Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 21. Mai 2013 - 1 Ss 19/13

published on 21/05/2013 00:00
Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 21. Mai 2013 - 1 Ss 19/13
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom

07. Februar 2013 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dessau -Roßlau zurückverweisen (§§ 353 Abs.1, 354 Abs. 2 StPO).

Die Feststellungen des Urteils bleiben aufrechterhalten.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Dessau – Roßlau – Strafrichter -hat den Angeklagten mit Urteil vom 07. Februar 2013 (11 Ls 631 Js 26132/11) wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt

2

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

3

Der Generalstaatsanwalt hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.

4

Die eingelegte Revision ist zulässig (§§ 335, 341 Abs. 1, 344, 345 Abs. 1 StPO) und hat teilweise Erfolg.

5

1. Das Urteil beruht teilweise auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes (§§ 337 Abs. 1 und 2, 353 Abs. 1, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

6

Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Strafzumessung ist rechtsfehlerhaft.

7

Zwar obliegt die Strafzumessung grundsätzlich allein dem Tatrichter. Nur er hatte die Gelegenheit, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein umfassendes Bild von der Person des Angeklagten und von seinen Taten zu machen, das ihn befähigt, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände zu erkennen und zu gewichten (BGHSt 34, 345, 349 ). Deshalb darf die Strafzumessung vom Revisionsgericht nur dahingehend überprüft werden, ob sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen hält und ob die dabei angestellten Erwägungen in sich widersprüchlich oder rechtsfehlerhaft sind, insbesondere ob der Tatrichter seine Pflicht zur umfassenden Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erfüllt hat (Senat, Beschluss vom 15. Mai 2008, 1 Ss 6/08).

8

Das Amtsgericht hat keinen Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel festgestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Wirkstoffgehalt für den Unrechts – und Schuldgehalt der Tat aber von besonderer Bedeutung (siehe nur: BGH, Beschluss vom 09. November 2010, 4 StR 521/10, NStZ – RR 2011, 90, 91).

9

Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen (OLG München, Beschluss vom 31. Juli 2012, 5 St RR (I) 28/12, NStZ – RR 2013, 133). Dies hat das Amtsgericht unterlassen.

10

Das Urteil leidet ferner an einem weiteren Rechtsmangel. Das Amtsgericht hat eine Freiheitsstrafe von unter fünf Monaten verhängt. Daher musste es § 47 Abs. 1 StGB prüfen.

11

Der Tatrichter muss stets zuerst prüfen, welche Strafe (Geld-oder Freiheitsstrafe) isoliert die angemessene Ahnung für die Tat darstellt. Erst wenn er zum Ergebnis gekommen ist, dass eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten an sich angemessen ist, muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 47 StGB vorliegen (Maier in: Münchener Kommentar, StGB, § 47 StGB, Rd. 11).

12

Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll der Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen entgegengewirkt (Fischer, a. a. O., § 47 StGB, Rd. 2) und diese weitestgehend zurückgedrängt werden und daher nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen (BGHR, § 47 Abs.1 StGB, Umstände 6).

13

Die Verhängung einer Einzelfreiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten statt einer Geldstrafe kommt deshalb nur in Betracht, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, zur Einwirkung auf den Angeklagten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist (§ 47 StGB).

14

Die Unerlässlichkeit bedarf einer besonderen Begründung (siehe nur: § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO). Die Anwendung von § 47 StGB muss im Urteil erörtert werden (Fischer, a. a. O., § 47 StGB, Rd. 15).

15

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe setzt daher voraus, dass unter Beachtung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung im Rahmen einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt wird, aus der sich weiterhin ergibt, aufgrund welcher konkreten Umstände sich die Tat oder der Täter derart von dem Durchschnitt solcher Taten oder dem durchschnittlichen Täter abhebt, dass eine Freiheitsstrafe ausnahmsweise unerlässlich ist (vgl. BGHR StGB § 47 Abs. 1 StGB Umstände 6; OLG Hamburg, Beschluss vom 27. September 2006, III-104/06, StV 2007,305)

16

Aus der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Beschränkung der kurzen Freiheitsstrafe auf Ausnahmefälle folgt auch, dass die Begründung des Tatrichters erkennen lassen muss, dass das Gericht sich der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes bewusst gewesen ist und die besondere Härte der kurzen Freiheitsstrafe im Vergleich zur Geldstrafe in seine Erwägungen einbezogen hat (Kammergericht, Beschluss vom 31. Mai 2007, 1Ss 65/06, StV 2007, 35, 36)

17

Die Ausführungen des Amtsgerichts halten der rechtlichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 47 Abs. 1 StGB nicht stand.

18

Es fehlt bereits an einer gesonderten, von allgemeinen Strafzumessungserwägungen klar abgegrenzten Befassung mit den Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 StGB und den Anforderungen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben.

19

Den Gründen kann schon nicht hinreichend entnommen werden, ob das Amtsgericht eine Prüfung des § 47 StGB vorgenommen hat. Es teilt mit, dass mit Geldstrafe nicht mehr auf den Angeklagten eingewirkt werden kann. Dies genügt hier nicht den Anforderungen des § 47 StGB (siehe: BGH, Beschluss vom 08. April 2003, 3 StR 92/03, StV 2003, 485).

20

Zudem hätte es nahe gelegen zu prüfen, ob die jetzige Haft einen solchen Eindruck auf den Angeklagten gemacht hat, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe doch nicht unerlässlich ist.

21

Das Urteil beruht auf den oben aufgezeigten Rechtsfehlern, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Amtsgericht bei einer korrekten Prüfung des § 47 StGB zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

22

Im Umfang der Aufhebung war die Sache an eine andere Strafkammer desselben Landgerichts zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

23

Der nun zuständige Strafrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie nicht im Widerspruch zu den bereits getroffenen Feststellungen stehen.

24

2. Im Übrigen ist die Revision unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.


Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 09/11/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 521/10 vom 9. November 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesa
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden.

(2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre.

(3) Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist, die rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form eingelegte Revision als Berufung behandelt. Die Revisionsanträge und deren Begründung sind gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist anzubringen und dem Gegner zuzustellen (§§ 344 bis 347). Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach den allgemein geltenden Vorschriften zulässig.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.