Oberlandesgericht München Endurteil, 13. Nov. 2015 - 10 U 2226/15
Gericht
Tenor
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.275,73 € festgesetzt
Gründe
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
die Beklagten samtverbindlich zu einem verzinsten Ersatzbetrag von insgesamt 8.275,73 € zu verurteilen, zuzüglich hieraus zu errechnender weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
- Zum ersten bestand keinerlei Anlass, auf derartigen, schriftsätzliches Vorbringen ergänzenden „qualifizierten“ Parteivortrag zu verzichten zumal sich beide Unfallfahrer in polizeilicher Betroffenenanhörung nicht geäußert haben (Anlage K 1, Bl. 5/6).
- Zum zweiten wurde dem Gericht - und einem zu beauftragenden unfallanalytischen Sachverständigen (BGH VersR 1979, 939 [juris, Rn. 23]; Senat, Beschl. v. 22.09.2014 - 10 W 1643/14) - die Möglichkeit genommen, eine unmittelbare Unfalldarstellung zu erhalten, die Partei ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen.
- Zum dritten wurde die Verpflichtung missachtet, die Schilderungen der Partei auf ihre Vollständigkeit, Glaubhaftigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und die Glaubwürdigkeit der Partei selbst zu beurteilen.
- Wenn bei einem unstreitigen Wendevorgang (§ 9 V StVO) mitverschuldenserhöhend berücksichtigt werden soll, dass das Wenden bei „schwierigen Witterungs- und Sichtverhältnissen“ und „auch noch verzögert“, also „länger als durch das Fahrmanöver absolut geboten“ durchgeführt worden sei (EU 3 = Bl. 22 d. A.), hätte sowohl festgestellt werden müssen, aus welcher Entfernung - unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse - das Hindernis auf der Fahrbahn für den nachfolgenden Verkehr erkennbar geworden, als auch, dass und aus welchen Gründen die notwendige Dauer des Wendens überschritten worden sei. Bloße Vermutungen („die Sichtweite soll nur 60 Meter betragen haben“) sind nicht ausreichend (Hinweisverfügung v. 08.09.2015, Bl. 38/39 d. A.), im Übrigen: wenn die Sichtweite wegen des starken Nebels 60 Meter betragen haben sollte, wäre sie immer noch größer als die Reichweite des Abblendlichts bei Dunkelheit gewesen.
- Wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass zum Unfallzeitpunkt an ihrem Fahrzeug Warnblinklicht und Seitenbegrenzungsleuchten eingeschaltet waren (EU 3 = Bl. 22 d. A.), müssen diese Tatsachen unstreitig, zugestanden oder nachgewiesen sein, und dürfen nicht durch Vermutungen oder Unterstellungen ersetzt werden (Verfügung v. 08.09.2012, Bl. 38/39 d. A.). Tatsächlich haben die Beklagten eine Beleuchtung des klägerischen Fahrzeugs bestritten (Klageerwiderung v. 05.05.2015, S. 2 = Bl. 13 d. A.).
- Ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot (§ 3 I 2, 4 StVO) lässt sich nur dann mit dem Beweismaß des § 286 I 1 ZPO feststellen, wenn die Ausgangsgeschwindigkeit, die übersehbare Strecke und der Zeitpunkt geklärt sind, ab welchem der Fahrer ein Anhalten für erforderlich halten musste. Das Landgericht hält solche Feststellungen für unmöglich (EU 3 = Bl. 22 d. A.), statt wenigstens einen Versuch zu unternehmen. Denknotwendig kann die nicht bewiesene Tatsache, dass die Beklagte zu 1) ein beleuchtetes Hindernis übersehen habe, nicht als Beweisanzeichen dafür dienen, dass sie mit unangepasster Geschwindigkeit oder unaufmerksam gefahren wäre.
Der Senat tritt dem Erstgericht insoweit bei, als weitere Sorgfaltspflichtverstöße der Beklagten zu 1) als unfallursächlich in Betracht kommen, diese fußen dann aber nicht auf dem Sichtfahrgebot und erzeugen möglicherweise einen geringeren Schuldvorwurf.
- Zuletzt steht den Beklagten der Nachweis offen, der Unfall sei für die Beklagte zu 1) unvermeidlich - im Sinne eines unabwendbaren Ereignisses (§ 17 III StVG) - gewesen, oder sie könne sich mangels eines an den Anforderungen für einen Normalfahrer gemessenen Verschuldens (§ 18 I 2 StVG) entlasten. Die Beklagten tragen entsprechend vor (Klageerwiderung v. 05.05.2015, S. 2 = Bl. 13 d. A.), so dass das Landgericht die zugrunde liegenden Tatsachen hätte aufklären müssen (Hinweisverfügung v. 08.09,.2015 = Bl. 38/39 d. A.).
1. Eine derartig absichtlich ohne Grund unterlassene Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich Parteien anzuhören, Zeugen zu vernehmen und die in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige genannten Beweiserhebungen zu wiederholen, denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r+s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren erstmaligen Beweiserhebung und vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Gleiches gilt für die vollständig fehlende Beweiswürdigung des Erstgerichts (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 58, m. w. N.]).
2. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.
3. Die vorstehenden Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Anschlussberufung, auch insoweit ist aufgrund der Verfahrensmängel eine Sachentscheidung derzeit nicht möglich (s. OLG Köln, Urt. v. 09.05.2008 - 22 U 87/07 [BeckRS 2009, 21921]; OLG München, Urt. v. 30.11.2006 - 19 U 2203/06 [BeckRS 2006, 14497]).
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(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.
(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:
- 1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist; - 2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf; - 3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist; - 4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; - 5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.