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Der 15-jährige Antragsteller ist der Sohn der Antragsgegnerin und lebt bei seinem Vater, dem geschiedenen Ehemann der Mutter, die wieder verheiratet ist. Der Antragsteller ist als Folge spastischer Lähmungen schwer behindert (Behinderungsgrad 90 %). Er möchte regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang mit seiner Mutter, die im 200 km entfernten ... lebt und vollschichtig erwerbstätig ist.
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Ohne Einschaltung des Jugendamtes beantragte das Kind folgenden Umgang:
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14-tägig ab Freitag 18 h bis Sonntag 18 h, |
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jeweils am 2. Feiertag von Weihnachten, Ostern, Pfingsten von 9 h bis 18 h |
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das erste Ferienwoche in den Weihnachts-, Oster- und Pfingstferien |
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2 Wochen in den Sommerferien |
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Ausfallsregelung für den Krankheitsfall. |
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Die Mutter sieht keine Notwendigkeit für eine gerichtliche Umgangsregelung. Sie besuche das Kind regelmäßig, könne allerdings wegen der weiten Entfernung, der damit verbundenen Kosten und ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit keinen Wochenendumgang wahrnehmen. Außerdem müsse sie sich um ihre krebskranke Mutter kümmern.
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Durch Beschluss vom 13.2.2008 lehnte das Familiengericht den Antrag des Kindes auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit ab. Es liege kein Regelungsinteresse vor, da der Umgang regelmäßig stattfinde. Zudem sei der Antragsteller verpflichtet gewesen, vor Einleitung des Umgangsverfahrens die Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch zu nehmen.
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Der Antragsteller legte hiergegen sofortige Beschwerde ein und zahlte 50 EUR als Vorschuss. Schon 2006 habe das Jugendamt vermittelt. Die damals erzielte Regelung sei von der Mutter nie eingehalten worden.
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In der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2008 einigten sich die Eltern auf die Regelung eines Ferienumgangs für 2008.
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Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm die beantragte Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Biberach vom 13.02.08 hat Erfolg.
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Der Umgang war bisher nicht verbindlich geregelt und hat in der Vergangenheit teilweise unregelmäßig stattgefunden. Das Anliegen des Antragstellers ist daher gerechtfertigt.
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Ein Regelungsbedürfnis entfällt auch nicht als Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl dient und daher der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit nicht gerechtfertigt ist, sofern nicht hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sind, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 845-853). Die Einleitung eines Umgangsverfahrens durch das Kind wegen der Umgangspflicht der Mutter greift als solche noch nicht in deren Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Erst eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht oder deren Androhung ist - so der Bundesgerichtshof - geeignet, in unzulässiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der Antragsgegnerin einzugreifen (vgl. BGH FamRZ 2008, 1334 f.)
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Die weitere Frage, ob die Verweigerung der Prozesskostenhilfe auf eine unterbliebene Beratung durch das Jugendamt gestützt werden kann, ist umstritten. Nach einer Auffassung kann ein Prozesskostenhilfegesuch für ein gerichtliches Umgangsrechtsverfahren mutwillig sein, wenn der Antragsteller nicht zuvor versucht hat, das erstrebte Umgangsrecht ohne Inanspruchnahme des Gerichtes mit Hilfe des Jugendamtes zu regeln. Es sei nicht hinzunehmen, dass Einigungsversuche über die Prozesskostenhilfe als besondere Form der Sozialhilfe auf Kosten der Allgemeinheit auf das Familiengericht verlagert werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss vom 4.10.07. Az. 15 WF 261/07, OLGR Schleswig 2008, 107-108; Brandenburgisches Oberlandesgericht FamRZ 2003, 1760; OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 758).
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Nach einer anderen Ansicht ist es nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn ein Elternteil zur Regelung des Umgangs gem. § 1684 BGB das Familiengericht anruft, ohne vorher Beratung und Hilfe des Jugendamtes in Anspruch genommen zu haben. Es gebe keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bemittelte Partei regelmäßig die außergerichtliche Streitschlichtung suchen werde (vgl. OLG Hamm FamRZ 2007, 1337; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 1115-1116).
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Der Senat vertritt die erstgenannte Ansicht. Es ist auf das Verhalten einer vernünftigen Partei abzustellen, die ihren Prozess selbst finanzieren muss.
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Ein solche Partei wird normalerweise zuerst die ihr eröffneten Möglichkeiten einer kostenlosen Streitbeilegung nutzen, bevor sie das Gericht anruft mit der Gefahr, die Kosten aus einem Streitwert von 3.000 EUR selbst tragen zu müssen.
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Dass die Nutzung außergerichtlicher Vermittlungsmöglichkeiten auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt die Einführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens durch § 15a EGZPO iVm. den Schlichtungsgesetzen der Länder. Zudem kann von den Parteien, die mit Mitteln der Sozialhilfe prozessieren wollen, eine Mitwirkung dahingehend erwartet werden, die entstehenden Kosten niedrig zu halten, sofern diese Mitwirkung nur mit Unbequemlichkeiten verbunden ist. Das Land Baden-Württemberg hat 2003 einen Nettoaufwand von fast 57 Mio. EUR für die Prozesskostenhilfe tragen müssen, von denen allein 70 % auf Familiensachen vor den Amtsgerichten entfielen.
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Der vorliegende Fall bietet nach dem inzwischen präzisierten Vortrag des Antragstellers die Besonderheit, dass sich die Eltern 2006 mit Unterstützung des Jugendamts auf eine Umgangsregelung geeinigt haben, die in der Folgezeit von der Mutter nicht eingehalten wurde. Vor diesem Hintergrund darf der Antragsteller ohne erneute Beratung durch das Jugendamt direkt eine gerichtliche Regelung beantragen, weshalb ihm - die Bedürftigkeit liegt vor - Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
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