt rechtswidrig und aufzuheben.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

38

Revisionszulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.