Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12

published on 20/12/2012 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 U 92/12
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/10 und des Berufungsverfahrens 2 U 92/12 hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Stendal ist ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in einem von ihr durchgeführten Vergabeverfahren das von der Klägerin eingereichte Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen hat und der Zuschlag bei ordnungsgemäßer Wertung auf das Angebot der Klägerin hätte erteilt werden müssen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadenersatz in Form entgangenen Gewinns im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht.

2

Die Beklagte leitete im August 2008 eine öffentliche Ausschreibung für das Bauvorhaben „Grundhafter Ausbau der Kreisstraße ... von der B ... nach P. “ ein. Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Nebenangebote wurden zugelassen. Bereits in der Vergabebekanntmachung, dort unter lit. u), wurde gefordert, dass Nebenangebote eindeutig und erschöpfend zu beschreiben seien, so dass die Gleichwertigkeit qualitativ und quantitativ nachgewiesen werde. Als Bewerbungsbedingungen verwendete die Beklagte das Formblatt 212 des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB Bund, Ausgabe 2008); dort wurde unter Ziffer 5.2 die Forderung erhoben, dass Nebenangebote im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein müssten. Die Gleichwertigkeit sei mit Angebotsabgabe nachzuweisen.

3

Innerhalb der bis zum 04.09.2008 laufenden Angebotsfrist gingen Angebote von sechs Bietern ein. Das Hauptangebot der Klägerin lag mit einem Brutto-Angebotsendpreis von ... € auf Rang 1 des Submissionsprotokolls, dasjenige der späteren Auftragnehmerin, der Fa. W. GmbH aus M. (künftig: Auftragnehmerin), mit einem Brutto-Preis von ... € auf Rang 2. Die Klägerin reichte mehrere Nebenangebote ein; ihr Nebenangebot Nr. 4 (vgl. GA Bd. I Bl. 148 f.) beinhaltete eine Abweichung in den Leistungspositionen 01.113.004 und 02.113.007 – jeweils „Asphaltdeckschicht aus Splittmastixasphalt 0/11 S herstellen“ – in Gestalt des Angebots der Deckschicht ohne Aufhellungssplitt. Dies führe zu einer Reduzierung des Brutto-Angebotsendpreises um 15.613,91 €. Sie verwies hierzu auf die Anerkennung der technischen Gleichwertigkeit u.a. durch das Landesamt für Straßenbau Sachsen-Anhalt. Die Auftragnehmerin reichte u.a. das Nebenangebot Nr. 1 ein, welches eine Pauschalierung des Brutto-Gesamtpreises auf ... € beinhaltete; weitere Angaben hierzu machte die Auftragnehmerin nicht. Das Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin bezog sich ebenfalls auf die Leistungspositionen 01.113.004 und 02.113.007 und bestand in der Lieferung des Splitts ohne natürliche Aufheller; hieraus ergab sich bei der Auftragnehmerin eine Reduzierung des Brutto-Angebotspreises um 29.019,34 €.

4

Die Klägerin gab in ihrem Angebot zwar den Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes sowie die von ihr vorgesehenen Nachunternehmer an, legte die geforderten Nachunternehmererklärungen jedoch erst im Aufklärungsgespräch vom 04.09.2008 vor.

5

Die Beklagte schloss die Angebote der Klägerin – Haupt- und Nebenangebote – wegen Unvollständigkeit der Angebotsunterlagen zum Nachunternehmereinsatz aus. Sie erteilte den Zuschlag auf das Hauptangebot der Auftragnehmerin einschließlich der Nebenangebote Nr. 1 und 3 zu einem Brutto-Gesamt(pauschal)-preis von ... €.

6

Die Klägerin hat im Juni 2009 Klage auf Feststellung der Schadenersatzverpflichtung der Beklagten wegen fehlerhaften Ausschlusses ihres Angebots erhoben. Zum Feststellungsinteresse hat sie angeführt, dass ihr ein abschließend bezifferter Antrag noch nicht möglich sei, weil die Ausführung der Leistung bis zum 30.11.2009 erfolgen sollte. Der von ihr geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist auf das positive Interesse gerichtet; hierzu hat sie vorgetragen, dass der Zuschlag auf ihr Hauptangebot, hilfsweise auf ihr Hauptangebot einschließlich des Nebenangebots Nr. 4 hätte erteilt werden müssen. Eine Wertung des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin sei mangels Nachweises der Gleichwertigkeit nicht in Betracht gekommen. Das Pauschalpreisangebot sei zu unbestimmt gewesen, z. Bsp. im Hinblick darauf, dass das Leistungsverzeichnis auch Bedarfspositionen enthalten habe (Pos. 01.114 und 02.114). Eine Gleichwertigkeit sei auch nicht ohne Weiteres gegeben, weil der Auftraggeber bei Mindermengen keine Kosten erspare. Hinsichtlich des Nebenangebots Nr. 3 fehle es ebenfalls am Gleichwertigkeitsnachweis. Die Gleichwertigkeit werde bestritten; hilfsweise wäre auch bei der Klägerin deren Nebenangebot Nr. 4 zu werten gewesen. In beiden Fällen – Nichtwertung des Nebenangebots Nr. 3 der Auftragnehmerin bzw. gleichzeitige Wertung des Nebenangebots Nr. 4 der Klägerin – wäre das preislich niedrigste Angebot dasjenige der Klägerin gewesen. Schließlich hat die Klägerin formelle Mängel des Angebots der Auftragnehmerin im Hinblick darauf geltend gemacht, dass diese die amtlichen Vordrucke für die Erstellung ihres Angebots nicht verwendet habe.

7

Die Beklagte hat sich auf die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Angebots der Klägerin berufen und im Übrigen ihre Entscheidung damit verteidigt, dass eine Wertung des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin zulässig gewesen sei, weil die Gleichwertigkeit des Pauschalpreisangebotes evident gewesen sei; die notwendigen Massen seien aus dem Leistungsverzeichnis bekannt gewesen. Das Nebenangebot Nr. 3 habe sie – die Beklagte – als gleichwertig zum Haupt-Leistungsverzeichnis bewertet, wie sich u.a. auch aus den Erläuterungen zum Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin ergebe.

8

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 02.12.2009 und Beschluss vom 08.02.2010 jeweils darauf hingewiesen, dass es den Vortrag der Beklagten zur Wertungsfähigkeit der Nebenangebote der Auftragnehmerin nicht für substantiiert erachte. Es hat sein – der Klage stattgebendes – Urteil u.a. auch darauf gestützt, dass die Beklagte der Auflage, zum konkreten Inhalt der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 der Auftragnehmerin vorzutragen, nicht ausreichend nachgekommen sei.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls Bezug genommen.

10

Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.05.2010 zugestellte Urteil mit einem am 03.06.2010 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 05.08.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

11

Die Beklagte hat ihre Berufung allein damit begründet, dass der Ausschluss des Angebots der Klägerin gerechtfertigt gewesen sei. Der damals zuständige 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat im Berufungsverfahren 1 U 50/10 mit seinem am 30.09.2010 verkündeten Urteil das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Ausschluss der Angebote der Klägerin durch die Beklagte wegen Unvollständigkeit der Eignungsunterlagen zu Recht erfolgt sei.

12

Hiergegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde - und nach deren Erfolg - Revision eingelegt. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seinem Urteil vom 03.04.2012, X ZR 130/10, das vorgenannte Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Revisionsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Forderung nach Vorlage der Nachunternehmererklärungen jeweils durch den Bieter innerhalb der Angebotsfrist von der Beklagten nicht eindeutig und widerspruchsfrei erhoben worden sei, weshalb ein Ausschluss ohne Nachreichungsmöglichkeit nicht in Betracht komme.

13

Nach Zurückverweisung hat der inzwischen zuständige 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg das Berufungsverfahren durchgeführt. Die Beklagte hat nunmehr die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 4 der Auftragnehmerin zur Gerichtsakte gereicht und deren Inhalt vorgetragen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

16

Die Klägerin beantragt,

17

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

18

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass nach der Entscheidung des Revisionsgerichts feststehe, dass der Ausschluss des Angebots der Klägerin vergaberechtswidrig gewesen sei. Im Übrigen sei eine Rechtsverteidigung der Beklagten nicht substantiiert erfolgt.

19

Der Senat hat am 05.12.2012 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.

B.

20

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

21

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses wegen der Nichterteilung des streitgegenständlichen Auftrags nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.

22

I. Die Klage ist zulässig; insbesondere hat das Landgericht ein Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 256 ZPO zu Recht angenommen. Dieses Feststellungsinteresse besteht auch bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Berufungsverfahren fort. Die Klägerin war nicht gehalten, zu der – inzwischen im Berufungsverfahren möglich gewordenen – bezifferten Leistungsklage überzugehen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 7c m.w.N.).

23

II. Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

24

1. Zwischen der Beklagten als öffentliche Auftraggeberin und der Klägerin als Bieterin im streitgegenständlichen Vergabeverfahren bestand ein vertragsähnliches Verhältnis i.S. von § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Denn eine öffentliche Ausschreibung begründet ein besonderes schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den Beteiligten des Vergabeverfahrens, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Einhaltung des dem Schutz der Bieter dienenden Vergaberechts verpflichtet; dies ist nicht vom Erreichen bzw. Überschreiten sog. Schwellenwerte, also bestimmter, bei Beginn der Ausschreibung geschätzter Netto-Auftragswerte, abhängig (vgl. BGH, Urteil v. 03.04.2007, X ZR 19/06 „Stahlbeton-Fußgängerbrücke“, VergabeR 2007, 750; Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 311 Rn. 37 m.w.N.).

25

2. Die Beklagte hat ihre auch gegenüber der Klägerin bestehende Pflicht zur ordnungsgemäßen Wertung im Vergabeverfahren dadurch schuldhaft verletzt, dass sie deren Angebot wegen der Unvollständigkeit der Unterlagen zur Eignung ausgeschlossen hat, obwohl ein solcher Ausschluss nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A 2006 vorausgesetzt hätte, dass die Beklagte zuvor in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen klar und eindeutig die Einreichung der als fehlend bewerteten Erklärungen und Nachweise durch den Bieter innerhalb der Angebotsfrist verlangt hätte. Hier hatte die Klägerin zwar die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, deren Einsatz sie ausweislich ihrer Angaben in den Verzeichnissen der Nachunternehmerleistungen auf den Formblättern 233 und 234 beabsichtigte, nicht innerhalb der Angebotsfrist eingereicht. Die Beklagte hatte jedoch deren Einreichung zusammen mit dem Angebot nach der – das Berufungsgericht gemäß § 563 Abs. 2 ZPO bindenden – Entscheidung des Revisionsgerichts nicht eindeutig gefordert.

26

3. Ohne den pflichtwidrigen Ausschluss dieses Angebots hätte die Beklagte den Auftrag an die Klägerin erteilen müssen, wobei hier offen bleiben kann, ob der Zuschlag auf das Hauptangebot der Klägerin oder auf eine Kombination des Hauptangebotes mit einem Nebenangebot der Klägerin erteilt worden wäre.

27

a) Bei einem vergaberechtswidrigen Ausschluss eines Angebots kann ein Anspruch des Bieters auf Ersatz seines positiven Interesse, also seines Interesses an der Auftragserteilung, ausnahmsweise dann bestehen, wenn der öffentliche Auftraggeber den ausgeschriebenen Auftrag tatsächlich erteilt hat, was im vorliegenden Fall unstreitig ist, und der übergangene Bieter bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens den Auftrag hätte erhalten müssen. Diese Voraussetzungen liegen hier zugunsten der Klägerin vor.

28

b) Das Angebot der Klägerin hätte bei ordnungsgemäßer Wertung in die engere Wahl kommen müssen. Es wies andere formelle Mängel, als das Fehlen der Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer, welcher den Ausschluss des Angebots nicht rechtfertigte, nicht auf. Es bestanden weder zwingende Ausschlussgründe nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A 2006 noch fakultative Ausschlussgründe nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A 2006. Die Beklagte ging selbst vom Vorliegen der Eignung der Klägerin für die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags aus (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A 2006). Gegen die Angemessenheit des Angebotspreises der Klägerin hat die Beklagte keine Bedenken i.S. von § 25 Nr. 3 VOB/A 2006 erhoben, und zwar weder im Vergabeverfahren – ausweislich des Inhalts ihres Vergabevermerkes und des Absageschreibens vom 30.09.2008 – noch im vorliegenden Rechtsstreit.

29

c) Der Angebotspreis der Klägerin war jedenfalls niedriger als der Angebotspreis der Auftragnehmerin.

30

aa) Bei ordnungsgemäßer Wertung hätte die Beklagte das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht berücksichtigen dürfen.

31

(1) Das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin war schon unvollständig und hätte deswegen nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A zwingend von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden müssen, weil die Auftragnehmerin trotz des vergaberechtlich zulässigen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 22.12.1999, 1 Verg 4/99 „Nebenangebot I“, BauR 2000, 1636; Beschluss v. 11.07.2000, 1 Verg 4/00 „Nebenangebot II“, OLGR 2001, 191) und auch eindeutigen Verlangens der Beklagten sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Bewerbungsbedingungen einen Nachweis der Gleichwertigkeit des Pauschalpreisangebots mit dem Angebot eines Einheitspreisvertrages nicht geführt hatte.

32

(2) Das Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin war daneben seinem Inhalt nach nicht eindeutig und entsprach nicht der eindeutigen Forderung der Beklagten, die von einer Pauschalierung erfassten Mengen und Massen im Einzelnen aufzuschlüsseln. So enthielt das Leistungsverzeichnis der Beklagten in den Positionen 01.114 und 02.114 Teilleistungen, welche nur bei Bedarf in Anspruch genommen werden sollten. Während im Rahmen eines Einheitspreisvertrages bedarfsabhängige Mengenänderungen eindeutig abgerechnet werden können, wäre es im Rahmen des Pauschalpreisvertrages darauf angekommen, welche Bedarfsmengen vom Pauschalpreis mit erfasst sein sollten. Das war dem Nebenangebot Nr. 1 der Auftragnehmerin nicht zu entnehmen.

33

(3) Ungeachtet der vorgenannten Mängel des Nebenangebots Nr. 1 der Auftragnehmerin hat die Beklagte auch nicht darzulegen vermocht, dass sie das Pauschalpreisangebot der Auftragnehmerin als qualitativ gleichwertig hätte bewerten dürfen. Zwar trifft es zu, dass eine Pauschalierung für den Auftraggeber das Risiko der Erhöhung der Baukosten vermindert, weil Mehrmengen in einem gewissen Umfang nicht zu einer Mehrvergütung führen. Andererseits beinhaltet eine Pauschalierung des Entgelts für eine Bauleistung für den Auftraggeber das Risiko, dass er trotz des Auftretens von Mindermengen bestimmter Leistungen den zuvor vereinbarten Preis unverändert zahlen muss. Gerade bei Tiefbauarbeiten, wie hier, sind unerwartete Baugrundverhältnisse mit Auswirkungen auf die auszuführenden Leistungen oder Mengenabweichungen nicht selten, so dass die nach § 5 Nr. 1 lit. b) VOB/A vorgesehenen Voraussetzungen für den Abschluss eines Pauschalpreisvertrages – in Fällen, in denen die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist und mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist – regelmäßig nicht erfüllt sind.

34

bb) Auch das Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin hätte bei ordnungsgemäßer Wertung im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.

35

Dem Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin fehlte es bei formeller Betrachtung an einem Nachweis der Gleichwertigkeit, obwohl die Beklagte von jedem Bieter die Vorlage eines solchen Nachweises innerhalb der Angebotsfrist eindeutig gefordert hatte. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, dass es von Seiten der Auftragnehmerin eines Nachweises der Gleichwertigkeit ihres Nebenangebotes zum Leistungsverzeichnis der Beklagten nicht bedurft habe, weil die Beklagte die Gleichwertigkeit aufgrund anderer Informationen, insbesondere unter Heranziehung der Erläuterungen der Klägerin zu ihrem inhaltlich gleichartigen Nebenangebot Nr. 4 habe beurteilen können, vermag dies den Verbleib des Nebenangebots Nr. 3 der Auftragnehmerin in der weiteren Wertung nicht zu rechtfertigen. Denn die Beklagte darf nachträglich, d.h. nach Ablauf der Angebotsfrist, nicht zugunsten einzelner Bieter von einem zuvor gegenüber allen Bietern aufgestellten formellen Anforderungsprofil der Ausschreibung Ausnahmen zulassen und trotz Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes auf die angekündigte Sanktion verzichten. Sie ist durch die Bekanntmachung ihrer Ausschreibungsbedingungen selbst an diese gebunden; jede Bevorzugung einzelner Bieter verstieße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und ist daher unzulässig (vgl. BGH, Urteil v. 08.09.1998, X ZR 85/97 „Gerüststellung“, NJW 1998, 3634; Urteil v. 18.09.2007, X ZR 89/04 „Pflegeheim“, VergabeR 2008, 69).

36

cc) Einem Zuschlag auf das Angebot der Auftragnehmerin in Kombination der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 stand zudem entgegen, dass nicht eindeutig bestimmt bzw. bestimmbar war, in welchem Verhältnis die im Nebenangebot Nr. 3 enthaltene Preisreduzierung bei einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zur Pauschalierung des Gesamtpreises lt. Nebenangebot Nr. 1 stehen sollte und ob beide Nebenangebote überhaupt kumulierbar waren.

37

dd) Selbst wenn – entgegen der Auffassung des Senats – die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 3 der Auftragnehmerin zur weiteren Wertung hätten zugelassen werden dürfen, so hätte das formal vollständige und inhaltlich dem Nebenangebot Nr. 3 der Auftragnehmerin entsprechende Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter jedenfalls auch bei der weiteren Wertung berücksichtigt werden müssen. Es ist unstreitig, dass der Angebotspreis des Hauptangebots der Klägerin in Kombination mit dem Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin zu einem niedrigeren Angebotspreis geführt hätte als das Angebot der Auftragnehmerin, auf welches der Zuschlag erteilt worden ist.

38

d) Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, dass ein Angebot eines anderen Bieters preisgünstiger als das preisniedrigste Angebot der Klägerin gewesen wäre.

C.

39

Die Entscheidungen über die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/10 und des Berufungsverfahrens 2 U 92/12 beruhen jeweils auf § 97 Abs. 1 ZPO.

40

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO in der seit dem 28.10.2011 geltenden Fassung.

41

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
5 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 03/04/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 19/06 Verkündet am: 3. April 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf d
published on 18/09/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 89/04 Verkündet am: 18. September 2007 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 03/04/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/10 Verkündet am: 3. April 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 20/12/2012 00:00

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/1
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 20/12/2012 00:00

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens 1 U 50/10, des Revisionsverfahrens X ZR 130/1
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.