Oberlandesgericht München
Az.: 7 U 3473/14
15 HK O 14333/13 LG München I
Orientierungssatz:
Zur Aufklärungspflicht der Bank bei Zinssatz- und Währungsswaps
Leitsätze:
In dem Rechtsstreit
K.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. G.
gegen
U. AG, vertreten durch den Vorstand,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. von R.
wegen Schadensersatz
erlässt das Oberlandesgericht München - 7. Zivilsenat - durch (...)
am 10.09.2015
folgenden
Beschluss
gem. § 522 II ZPO
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.08.2014, Aktenzeichen 15 HK O 14333/13, wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 655.200,00 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Klägerin schloss am 22.09.2008 mit der Beklagten einen Vertrag über einen Zinssatz- und Währungsswap (...) ab. Hiernach sollte die Klägerin an die Beklagte während der Laufzeit des Vertrages (24.09.2008 - 24.09.2013) auf einen (fiktiven) Betrag von 3.197.400 CHF Zinsen in Höhe des 6-Monats-CHF-LIBOR-BBA (fortan: LIBOR) zzgl. eines „Spreads“ von 0,29% p. a. zahlen, die Beklagte hingegen an die Klägerin auf einen (gleichfalls fiktiven) Betrag von 2.000.000 € Zinsen in Höhe des 6-Monats-EUR-EURIBOR-Reuters (fortan: EURIBOR) zahlen. Zum Ende der Vertragslaufzeit hatte die Klägerin an die Beklagte 3.197.400 CHF zu zahlen, die Beklagte an die Klägerin 2.000.000 €. Am 01.09.2008 (vgl. ...) betrug der Umtauschkurs CHF/EUR 1,6085, die Zinsdiffererenz LIBOR zzgl. Spread /EURIBOR betrug zugunsten der Klägerin 1,994%. Auf Basis dieser Information entschloss sich der Geschäftsführer der Klägerin zur Zeichnung des Swaps. Zuvor war der Geschäftsführer der Klägerin durch Mitarbeiter der Beklagten am 01.08.2008 beraten worden; in diesem Gespräch wurde ihm auch die Informationsbroschüre vom 30.07.2008 (...) übergeben.
Der Swap entwickelte sich zum Nachteil der Klägerin; deshalb wurde er einvernehmlich durch die Parteien zum 18.12.2012 aufgelöst gegen Zahlung von 655.200 € durch die Klägerin an die Beklagte. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klageforderung.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe sie vorsätzlich falsch beraten und habe vorsätzlich Aufklärungspflichten verletzt; sie begehrt daher Schadensersatz.
Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 655.200 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit sowie die Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 9.010 € zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie bestreitet die Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten und wendet Verjährung ein.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand und auf die tatbestandlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Landgerichts München I ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 22.03.2015 (Bl. 241 d. A.) Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen der Senat zum Berufungsvorbringen Stellung nimmt, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Die in der Stellungnahme vom 20.05.2015 (Bl. 254 d. A.) zum Hinweisbeschluss vorgebrachten Einwände geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass.
Lediglich ergänzend ist Folgendes zu dieser Stellungnahme anzumerken:
1.
Ohne Erfolg stützt sich die Berufung auf die neueste Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 28.04.2015 - XI ZR 378/13) zur Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Kunden beim Abschluss von Swap-Verträgen.
Im Ansatz zu Recht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass die Bank den Kunden „über das Einpreisen ihrer Kosten und ihres Netto-Gewinns, d. h. über das Einstrukturieren eines anfänglichen negativen Marktwerts“ aufzuklären hat. Zu Unrecht zieht die Klägerin hieraus aber den Schluss (...), die Beklagte habe die Klägerin über den anfänglich negativen Marktwert nach Grund und Höhe aufklären müssen. Denn der anfänglich negative Marktwert an sich ist nach der genannten Rechtsprechung (...) gerade nicht mehr aufklärungspflichtig (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 31; v. 20.01.2015 - XI ZR 316/13, Rn. 33); aufzuklären ist vielmehr (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 33 ff) über einen möglichen damit verbundenen „schwerwiegenden Interessenkonflikt“.
2.
Zur Aufklärungspflicht über einen schwerwiegenden Interessenkonflikt:
a) Nach der Rsp. des BGH (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 39) muss die Bank beim hier vorliegenden Zweipersonenverhältnis über den schwerwiegenden Interessenkonflikt aufklären, der darin liegt, dass sie in die Risikostruktur des Swaps bewusst eine Bruttomarge einpreist, somit „einstrukturiert“, mit der der Kunde nicht rechnen muss.
Hiernach besteht vorliegend keine Aufklärungspflicht, die die Bank verletzt haben könnte.
Ausgangspunkt der Betrachtung des hier streitgegenständlichen Swaps ist, dass zu Beginn der Vertragslaufzeit der tatsächliche Kurs EUR /CHF dem Verhältnis der am Ende der Vertragslaufzeit auszutauschenden Beträge praktisch entspricht (3.197.400 : 2.000.000 = 1,5987; Kurs gem. Anlage K 3: 1,6085). Ändert sich der Kurs während der Vertragslaufzeit nicht, kommt es insoweit weder beim Kunden noch bei der Bank zu einem Gewinn oder zu einem Verlust, vielmehr werden am Ende der Vertragslaufzeit gleichwertige Beträge ausgetauscht.
Der vom Kunden an die Bank zu zahlende Zins (LIBOR zzgl. Spread) dagegen liegt um nahezu 2,0% p. a. unter dem von der Bank an den Kunden zu zahlende Zins (EURIBOR). Ändert sich auch dies während der Vertragslaufzeit nicht, kommt es beim Kunden zu einem Zinsgewinn in Höhe von insgesamt rund 10% und bei der Bank zu einem entsprechenden Verlust. Liegen im Ergebnis während der Vertragslaufzeit LIBOR zzgl. Spread und EURIBOR gleichauf, so kommt es auch insoweit weder beim Kunden noch bei der Bank zu einem Gewinn oder zu einem Verlust.
Unter diesen Voraussetzungen wird die Bank daher mit dem streitgegenständlichen Swap nicht ausschließbar Verlust (in Gestalt des an den Kunden zu zahlenden Zinses) erwirtschaften, der Kunde zahlt nicht ausschließbar keinerlei „Gewinn“ oder „Verwaltungskosten“, sondern per Saldo nichts. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass jedenfalls in den Swap ein - wie auch immer zu definierender - Gewinn der Bank „einstrukturiert“ ist mit der Folge, dass der Kunde zwingend eine einstrukturierte Bruttomarge erwirtschaften müsste, um seinerseits in die Gewinnzone zu gelangen (s. hierzu BGH v. 20.01.2015 a. a. O. Rn. 37; v. 28.04.2015, a. a. O. Rn. 32).
b) Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Komplexität des Swaps kein Kriterium für die Aufklärungspflicht über den schwerwiegenden Interessenkonlikt ist (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 39 f). Voraussetzung für die Aufklärungspflicht ist zusätzlich, dass dem Kunden nicht ersichtlich ist, dass die Bank die Bruttomarge in die Risikostruktur des Geschäfts eingepreist („einstrukturiert“) hat. Für ein derartiges „Einpreisen“ ist vorliegend nichts ersichtlich:
aa) Der Spread von 0,29% ist in der Anlage zu der E-Mail der Zeugin M. vom 01.09.2008 (...) ausdrücklich als „Marge (0,09% Basisswapkosten und 0,20% Bankmarge)“ ausgewiesen. Dies zeigt dem Kunden hinreichend deutlich auf, dass die Bank zur Deckung ihrer Kosten und zur Erhöhung ihres Gewinns einen Aufschlag auf den vom Kunden zu zahlenden Zins (LIBOR) vornimmt.
bb) Auch angesichts der Struktur des streitgegenständlichen Swaps scheidet ein „Einpreisen“ aus. Vielmehr sind die Parameter, von denen der aus Sicht des Kunden günstige oder ungünstige Ausgang des Swap abhängt, für den Kunden klar ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die hiesige Klägerin, die kraft Gesetzes (§ 13 III GmbHG, § 6 I HGB) Vollkaufmann ist.
(1) Die Klägerin hat halbjährlich variable Zinsen auf einen auf Schweizer Franken lautenden Betrag zu entrichten. Wie hoch die von ihr hieraus in Euro zu tragende Belastung ist, ergibt sich aus dem jeweils aktuellen Umtauschkurs CHF /EUR und aus der Höhe des LIBOR (zzgl. des feststehenden Spread). Welche Zinserträge sie gleichzeitig von der Beklagten (in Euro) erhält, ergibt sich aus dem EURIBOR. Zur Abschätzung der Frage, ob während der Vertragslaufzeit die Zinsdifferenz zugunsten oder zulasten der Klägerin verlaufen wird, muss daher lediglich die Entwicklung des Umtauschkurses und der Differenz der beiden Zinssätze wirtschaftlich eingeschätzt werden. Dies setzt keine finanzmathematischen Kenntnisse voraus. Vielmehr geht es hierbei um einen relativ einfachen Rechenvorgang. Ungewiss oder schwierig ist in diesem Zusammenhang also nicht die mathematische Berechnung, sondern die wirtschaftliche Einschätzung der künftigen Entwicklung der genannten Kurse.
Insoweit kann von einem versteckten Einstrukturieren einer Gewinnerwartung der Bank nicht die Rede sein, die maßgeblichen Faktoren liegen vielmehr offen zu Tage; dies gilt auch für die Schwierigkeit der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung und damit der Kurse.
(2) Am Ende der Vertragslaufzeit hat die Klägerin einen Betrag in Schweizer Franken zu entrichten und erhält im Gegenzug einen Betrag in Euro. Ob dies zulasten der Bank oder des Kunden ausgeht, wird ausschließlich vom dann gültigen Umtauschkurs CHF /EUR abhängen; hier: ob der Kurs über oder unter dem - zu Vertragsbeginn zugrunde gelegten - Wert von 1,5987 (s. o. lit. a) liegen wird. Auch dies liegt offen zu Tage.
c) Mit Zahlungen, mit denen er „nicht rechnen muss“ (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 39), wird der Kunde also nicht konfrontiert. Vor allem aber kann von einer für jeden Fall eingepreisten Marge angesichts des Umstandes, dass die Bank bei entsprechendem, nicht von vornherein auszuschließenden Verlauf saldiert keinerlei Zahlungen erhält (s. o. lit a), nicht die Rede sein.
Dass die Bank hingegen mit Swaps grundsätzlich Gewinn zu erzielen sucht, ist selbstverständlich und daher nicht aufklärungspflichtig (BGH v. 28.04.2015, a. a. O., Rn. 37).
3.
Auf den - in der Sache zutreffenden - Einwand der Klägerin, dass die Entscheidung des BGH vom 20.01.2015 ein Dreipersonenverhältnis betrifft (...), kommt es daher nicht mehr an.
4.
Die Frage eines der Beklagten vorzuwerfenden Vorsatzes stellt sich nicht mehr (...).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der vorliegenden Entscheidung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.