Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 25. Feb. 2016 - 1 AK 4/16

published on 25/02/2016 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 25. Feb. 2016 - 1 AK 4/16
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Tenor

Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls wird abgelehnt.

Gründe

 
Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 18.01.2016 auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls war zurückzuweisen.
1. Allerdings liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen zum Erlass eines Haftbefehls gegen den sich in anderer Sache in Strafhaft befindlichen Verfolgten vor. Insoweit besteht ein Europäischer Haftbefehl der Bezirksstaatsanwaltschaft in U. vom 17.12.2015, aus welchem sich ergibt, dass gegen den Verfolgten ein rechtskräftiges Urteil des Bezirksgerichts U. vom 19.10.2015 vorliegt, durch welches der Verfolgte zu einer noch vollständig zur Vollstreckung anstehenden Freiheitsstrafe von sechs Monaten aufgrund folgenden tatsächlichen und rechtlichen Vorwurfs verurteilt wurde, welcher sich nach deutschem Recht zumindest als Vergehen des Diebstahls bzw. versuchten Diebstahls und damit als auslieferungsfähige Straftat darstellt (§§ 242, 22 StGB; §§ 3, 81 Nr. 2 IRG):
- Anmaßung fremder Sachen durch I: 508 g Filet „Elena“ im Wert von BGN 12, 70, 2 St. Kalbfleischudzhuk „Mater Tsvetko“ im Gesamtwert von BGN 8,30,1 St. Deodorant Nivea im Wert von BGN 4,90 und Parfüm Straight im Wert von BGN 17, 25, alles im Gesamtwert von BGH 43, 15 vom Besitz von P. aus U., Eigentum der ZBA U. OOD mit Geschäftsführer K. aus U. ohne jegliches Einverständnis und zwecks rechtswidriger Zueignung in den Bedingungen eines schweren Rückfalls und fortgesetzter Tat am 17.01.2015 in U. und
- Anmaßung fremder Sachen: 3 St. Lukanka „Karlovska 300 g der Boni Oborot“ im Gesamtwert von BGN 10,35 vom Besitz von G. aus derselben Stadt, Eigentum der ZBA U. OOD mit Geschäftsführer K. aus U. ohne jegliches Einverständnis und zwecks rechtswidriger Zueignung am 09.05.2015 in U. - diese Tat wurde aus den vom Täter unabhängigen Gründen nicht vollendet. Der Gesamtwert des angemaßten Vermögens beläuft sich auf BGN 53,50. Hinsichtlich des Betrags von BGN 10,35, blieb die Tat in der Versuchsphase.
Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en) und anwendbare Bestimmung des Strafgesetzbuchs:
Vorsätzliches Delikt in den Bedingungen eines schweren Rückfalls und fortgesetzter Tat nach Abschnitt I., Kapitel 5. Sonderteil des Strafgesetzbuchs. Anzuwenden ist der Tatbestand des Art. 196, Abs. 1, Z 1 i.V. Art. 26, Abs. 1 Strafgesetzbuch. Die Tat ist mit Freiheitsstrafe von 2 zwei) bis 1o (zehn) Jahren strafbar
Andere anwendbare gesetzliche Bestimmungen sind Art. 26, 29 u. 82 Strafgesetzbuch.
2. Der Erlass eines Auslieferungshaftbefehls war jedoch abzulehnen, weil der Erlass eines solchen unter Beachtung der nicht beträchtlichen Höhe der zur Vollstreckung anstehenden Strafe einerseits sowie des Umstands, dass sich der Verfolgte voraussichtlich bis Mai 2017 in deutscher Strafhaft befinden wird, andererseits gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde und derzeit auch nicht verlässlich beurteilt werden kann, ob die Auslieferung des Verfolgten sich als zulässig erweisen wird (§§ 73 Satz 2, 15 Abs. 2 IRG, Art. 3 EMRK, Art. 6 EU-Vertrag). Es steht nämlich zu befürchten, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung nach Bulgarien in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werden könnte, die europäischen Mindeststandards nicht genügt bzw. in der er einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre. Insoweit gründet sich diese Befürchtung maßgeblich auf den Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26.03.2015, wonach sich die Haftbedingungen in Bulgarien seit Jahren bei wiederholter Prüfung durch das CPT als bedenklich erwiesen haben (vgl. hierzu OLG Celle StraFo 2015, 75; KG Beschluss vom 15.04.2015, (4) 151 Ausl A 33/15 (36/15), abgedr. bei juris; dass. Beschluss vom 27.03.2015, (4) 151 Ausl A 61/15 (71/15), abgedr. bei juris; OLG München, Beschluss vom vom 27.10.2015, 1 AR 392/15, abgedr. bei juris; OLG Dresden, Beschluss vom 11.08.2015, OLG Ausl 78/15, abgedr. bei juris; diff. OLG Braunschweig NStZ-RR 2015, 20, abgedr. bei juris; vgl. auch Senat, Beschluss vom 07.10.2015 -1 AK 69/15-6 Ausl A 144/15).
3. Das insoweit aktuell bestehende Auslieferungshindernis kann dadurch ausgeräumt werden, dass die bulgarischen Justizbehörden eine einzelfallbezogene und völkerrechtlich verbindliche Zusicherung abgeben, die folgende Punkte umfasst:
10 
a) Namentliche Benennung der Haftanstalt, in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzuges inhaftiert sein wird;
11 
b) Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den Europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafhaft oder Behandlung i.S. v. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;
12 
c) Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume, sanitäre Einrichtungen und Verpflegungsbedingungen.
13 
Darüber hinaus bedarf es einer nach Vorlage der genannten Zusicherung einzuholenden Erklärung des Auswärtigen Amtes bzw. einer von dieser beauftragten Stelle, dass auch nach den dort vorliegenden Erkenntnissen die von den bulgarischen Justizbehörden benannte Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entspricht.
14 
4. Zu der nach Sachlage vor Einbringung eines möglichen Antrags auf Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorzunehmenden Einholung und Beibringung der entsprechenden Zusicherung bzw. Erklärung ist die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe berufen (§ 13 Abs. 2 IRG).
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leis
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leis
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 16/08/2018 00:00

Tenor Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts München vom 19. Januar 2018 - 1 AR 543/17 - und vom 9. Februar 2018 - 1 AR 543/17 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Ab
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Die Auslieferung ist nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre.

(2) Die Auslieferung zur Verfolgung ist nur zulässig, wenn die Tat nach deutschem Recht im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist oder wenn sie bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts nach deutschem Recht mit einer solchen Strafe bedroht wäre.

(3) Die Auslieferung zur Vollstreckung ist nur zulässig, wenn wegen der Tat die Auslieferung zur Verfolgung zulässig wäre und wenn eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist. Sie ist ferner nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß die noch zu vollstreckende freiheitsentziehende Sanktion oder die Summe der noch zu vollstreckenden freiheitsentziehenden Sanktionen mindestens vier Monate beträgt.

§ 3 findet mit den Maßgaben Anwendung, dass

1.
die Auslieferung zur Verfolgung nur zulässig ist, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Sanktion im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist,
2.
die Auslieferung zur Vollstreckung nur zulässig ist, wenn nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken ist, deren Maß mindestens vier Monate beträgt,
3.
die Auslieferung in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten auch zulässig ist, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates,
4.
die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen ist, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer freiheitsentziehenden Sanktion im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist und den in Artikel 2 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. 7. 2002, S. 1), der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI (ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24) geändert worden ist, (Rahmenbeschluss Europäischer Haftbefehl) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig ist.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.

(1) Die gerichtlichen Entscheidungen erläßt vorbehaltlich der §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 das Oberlandesgericht. Die Entscheidungen des Oberlandesgerichts sind unanfechtbar.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht bereitet die Entscheidung über die Auslieferung vor und führt die bewilligte Auslieferung durch.