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| Der Kläger hatte im Jahr 2001 einen Lebensversicherungsvertrag mit Einmalprämie und einer Laufzeit von 10 Jahren ohne laufende Auszahlungen bei einem englischen Lebensversicherer abgeschlossen. Nachdem die Renditeentwicklung bis zum Jahr 2007 seinen Vorstellungen nicht entsprochen hatte, beendete er den Vertrag vorzeitig. Die Beklagte kürzte den nach ihren Versicherungsbedingungen berechneten Versicherungswert um eine sog. „Marktpreisanpassung“ in Höhe von ca. 40.000,00 EUR, wobei sie sich auf ihre Policenbedingungen (im Folgenden: AVB) berief. |
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| Dort war hierzu im Wesentlichen bestimmt: |
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| Ein eventuell vorgenommener Abzug, wenn Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs eingelöst werden und ein Rückgabebonus zwar greift, doch sein Betrag Null ist. Zweck der Marktpreisanpassung besteht darin, sicherzustellen, dass der zahlbare Betrag oder (gegebenenfalls) der für die Zuteilung von Einheiten an einem anderen Fonds verwendete Betrag den Wertzuwachs der zugrunde liegenden Vermögenswerte des Pools mit garantiertem Wertzuwachs auf faire Weise während des Zeitraums, während dessen die Anteile dem Vertrag zugeteilt waren, reflektiert und ein Poolen verschiedener Beiträge ermöglicht und/oder der Notwendigkeit gerecht wird, die Interessen anderer Versicherungsnehmer zu schützen, deren Verträge mit dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs verknüpft sind“. |
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| Der Kläger machte wegen unzureichender Beratung bei Abschluss des Versicherungsvertrages in erster Linie einen Schadensersatzanspruch in Höhe von ca. 60.000,00 EUR geltend, berechnet im Vergleich zu einer alternativen Anlage bei einem deutschen Lebensversicherer. Hilfsweise forderte er ca. 40.000,00 EUR als Nachzahlung wegen der von ihm für unwirksam gehaltenen Vereinbarung zur Marktpreisanpassung. |
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| Beim Landgericht hatte nur der Hilfsantrag Erfolg. |
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| Nach durchgeführter mündlicher Verhandlung im Berufungsverfahren beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Nachzahlung des erfolgten Abzugs (Marktpreisanpassung) verpflichtete. Über die Kosten des Rechtsstreits hatte hiernach das Gericht zu entscheiden. |
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| Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ist eine Kostenteilung wie ausgesprochen angemessen (§ 91 a ZPO). |
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| Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis zutreffend. Im Entscheidungsfalle wäre allein der Hilfsantrag des Klägers berechtigt gewesen. |
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| 1. Schadensersatzansprüche des Klägers wegen eines Beratungsfehlers bestehen nicht. |
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| Zwar trifft die Beklagte eine umfassende Pflicht zur Information und Beratung vor Vertragsschluss, da ihr Produkt neuartig und komplex ist. Die von ihr hierfür erstellten schriftlichen Unterlagen sind unzureichend. Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung - im Ergebnis ebenso wie beim Landgericht - ausführte, weshalb die Einzelheiten der Anlage und insbesondere die Bedingungen des Lebensversicherungsvertrages im Einzelnen für ihn ohne Bedeutung waren. Wichtig für ihn war zunächst nur das Kapital zu erhalten. Ein Kapitalverlust stand im Jahr 2007 jedoch nicht in Frage. Weiter war für den Kläger ausschlaggebend die Höhe der Rendite, die jedoch der erwarteten Höhe nach nicht garantiert war. Das zu Grunde liegende Risiko der Entwicklung der Aktienkurse war dem Kläger bekannt. |
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| 2. Berechtigt gewesen wäre hingegen der Anspruch des Klägers auf Nachzahlung des Abzugsbetrages anlässlich der vorzeitigen Vertragsbeendigung. |
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| Der Kläger war berechtigt, die Zahlung dieses Betrages an sich zu verlangen. Die Geltendmachung von Ansprüchen wegen des Wertverlustes des Versicherungsvertrages, wie er bei einer vorzeitigen Beendigung nach dem Rechtsverständnis der Beklagten eintreten soll, war bei der Abtretung des Versicherungsvertrages in Verbindung mit der Verwertung dieses Vertrages ausdrücklich dem Kläger vorbehalten worden. |
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| Nach Kündigung des Vertrages hatte der Kläger nach den Policenbedingungen einen Anspruch auf Rückzahlung des „Rücknahmewertes“ (Ziff. 3.1 AVB). Die für den Fall der Beendigung des Versicherungsvertrages vor Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit vorgesehene Klausel zur „Marktpreisanpassung“ und damit zur Kürzung des auszuzahlenden Betrags, ist unwirksam. |
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| Die Klausel zur „Marktpreisanpassung“, die bei „Rückgabe eines Vertrages“ (Nr. 3.2 b AVB) zur Kürzung des „Rücknahmewertes“ (Nr. 3.1 AVB) führt, ist in der Sache eine Stornoklausel, auf die § 176 Abs. 4 VVG a.F. anzuwenden ist. Sie verfolgt zwar den mit einer Stornoklausel zulässigerweise verfolgbaren Zweck einer Vermeidung von Risikoverschlechterungen zu Lasten der verbleibenden Versicherungsgemeinschaft (vgl. Münchener Kommentar, VVG, § 169 Rn. 119 - Antiselektion -). Ihre Fassung lässt jedoch in keiner Weise erkennen, welche wirtschaftlichen Folgen der Versicherer im Falle der Kündigung dieses Vertrages der Klausel entnehmen will. Sie entspricht somit nicht dem Transparenzgebot und ist deshalb unwirksam (§ 307 BGB). |
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| Erschwert wird das Verständnis der Klausel bereits dadurch, dass in großem Umfang Definitionen der im Bedingungswerk verwendeten Begriffe den eigentlichen Regelungen vorangestellt sind. Der rechtlich nicht vorgebildete Versicherungsnehmer ist es nicht gewohnt, die für ihn maßgebenden Regelungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Fundstellen zu ermitteln. |
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| Die Klausel in Nr. 3.2 AVB enthält mehrere Anpassungselemente („Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, „Rückgabebonus“ und „Marktpreisanpassung“). Trotz der Definition in Ziff. 1.3 AVB ist die Unterscheidung dieser Berechnungselemente vor allem im weiteren Verlauf des Regelungswerkes schwierig oder überhaupt nicht möglich. Zudem werden in Ziff. 3.2 AVB „Rückgabebonus“ und „Marktpreisanpassung“ als aufeinander aufbauende Komponenten dargestellt, obwohl diese gegenläufige Anpassungsmechanismen an die Wertentwicklung des Poolkapitals darstellen. So tritt eine „Marktpreisanpassung“ (= Abzug) dann ein, wenn „ein Rückgabebonus [greift], doch sein Wert Null [ist]“ (vgl. Ziff. 3.2 b S. 2 AVB). Bereits der Begriff „Marktpreisanpassung“ ist trotz des in der Definition (vgl. Ziff. 1.3) verwendeten Wortes Abzug und der Erläuterung ihres Zwecks in Ziff. 1.3 AVB irreführend. Die nachteilige Wirkung wird insbesondere durch die verharmlosende Darstellung mittels der Wörter „eventuell, kann, gegebenenfalls, fair“ auch bei einer Gesamtbetrachtung der Regelungen in den einzelnen Klauseln nicht ausreichend erkennbar, ebenso wenig wie die Größenordnung des Abzugs. |
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| Die Richtlinien der Beklagten und die Grenzen der „Marktpreisanpassung“ sind in den Policenbedingungen auch nicht auf andere Weise beschrieben. Selbst aus den - nach Vertragsschluss von der Beklagten erstellten - „Grundsätze und Usancen bei der Finanzverwaltung (PPFM)“ (Anl. K 16 Ordner I) lässt sich nicht feststellen, wie die Marktpreisanpassung konkret berechnet wird. Es wird dort auf unterschiedliche Berechnungsmethoden hingewiesen, ohne die Funktionsweisen der verschiedenen Methoden zu erläutern. Konkret dargelegt wird einzig, dass die Marktpreisverringerung momentan auf maximal 25 % begrenzt ist (S. 36 f.). Eine weitere Konkretisierung wäre für die Beklagte bereits bei Vertragsschluss möglich und zumutbar gewesen, auch wenn nach der bei Vertragsschluss geltenden Fassung des VVG noch keine Bezifferung des Stornoabzuges vom Gesetz gefordert war. Vor allem hätte die Beklagte beispielsweise mithilfe von Schaubildern das Zusammenspiel und die Grenzen der einzelnen Mechanismen ohne große Mühe erläutern können (vgl. BGHZ 147, 373). Die von der Beklagten später - nach Vertragsschluss - verfassten Hinweise (PPFM) zeigen die inhaltliche Beliebigkeit der Klausel, die sie nach dem Verständnis der Beklagten haben sollte. Auf eine verbindliche Obergrenze wollte sie völlig verzichten. |
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| 3. Für die hiernach unwirksame Vereinbarung von Abzügen bei der Kündigung (Stornoabzug) gibt es im Gesetz eine Regelung (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.). Wenn die Vereinbarung in den AVB unwirksam ist, besteht kein Anspruch auf einen Abzug (BGHZ 164, 297 Rn. 38). Die Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung in diesem Punkt stellt sich somit nicht. |
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| 4. Da der Kläger im Berufungsrechtszug in erster Linie einen - unberechtigten - Anspruch auf Ersatz seines Schadens wegen eines Beratungsfehlers in Höhe von ca. 60.000,00 EUR geltend machte und nur hilfsweise den berechtigten Anspruch auf Zahlung des ihm noch zustehenden Versicherungswertes in Höhe von ca. 40.000,00 EUR, ist die ausgesprochene Kostenteilung angemessen. Die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil bedarf keiner Korrektur, da dort - zunächst - weitere, später nicht mehr verfolgte Ansprüche des Klägers geltend gemacht wurden. |
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