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| Die Klägerin begehrt Zahlungen aus der Rückabwicklung einer Rentenversicherung. |
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| Im Jahr 1999 schloss die Klägerin bei der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag ab. Zum 31.01.2004 sollte planmäßig die Beitragszahlungspflicht enden. Als Rentenbeginn war der 01.02.2011 vereinbart. Im Jahr 2007 erklärte die Klägerin die Kündigung. Daraufhin rechnete die Beklagte das Vertragsverhältnis ab und überwies einen Gesamtbetrag von 32.429,99 EUR an die Klägerin. |
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| Mit Formularschreiben vom 28.05.2010 erklärte die Klägerin in Person „den Widerspruch, den Widerruf bzw. die Anfechtung des Versicherungsvertrages“. |
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| Mit Schreiben vom 15.10.2015 erklärte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin den „Widerspruch/Rücktritt/Widerruf“ und „hilfsweise die Kündigung“ des Versicherungsvertrages. |
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| Die Klägerin macht Ansprüche auf von der Beklagten aus den Prämienzahlungen gezogene und über den bereits ausgezahlten Betrag hinausgehende Nutzungen geltend. |
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| Sie hat erstinstanzlich beantragt, |
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| die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin |
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| 1) 11.036,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11.12.2015 und |
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| 2) weitere 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit |
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| Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. |
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| Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein weitergehender Anspruch zu. Ferner hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. |
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| Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. |
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| Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge unverändert weiterverfolgt. |
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| Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Feststellungen des Landgerichts sowie die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. |
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| Die Berufung ist insgesamt zulässig. Das gilt - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch hinsichtlich der mit dem Klagantrag zu 2. geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Insoweit fehlt es nicht bereits an einer eigener Berufungsbegründung. Die betroffene Nebenforderung ist von der Hauptforderung abhängig. Dementsprechend ist auch das Landgericht, das die Hauptforderung insgesamt verneint hat, in den Entscheidungsgründen nicht mehr gesondert auf die Nebenforderungen eingegangen. Der Berufungsangriff hinsichtlich der Hauptforderung reicht damit als zulässige Berufungsbegründung auch hinsichtlich der Nebenforderung aus. |
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| In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht etwaige Rückabwicklungsansprüche als verjährt angesehen. |
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| 1. Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass ursprünglich ein weitergehender bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 812 BGB in Betracht kam. Der Vertragsschluss erfolgte, da bei Antragstellung die erforderlichen Informationen nicht vollständig vorlagen, nicht im Antrags-, sondern im Policenmodell (§ 5a VVG a.F.; vgl. BGH RuS 2015, 539). Insoweit fehlt es an einer Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. |
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| 2. Dahinstehen kann die Aktivlegitimation der Klägerin, die etwaige Ansprüche ausweislich der „Widerrufserklärung und Abtretungsanzeige“ vom 28.05.2010 (Anl. B8) an die proConcept AG abgetreten hat und danach ausdrücklich nicht mehr zur Entgegennahme von Zahlungen berechtigt sein soll. |
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| 3. Denn jedenfalls ist ein etwaiger Zahlungsanspruch verjährt, § 214 Abs. 1 BGB. |
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| a) Bereicherungsrechtliche Ansprüche verjähren gemäß § 195 BGB in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs, die dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft (BGH VersR 2015, 700). Im Fall des Widerspruchs gemäß § 5a VVG a.F. entsteht ein etwaiger Rückabwicklungsanspruch erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts (BGH r+s 2015, 597; VersR 2015, 700; zum Rücktritt nach § 8 VVG a.F. auch BGH r+s 2015, 60; Senat, Urt. v. 29.09.2016 - 12 U 101/16, juris). |
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| b) Die Klägerin hat den Widerspruch bereits mit Schreiben vom 28.05.2010 erklärt. Ab Jahresende 2010 lief somit die Verjährungsfrist von drei Jahren. Verjährung trat zum 31.12.2013 ein, mithin vor Einreichung der Klage am 16.01.2016. |
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| c) Mit Ausübung des Widerspruchsrechts hatte die Klägerin Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. BGH r+s 2015, 597; VersR 2015, 700). Der Senat hat dies für den beim Widerspruch anwaltlich vertretenen Versicherungsnehmer bereits entschieden (Urt. v. 29.09.2016 - 12 U 101/16, juris). Nichts anderes gilt, wenn sich Versicherungsnehmer zwar keines Anwalts, aber eines sonstigen Dienstleisters bedient, der spezialisierte Beratungsleistungen zum Vorgehen bei Lebensversicherungsverträgen anbietet. So liegt es hier bei der von der Klägerin eingeschalteten Zessionarin, der proConcept AG, die in ihrem Briefpapier ausdrücklich die Eigenbezeichnung „LV-Doktor Team“ sowie den Slogan „Recht durchsetzen!“ verwendet und die mit Schreiben vom 09.06.2010 (Anl. B7) ausdrücklich die Rückzahlung sämtlicher Prämien samt Verzinsung eingefordert hat. |
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| d) Der Beginn der Verjährung scheitert nicht daran, dass der Klägerseite bis zur Vorlageentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.03.2012 (VersR 2012, 608) oder der anschließenden Revisionsentscheidung in dieser Sache vom 07.05.2014 (VersR 2014, 817) die Klageerhebung nicht zumutbar gewesen wäre. Zumutbar ist eine Klageerhebung, sobald sie erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist (BGHZ 203, 115 - juris Rn. 52). |
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| Im vorliegenden Fall kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beginn der Verjährungsfrist wegen einer unsicheren Rechtslage bis zu den zuvor angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes hinausgeschoben gewesen ist (vgl. Senat, Urt. v. 29.09.2016 - 12 U 101/16, juris). Der Senat teilt insoweit nicht die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (7 U 110/14 - Urt. v. 28.02.2015, nicht veröffentl.), das im Hinblick auf die Frage der europarechtlichen Unbedenklichkeit der Regelungen in § 5 Abs. 2 S. 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 VVG a.F. bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes hierzu von einer unsicheren Rechtslage ausgegangen ist, so dass erst mit Schluss des Jahres 2012 die Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe. |
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| Eine unsichere Rechtslage kann eine Partei von der Geltendmachung eines Anspruchs abhalten und zu einem Hinausschieben des Verjährungsbeginns führen. Bei einer solchen Fallkonstellation kann die Geltendmachung gegebenenfalls bis zur Klärung der Rechtslage als unzumutbar anzusehen sein (BGH, Urt. v. 23.09.2008 – XI ZR 263/07, juris Rn. 18; Urt. v. 28.10.2014 - XI 348/13, juris Rn. 46). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Klägerin hätte angesichts der ungeklärten Frage der Europarechtswidrigkeit der Regelungen in §§ 5a, 8 VVG a.F. mit der Ausübung ihres Widerspruchsrechts bis zur höchstrichterlichen Klärung zuwarten können. Denn der Rückabwicklungsanspruch aus § 812 BGB entsteht erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts. Die Klägerin selbst hat durch die Ausübung ihres Vertragslösungsrechts im Jahr 2010 den Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt. |
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| Durch die Erklärung des Widerspruchs und die Einforderung von Leistungen hat die Klägerseite die in § 199 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Zumutbarkeitsschwelle als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn selbst überschritten. Denn damit hat sie mit Blick auf § 256 ZPO die Möglichkeit aus der Hand gegeben, allein über den Zeitpunkt der klagweisen Geltendmachung ihrer Rechte zu entscheiden. Wer sich eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs berühmt, liefert der gegnerischen Partei ein hinreichendes Interesse für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Die Gefahr einer baldigen gerichtlichen Auseinandersetzung auch im Fall einer ungewissen Rechtslage hat die Klägerseite damit willentlich selbst geschaffen. Sie hat so zum Ausdruck gebracht, dass sie trotz damals unterschiedlicher Einschätzung der Rechtslage in Literatur und Rechtsprechung einen Rechtsstreit über die geltend gemachten Ansprüche nicht scheut (Senat, Urt. v. 29.09.2016 - 12 U 101/16, juris). |
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| Ohne Erfolg macht die Klägerin demgegenüber geltend, ein Zuwarten mit dem Widerspruch bis zur Klärung der Rechtslage sei in der damaligen Situation unzumutbar gewesen. Zum einen verweist sie auf das Risiko, dass ein nach erfolgter Kündigung ausgesprochener Widerspruch möglicherweise als unzulässig hätte angesehen werden können (was sich erst durch die Rechtsprechung des BGH im Jahr 2014 geklärt habe, vgl. BGHZ 201, 101). Das führt nicht weiter. Denn dieses Risiko bestand, nachdem bereits 2007 gekündigt worden war, ebenso für den von der Klägerin 2010 tatsächlich erklärten Widerspruch. Auch kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, der Widerspruch im Jahr 2010 sei angesichts des aus damaliger Sicht bestehenden Verwirkungsrisikos erforderlich gewesen, um die Entstehung eines schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten der Beklagten zu verhindern. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, dass der Widerspruch zwar einerseits geeignet (und zunächst zu dem einzigen Zweck erhoben worden) sein soll, die drohende Verwirkung abzuwenden, gleichzeitig aber nicht ausreiche, um die Verjährungsfrist hinsichtlich der aus dem Widerspruch abgeleiteten Zahlungsansprüche in Lauf zu setzen. Das ist mit dem sowohl der Verwirkung wie der Verjährung einheitlich zugrunde liegenden Zweck des Vertrauensschutzes und des Rechtsfriedens (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, BGB 2014, Vorbemerkungen zu §§ 194-225 Rn. 5 ff., 18, 20) nicht vereinbar. Wenn sich der Versicherungsnehmer seiner Rechte hinreichend sicher ist, um einen Widerspruch zu erklären, dann kann der Versicherer grundsätzlich auch darauf vertrauen, dass die daraus folgenden Rückabwicklungsansprüche innerhalb der nun laufenden Verjährungsfrist geltend gemacht werden. |
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| Die Revision ist zuzulassen, weil der Senat im Hinblick auf den Verjährungsbeginn von der Rechtsauffassung des OLG Stuttgart im Urteil vom 28.02.2015 - 7 U 110/14 - abweicht (ebenso bereits Senat, Urt. v. 29.09.2016 - 12 U 101/16, juris). |
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