Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 28. Dez. 2016 - 10 UF 166/16

published on 28/12/2016 00:00
Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 28. Dez. 2016 - 10 UF 166/16
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Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes Rostock - Familiengericht - vom 28.07.2016 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Antrag der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegenstand des Verfahrens ist eine Ehescheidung aus Härtegründen vor Ablauf des Trennungsjahres.

2

Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin russische Staatsangehörige; sie haben am .08.2013 geheiratet, wobei die Antragsgegnerin ein am ...2007 geborenes Kind mit in die Ehe brachte. Der Antragsteller war im September 2012 mit der damals noch in der Ukraine lebenden Antragsgegnerin über ein Datingportal im Internet in Kontakt gekommen, über das sie zuvor bereits eine zweijährige Beziehung mit einem anderen deutschen Staatsangehörigen geführt hatte. Im Februar 2013 besuchte der Antragsteller die Antragsgegnerin für zehn Tage in ihrem Heimatland; in diesem Zusammenhang kam es zu einem Heiratsantrag des Antragstellers, den die Antragsgegnerin unmittelbar annahm. Sie leidet an Kniebeschwerden, welche sie nach der Eheschließung der Beteiligten in Deutschland behandeln ließ. In der Ukraine lebte die Antragsgegnerin mit ihrem Kind in der Wohnung ihrer Eltern und war im Bürobereich berufstätig; ein längerfristiges Beschäftigungsverhältnis hatte die Antragsgegnerin nach der Absolvierung eines Sprachkurses in Deutschland nicht inne. Im Jahr 2014 ließ sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Der Antragsteller teilte der Antragsgegnerin im Oktober 2015 eine bei ihm bestehende Scheidungsabsicht mit; letztere suchte zu dieser Zeit ihrerseits über eine Chatplattform Kontakt zu anderen Männern und wollte an der Ehe ebenfalls nicht festhalten. Am 09.01.2016 kam es zunächst zu einer polizeilichen Verweisung des Antragstellers aus der Ehewohnung sowie einem anschließenden, von der Antragsgegnerin eingeleiteten Gewaltschutzverfahren; dieses endete mit einer vergleichsweisen Wohnungsüberlassung an sie bis zum 31.03.2016. Die Beteiligten erstatteten weiterhin wechselseitige Strafanzeigen wegen Tätlichkeiten des jeweils anderen, die in einem Falle den Erlass eines Strafbefehles gegen den Antragsteller nach sich zogen; sämtliche Strafverfahren sind zwischenzeitlich nach §§ 153 oder 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

3

Der Antragsteller hat beantragt, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Er hat behauptet, die Antragsgegnerin habe die Ehe mit ihm nur im Hinblick auf die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland geschlossen. Dies lasse sich daraus ableiten, dass sie nach der Heirat eine Übernahme von Haushaltstätigkeiten wie etwa Einkäufen ebenso abgelehnt habe wie die dauerhafte Aufnahme einer Berufstätigkeit; sie habe die Finanzierung von Markenkleidung von ihm verlangt und ihn anderenfalls mit Fäusten attackiert, Gegenstände nach ihm geworfen oder auf dem Balkon ausgesperrt. Auch ein gemeinsames Kind habe die Antragsgegnerin nicht gewollt. Ihre Wohn- und Arbeitsverhältnisse in der Ukraine seien hinter dem hiesigen Standard deutlich zurückgeblieben, und sie habe in Deutschland ihre Knieerkrankung behandeln lassen können. Weiterhin habe die Antragsgegnerin ihren Gewaltschutzantrag auf Vorwürfe erheblicher Straftatbestände bis in den Bereich solcher gegen die sexuelle Selbstbestimmung gestützt, die nicht zuträfen und welche sie im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr so aufrechterhalten habe. Der Antragsteller war der Auffassung, wegen einer Täuschung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Eheschließung allein zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis sowie ihre falsche und rücksichtslose Behauptung seinerseits zu ihren Lasten begangener Straftaten sei eine unzumutbare Härte gegeben, aufgrund derer er einen Ablauf des Trennungsjahres vor der Scheidung nicht abwarten müsse.

4

Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Scheidungsantrag zurückzuweisen; sie sei sich sicher, dass sie die Ehe nicht fortsetzen wolle, sehe aber keine Gründe dafür, dass das so schnell erledigt werden müsse. Die Antragsgegnerin hat behauptet, sie habe den Heiratsantrag des Antragstellers angenommen, weil sie in ihn verliebt gewesen sei. Die von ihr in Deutschland angenommenen Arbeitsstellen habe sie wegen ihrer körperlichen Beschwerden nicht beibehalten können.

5

Das Amtsgericht hat die Ehe der Beteiligten geschieden. Es hat dazu unter anderem ausgeführt, das Scheidungsverfahren diene nicht der umfassenden Aufklärung der strafrechtlichen Vorwürfe der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller; immerhin schienen jedoch aufgrund der wechselnden und teilweise widersprüchlichen Darstellungen der Antragsgegnerin gravierende strafrechtlich relevante Aussagen falsch und ihr die möglichen schwerwiegenden Folgen für den Antragsteller mindestens egal zu sein. Darüber hinaus diene das Festhalten an der Einhaltung des Trennungsjahres ausschließlich der Sicherung des Aufenthaltes der Antragsgegnerin in Deutschland; anderenfalls wäre sie von einem zwischenzeitlichen sechswöchigen Aufenthalt in der Ukraine im Jahr 2015 nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt, wenn die Ehe mit dem Antragsteller nach ihrer sonstigen Darstellung bereits seit langem ein „Martyrium“ dargestellt habe. In der Gesamtwürdigung seien die Anschuldigungen der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller so gravierend ehrverletzend und die Zukunft beeinflussend, dass auch die formale Aufrechterhaltung des Ehebandes bis zum Ablauf des Trennungsjahres für letzteren unzumutbar sei; eine überwiegende Verpflichtung zur Einhaltung des Trennungsjahres nur zur Vermeidung ausländerrechtlicher Nachteile für die Antragsgegnerin sei nicht zu erkennen.

6

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, das Amtsgericht habe eine ausreichende Aufklärung dazu unterlassen, von welchem der Beteiligten ihre streitigen tätlichen Auseinandersetzungen ausgegangen seien. Der Antragsteller habe außerdem sowohl vor als auch nach dem Ausspruch der Scheidung versucht, mit der Antragsgegnerin mit dem Ziel einer erneuten Beziehung in Kontakt zu kommen; dies spreche gegen die Annahme einer unzumutbaren Härte für ihn aufgrund vermeintlich ehrverletzender Äußerungen durch die Antragsgegnerin wie auch gegen eine Erfüllung des Zerrüttungserfordernisses überhaupt. In erster Linie komme es ihr darauf an, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ehescheidung aufrecht zu erhalten; es könne nicht sein, dass das erstinstanzliche Gericht eine Ehescheidung vornehme, wenn die entsprechenden gesetzlichen Gründe für eine solche nicht vorlägen. Daneben könne es ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie aufgrund ihres bisherigen Lebens in Deutschland diesen Status aufrechterhalten wolle. Die Antragsgegnerin beantragt,

7

den Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 18.07.2016 aufzuheben.

8

Der Antragsteller beantragt,

9

die Beschwerde vom 03.08.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 28.07.2016 zurückzuweisen.

10

Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, wobei er sein Vorbringen zu einer Unrichtigkeit der strafrechtlich relevanten Vorwürfe der Antragsgegnerin hinsichtlich von ihm ausgegangener Tätlichkeiten wiederholt und vertieft.

II.

11

Die Beschwerde ist unzulässig.

1.

12

In Ehesachen im Sinne von § 121 FamFG als nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 61 FamFG Rn. 5) mag eine formelle (Mindest)Beschwer des Rechtsmittelführers nicht erforderlich sein (vgl. Prütting/Helms-Abramenko, FamFG, 3. Aufl., 2015, § 61 Rn. 2); davon unabhängig besteht jedoch in jedem Falle die Notwendigkeit eines überhaupt vorhandenen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O., vor § 511 Rn. 11 m. w. N.).

2.

13

Ein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin an der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ist nicht erkennbar.

a.

14

Die Antragsgegnerin trägt im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung selbst vor, es komme ihr in erster Linie darauf an, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ehescheidung aufrecht zu erhalten; das erstinstanzliche Gericht könne keine Ehescheidung vornehmen, wenn die entsprechenden gesetzlichen Gründe für eine solche nicht vorlägen. Dies läuft im Ergebnis auf das Ansinnen einer (lediglich) objektiven Rechtskontrolle hinaus. Ein demgegenüber maßgebliches individuelles Rechtsschutzbedürfnis steht der Antragsgegnerin allerdings deshalb nicht zur Seite, weil sie schon bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht erklärt hat, sie sei sich sicher, dass sie die Ehe nicht fortsetzen wolle; sie verstehe nur die Gründe für das Erfordernis einer so schnellen Erledigung nicht.

aa.

15

Das Trennungsjahr ist Ausfluss der Institutionsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG, die einer allzu scheidungsfreundlichen einfachgesetzlichen Ausgestaltung entgegensteht; danach ist der Gesetzgeber aufgrund des Strukturmerkmals der grundsätzlichen Unauflöslichkeit der Ehe zu einer auf ihre Aufrechterhaltung gerichteten Ausgestaltung des Eherechts verpflichtet (vgl. Gsell/Krüger/Lorenz/Meyer-Unger/Hartmann/Franzius, BeckOGK, Stand: 01.06.2016, § 1565 BGB Rn. 87 m. w. N.). Durch die grundsätzliche Voraussetzung eines der Scheidung vorausgehenden mindestens einjährigen Getrenntlebens der Ehegatten soll einem Rechtsmissbrauch und voreiligen Ehescheidungen vorgebeugt werden; nach der ratio legis des § 1565 Abs. 1 BGB kommt daher erst nach Ablauf des Trennungsjahres die Feststellung der tiefgreifenden und unheilbaren Zerrüttung zum Tragen (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth-Hebbeker, jurisPK BGB, 7. Aufl., 2014, § 1565 Rn. 9).

bb.

16

Möchte der Antragsgegner gegen die gemäß § 1565 Abs. 2 BGB ausnahmsweise dennoch bereits vor Ablauf des Trennungsjahres ausgesprochene Scheidung vorgehen, muss er jedoch gerade vor diesem Hintergrund wohl immer noch darlegen (können), dass die Möglichkeit einer Versöhnung und Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft bei einem Abwarten bis zum Ablauf des regelmäßig vorgesehenen Zeitraumes eines Getrenntlebens besteht bzw. zumindest nicht ausgeschlossen ist.

(1)

17

Die vorliegende Konstellation ist insofern ungewöhnlich, als die bisherige Rechtsmittelkasuistik - soweit ersichtlich - fast ausschließlich Fallgestaltungen zum Gegenstand hat, in denen der Antragsteller gegen die Ablehnung seiner vor Ablauf des Trennungsjahres angestrebten Scheidung aus Härtegründen vorgeht; in den nur ganz vereinzelten Entscheidungen mit umgekehrten Vorzeichen wird das hier erörterte Kriterium des Rechtsschutzbedürfnisses des Beschwerdeführers trotz teilweise gegebener Umstände, die ansonsten als Indizien für ein endgültiges Scheitern der Ehe herangezogen werden, nicht angesprochen (vgl. etwa OLG Stuttgart NZF am 2015, 1168: Antragsgegner mit „jetziger Freundin“). Dass im Rahmen der Prüfung der Begründetheit eines Antrages auf Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres die Überlegung, ein solches müsse über § 1565 Abs. 2 BGB hinaus auch dann nicht eingehalten werden, wenn trotz Fehlens einer unzumutbaren Härte ein Wiederzueinanderfinden der Eheleute ausgeschlossen erscheine, im Gesetz keine Stütze findet (vgl. OLG Hamm FamRZ 2014, 1109), hindert die Verneinung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels des Antragsgegners gegen die (trotzdem) ausgesprochene Scheidung unter diesem Zeitpunkt aber nicht; denn die Zulässigkeitsprüfung ist derjenigen der Begründetheit vorgeschaltet und muss zur Vermeidung einer objektiv sinnlosen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ein nicht nur abstraktes Schutzbedürfnis des Beschwerdeführers erkennen lassen.

(2)

18

Nichts anderes folgt aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin, der Antragsteller suche wieder Kontakt zu ihr. Soweit sie hierauf im Anschluss an den gerichtlichen Hinweis bezüglich der beabsichtigten Verwerfung der Beschwerde nochmals verwiesen hat, ergibt sich daraus eben nicht, dass (gerade) ihr selbst an einer Fortsetzung der Ehe gelegen wäre. Ebenso wenig wie einer objektiven Rechtskontrolle dient eine Beschwerdemöglichkeit der Antragsgegnerin aber etwa einer Interessenwahrnehmung für den Antragsteller.

b.

19

Dahinstehen kann im Übrigen, ob sich eine abweichende Beurteilung ergäbe, wenn die Einhaltung eines Trennungsjahres für den Aufenthaltsstatus der Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland relevant wäre; dies ist nämlich von vornherein nicht der Fall. So setzt § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für die Erteilung einer erstmaligen Aufenthaltserlaubnis bei Familiennachzug des ausländischen Ehegatten eines Deutschen voraus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich geführt werden soll bzw. wird (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 28.01.2016, Az.: AN 5 K 15.00311 - zitiert nach juris); sie besteht jedoch bereits mit der Trennung der Ehegatten - im Falle der Beteiligten seit dem 09.01.2016 - zwangsläufig nicht mehr. Ein eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzuges unabhängiges Aufenthaltsrecht des ausländischen Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt sich nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wiederum nur, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat; ein solcher Zeitraum ist im Falle der Antragsgegnerin von der Eheschließung am 15.08.2013 bis zu der Trennung der Beteiligten am 09.01.2016 unzweifelhaft nicht erreicht.

III.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Prütting/Helms-Helms, FamFG, 3. Aufl., 2014, § 150 Rn. 21 m. w. N.).

IV.

21

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamGKG.

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
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published on 28/01/2016 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach AN 5 K 15.00311 Im Namen des Volkes Urteil 28. Januar 2016 der 5. Kammer Sachgebiets-Nr.: 0600 Hauptpunkte: Ehegattennachzug; Getrenntleben; Anspruch auf Aufe
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Annotations

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Ehesachen sind Verfahren

1.
auf Scheidung der Ehe (Scheidungssachen),
2.
auf Aufhebung der Ehe und
3.
auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.

(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.

(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.

(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über

1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen,
2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung,
3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung,
4.
die Güteverhandlung,
5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses,
6.
das Anerkenntnis,
7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden,
8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
nicht anzuwenden.

(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung

1.
Prozess oder Rechtsstreit die Bezeichnung Verfahren,
2.
Klage die Bezeichnung Antrag,
3.
Kläger die Bezeichnung Antragsteller,
4.
Beklagter die Bezeichnung Antragsgegner,
5.
Partei die Bezeichnung Beteiligter.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.