Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 20. Juli 2015 - 1 W 24/15

published on 20/07/2015 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 20. Juli 2015 - 1 W 24/15
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Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 8. April 2015 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt den Beklagten als faktischen Geschäftsführer (der Komplementärin) der Schuldnerin am Sitz der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch und meint, sich auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts stützen zu können. Nach Rüge der örtlichen Zuständigkeit durch den Beklagten hat das Landgericht Magdeburg dem Kläger eine Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt, die am 9.4.2015 endete. Gleichwohl hat der Einzelrichter bereits am 8.4.2015 nach § 281 ZPO entschieden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vom 15.4.2015 und vertritt die Auffassung, die Verweisung wegen Unzuständigkeit beruhe auf objektiver Willkür und verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

2

Das im angefochtenen Beschluss bezeichnete Landgericht Regensburg hat die Übernahme abgelehnt. Daraufhin hat das Landgericht Magdeburg am 28.5.2015 entschieden, das Verfahren aus den Gründen der Entscheidung des Landgerichts Regensburg fortzuführen.

3

Gleichwohl hält der Kläger an seiner sofortigen Beschwerde fest, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

4

Die sofortige Beschwerde, über die gemäß § 568 S. 1 ZPO das Beschwerdegericht durch den Einzelrichter entscheidet, ist unzulässig. Es fehlt dem Rechtsmittel an der Statthaftigkeit (§§ 572 II S. 1; 567 I; 281 II S. 2 ZPO). Gemäß § 281 II S. 2 ZPO ist der Beschluss, mit dem sich das Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweist, unanfechtbar. Damit wird gesetzlich angeordnet, dass auch die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO ausnahmslos nicht stattfindet (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.3.2012, 10 W 117/12, BeckRS 2012, 09112; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 281 Rdn. 14; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 281 Rdn. 11; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 281 Rdn. 99,101 m.w.N.). Soweit der Kläger auf eine herrschende Meinung verweist, die in Fällen objektiver Willkür oder der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise die Beschwerde für möglich hält (OLG Köln NJW-RR 2009, 1543; OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 792; OLG Hamburg NJW-RR 2012, 634, 635; PG/Geisler, ZPO, 7. Aufl., § 281 Rdn. 58; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rdn. 29, 28; Prütting, in: MünchKomm.-ZPO, 4. Aufl., § 281 Rdn. 41; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 281 Rdn. 12), vermag der Senat die notwendige Rechtsgrundlage nicht zu erkennen. Außerordentliche Rechtsmittel wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit oder Verletzung des rechtlichen Gehörs schließen spätestens nach der Reform des Zivilprozesses und der Einführung der Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 321a ZPO) keine planwidrige Regelungslücke mehr, sodass auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die sofortige Beschwerde ausscheidet. Soweit ersichtlich hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Beschwerde gegen Verweisungsbeschlüsse nicht ausdrücklich bejaht, sondern die Frage offen gelassen (BGH NJW-RR 2000,1731, 1732). Seine zur Rechtfertigung der Anfechtbarkeit herangezogenen Äußerungen standen stets im Zusammenhang mit Entscheidungen zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit (jetzt § 36 I Nr. 6 ZPO) und bezogen sich dementsprechend auf die Bindungswirkung nach § 281 II S. 4 ZPO (vgl. BGH NJW 1978, 1163, 1164; 1984, 740; 1988, 1794, 1795). Aus einer fehlenden Bindung des im Verweisungsbeschluss bezeichneten Gerichts lässt sich jedoch nicht zwingend das (prozessökonomisch motivierte) Bedürfnis einer Beschwerdemöglichkeit des Klägers herleiten, zumal auch die Rechtmittelklarheit und Rechtssicherheit tangiert sind und die Unanfechtbarkeit ebenfalls prozessökonomischen Zwecken folgt (Bacher, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.3.2015, § 281 Rdn. 24).

5

Ist die Verweisung objektiv willkürlich oder unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustande gekommen, hat das verweisende Gericht, dessen Bindung an die eigene Entscheidung dann entfällt, den Fehler selbst zu korrigieren (BGH NJW 2000, 590; 2002, 1577; Beschluss vom 8.5.2002, V ZB 20/02, BeckRS 2002 30258387; Beschluss vom 16.12.2010, I ZA 18/10, BeckRS 2010, 31031; Beschluss vom 4.9.2014, I ZA 7/14, BeckRS 2014, 18023; anders BGH NJW-RR 2009, 1223). Außerdem kann sich das ebenfalls nicht nach § 281 II S. 4 ZPO gebundene, im Verweisungsbeschluss genannte Gericht für unzuständig erklären und eine Entscheidung nach § 36 I Nr. 6 ZPO herbeiführen. Eine Rechtsmittelmöglichkeit ist auch verfassungsrechtlich daneben nicht geboten (BVerfG NJW 2003, 1924 ff.).

6

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und zuvor das Verfahren dem Senat in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen (vgl. §§ 568 S. 2; 574 I S. 1, III S. 1, II ZPO). Selbst wenn die sofortige Beschwerde statthaft wäre, müsste sie nach § 572 II S. 2 ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses verworfen werden. Das Landgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 28.5.2015 zum Ausdruck gebracht, sich der Auffassung des Landgerichts Regensburg anzuschließen, mithin von seiner örtlichen Zuständigkeit auszugehen und das Verfahren fortzusetzen. Damit ist das vom Kläger mit der sofortigen Beschwerde verfolgte Rechtsschutzziel erreicht. Denn mit dieser Entscheidung ist der Verweisungsbeschluss vom 8.4.2015 überholt, wenn nicht gar konkludent aufgehoben. Nimmt der Kläger daraufhin trotz Anfrage des Landgerichts vom 28.5.2015 sein Rechtsmittel gleichwohl nicht zurück oder erklärt es für erledigt, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (Zöller/Heßler, § 567 Rdn. 12).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.


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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur
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(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

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Annotations

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.