Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 25. Feb. 2016 - 1 W 46/15

published on 25/02/2016 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 25. Feb. 2016 - 1 W 46/15
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 9.11.2015 ( 4 OH 17/15 ) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

Es soll Beweis erhoben werden über folgende Fragen:

( 1 ) Wie ist der zahnmedizinische Zustand der Antragstellerin?

( 2 ) Worauf ist dieser zurückzuführen?

( 3 ) Erfolgte die Anfertigung des Zahnersatzes durch den Antragsgegner lege artis?

( 4 ) War es richtig, den Zahnersatz zu inkorporieren, obwohl die Antragstellerin Zahnschmerzen hatte?

( 5 ) Ist der Frontzahnbereich lege artis gestaltet?

( 6 ) Was ist zahnmedizinisch aus gutachterlicher Sicht jetzt sinnvoll zu unternehmen?

( 7 ) Mit welchem Kostenaufwand?

Die erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen werden dem Landgericht Dessau-Roßlau übertragen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt, in dem Fragen im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung durch den Antragsgegner geklärt werden sollen. Die Antragstellerin hat folgende Beweisfragen formuliert:

2

1. Antragsschrift:

3

( 1 ) Erfolgte die Anfertigung des Zahnersatzes lege artis?

4

( 2 ) War es richtig, den Zahnersatz zu inkorporieren, obwohl die Antragstellerin Zahnschmerzen hatte?

5

( 3 ) Ist der Frontzahnbereich lege artis gestaltet?

6

( 4 ) Wenn alles lege artis gearbeitet wurde: Worauf können die dargestellten Schmerzen der Klägerin beruhen?

7

( 5 ) Was ist zahnmedizinisch aus gutachterlicher Sicht jetzt sinnvoll zu unternehmen?

8

2. Schriftsatz vom 13.10.2015:

9

( 1 ) Was ist der zahnmedizinische Zustand?

10

( 2 ) Worauf ist dieser zurückzuführen?

11

( 3 ) Wie ist dieser zu beheben?

12

( 4 ) Mit welchem Kostenaufwand?

13

In diesem Rahmen beantragt sie die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten. Mit Beschluss vom 9.11.2015 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

II.

14

Die Zurückweisung eines Antrages auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden ( Senat Beschluss vom 14.10.2013 - 1 W 34/13 - [ MedR 2014, 903 ] ).

15

Die sofortige Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Die Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens auch in Arzthaftungssachen wird allgemein für zulässig erachtet ( Übersicht bei Martis/Winkhart Arzthaftungsrecht, 4. Aufl., Anm. B 505ff. ). Der Senat hatte in dem genannten Beschluss noch den Standpunkt vertreten, dass Fragen nach einem Behandlungsfehler und zur Kausalität nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sein können, wohl aber Fragen nach den Ursachen eines Schadens. Zeitlich unmittelbar davor hat der Bundesgerichtshof ( Beschluss vom 24.9.2013 - VI ZB 12/13 - [ z.B. BGHZ 198, 237 ]; hier: zitiert nach juris ) den Anwendungsbereich des selbständigen Beweisverfahrens erheblich erweitert, soweit er Feststellungen zum Behandlungsfehler, sogar zu den tatsächlichen Grundlagen für die Bewertung als grober Behandlungsfehler zulässt ( Rn. 22 in der Zitierung nach juris ). Ob der Bundesgerichtshof Fragen nach der Kausalität weiter für nicht zulässig im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens hält ( dazu: Rn. 21 in der Zitierung nach juris ), kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, weil sich die Beweisfragen darauf nicht beziehen. Zwar gilt auch im Rahmen von § 487 Nr. 2 ZPO grundsätzlich das Verbot des Ausforschungsbeweises ( Zöller/Herget ZPO, 31. Auf., § 487, Rn. 4 ). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens keine höheren Substanziierungsanforderungen gestellt werden können als in einem Klageverfahren selbst ( Senat a.a.O. und Beschluss vom 11.8.2015 - 1 W 33/15 - ). Die Anforderungen an die Substanziierungspflicht in Arzthaftungsfragen sind denkbar gering, mit der Tendenz zur Amtsermittlung. Der Sachverhalt, in den die Beweisfragen eingebettet sind, ergibt sich vor diesem Hintergrund hinreichend aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 13.10.2015 ( zur Frage ( 1 ) aus dem Schriftsatz vom 13.10.2015: OLG Köln Beschluss vom 7.8.2002 - 5 W 98/02 - [ VersR 2002, 375 ] ). Insbesondere sind die in der dem Schriftsatz vom 13.10.2015 anliegenden eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin enthaltenen Tatsachenbehauptungen - anders als in dem vom BGH (Beschluss vom 10.11.2015 - VI ZB 11/15 [GesR 2016, 86, 88 ] ) entschiedenen Fall - nicht ohne Einzelfallbezug und nicht nur formelhaft vorgebracht. Vielmehr werden von der Antragstellerin gesundheitliche Folgeerscheinungen der zahnärztlichen Behandlung durch den Antragsgegner behauptet, die zu konkret bezeichneten und potentiell einen Fehler begründenden Beschwerden geführt haben sollen. Nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sein kann die Frage ( 4 ) aus der Antragsschrift. Erweist sich der Vorwurf des Behandlungsfehlers als unbegründet, kann nicht Gegenstand des Verfahrens die Suche nach alternativen Ursachen sein, die in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Antragsgegners stehen. Bedenken bestehen zwar isoliert gegen die Frage ( 5 ) aus der Antragsschrift und der Frage ( 3 ) aus dem Schriftsatz vom 13.10.2015. Diese müssen inzident aber gleichwohl geklärt werden, weil nur dann die zulässige ( § 485 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ) Frage ( 4 ) aus dem Schriftsatz vom 13.10.2015 beantwortet werden kann. Dabei ist aber festzuhalten, dass die beiden Fragen inhaltlich identisch sind, sodass nur eine in den Tenor aufzunehmen ist.

16

Soweit das Landgericht auch auf die Weiterbehandlung durch eine Zahnärztin L. abstellt, mag dies im Ergebnis der Beantwortung der Beweisfragen entgegenstehen. Nur wäre dies - als mögliches Ergebnis der Begutachtung - durch den/die Sachverständige(n) festzustellen.

17

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst ( Zöller/Herget a.a.O., § 487; Rn. 5 ). Zwar ist im Beschwerdeverfahren bei Erfolglosigkeit des Rechtsmittels § 97 Abs. 1 ZPO zu beachten. Eine Teilkostenentscheidung über den zurückgewiesenen Teil ist indes nicht möglich und auch nicht erforderlich, weil der Frage ( 4 ) aus der Antragsschrift gegenüber den restlichen Fragen kein eigenständiges wirtschaftliches Gewicht zukommt ( Senat Beschluss vom 11.8.2015 ).

18

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt der Angabe in der Antragsschrift.


Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen is

Der Antrag muss enthalten:1.die Bezeichnung des Gegners;2.die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll;3.die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 zulässigen Beweismittel;4.die Glaubhaftmachung der Tat
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen is

Der Antrag muss enthalten:1.die Bezeichnung des Gegners;2.die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll;3.die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 zulässigen Beweismittel;4.die Glaubhaftmachung der Tat
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 24/09/2013 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 12/13 vom 24. September 2013 in dem selbständigen Beweisverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 485 Abs. 2 Ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Klärung der haftungsr
published on 10/11/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 11/15 vom 10. November 2015 in Sachen Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 487 Nr. 2 Das geforderte minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gemäß § 487 Nr. 2 ZPO zu bezeichnenden B
published on 14/10/2013 00:00

Tenor Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts vom 13.8.2013 (6 OH 15/12) abgeändert: In Ergänzung des Beschlusses soll auch über die Fragen 3. Welche Ursache haben die unter Nr. 1 und Nr.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

Der Antrag muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Gegners;
2.
die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll;
3.
die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 zulässigen Beweismittel;
4.
die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen.

(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass

1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache,
2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels,
3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)