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Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten befindet sich an der Grenze zum Grundstück der Klägerin eine Hecke aus Nadelgehölzen. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Kürzung der Hecke auf die nach dem Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg (künftig: NRG) zulässige Höhe.
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1.
Die Beklagten bewohnen ein Haus auf einem Grundstück, das in ... am Hang gelegen ist. 1984 pflanzten sie an der talaufwärts gewandten Grundstücksgrenze Zypressen, Fichten und Nordmanntannen. 1988 kaufte die Klägerin das oberhalb des Grundstücks der Beklagten gelegene Grundstück und errichtete dort ihr Wohnhaus, das sie mit ihrer Familie bewohnt. Die über die gesamte Länge der Grundstücksgrenze zwischen den Parteien von den Beklagten angepflanzte Hecke hat mittlerweile eine Höhe von 7,5 bis 9 Metern erreicht. Im September 2004 kam es erstmals zu Gesprächen zwischen dem Beklagten zu 1. und dem Ehemann der Klägerin über die Höhe der Hecke.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf ihrem Grundstück ... (FlSt. Nr. 4696/7) in einem Grenzabstand von ca. 0,5 – 0,6 m entlang der Grenze zum Grundstück der Klägerin ... (FlSt. Nr. 4690/25) stehende Hecke innerhalb von 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils – und sollte diese in der Zeit vom 01.03. bis 30.09. eintreten bis zum 14.10. des Jahres, in dem die Rechtskraft eintritt – wie folgt zurückzuschneiden:
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a) die am südlichen Ende der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehende, ca. 9 m hohe Blaue Stech-Fichte (
Picea
pungens "
Glauca
") auf eine Höhe von 2,60 m, hilfsweise auf eine Höhe von 6 m,
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b) die am nördlichen Ende der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden, ca. 9 m hohen Serbischen Fichten bzw. Nordmanntannen (
Picea
omorica
bzw.
Abies
nordmannia
bzw.
Abies
concolor
) auf eine Höhe von 2,30 m, hilfsweise auf eine Höhe von 6 m,
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c) die im mittleren und südlichen Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden, ca. 7,50 m hohen Blauen Zypressen (
Chamaecypris
lawsoniana "
Alumii
") auf eine Höhe von 1,88 m, hilfsweise auf eine Höhe von 4 m.
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Die Beklagten haben die hilfsweise gestellten Anträge anerkannt und im Übrigen beantragt,
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat ein Gutachten u. a. zu der Frage eingeholt, ob die Pflanzen auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten werden könnten, ohne dass sie zerstört werden. Der Sachverständige hat diese Frage verneint und festgestellt, bis zu welcher Höhe die Pflanzen jeweils gekürzt werden können, ohne dass ihnen Gefahr droht. Wegen der genauen Feststellungen des Sachverständigen wird auf sein schriftliches Gutachten Bl. 95 – 115 d. A. verwiesen.
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2.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Kürzung der Hecke entsprechend den Hilfsanträgen der Klägerin im Wege des Teilanerkenntnisurteils verurteilt und im Übrigen die Klage durch Schlussurteil abgewiesen. Das Landgericht hat den weitergehenden Verkürzungsanspruch als verwirkt angesehen, weil eine solche Verkürzung nach den Feststellungen des Sachverständigen einer Beseitigung der Hecke gleichkäme und der Anspruch auf Beseitigung gem. § 26 I NRG bereits verjährt sei.
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Gegen dieses Schlussurteil, das der Klägerin am 24. Mai 2006 zugestellt worden ist (Bl. 161), hat diese mit Schriftsatz vom 9. Juni 2006, eingegangen am 12. Juni 2006 (Bl. 162), Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.
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3.
Die Klägerin trägt vor,
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die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Anspruchs auf Zurückschneiden lägen nicht vor. Die Beklagten hätten auf eigenes Risiko zugelassen, dass die Hecke diese Höhe erreicht. Die Annahme einer Verwirkung widerspreche auch der Intention des Gesetzgebers, wonach der Verkürzungsanspruch auch dann noch bestehen soll, wenn das Gehölz über mehr als 30 Jahre ungehindert gewachsen ist.
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das Urteil des Landgerichts aufzuheben und wie folgt abzuändern:
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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die auf ihrem Grundstück ... (FlSt. Nr. 4696/7) in einem Grenzabstand von ca. 0,5 – 0,6 m entlang der Grenze zum Grundstück der Klägerin ... (FlSt. Nr. 4690/25) stehende Hecke innerhalb von 2 Wochen nach Rechtskraft des Urteils – und sollte diese in der Zeit vom 01.03. bis 30.09. eintreten bis zum 14.10. des Jahres, in dem die Rechtskraft eintritt – wie folgt zurückzuschneiden:
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a) die am südlichen Ende der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehende, ca. 9 m hohe Blaue Stech-Fichte (
Picea
pungens "
Glauca
") auf eine Höhe von 2,60 m,
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b) die am nördlichen Ende der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden, ca. 9 m hohen Serbischen Fichten bzw. Nordmanntannen (
Picea
omorica
bzw.
Abies
nordmannia
bzw.
Abies
concolor
) auf eine Höhe von 2,30 m,
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c) die im mittleren und südlichen Bereich der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden, ca. 7,50 m hohen Blauen Zypressen (
Chamaecypris
lawsoniana "
Alumii
") auf eine Höhe von 1,88 m.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen das Urteil und tragen vor,
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die Klägerin habe über einen Zeitraum von 12 bzw. 14 Jahren geduldet, dass die Hecke über die zulässige Höhe hinauswuchs. Damit sei das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment ohne Weiteres gegeben. Die Beklagten hätten auch darauf vertraut, dass die Klägerin ihren Verkürzungsanspruch nicht mehr geltend machen würde. In diesem Vertrauen seien sie dadurch bestärkt worden, dass sich die fragliche Hecke an der Nordseite des klägerischen Grundstücks befinde. Belichtung und Besonnung des klägerischen Grundstücks seien mithin kaum beeinträchtigt. Zudem bilde die Hecke einen hervorragenden Sichtschutz für die Klägerin.
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Im Übrigen wird für den Parteivortrag auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 Bezug genommen.
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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In der Sache hat die Berufung Erfolg, weil der Anspruch der Klägerin nicht verwirkt ist.
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1.
Nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei der Pflanzung auf dem Grundstück der Beklagten nahe der Grenze zum Grundstück der Klägerin um eine Hecke im Sinne von § 12 NRG. Die nach § 12 I NRG zulässige Höhe der Hecke wird im Bereich der Tannen um 6,7 Meter, im Bereich der Zypressen um 5,67 Meter und von der am hinteren Ende des Grundstücks der Klägerin befindlichen Weißtanne um 6,4 Meter überschritten. Dadurch ist das Eigentum der Klägerin beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung ist auch rechtswidrig, denn es hat zwischen den Parteien keine Einigung darüber gegeben, dass in ihrem Verhältnis eine höhere Hecke als vom Gesetz vorgesehen zulässig sein soll. Die Klägerin hat gem. § 12 III NRG einen Anspruch darauf, dass die Beklagten die Hecke auf die maximal zulässige Höhe zurückschneiden. Dieser Anspruch unterliegt gem. § 26 III NRG nicht der Verjährung.
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2.
Die Klägerin hat diesen Anspruch auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung käme nur dann in Betracht, wenn sowohl Umstands- als auch Zeitmoment bejaht werden könnten (vgl. hierzu BGH XII ZR 224/03 vom 19.10.05, Juris-Rz 22f.). Zwar hat die Klägerin über Jahre hinaus zugelassen, dass die Hecke über das zulässige Höchstmaß hinaus gewachsen ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Wachstum der Hecke jährlich voranschreitet. Die Klägerin konnte daher den heutigen Zustand in den vergangenen Jahren schon deswegen nicht dulden, weil er nicht gegeben war. So hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch dargelegt, sie habe die Hoffnung gehegt, die Beklagten würden irgendwann dem Wachstum der Hecke Einhalt gebieten. Letztlich kann es dahin stehen, ob das Zeitmoment hier zu bejahen wäre oder nicht, weil es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt. Ein Umstandsmoment wäre dann gegeben, wenn bestimmte Umstände vorlägen, die ein Vertrauen der Beklagten darauf hätten begründen können, dass die Klägerin die Kürzung der Hecke nicht mehr verlangen werde, und die Beklagten sich hierauf auch eingerichtet hätten (st. Rspr., vgl. BGH XII ZR 224/03 vom 19.10.05). Die Klägerin hat sich in der Vergangenheit darauf beschränkt, die Überschreitung der maximalen Heckenhöhe nicht geltend zu machen. Dieses allein genügt nicht für die Schaffung eines Vertrauens, sie werde auch in Zukunft ihr Recht nicht geltend machen, zumal die Hecke weiter wuchs. Darüber hinaus haben die Beklagten auch keine Maßnahmen ergriffen, aus denen sich erkennen lässt, dass sie ein solches Vertrauen gewonnen hätten. Sie haben nämlich hinsichtlich der Hecke keine Maßnahmen ergriffen, sondern diese seit über zwanzig Jahren wuchern lassen. Damit fehlt es an den für eine Verwirkung notwendigen Voraussetzungen.
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3.
Schließlich ist es auch nicht rechtsmissbräuchlich von der Klägerin, die Kürzung der Hecke zu verlangen. Ein Rechtsmissbrauch läge dann vor, wenn die Beklagten die Kürzung nur unter unverhältnismäßigen, ihnen vernünftigerweise nicht mehr zuzumutenden Aufwendungen vornehmen könnten (vgl. BGH V ZR 246/00 vom 06.07.01). Zwar hat der Sachverständige festgestellt, dass die Pflanzen voraussichtlich eingehen werden, wenn die Kürzungen wie nun zugesprochen durchgeführt werden. Dieses Risiko haben die Beklagten jedoch zu tragen. Bereits durch die Auswahl der Pflanzen für die Grundstücksgrenze, die pro Jahr zwischen 25 und 50 cm wachsen und ausgewachsen eine Höhe zwischen 15 und 30 Meter erreichen, haben die Beklagten die Ursache für die nun möglicherweise eintretende Vernichtung der Hecke gesetzt. Dass solche Pflanzen, wenn sie nicht durch jährliche Schnitte auf der zulässigen Höhe gehalten werden, einen radikalen Schnitt nach Jahren möglicherweise nicht überleben werden, war von vornherein vorhersehbar. Gleichwohl haben die Beklagten nicht typische Heckenpflanzen sondern diese Pflanzen ausgewählt und diese dann um ein Vielfaches die zulässige Höhe überschreiten lassen. Würden die Pflanzen entsprechend dem Anerkenntnis lediglich auf eine Höhe von 4 bis 6 Metern gekürzt, so wäre das Grundstück der Klägerin zum Grundstück der Beklagten weiterhin von einer "grünen Wand" abgegrenzt. Ganz unabhängig davon, dass die Abschirmung Richtung Osten und nicht Richtung Norden, wie die Beklagten meinen, vorliegt, handelt es sich hierbei um einen massiven Eingriff hinsichtlich Lichtzufuhr und Ausblick auch hinsichtlich des Obergeschosses des Hauses der Klägerin.
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Wägt man ab zwischen der Beeinträchtigung, die für die Klägerin auch dann verbliebe, wenn die Hecke entsprechend dem Anerkenntnis gekürzt würde und dem Risiko, dass die Grenzbepflanzung insgesamt eingeht, so überwiegt das Interesse der Klägerin deutlich. Dem steht der Umstand, dass ein Beseitigungsanspruch der Klägerin bereits verjährt ist, nicht entgegen. Einen Vorrang des Anspruchs des Störers auf Erhalt seiner gesetzwidrigen Pflanzen gegenüber dem Anspruch des in seinem Eigentum Gestörten auf Beseitigung dieser Störung, gibt es nicht. Die Geltendmachung des unverjährten Anspruchs auf Zurückschneiden der Hecke ist auch im Hinblick auf die mögliche Gefahr, die durch das Zurückschneiden für den Bestand der Pflanzen ausgeht, nicht rechtsmissbräuchlich.
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Demzufolge ist das Urteil des Landgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision gemäß § 543 II ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es geht vielmehr allein um die Beurteilung, ob die Geltendmachung des Anspruchs auf Zurückschneiden der Hecke verwirkt bzw. rechtsmissbräuchlich ist.
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