Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streit um die von der Klägerin verlangte Herausgabe kryokonservierter Spermaproben ihres am ... 1978 geborenen und am ... 2015 verstorbenen Ehemanns H. J. L., die unter dessen Namen bei der Beklagten eingelagert sind. Die Klägerin will mit dem Sperma beim Kinderwunsch Centrum C. im Wege der künstlichen Befruchtung in Fortsetzung einer im Juni 2014 begonnenen Behandlung ihre Schwangerschaft herbeiführen.
Das Landgericht Traunstein hat mit am 21.09.2016 verkündetem Endurteil die Klage abgewiesen. Auf die in dem landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzielles Klagebegehren in präzisierter Fassung weiter.
Sie trägt hierzu vor, die Beklagte mache sich entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung durch die Herausgabe der kryokonservierten Spermaproben nicht wegen Beihilfe zu einer Straftat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz strafbar. Diese Norm sei verfassungswidrig und verletze das klägerische Recht auf Fortpflanzung. Der auf die Klägerin übergegangene vertragliche Herausgabeanspruch auf das Kryosperma - das dem alleinigen Verfügungsrecht der Klägerin unterliege - sei mithin nicht auf eine im Sinne von § 275 BGB (rechtlich) unmögliche Leistung gerichtet.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts fehle es an einem legitimen Gemeinschaftsbelang als Strafgrund für § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Es gebe keinen legitimen Zweck staatlicher Intervention, der die Einschränkung des Grundrechts auf Fortpflanzung der Klägerin rechtfertige; dies ergebe sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Das erstinstanzliche Gericht habe nicht hinreichend geprüft, ob § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz den besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen entspreche. Die Klägerin habe nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes schützenswertes Grundrecht auf Fortpflanzung, das auch das Recht der Klägerin auf Fortpflanzung mit dem Samen des verstorbenen Mannes umfasse. Es sei nicht legitim, bei der postmortalen Insemination die natürlichen Schranken auch als rechtliche festzulegen. Wenn ein Paar durch den Tod eines der Partner kein Kind mehr auf natürlichem Weg zeugen könne, könne dies nicht die Konsequenz haben, dass die Partner danach auch kein Recht mehr auf Fortpflanzung hätten. Der Verweis auf die natürlichen oder normalen Grenzen könne bei jeder Form der künstlichen Fortpflanzung herangezogen werden und sei somit kein Argument. Das „ob“ der natürlichen/künstlichen Fortpflanzung falle in einen unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, in dem die Privatsphäre nur unter erschwerten Bedingungen eingeschränkt werden dürfe. An entsprechende Gesetze würden insoweit besondere Verhältnismäßigkeitsanforderungen gestellt, wobei ein wichtiges staatliches Interesse geschützt und ein milderer Eingriff ausgeschlossen sein müsse. Das Interesse der Klägerin auf Fortpflanzung, insbesondere daran, die Gene ihres verstorbenen Mannes und ihre eigenen im und am Kind zu sehen und zu erleben, überwiege die Aspekte, dass das Kind ohne Vater aufwachse und es möglicherweise für das Kind ein Problem darstelle, wenn es erfahre, wie es gezeugt wurde. Der Schutz des Kindeswohls sei nachrangig, das ungezeugte Kind noch nicht grundrechtsfähig. Auch sei die Berücksichtigung des Kindeswohls bedenklich, weil das Kind gar nicht existieren würde, wenn man die postmortale Insemination nicht zuließe. Soweit es im Gesetzgebungsverfahren als Gefahr für die Entwicklung des Kindes angesehen wurde, das Kind könne erfahren, wenn seine Zeugung in einer dem Willen der Beteiligten nicht entsprechenden Weise erfolgt sei, treffe dies dann nicht zu, wenn, wie hier, ausdrücklicher Wille des verstorbenen Ehemanns der Klägerin gewesen sei, dass sie mit seinem Samen schwanger werden solle.
Auch in dem vom OLG Rostock (Urteil vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09) entschiedenen Fall spiele der Schutz des Kindeswohls keine Rolle mehr. Das Kind werde, wie auch von Anfang an viele Kinder allein erziehender Elternteile, in eine nicht bestehende Partnerschaft geboren, wobei hier die befruchtete Eizelle nach der Erkenntnis des OLG Rostock nicht unter § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz falle. Für das Kindeswohl spiele es keine Rolle, ob das Kind nach dem Tod eines Elternteils erst durch die Befruchtung mit dem Samen gezeugt wurde oder durch die Einpflanzung der befruchteten Eizelle, nachdem der Vater bereits verstorben war.
Eine Lebensqualität könne einem durch postmortale Insemination geborenen Kind nicht deswegen, dass dieses Kind seinen Vater nicht kenne, abgesprochen werden, zumal dies in Konsequenz bedeutete, dass alle Kinder von allein erziehenden Elternteilen keine solche Lebensqualität hätten. Nach heutigen Erkenntnissen hätten Kinder von Alleinerziehenden keine bemerkbaren Defizite. Es fehle an der griffigen Benennung, welche Aspekte des Kindeswohls für dessen geistig-seelische Entwicklung maßgeblich sind und welche nachweislich durch eine Befruchtung post mortem das Kindeswohl messbar beeinträchtigen. Außerdem laufe die postmortale Insemination nicht der Intention des Gesetzgebers des Embryonenschutzgesetzes zuwider, die darin bestehe, Grenzen der neuen Techniken der Fortpflanzungsmethoden, vor allem der In-Vitro-Fertilisation zu ziehen, um Missbräuche zu verhindern. An wirklichen Konturen einer gegen das Recht der Fortpflanzung der Klägerin anzuführenden herrschenden Sozialmoral fehle es. Selbst wenn man in den Sittengesetzen eine rechtsethische Kontrollschranke sehen würde, könne dies nicht zu einer grundsätzlich anderen Bewertung führen.
Auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 17.11.2016 (Bl. 50/59 d. A.) wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die unter dem Namen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, Herr H. J. L., geboren am ... 1978, vor seinem Tod wohnhaft eingelagerten 13 kryokonservierten Spermaproben an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.
Sie trägt hierzu vor, die Klägerin versuche insbesondere mit sehr weiten verfassungsrechtlichen Auslegungen den Herausgabeanspruch zu begründen. Wenngleich das Embryonenschutzgesetz nach 27 Jahren dem aktuellen Behandlungsstandard nicht mehr entspreche, enthalte es hinsichtlich der hier streitigen Frage keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Regulierungen. Aus nachvollziehbaren Gründen sei das Verbot der Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Kindeswohls in das Gesetz aufgenommen worden.
Tatsächlich handele es sich bei der von der Klägerin erstrebten weiteren Kinderwunschbehandlung um eine angestrebte Selbstverwirklichung, die über die Gefährdung der Interessen des zu zeugenden Kindes gestellt werde. Auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 05.01.2017 wird Bezug genommen.
Der Senat hat am 01.02.2017 mündlich verhandelt; auf das Protokoll wird verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Ein vertraglicher Anspruch auf Herausgabe besteht nicht.
Nach § 4 Nr. 3 des zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrags über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma endete der Vertrag mit dem Tod des Ehemanns der Klägerin. Ein unerledigtes Herausgabeverlangen des Ehemannes, das durch Erbgang einen Herausgabeanspruch der Klägerin hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor. Dem derzeitigen Verwahrungsverhältnis bezüglich des trotz der Vertragsbestimmung des § 11 Nr. 2 nicht vernichteten Spermas ist die Herausgabepflicht der Beklagten nicht immanent, sondern von der rechtskräftigen Entscheidung über die Klage abhängig.
Dem auf § 985 BGB gestützten Herausgabeverlangen der Klägerin als nunmehriger Alleinerbin der 13 kryokonservierten Spermaproben steht der Einwand der Beklagten, sich im Falle der Herausgabe einer Beihilfe zum Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz schuldig zu machen, damit ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit, entgegen (dazu siehe unten nachfolgend 1.). Von der Verfassungswidrigkeit der entscheidungserheblichen Norm des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz ist der Senat nicht überzeugt; Veranlassung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG besteht nicht (siehe dazu unten 2.). Dem Klageanspruch steht in jedem Fall das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns der Klägerin entgegen (siehe dazu unten 3.).
Im Einzelnen ist dazu auszuführen:
1. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz verbietet die Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tod (post-mortem-Befruchtung). Diese erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügte Strafbestimmung anerkennt den Umstand, dass beim Tod eines Mannes eine noch mögliche künstliche Befruchtung im Sinne der Frau liegen könnte, dadurch, dass die Frau selbst in jedem Falle straflos bleibt (persönlicher Strafausschließungsgrund nach Abs. 2).
Scheidet demnach eine post-mortem-Befruchtung im Inland aus, kann die Klägerin ihre Forderung auch nicht auf eine im Ausland durchzuführende dergestalte künstliche Befruchtung stützen. Nach einer Erhebung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zu den rechtlichen Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin in europäischen Ländern wäre dies in mehreren europäischen Ländern, so etwa ohne größere Restriktionen in Belgien (Gesetz vom 11.05.2003), Dänemark (Gesetz Nr. 460 vom 10.06.1997 mit Änderungsgesetz Nr. 427 vom 10.06.2003 und Nr. 240 vom 05.04.2004 sowie Verordnung Nr. 728 vom 17.09.1997), den Niederlanden (StGB-Ergänzung vom 16.09.1993, Embryonenschutzgesetz vom 01.09.2002) und Polen möglich. Auch diese Rechtslage ändert aber nichts an der möglichen Strafbarkeit der Beklagten wegen Beihilfe zu einer von der Witwe begangenen Auslandstat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz.
Zwar muss § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB nach einhelliger Ansicht einschränkend interpretiert werden; so wird durch die Norm die ausländische Haupttat gerade nicht automatisch zur Inlandstat, vielmehr muss der Auslandsbezug der Haupttat weiterhin bei der Beurteilung des strafrechtsrelevanten Verhaltens Berücksichtigung finden. Die Fragestellung lautet, ob der territoriale Schutzbereich des verletzten Straftatbestands die im Ausland begangene Tat ebenfalls erfassen will, wobei dieser Schutzbereich tatbestandsimmanent zu ermitteln und der Frage der Auslandserstreckung vorgelagert ist. Schützt der in Rede stehende Tatbestand ausschließlich inländische Rechtsgüter, ist § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB teleologisch zu reduzieren, so dass in solchen Fällen die Inlandsteilnahme an einer straflosen Auslandstat nicht strafbar ist. Hier gelangt man jedoch zum Ergebnis, dass nicht bloß inländische Rechtsgüter geschützt werden, da es sich bei dem durch § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz geschützten Rechtsgut jedenfalls um das Individualrechtsgut des Kindeswohls handelt; dieses genießt, wie sich etwa auch aus § 5 Nr. 6 a StGB ersehen lässt, universellen Schutz (Krüger, Das Verbot der post-mortem-Befruchtung, Schriftenreihe Medizin-Ethik-Recht, Band 12, 2010, Seiten 22 f.; an diesen Aufsatz sind auch die nachfolgenden Ausführungen unter 2., wenn auch nicht zwingend das gewonnene Ergebnis, angelehnt).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB hätte sich die Beklagte daher berechtigtermaßen gegenüber dem Herausgabeanspruch mit dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) verteidigen können, es sei denn, es wäre von der Verfassungswidrigkeit der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz auszugehen.
2. Wenngleich klägerseits § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz für verfassungswidrig gehalten wird, weil das sich zum einen aus Art. 6 Abs. 1 GG sowie aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Recht auf Fortpflanzung nicht durch das Embryonenschutzgesetz beschränkt werden könne, sieht der Senat keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG, da er dieses Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, nicht für verfassungswidrig hält. Eine Vorlage wäre auch dann unzulässig, wenn das Gericht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes haben sollte (vgl. BVerfGE 78, 104 (117); 80, 54 (59); 86, 52 (57)). Kann der Widerspruch zwischen der einfach gesetzlichen Norm und dem Grundgesetz durch eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Gesetzes aufgelöst werden, kommt auch in solchen Fällen eine Vorlage nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 22, 373 (377); 70, 134 (137); 76, 100 (105)). Lässt der Wortlaut des Gesetzes mehrere Deutungen zu und ist eine Deutung verfassungsgemäß, so ist diese zu wählen (vgl. BVerfGE 83, 201 (214 f.); 88, 145 (166)).
a) Die Prüfungsmaßstäbe für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Strafvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz lassen sich der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2008 (Az.: 2 BvR 392/07, Rn. 34) entnehmen. Hiernach ist der Strafgesetzgeber in materieller Hinsicht zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, wobei dem Übermaßverbot „als Maßstab für die Überprüfung einer Strafnorm besondere Bedeutung zu(kommt)“. Das heißt: Eine Strafnorm muss dem Schutz anderer oder der Allgemeinheit dienen und darüber hinaus geeignet und erforderlich sein, um diesen erstrebten Zweck zu erreichen (BVerfG a. a. O., Rn. 35, 36). Ferner muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs auf der einen und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe auf der anderen Seite die Grenze der Zumutbarkeit für den Normadressaten des Verbots noch gewahrt sein, sogenannte Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (BVerfG a. a. O., Rn. 37).
b) Im Entwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz zum Schutz von Embryonen“ vom 25.10.1989 (BT-Drucksache 11/5460) ist das hier einschlägige Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ nicht angesprochen worden, ebensowenig in der Unterrichtung der Bundesregierung“ zur künstlichen Befruchtung beim Menschen“ vom 23.02.1988 (BT-Drucksache 11/8056), auf die das Embryonenschutzgesetz zurückgeht.
a) Erstmals in den Beratungen im Rechtsausschuss des deutschen Bundestages wurde das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“ in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 08.10.1990 (BT-Drucksache 11/8057) findet sich die dann mit dem Embryonenschutzgesetz in Kraft getretene Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 3. Der gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geänderte § 4 Embryonenschutzgesetz stand allerdings nicht im Mittelpunkt des Gesetzgebungsverfahrens, wie sich schon aus der Darstellung zum „Inhalt des Gesetzentwurfs“ (BT-Drucksache 11/8057, Seite 12) ergibt. Zu § 4 enthält einzig der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages die Motive des Gesetzgebers zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Hiernach sollte die Norm die „Frage künstlicher Befruchtung mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod“ regeln. Es sollte „nicht Samen eines Mannes verwendet“ werden, der bereits verstorben ist (BT-Drucksache 11/8057, Seite 16). Nach eingehender Erörterung sei die Strafbarkeit dessen in den Gesetzentwurf eingeführt worden, der „wissentlich“ eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchte. Anlass, dieses Verbot in die Beschlussempfehlung aufzunehmen, war ein während der Beratungen zum Embryonenschutzgesetz eingebrachter Entwurf der SPD-Fraktion zu einem „Gesetz zur Regelung von Problemen der künstlichen Befruchtung beim Menschen und bei Eingriffen in menschliche Keimzellen“ (BT-Drucksache 11/5710). Dessen Art. 1 sah das Verbot im Fortpflanzungsmedizingesetz vor, wonach es als Ordnungswidrigkeit geahndet werden sollte, wenn bei der künstlichen Befruchtung Samen des verstorbenen (Ehe-)Mannes verwendet werden sollte.
Begründet wurde dies mit Kindeswohl-Interessen. Bei der Identitätsfindung des Kindes könnte sich die Vorstellung belastend auswirken, von einem zur Zeit der Zeugung bereits Gestorbenen abzustammen. Demgegenüber müsse selbst das Interesse des Mannes, dass sein Sperma noch nach seinem Tod verwendet werden kann, zurücktreten (BT-Drucksache 11/5710, Seite 10). Wegen der geschilderten historischen Entwicklung der Vorschrift ist die Schutzrichtung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz eine etwas andere als die des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, womit andere Rechtsgüter geschützt werden sollen. So geht es bei § 4 Abs. 1 Nr. 3 zum Teil auch - aber sicher nicht vorrangig - um den Schutz der Frau, der potentiellen Mutter. Dieser Aspekt kann jedenfalls im Einzelfall eine Rolle spielen, wenn etwa der Frau verschwiegen wird, dass sie mit dem Samen eines Verstorbenen befruchtet wird. § 4 Abs. 2 Embryonenschutzgesetz erfasst aber ebenso den Fall, dass die Frau hiervon Kenntnis hat, und stellt sie, nicht aber den Reproduktionsmediziner von Strafe frei (Krüger, a. a. O., Seite 11).
Was den Schutz des Samenspenders angeht, wäre insoweit sein post-mortales Persönlichkeitsrecht betroffen, als nach seinem Tod noch Kinder mit seinem Samen gezeugt werden. Während er zu seinen Lebzeiten sein Einverständnis mit der Verwendung seiner Samenspende jederzeit und ohne Angabe von Gründen widerrufen kann, wäre es ohne strafrechtliches Verbot denkbar, dass auf nicht absehbare Zeit Kinder mit dem Genmaterial des Verstorbenen entstehen könnten. Insoweit geht der Gesetzgeber von einem entgegenstehenden Willen des verstorbenen Mannes aus, was in Einklang damit steht, dass das in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Embryonenschutzgesetz enthaltene Verbot der künstlichen Befruchtung einer Eizelle die Tatbestandserfüllung u. a. davon abhängig macht, dass keine Einwilligung des Mannes vorliegt, „dessen Samenzelle für die Befruchtung verwendet wird“. Da auch in § 4 Abs. 1 Nr. 2 die Strafbarkeit von der fehlenden Einwilligung der Frau zur Übertragung eines Embryos abhängt, ist resümierend festzustellen, dass § 4 Abs. 1 Embryonenschutzgesetz im Ganzen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts dient und auch dessen Nr. 3, soweit dieses Recht postmortal fortwirkt (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 12 f.).
c) Der Schutz des Kindeswohls als denkbares und der gesetzlichen Regelung primär zugrunde liegendes Rechtsgut scheitert nicht schon daran, dass die Interessen eines Kindes geschützt werden, das wegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht gezeugt werden darf.
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass es mit der Menschenwürde nicht vereinbar sei, Eingriffe in Freiheitsrechte zum angeblichen Schutz anderer vorzunehmen, deren Entstehen gerade durch diesen Eingriff verhindert werden soll. Noch weniger, so wird argumentiert, könne die Menschenwürde selbst angeführt werden, um die Entstehung eines Menschen zum Schutze gerade dieses potentiellen Menschen zu verhindern (vgl. Coester-Waltjen, Gesetzgebung in der Fortpflanzungsmedizin - die Lage in der Bundesrepublik Deutschland, Vortrag vor der deutsch-französischen Juristenvereinigung vom 21.09.2002). Dass der staatliche Gesetzgeber aufgrund der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte dafür zu sorgen habe, dass rechtliche Regelungen auch dem Kindeswohl Rechnung trügen, könne nicht dazu führen, dass ein Interesse eines (künftigen) Kindes dessen Entstehung untersage; dem entspreche die bisherige Grundeinstellung des deutschen Rechts; so lehne die herrschende Meinung einen Schadensersatzanspruch wegen „Wrongful Birth“ generell ab (vgl. Coester-Waltjen, a. a. O.).
Diese durchaus nachvollziehbaren Erwägungen sind jedoch durch die Inzestentscheidung des Bundesverfassungsgerichts relativiert worden: Hier erhielt die Intention, den Nachwuchs dadurch vor möglichen Erbkrankheiten zu schützen, dass man bereits seine Zeugung verbietet, die Billigung des Verfassungsgerichts.
Der historische Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes ist jedenfalls davon ausgegangen, auch mit § 4 Abs. 1 Nr. 3 den Schutz des noch nicht einmal gezeugten Kindes und dessen Wohl zu ermöglichen. So wird im allgemeinen Teil der Begründung des Embryonenschutzgesetzes in einer Vorbemerkung ausgeführt (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), strafrechtliche Verbote bloß insofern vorzusehen, als „sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“. Im nächsten Satz heißt es, dass dabei der Wahrung des Kindeswohls besondere Beachtung geschenkt wird.
d) Ob das im Einzelfall strafrechtlich schützenswerte Kindeswohl im vorliegenden Zusammenhang ein überragendes Rechtsgut darstellt, ist damit noch nicht gesagt. Gleichwohl werden die „Sorge für das Kindeswohl“ und der „hohe Rang des Kindeswohls auch für den Umgang mit dem noch nicht geborenen Kind“ in den Richtlinien der Bundesärztekammer zur assistierten Reproduktion betont, nämlich in einem Vorwort zur eigentlichen Richtlinie (DÄBl 2006 (103), A 1392). Hier heißt es, „dass dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft Rechnung zu tragen sei“, was zwar für sich gesehen die Frage nach einem überragenden Rechtsgut offen lässt. Allerdings wird man vor dem Hintergrund der Inzest-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts konstatieren müssen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weitestgehend freie Hand für die Auswahl der strafrechtlich schützenswerten Rechtsgüter lässt (BVerfG, 2 BvR 392/07, Rn. 39).
Dies gilt auch bei der Beurteilung, ob eine Strafnorm geeignet und erforderlich sein muss. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit im Inzest-Beschluss ausgeführt: „Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher vom Bundesverfassungsgericht je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter und der Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, nur im begrenzten Umfang überprüft werden kann.“
e) Das Übermaßverbot als dritte Stufe des Verhältnismäßigkeitsprinzips wiederum gebietet, dass der Eingriff in ein Grundrecht nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen darf (BVerfGE 65, 1, 54; 80, 297, 312). Es ist erst verletzt, wenn die betroffenen Interessen der Grundrechtsträger gegenüber den mit dem staatlichen Eingriff verfolgten Belangen „ersichtlich schwerer wiegen“, etwa weil der Gesetzgeber ein nach Art und/oder Maß schlechthin unangemessenes Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks gewählt hat (BVerfGE 90, 145, 173).
So stellt sich die Frage, ob das Verbot der „post-mortem-Befruchtung“, wenn man dieses grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig beurteilt, im Einzelfall (insbesondere bei Eheleuten) wegen Art. 6 GG nachrangig ist.
Art. 6 GG und damit Ehe und Familie sind berührt, wenn es sich - wie vorliegend - bei der Klägerin um eine Witwe handelt, die vom verstorbenen Ehemann ein Kind austragen will. Dabei scheitert die Berufung auf Grundrechte nicht daran, dass mit dem Ehemann ein Grundrechtsträger bereits verstorben ist, vielmehr wirkt das - quasi aktive Persönlichkeitsrecht postmortal fort und genießt insofern weiterhin grundrechtlichen Schutz (so auch Krüger, a. a. O., Seite 21).
Die möglicherweise missverständliche Kurzformel „Recht auf Fortpflanzung“ bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, sich fortzupflanzen, sondern nur, dass er in seiner Fortpflanzungsmöglichkeit nicht behindert wird, wobei die Fortpflanzung aber auch die medizinisch assistierte Zeugung umfasst.
Die Auffassungen zur Zulässigkeit der postmortalen Insemination unter dem grundrechtlichen Aspekt des Art. 6 GG gehen indessen, insbesondere in der Literatur und Wissenschaft, auseinander.
Starck (Freiheit und Institutionen, 2002, S. 98 ff) verneint z. B., was die Benutzung des Samens des Ehemannes nach seinem Tod angeht, mit näherer Begründung einen grundrechtlichen Anspruch auf postmortale Zeugung.
Teilweise wird Art. 6 Abs. 2 GG, wonach den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder obliegt (Elternverantwortung, beinhaltend die Pflicht, dieses Recht auszuüben) auch als überwiegender Grundrechtsartikel angesehen, der ein Verbot der postmortalen Insemination zu rechtfertigen vermag).
Dieser Argumentation wird entgegengehalten, dass sich der verstorbene Mann seinen Pflichten nicht entziehe, vielmehr diese nie zur Entstehung gelangten. Auch vermöge der Gesichtspunkt, dass dem postmortal gezeugten Kind ein Unterhaltsschuldner fehle, ein pauschales Verbot der postmortalen Insemination nicht zu rechtfertigen. Denn das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG beinhalte nicht hauptsächlich die Unterhaltsverpflichtung sondern umfasse vielmehr die Beziehung zwischen Eltern und Kind im Sinne einer umfassenden Personensorge, die auch von einem Elternteil ausgeübt werden kann. Andererseits solle zu berücksichtigen sein, dass der Schutzumfang des Art. 6 GG nicht dazu führen könne, zeitlich unbegrenzt Verstöße gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz nicht zu sanktionieren (vgl. Krüger, a. a. O., Seite 20). So wird es von Krüger (a. a. O., Seite 26) als für das Kindeswohl abträglich gehalten, wenn das Kind „bloß über den Verlust des Ehemanns hinweghelfen soll“, bzw. die Witwe sich nach einem längeren Zeitraum als einem Jahr sich nur noch deshalb zur postmortalen Befruchtung entschiede, „weil sie sich einsam fühlt“.
f) Der Senat vermag jedenfalls angesichts der verschiedenen vertretenen Auffassungen und in Auseinandersetzung damit nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber des Embryonenschutzgesetzes in Verfolgung der Absicht, das Kindeswohl zu schützen, die betroffenen Interessen verschiedener Rechtsgutträger unangemessen berücksichtigt bzw. abgewogen und dabei das von der Klägerin als überragend angesehene Interesse der Frau auf Fortpflanzung in unzulässiger Weise eingeschränkt hätte.
Es mag durchaus kontrovers diskutiert werden, ob, wie das Landgericht Neubrandenburg in seinem Urteil vom 12.08.2009 (2 O 111/09, zitiert nach Juris, Rn. 38) ausführt, bereits eine ernsthafte Befürchtung von Fehlentwicklungen des zu zeugenden Kindes die Wertung des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des bestehenden Beurteilungsspielraums als in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen lässt und ausreicht, um hier gleichsam eine relevante Gefahrenlage, die den Erlass von Strafgesetzen rechtfertigt, zu sehen. Wenn der Gesetzgeber dies aber so sieht und in einem nach Auffassung des Senats noch ausreichendem Umfang begründet, hält er sich damit jedenfalls in dem ihm eröffneten Rahmen. Wenn er selbst postuliert, „strafrechtliche Verbote nur dort vorzusehen, wo sie zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter unverzichtbar erscheinen“ (BT-Drucksache 11/5460, Seite 6), ist davon auszugehen, dass er sich seiner Verantwortung bewusst war und bringt er ein zusätzliches Beurteilungskriterium für die Verfassungsmäßigkeit ein. Die Befürchtung einer Beeinträchtigung des Kindeswohls ist jedenfalls real. Sie ist auch umso größer einzuschätzen, je weiter der Zeitpunkt der möglichen Geburt des Kindes von dem Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehemanns entfernt wäre; je länger diese Zeitspanne sein wird, desto eher mag für das entstandene Kind der Eindruck entstehen, seine Zeugung sei von seinem Vater nicht gewünscht worden. Negative psychologische Entwicklungen sind von daher nicht lediglich im theoretischen Bereich angesiedelt. Dass dabei das Interesse einer Witwe, möglicherweise Jahre nach dem Tod des Mannes mit dessen Samen noch ein Kind zu zeugen, zurückzutreten hat, ist hinzunehmen.
3. Selbst wenn man im Übrigen anderer Auffassung sein sollte und grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerin über den Schutz des Kindeswohls stellen wollte, könnte dies den klägerischen Anspruch nicht als begründet erscheinen lassen.
Denn in jedem Fall stehen die grundrechtlich geschützten Interessen des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ihrer Selbstverwirklichung durch eine post-mortem-Befruchtung entgegen.
Die Klägerin stellt den gesetzlichen Schutz des Kindeswohls ihrem eigenen Recht auf Fortpflanzung gegenüber, das sie im konkreten Fall als höherrangig und schutzwürdiger ansieht.
Dabei übersieht sie aber, dass auch das postmortale Persönlichkeitsrecht des samenspendenden Ehemannes nicht ungeschützt bleiben darf. Dieses Recht wäre in Frage gestellt, wenn man mit rechtlichen Fiktionen, etwa mit dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung, einen sonst nicht belegbaren Willen des Verstorbenen, dass nach seinem Tod die Zeugung mit seinen Spermien weiter unternommen wird, ableiten könnte. Dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Ehemanns kann nur durch eine unmissverständliche eigene Erklärung, etwa im Testament oder auch in der Vertragsurkunde über die Kryokonservierung der Spermaproben, Rechnung getragen werden. Insoweit ist auf den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag „über die Kryokonservierung und Lagerung von Sperma“ zwischen der Kryolab C. Unternehmergesellschaft (UG) und dem verstorbenen Ehemann der Klägerin als Auftraggeber zu verweisen. Die maßgebenden Regelungen finden sich in §§ 4 und 11. Nach § 4 Nr. 3 endet das Vertragsverhältnis - das nach dem Sachverhalt hier vor dem 3-monatigen Krankenhausaufenthalt des Ehemannes der Klägerin im... 2015 begonnen haben wird - durch Kündigung seitens der Beklagten nach § 10 sowie im Falle des Todes des Auftraggebers. Nach § 11 Nr. 1 ist das Kryosperma alleiniges Eigentum des Auftraggebers und unterliegt seinem alleinigen Verfügungsrecht. Bei Beendigung des Vertrags durch Zeitablauf, Kündigung oder aus sonstigen Gründen, worunter nach § 4 Nr. 3 auch der Tod des Auftraggebers zählt, ist in § 11 Nr. 2 des Vertrags festgelegt, dass die Kryolab C. KG das Kryosperma unverzüglich vernichtet, es sei denn, der Kryolab ginge rechtzeitig, „mindestens jedoch 2 Wochen vor diesem Zeitpunkt, eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers zu, an wen das Kryosperma zu übergeben ist.“ Ferner ist in § 11 Nr. 3 des Vertrags das Recht des Auftraggebers festgelegt, „jederzeit die Herausgabe des Kryospermas an sich oder einen Dritten zur Durchführung einer Kinderwunschbehandlung oder zum Zweck der Fortsetzung der Kryokonservierung zu verlangen.“ Die in § 11 Nr. 2 getroffene Bestimmung, wann (ausnahmsweise) das Kryosperma nicht zu vernichten ist („es sei denn …“) betrifft ersichtlich nicht den Todesfall, jedenfalls sofern dieser nicht absehbar ist, da die Herausgabealternative eine schriftliche Anweisung des Auftraggebers und damit dessen Fortexistenz voraussetzt. Dies gilt auch für § 11 Nr. 3 mit der dortigen Regelung des Herausgaberechts des Auftraggebers. Die vertraglichen Regelungen sind erkennbar und verständlich von dem Bemühen geprägt, dass ein Konflikt mit den Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes für den Fall des Todes des Auftraggebers erst gar nicht entsteht. So wäre es allenfalls zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, die Kryospermaproben an ein in einem Staat mit weniger restriktiven gesetzlichen Regelungen zur Verwendung des Spermas gelegenes Kinderwunschzentrum weiterzugeben.
Ein etwaiger Wille des Auftraggebers (des verstorbenen Ehemannes der Klägerin), dass im Falle seines Todes die kryokonservierten Spermien zur Kinderwunschbehandlung seiner Ehefrau weiter zur Verwendung kommen sollten, kommt im Vertrag von vornherein nicht zum Ausdruck. Dass dieser Vertrag nach den Ausführungen der Klägervertreterin im nachgeschobenen Schriftsatz vom 14.02.2017 „blind“ unterzeichnet wurde, ist umso weniger zielführend. Der erbbedingte Übergang des Eigentums an den Kryospermaproben besagt für den festzustellenden Willen des verstorbenen Ehemannes ohnehin nichts. Eine Willensäußerung des Ehemannes der Klägerin vor seinem Tode, dass im Falle seines Versterbens die Befruchtungsmaßnahmen mit seinem Sperma fortgesetzt werden sollten, liegt hier eindeutig nicht vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.02.2017 wurde klägerseits erklärt: „Die Frage eines möglichen Todes des Ehemannes der Klägerin vor Abschluss der getroffenen Befruchtungsmaßnahmen war zwischen der Klägerin und ihrem Mann niemals ein Thema. Man ist davon ausgegangen, dass der Ehemann alles überleben wird.“
Mag diese Einschätzung der Klägerin und ihres Ehemannes sich damals bedauerlicherweise nicht als zutreffend erwiesen haben, da der Ehemann der Klägerin aufgrund der Folgen von Abwehrreaktionen gegen das eingesetzte künstliche Herz am ... 2015 verstarb, rechtfertigt dies nicht, ihm den fiktiven Willen zu unterstellen, dass seine Frau als Witwe seinen Samen zur künstlichen Befruchtung hätte verwenden können und er damit dieses Kind vaterlos aufwachsen lassen hätte wollen.
Fehl geht insbesondere die Argumentation der Klageseite, aus dem Vertrag könne und dürfe nicht abgeleitet werden, dass der Wille des Verstorbenen bezüglich der gemeinsamen Familienplanung im Wege der künstlichen Befruchtung nach seinem Tod enden sollte und dass maßgeblich sei, dass er sich nicht ausdrücklich dagegen entschieden und dies entsprechend bekundet hat. Diese Sichtweise kehrt die Dinge um und vernachlässigt die Bedeutung des postmortalen Persönlichkeitsrechts in entscheidender und nicht zulässiger Weise. Fakt ist, dass der Verstorbene nirgendwo zum Ausdruck gebracht hat, dass die nach seinem Tod von der Klägerin verfolgte Absicht seinem Willen entspreche. Die in diesem Zusammenhang klägerseits geäußerte Einschätzung, dass das so gezeugte Kind in einer Großfamilie bestens ver- und umsorgt hätte aufwachsen können, mag zutreffen. Dieser Umstand könnte aber nur im Rahmen der Ermittlung eines mutmaßlichen Willens des verstorbenen Ehemanns zum Tragen kommen, was der Senat als gegen dessen postmortale Selbstbestimmung verstoßende Vorgehensweise nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann.
Die Berufung musste daher zurückgewiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ZPO). Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Gültigkeit von § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz (im Wege einer verfassungskonformen Auslegung) ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Die im Urteil wiederholt angesprochene Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09, betraf eine andere Fallkonstellation, da das Berufungsgericht dort schon nicht die nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz tatbestandliche Verwendung des Samens eines Mannes nach dessen Tode feststellen konnte. Die Frage ist weiterhin klärungsbedürftig und klärungsfähig; das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts ist berührt, weil sich die Frage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen erneut stellen kann. Dies insbesondere dadurch, dass nicht absehbar ist, wann die im Embryonenschutzgesetz getroffenen Regelungen durch ein immer noch ausstehendes Fortpflanzungsmedizingesetz ersetzt werden. Obwohl die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die „medizinisch unterstützte Zeugung menschlichen Lebens“ (Art. 74 Nr. 26 GG) bereits im Jahre 1994 geschaffen wurde, ist seit 1990 eine umfassende Regelung der Vorschriften zur künstlichen Befruchtung nach dem Tode unterblieben und das als Strafgesetz Ende 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz nach wie vor geltendes Recht.