Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 27. Mai 2013 - 3 U 1153/12
Gericht
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Mainz vom 29. August 2012 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
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Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 25. Juni 2013. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:
I.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 1.9.2010 wurde über das Vermögen der E. GmbH & Co. Biogas AG, B. (im Folgenden; Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In dieser Eigenschaft macht er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung für die Einspeisung von Strom auf der Grundlage des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) geltend.
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Die Insolvenzschuldnerin betrieb seit Ende 2007 ein Biogaskraftwerk, bestehend aus einer - nachwachsende Rohstoffe verarbeitenden - sogenannten NawaRo-Anlage und einer Biomasseanlage, aus denen Strom in das von der Beklagten betriebene Netz eingespeist wurde. Gegenstand der Klage ist die Grundvergütung von 9,44 ct/kWh für die in der Zeit von März bis Juli 2010 eingespeisten Strommengen aus beiden Anlagen, nach dem Vorbringen des Klägers insgesamt 1.220.503,10 kWh; hieraus resultiert eine Klageforderung von 137.106,38 €. Wegen der monatlich eingespeisten Strommengen und der Berechnung der Vergütung im Einzelnen wird auf die Klageschrift und die ihr beigefügten Rechnungen (Anlagen K 2 bis 6, GA 8-12) Bezug genommen. Hinsichtlich der Zusammensetzung der in den Rechnungen angesetzten so genannten Mischpreisvergütung wird auf die hierin angeführten Schreiben der Beklagten vom 2.6. bzw. 3.2.2009 (Anlagen B 21/22) verwiesen.
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Bis einschließlich Februar 2010 zahlte die Beklagte entsprechend den Rechnungen der Insolvenzschuldnerin an diese neben der Grundvergütung auch verschiedene Boni, nämlich einen NawaRo-Bonus, einen KWK-Bonus für die Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung, die beide in der in den Rechnungen ausgewiesenen Mischpreisvergütung enthalten waren, sowie einen in den Rechnungen für Januar und Februar 2010 (Anlagen B 3 und B 4) gesondert ausgewiesenen - sogenannten Technologiebonus.
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Die Parteien haben darüber gestritten, ob es sich bei den von der Beklagten auf die Rechnungen für Januar und Februar 2010 geleisteten Zahlungen um Abschlagszahlungen handelt und diese auf die für 2010 insgesamt geschuldete Grundvergütung anzurechnen sind. Hilfsweise hat die Beklagte mit einem Anspruch auf Rückzahlung des nach ihrem Vortrag rechtsgrundlos gezahlten NawaRo-Bonus in 2009 in Höhe von 352.777,67 € aufgerechnet Hinsichtlich der Berechnung der Beklagten wird unter A) IV ihres Schriftsatzes vom 6.7.2011 (GA 29/30) Bezug genommen.
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Der Kläger hat vorgetragen,
bei den von der Beklagten in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen handele es sich nicht um Abschlagszahlungen. Eine Aufrechnung mit etwaigen Rückzahlungsansprüchen sei nach § 22 EEG unzulässig. Ein Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Boni, insbesondere des NawaRo-Bonus, sei im Übrigen nicht gegeben. Die zwischen der NawaRo-Anlage und der Biomasseanlage bestehende Verbindungsleitung sei nicht bonusschädlich; eine Vermischung der Substrate aus beiden Anlagen habe nicht stattgefunden.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 137.106,38 € zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 103.669,09 € seit dem 4.5.2010, aus 21.422,42 € seit dem 6.6.2010, aus 8.695,86 € seit dem 4.7.2010, aus 2.326,86 € seit dem 4.8.2010 sowie aus 992,15 € seit dem 5.9.2010 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat vorgetragen,
die streitgegenständlichen Rechnungen der Insolvenzschuldnerin vom 3.5., 1.7. und 2.8.2010 seien ihr vorgerichtlich überhaupt nicht, die Rechnungen vom 1.4. und 1.6.2010 nicht in der jetzigen Form zugegangen.
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Die Anlage der Insolvenzschuldnerin habe 2010 insgesamt nur 3.183.933,31 kWh eingespeist, nicht 1.220.503,10 kWh (richtig: 3.201.366,80 kWh, die sich bei Addition der in den Rechnungen für Januar bis Juli 2010 genannten Einzelmengen ergebende Gesamtmenge, nämlich Januar und Februar 2010 1.980.863,70 kWh, März bis Juli 2010 1.220.503,10 kWh). Bei einer Grundvergütung von 9,44 ct/kWh ergebe sich hieraus ein Anspruch auf eine Grundvergütung von 300.563,30 € (netto). Tatsächlich habe sie aufgrund der Rechnungen für Januar und Februar 2010 für das Jahr 2010 insgesamt bereits 324.056,11 € (netto) gezahlt, sodass der Klägerin ein weitergehender Vergütungsanspruch nicht zustehe. Bei den monatlich gezahlten („unterjährigen") Beträgen handele es sich um Abschlagszahlungen, wie sich schon daraus ergebe, dass nach § 12 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 die für die Höhe der Grundvergütung nach § 8 Abs. 1 EEG 2004 relevante Leistung der Anlage aufgrund der tatsächlich in einem Jahr vom Netzbetreiber abgenommenen Kilowattstunden ermittelt werde. Die insgesamt in einem Jahr abgenommenen Kilowattstunden könnten aber erst am Ende eines Jahres bestimmt werden. Dies erfordere eine jährliche Endabrechnung, wie sie in § 14 a Abs. 2 Nr. 3 EEG 2004 bzw. § 46 Nr. 3 EEG 2009 ausdrücklich angesprochen und von der Insolvenzschuldnerin für die Jahre 2008 und 2009 auch erstellt worden sei (Anlagen B 23 und B 24). Die Berufung der Klägerin auf das Aufrechnungsverbot sei im Übrigen treuwidrig, da sie den NawaRo-Bonus in unredlicher bzw. betrügerischer Weise erlangt habe. Aufgrund der vorhandenen Verbindungsleitung zwischen beiden Anlagen befänden diese sich rechtlich auf einem Betriebsgelände mit der Folge, dass ein Anspruch auf den NawaRo-Bonus nach § 8 Abs. 2 EEG 2004 bzw. I. 1. b) Anlage 2 EEG 2009 nicht bestanden habe. Durch die Existenz einer Verbindungsleitung sei es jederzeit möglich gewesen, in der NawaRo-Anlage auch andere als nachwachsende Rohstoffe einzusetzen. Es sei davon auszugehen, dass dies auch geschehen sei.
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Der Insolvenzschuldnerin stehe schließlich auch der KWK-Bonus sowie der Technologiebonus nicht zu. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien von dem Kläger, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trage, nicht hinreichend dargelegt und bewiesen.
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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 111.786,99 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.5.2011 zu zahlen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
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Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, die Klage sei überwiegend begründet. Der Kläger könne als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin von der Beklagten Zahlung der geltend gemachten Grundvergütung für die Einspeisung von Strom aus dem von der Insolvenzschuldnerin betriebenen Biogaskraftwerk in das Netz der Beklagten in 2010 in Höhe von 111.786,99 € verlangen. Ein weitergehender Anspruch stehe der Insolvenzschuldnerin nicht zu. Die Aufrechnung der Beklagten mit Gegenansprüchen sei nach § 22 EEG unzulässig.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, soweit das Landgericht die Klage in Höhe von 25.319,99 € nebst Zinsen abgewiesen hat.
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Der Kläger trägt nunmehr vor,
das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass nur eine Einspeisemenge von 3.183.933,31 kWh unstreitig sei (LU 6). Rechnerisch ergebe sich für den Zeitraum März bis Juli 2010 eine Einspeisemenge in Höhe von 3.201.366,80 KWh. Mit Schriftsatz vom 10.04.2012 sei unter Bezugnahme auf das mit Schreiben der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 02.07.2010 (Anlage K 9, GA 99) vorgetragen worden, dass die Beklagte vorgerichtlich die geltend gemachte Einspeisungsvergütung sowohl hinsichtlich der eingespeisten Strommenge als auch hinsichtlich des geltend gemachten Betrages anerkannt habe. Nach vorgerichtlicher Anerkennung sei das jetzige Bestreiten der in Rechnung gestellten Strommenge unzulässig. Das Landgericht habe zu Unrecht die Klage in Höhe von 25.319,39 € abgewiesen.
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Der Kläger erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 137.106,38 € zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 103.669,09 € seit dem 04.05.2010, aus 21.422,42 € seit dem 06.06.2010, aus 8.695,86 € seit dem 04.07.2010, aus 2.326,86 € seit dem 04.08.2010 sowie aus 922,15 € seit dem 05.09.2010 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
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Die Beklagte trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor,
auf der Grundlage der in der Vorinstanz vorgetragenen Tatsachen ergebe sich unstreitig der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 111.786,99 €. Unstreitig seien ferner der Vergütungsansatz von 9,44 Cent/kWh sowie die Einspeisemenge von 3.183.933,31 kWh in das Netz. Der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, dass im Zeitraum von Januar bis Juli 2010 eine Strommenge von 3.201.366,80 kWh eingespeist worden seien. Sie, die Beklagte, habe zu keinem Zeitpunkt eine größere Einspeisungsmenge anerkannt. Dies ergebe sich auch nicht aus dem als Anlage K 9 vorgelegten Schreiben vom 02.07.2010. Sie habe die von der Insolvenzschuldnerin für die Monate Januar und Februar 2010 in Rechnung gestellte Strommenge von 1.980.863,70 kWh in Höhe von 188.776,31 € beglichen (Anlagen B 3 und B 4). Demgemäß ergebe sich, wie das Landgericht zutreffend festgestellt habe, zu dem Gesamtbetrag von 300.563,30 € eine Differenz in Höhe von 111.786,99 €.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
II.
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Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
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1) Das Landgericht führt zutreffend aus, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften (EEG 2009 i.d.F. v. 25.10.2008, verkündet am 31.10.2008 - BGBl. I S. 2074, Anlage B 1) zur Anwendung kommt, soweit sich aus § 66 Abs. 1 EEG nicht etwas anderes ergibt. Der Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung der geltend gemachten Grundvergütung von 9,44 ct/kWh ergibt sich danach - wie das Landgericht unter Bezugnahme zur Übergangsregelung auf Alrock/Rostankowski/Vollprecht, EEG, 3. Aufl., § 66 Rn. 14/15 ausführt - aus §§ 16 Abs. 1,18 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009 i.V.m. § 8 Abs. 1 EEG 2004. Die Höhe der geltend gemachten Grundvergütung pro Kilowattstunde ist zwischen den Parteien nicht streitig.
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Soweit die Beklagte die in der Klageschrift genannten Strommengen bestritten und vorgetragen hat, es seien aus beiden Anlagen der Insolvenzschuldnerin in 2010 insgesamt nur 3.183.933,31 kWh in ihr Netz eingespeist worden, hat das Landgericht den die Insolvenzschuldnerin für die von ihr geltend gemachte Einspeisemenge zu Recht als beweisfällig angesehen, da es insoweit an einem Beweisantritt des Klägers gefehlt hat. Das Landgericht ist demzufolge nur von der von der Beklagten zugestanden Strommenge bei seiner Berechnung ausgegangen. Bei einer Grundvergütung von 9,44 ct/kWh hat es hieraus für 2010 unter Einschluss der Einspeisung in den Monaten Januar und Februar 2010 einen Vergütungsanspruch von 300.563,30 € netto ermittelt.
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Zutreffend führt das Landgericht aus, dass es sich bei den monatlichen Rechnungen der Insolvenzschuldnerin der Sache nach um Abschlagsrechnungen und den entsprechenden Zahlungen der Beklagten auf die Rechnungen für Januar und Februar 2010 um Abschlagszahlungen handelte. Die Grundvergütung nach § 8 Abs. 1 EEG 2004 bzw. § 27 Abs. 1 EEG 2009 ergibt sich nach der Höhe der tatsächlich in einem Jahr vom Netzbetreiber abgenommenen Kilowattstunden (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004, § 18 Abs. 2 EEG 2009), die indes erst am Ende des Jahres feststehen. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, stellt die in den Rechnungen genannte Mischpreisvergütung von 17,24 bzw. 11,40 ct pro kWh nur einen vorläufigen Wert dar, wie dies in den E-Mail-Schreiben der Beklagten vom 3.2. und 2.6.2009 und den ihnen beigefügten Berechnungen (Anlagen B 21/22) zum Ausdruck kommt. Die Rechnung der Insolvenzschuldnerin vom 31.12.2008 (RG.Nr. 2008014, Anlage B 23) nimmt ausdrücklich auf die von der Beklagten vorgenommenen Berechnungen Bezug. Es handelt sich um eine vorläufige Mischpreisberechnung (Anlage B 22), die auf einer 70-prozentigen Auslastung der Bioabfall und NaWaRo-Anlage beruht. Demzufolge sieht § 46 Nr. 3 EEG 2009 eine jährliche Endabrechnung vor. Eine solche hat die Insolvenzschuldnerin für die Jahre 2008 und 2009 erstellt (Anlagen B 23 und B 24).
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Die Abschlagszahlung ist auf die der Insolvenzschuldnerin zustehende endgültige Vergütung für dieselbe Abrechnungsperiode anzurechnen. Es handelt sich dabei nicht um eine Aufrechnung gemäß § 22 EEG 2009.
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Das Landgericht verweist allerdings mit Recht darauf, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren nur die Zahlung der (endgültigen) Grundvergütung begehrt, während Gegenstand der Rechnungen für Januar und Februar 2010 (Anlagen B 3 und B 4), auf die sich die von der Beklagten geleisteten Abschlagszahlungen beziehen, eine Mischpreisvergütung war. Den E-Mail-Schreiben der Beklagten vom 3.2. und 2.6.2009 und deren Anlagen (Anlagen B 21 und B 22) lässt sich entnehmen, dass sich die Mischpreisvergütung aus der Grundvergütung (Mischpreis 1), dem NawaRo-Bonus (Mischpreis 2) und dem KWK-Bonus (abzgl. einem Trafoverlust) zusammensetzt. Die Rechnungen enthalten darüber hinaus noch einen gesondert ausgewiesenen Technologiebonus. Eine Anrechnung auf die Klageforderung konnte daher nur insoweit erfolgen, als die Abschlagszahlungen sich in Höhe von 9,53 ct/kWh gemäß dem kalkulierten Grundpreis (Mischpreis 1) auf die geforderte Grundvergütung bezogen. Hinsichtlich der weiteren von der Beklagten begehrten Verrechnungsbegehren hinsichtlich der entsprechend den erstellten Rechnungen gezahlten Mischpreisvergütung, die in die Kalkulation der Gesamtmischpreisvergütung eingeflossen sind und für Januar und Februar 2010 bezahlte, aber angeblich nicht berechtigte NawaRO- und KWK-Boni betrafen, handelt es sich um eine echte Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch, die aber gemäß § 22 EEG 2009 nicht zulässig ist, weil die entsprechende Forderung weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt ist.
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Mit Recht führt das Landgericht aus, dass Gegenstand der Rechnungen für Januar und Februar 2010 eine in dieser Zeit eingespeiste Strommenge von insgesamt 1.980.863,70 kWh war. Die von der Beklagten hierfür - als in der berechneten Mischpreisvergütung anteilig enthaltene - und bezahlte Grundvergütung betrug gemäß der vorläufigen Mischpreiskalkulation 9,53 ct/kWh, insgesamt somit 188.776,31 €. Diese Zahlung war auf die der Insolvenzschuldnerin für 2010 insgesamt zustehende Grundvergütung von 300.563,30 € anzurechnen, so dass eine Grundvergütung in Höhe der Differenz von 111.786,99 € offen stand.
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Die Beklagte will auch die weitergehenden Zahlungen auf die Rechnungen für Januar und Februar 2010 auf die für 2010 insgesamt geschuldete Grundvergütung verrechnet wissen. Dabei handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend ausführt, ebenso wie hinsichtlich des NawaRo-Bonus für 2009 um eine Aufrechnung mit dem insoweit behaupteten Rückzahlungsanspruch. Diese Aufrechnung ist nach § 22 EEG nicht zulässig, da die entsprechende Forderung weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt ist. Auch wenn der Kläger vorerst nur die Grundvergütung geltend macht, hat er jedoch ausdrücklich bestritten, dass die in der Vergangenheit berechneten (und bezahlten) Boni nicht gerechtfertigt gewesen seien.
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Das Landgericht führt zu Recht aus, dass dem Aufrechnungsverbot nach § 22 EEG nicht entgegensteht, dass der Rückzahlungsanspruch jedenfalls hinsichtlich des NawaRo-Bonus entscheidungsreif sein könnte, wenn man der Auffassung der Beklagten folge, dass schon allein das unstreitige Bestehen einer Verbindungsleitung zwischen der NawaRo- und der Biomasseanlage, unabhängig von ihrer tatsächlichen Nutzung, „bonusschädlich" sei. Zwar könne es bei vertraglichen Aufrechnungsverboten treuwidrig sein, sich auf dieses Verbot im Prozess zu berufen, wenn die einander gegenüberstehenden Forderungen, obwohl bestritten, entscheidungsreif seien (BGH, Urteil vom 6.4.2011 - VIII ZR 31/09 - WM 2011, 1870 ff. = BB 2011, 1282 = NVwZ-RR 2011, 602, Juris Rn. 14 m.w.N.).
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Dies lässt sich jedoch, wie das Landgericht mit Recht ausführt, nicht auf das gesetzliche Aufrechnungsverbot nach § 22 EEG übertragen (so ausdrücklich BGH zu der entsprechenden Regelung in § 12 Abs. 4 EEG 2004, a.a.O., Rn. 18, 22-25, 38 f.). Es ist nach der Gesetzesbegründung Ziel des Aufrechnungsverbots nach § 22 EEG 2009 bzw. §12 Abs. 4 EEG 2004 zu verhindern, dass die wirtschaftlich übermächtigen Netzbetreiber, die weiterhin ein natürliches Monopol besitzen, unbillig hohe Mess-, Abrechnungs-, Blindstrom- und Versorgungskosten von den Anlagenbetreibern durch Aufrechnung erlangen und das Prozessrisiko auf die Anlagenbetreiber abwälzen (BGH a.a.O., Rn. 12 betreffend § 12 Abs. 4 EEG 2004 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/2327, S. 35 f). Wenn aber der Zweck des Gesetzes gerade darin besteht zu verhindern, dass sich der Anlagenbetreiber wegen einer vom Netzbetreiber geltend gemachten Gegenforderung in eine Klägerrolle gedrängt sieht, um seine Einspeisevergütung realisieren zu können, ist es nicht treuwidrig, wenn der Kläger sich auf das zum Schutz der Insolvenzschuldnerin erlassene Aufrechnungsverbot beruft, nachdem die Beklagte ihn durch die Aufrechnung in die Lage gebracht hat, die Einspeisevergütung in einem Aktivprozess geltend machen zu müssen (BGH, a.a.O., Rn. 14).
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Mit Recht führt das Landgericht aus, dass eine einschränkende Auslegung des Aufrechnungsverbots angesichts der Insolvenz der Insolvenzschuldnerin auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 12.10.1983 - VII ZR 19/82 - WM 1983, 1359 f. = NJW 1984, 357 f. = ZIP 1983, 1473 ff. = MDR 1984, 482 f.) nicht in Betracht kommt.
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Seitens der Berufungserwiderung (GA 201 ff.) werden hinsichtlich des Aufrechnungsverbots nach § 22 EEG keine Angriffe geführt.
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2) Die Berufung des Klägers wendet sich dagegen, dass das Landgericht eine Einspeisemenge von nur 3.183.933,51 kWh als unstreitig (LU 6) angesehen habe. Im Rahmen des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 10.04.2012 sei unter Bezugnahme das als Anlage K 9 vorgelegte Schreiben der Beklagten vom 02.07.2010 (GA 84. 99) vorgetragen worden, dass diese die geltend gemachte Strommenge anerkannt habe. Die Beklagte habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Ansprüche für die Boni nicht bestünden. Das jetzige Bestreiten der Beklagten sei unzulässig. Das Landgericht habe auch keinen Hinweis erteilt, dass die Menge der Energieeinspeisung streitig sei. Es werde die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht gerügt.
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Der Angriff der Berufung verfängt nicht. Wendet eine Partei ein, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht eine Tatsache als unstreitig behandelt, ist sie im Hinblick auf die Tatbestandswirkung des Urteils an diese Feststellungen gebunden, wenn sie keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt hat (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschluss vom 08.01.2013 - 3 U 731/12; Beschluss vom 12.06.2012 - 2 U 561/11 - BauR 2012, 1838). Vorliegend hat der Kläger keinen Tatbestandsberichtigungsantrag hinsichtlich der Feststellungen der im Urteil enthaltenen Strom- bzw. Einspeisemengen gestellt, so dass für den Zeitraum von Januar 2010 bis Juli 2010 von einer Einspeisungsmenge von 3.183.933,31 kWh auszugehen ist. Entgegen der Auffassung der Berufung hat die Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt anerkannt, dass in diesem Zeitraum eine Strommenge von 3.201.306,80 KWh eingespeist worden sei. Dies lässt sich dem als Anlage K 9 zur Gerichtsakte überreichten Schreiben der Beklagten vom 02.07.2010 (GA 99) nicht entnehmen. Die Beklagte hat dort lediglich Stellung zu der vom Kläger erhobenen Grundvergütung in Höhe von 115.326,49 € erhoben. Der Insolvenzschuldnerin hat für den Zeitraum von Januar bis Juli 2010 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 300.563,30 € zugestanden, worauf die Beklagte einen Betrag in Höhe von 188.776,31 € gezahlt hat, so dass sich ein noch offener Differenzbetrag von 111.786,99 € ergibt.
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Die Berufung vermag ihren Angriff nicht erfolgreich auf eine Verletzung der Hinweispflicht stützen. Ungeachtet dessen, dass eine Verletzung der Hinweispflicht (§ 286 ZPO) nicht vorliegt, erläutert der Kläger nicht, welche Ausführungen er auf einen etwaigen Hinweis gemacht hätte.
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Die Berufung des Klägers hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.
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Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 25.319,39 € festzusetzen.
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Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.