Oberlandesgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2014 - 15 U 126/13
Gericht
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24.07.2013, Az.: 28 O 61/13, wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtstreits der zweiten Instanz tragen die Beklagten.
3.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten über eine Bildberichterstattung der Beklagten. Die Beklagte zu 1) betreibt ein Verlagsunternehmen und gibt u.a. die Zeitung „C“ heraus. Die Beklagte zu 2) betreibt die Onlineausgabe der C-Zeitung, das Online-Portal „C.de“. Der Kläger ist ein bekannter Journalist und Unternehmer. Bis März 2010 moderierte er u.a. die von ihm produzierte Sendung „ Das Wetter im Ersten“. Ab Frühjahr 2010 wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt. Vom 20.03.2010 bis zum 29.07.2010 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim begann am 06.09.2010. Am 31.05.2011 wurde der Kläger rechtskräftig freigesprochen. Das gegen den Kläger gerichtete Strafverfahren fand in der Öffentlichkeit große Beachtung und war Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in einer Vielzahl von Medien.
4Am 27.3.2011 veröffentlichte die Beklagte zu 1) in der Zeitung „C2“ auf Seite 8 unter der Überschrift „Der Ring der Gerüchte“ ein Foto des Klägers, welches ihn im Innenhof der Kanzlei T und Kollegen in I zeigt. Das Bild wird durch eine Bildinnenschrift ergänzt: „ L wird seit dem 6. September 2010 vor dem Landgericht Mannheim der Prozess gemacht. Ihm wird Vergewaltigung vorgeworfen, er bestreitet die Tat.“ Hinsichtlich der Einzelheiten des Bildes wird auf die Anlage K1 Bl. 12 der Akte, hinsichtlich des begleitenden Artikels wird auf die Anlage K4 Bl. 17 verwiesen. In dem Artikel wird über den vom Kläger getragenen Ring, die Frage des Strafkammervorsitzenden danach sowie die (mangelnde) Reaktion des Klägers berichtet und sodann darüber spekuliert, ob, wann und wen der Kläger geheiratet habe.
5Am 26.3.2011 veröffentlichte die Beklagte zu 2) auf der Internetseite www.C.de einen Ausschnitt des gleichen Fotos anlässlich eines Artikels mit der Überschrift „L lacht, seine Ex weint“. Unter dem Bild befindet sich der Text: „Der L-Prozess L gestern gut gelaunt auf dem Weg ins Landgericht; eine Anwaltsgehilfin trägt den Koffer“. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Veröffentlichung wird auf die Anlage K5 Bl. 18 ff der Akte verwiesen. Der Artikel berichtet über den 34. Prozesstag im Strafverfahren und referiert die 4. Vernehmung der Nebenklägerin (auch) durch den Verteidiger T2.
6Der Parkplatz, auf dem sich der Kläger bei Entstehung des Fotos aufhielt, befindet sich in einem Innenhof, der nur durch eine Toreinfahrt einsehbar und im Übrigen von mehrstöckigen Wohnhäusern umgeben ist. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten wird auf das Luftbild Bl. 22 GA und die Fotos Bl. 143 ff. GA Bezug genommen.
7Der Kläger mahnte die Beklagten wegen dieser Fotos mit anwaltlichen Schreiben vom 29.3.2011 ab. Die Beklagten lehnten am 30.3.2011 die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab. Die Veröffentlichung des Fotos wurde der Beklagten zu 1) auf Antrag des Klägers durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 05.04.2011 im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt (Az. 28 O 256/11), eine vom Kläger beantragte, auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung des Fotos gerichtete einstweilige Verfügung gegen die Beklagte zu 2) erging durch das Landgericht Köln am 6.4.2011 (28 O 254/11).
8Mit dem vorliegenden Hauptsacheverfahren verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter und macht die Freistellung von vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend. Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, durch die Bildveröffentlichung in seinem Recht am eigenen Bild verletzt worden zu sein. Das Foto zeige ihn auf dem Parkplatz seiner Strafverteidigerin und daher in einer erkennbar privaten Situation. Es handele sich auch nicht um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Der Innenhof sei gegen Einblicke weitgehend geschützt, so dass er sich vor Nachstellungen durch die Presse habe sicher fühlen dürfen. Die Umstände der Anfertigung des Fotos seien geeignet, das Mandatsverhältnis zwischen ihm und seiner Strafverteidigerin zu stören, wenn er auch in diesem Rückzugsbereich damit rechnen müsse, fotografiert zu werden.
9Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
101. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, das als Anlage K1 wiedergegebene Foto des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten, wenn dies geschieht wie auf Seite 8 der Zeitung „C2“ vom 27.3.2011 unter der Überschrift „Der Ring der Gerüchte“.
112. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 26,23 € freizustellen.
123. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, das als Anlage K 2 wiedergegebene Foto des Klägers ohne dessen Zustimmung zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten, wenn dies geschieht wie auf www.C.de im Artikel vom 26.3.2011 unter der Überschrift „L lacht, seine Ex weint“.
134. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 26,23 € freizustellen.
14Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
15Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, der Kläger müsse schon wegen der Leitbildfunktion prominenter Personen die identifizierende Berichterstattung grundsätzlich dulden. Gewichtige Gründe, die ein Verbot dennoch rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Insbesondere liege kein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre des Klägers vor. Die Fotografie sei von der gegenüberliegenden Straßenseite aufgenommen worden, als sich der Kläger neben einem Fahrzeug in der Hofeinfahrt befunden habe, wo er für jeden Passanten auf der Straße sichtbar gewesen sei. Der Kläger sei im Begriff gewesen, das Gelände zu verlassen, um zum Landgericht Mannheim zu fahren. Insoweit werde der Kläger allenfalls in seiner Sozialsphäre betroffen. In dieser aber müsse er die Bildveröffentlichungen dulden. Das Bildnis selbst sei kontextneutral und bebildere ein zeitgeschichtliches Ereignis, indem es den Kläger in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren zeige. Dass das Bild das zeitgeschichtliche Ereignis selbst abbilde, sei nicht erforderlich.
16Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass das Bild selbst kein Ereignis der Zeitgeschichte abbilde. Dass der Kläger sich vor einer Strafverhandlung zu seiner Verteidigerin begebe, sei kein Ereignis der Zeitgeschichte, sondern eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der zu berücksichtigenden begleitenden Wortberichterstattung über die Ereignisse des Strafverfahrens gegen den Kläger. Das Bild stehe damit nicht in Zusammenhang. Es ergänze weder die Wortberichterstattung noch erweitere es deren Aussagegehalt und unterstreiche auch nicht die Authentizität des Geschilderten. Soweit ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen auch darin liegen könne, durch Beigabe von Bildnissen der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken, so würden jedenfalls die berechtigten Interessen des Klägers überwiegen. Die Voraussetzungen für die Verwendung von kontextneutralen Bildern lägen nicht vor. Der Kläger sei in seiner Privatsphäre betroffen. Auch wenn der Strafprozess öffentlich sei, sei die Vorbereitung des Klägers auf diesen gleichwohl seinem privaten Bereich zuzuordnen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vortrages sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
18Mit der Berufung wenden sich die Beklagten gegen ihre Verurteilung. Sie vertreten die Ansicht, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die im Rahmen des § 23 KUG vorzunehmende Abwägung rechtsfehlerhaft durchgeführt. Zunächst habe es die Wortberichterstattung und deren Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung verkannt, da es den Kläger auch fehlerhaft nicht als „prominente Person“ einordne. Ein Bezug der Bebilderung zu der Wortberichterstattung ergebe sich schon aus dem Umstand, dass der Kläger als Angeklagter des Strafverfahrens, über das berichtet werde, gezeigt werde und die Artikel, die durch die beanstandeten Bilder illustriert wurden, ausdrücklich auch die persönliche Anwesenheit des Klägers im Verfahren zum Gegenstand gehabt hätten. Ferner habe das Landgericht im Rahmen der Abwägung den Schutzbereich der Privatsphäre verkannt und eine Verletzung der solchen zu Unrecht angenommen. Die Privatsphäre sei im außerhäuslichen Bereich thematisch nur geschützt, wenn der Betroffene auch tatsächlich in einer konkreten Situation der Entspannung abgelichtet werde. Dies sei hier nicht der Fall. Es handele sich auch räumlich nicht um einen Rückzugsbereich, sondern um einen öffentlichen Verkehrsraum. Das Foto sei, wenn schon nicht als kontextbezogen, so doch als kontextgerecht einzuordnen und daher zulässig.
19Die Beklagten beantragen,
20unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 24.Juli 2013 zur Geschäftsnummer 28 O 61/13 die Klage abzuweisen.
21Der das angefochtene Urteil verteidigende Kläger beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23II.
24Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
251.
26Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch des Klägers betreffend die beanstandeten Fotos als begründet angesehen. Dieser ergibt sich entsprechend §
271004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs.1 BGB bzw. i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 22, 23 KUG.
28a)
29Das verwendete Foto des Klägers stellt ein Bildnis i.S.d. § 22 KUG dar. Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. BGH, NJW 2009, 3032 ff.) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu beurteilen (EGMR, NJW 2004, 2647 ff.).
30Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden, § 22 S. 1 KUG. Ohne eine solche Einwilligung, die hier unstreitig nicht gegeben ist, dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) veröffentlicht werden, es sei denn, durch die Bildveröffentlichung werden berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus den Artikeln 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. BGH, NJW 2009, 1499 ff.; BVerfG, NJW 2008, 173 ff. – „Caroline von Monaco“). Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Bildberichterstattung ist dabei nach stetiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteile des Senates vom 20.03.2012, Az. 15 U 184/11, und 03.07.2012, Az. 15 U 205/11) Folgendes zu berücksichtigen:
31Es ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (vgl. BGH, NJW 2009, 757 ff.; VersR 2010, 673 ff.). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH, NJW 2009, 757 ff.; NJW 2010, 2432 ff.; VersR 2010, 1090 ff.).
32Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH, NJW 2009, 1499 ff.; BVerfGE 101, 361 ff. – „Caroline von Monaco II“; BVerfG, VersR 2007, 849 ff.; BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. -– „Caroline von Monaco IV“).
33Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei in dem Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (BGH, NJW 2009, 757 ff.; NJW 2010, 2432 ff.; BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. –„Caroline von Monaco IV“.).
34Zu berücksichtigen ist ferner, ob bei der Presseberichterstattung die Abbildung eines anlässlich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gefertigten Fotos nur zum Anlass für Ausführungen über eine Person genommen wird oder die Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt. In solchen Fällen ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“).
35b)
36Unter Berücksichtigung der im Rahmen dieser Abwägung maßgeblichen Umstände ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die schutzwürdigen Interessen des Klägers gegenüber den Interessen der Beklagten an einer solcherart bebilderten Berichterstattung überwiegen.
37Dabei ist zu beachten, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zwar das Recht der Presse umfasst, nach ihren publizistischen Kriterien zu entscheiden, was öffentliches Interesse beansprucht. Indessen erfasst dieses Selbstbestimmungsrecht der Presse nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist. Dies ist vielmehr in erster Linie Aufgabe der Zivilgerichte, die bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die Zuordnung unterschiedlicher rechtlich geschützter Interessen die Grundrechte des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beachten haben, wobei die Gerichte im Rahmen dieser Abwägungsentscheidungen über einen Einschätzungsspielraum verfügen (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“).
38aa) Zu Recht hat es das Landgericht bei seiner Entscheidung offen gelassen, ob der Kläger eine Stellung als „prominente Person“ oder „Person des öffentlichen Lebens“ innehat. Denn die Bildberichterstattung ist nicht schon deshalb zulässig, wenn es sich bei dem Kläger um eine prominente Person handelt. Auch bei der Berichterstattung über Prominente ist eine Abwägung der kollidierenden Rechtspositionen erforderlich, wenn auch der Schutzbereich der Pressefreiheit auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben der Prominenten umfasst. Auch hier ist der Gegenstand der Berichterstattung von maßgeblicher Bedeutung, so etwa die Frage, ob private Angelegenheiten ausgebreitet werden, die lediglich die Neugier befriedigen. Ferner sind auch dann bei der Bildberichterstattung der Anlass sowie die Umstände von Bedeutung, unter denen die Aufnahme entstanden ist (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. –„Caroline von Monaco IV“; BGH, NJW 2007, 1977 ff.).
39bb) Das Ergebnis der landgerichtlichen Abwägung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Es wird insoweit auch auf die parallel gelagerten, bereits vom Senat entschiedenen Fälle verwiesen, in denen vergleichbare Fotos des Klägers streitgegenständlich waren (Urteil vom 20. März 2012,15 U 184/11; Urteil vom 10. Dezember 2013,15 U 73/13; Urteil vom 19. Dezember 2013,15 U 64/13).
40Das Landgericht hat zunächst richtig dem Foto einen eigenständigen Informationswert abgesprochen, da es lediglich den Kläger selbst abbildet, ohne dass erkennbar ist, wo er sich befindet. Insoweit ist z.B. kein Kanzleischild zu sehen, auch die in der Veröffentlichung der Beklagten zu 2) sichtbare Anwaltsgehilfin ist ohne den begleitenden Text nicht als solche zu erkennen. Allerdings ist es ausreichend, dass das Foto seinen Informationswert aus der dazugehörigen Wortberichterstattung bezieht (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff.- „Caroline von Monaco IV“). In beiden streitgegenständlichen Wortberichterstattungen werden die damals aktuellen Vorgänge im Rahmen des Strafverfahrens des Klägers thematisiert, wobei in dem Artikel der Beklagten zu 1) die vermutete Hochzeit des Klägers Schwerpunkt war, wohingegen in dem Artikel der Beklagten zu 2) die erneute Vernehmung der Nebenklägerin thematisiert wurde. Beide Berichte befassen sich mit dem Strafverfahren gegen den Kläger, welches in der Öffentlichkeit seinerzeit auf großes Interesse stieß. Der Grund für dieses große Interesse der Öffentlichkeit war zum einen die Bekanntheit des Klägers, zum anderen auch der Inhalt des gegen den Kläger gerichteten Vorwurfs der Vergewaltigung, da an der Klärung solcher Vorwürfe ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Während der Artikel der Beklagten zu 2) ausschließlich die vierte Vernehmung der Nebenklägerin wiedergibt und damit zweifelsohne für die öffentliche Meinungsbildung zum Verlauf des Strafverfahrens relevant ist, befasst sich der Wortbeitrag der Beklagten zu 1) mehr mit Spekulationen über das Privatleben des Klägers. Auch hier ist jedoch zunächst auf Vorgänge im Gerichtssaal Bezug genommen, da auch durch die Strafkammer nach einer möglichen Erklärung für den vom Kläger getragenen Ring gefragt wurde. Auch die darauf folgende Erwägung der Beklagten zu 1), der Kläger könne möglicherweise eine Zeugin geheiratet haben, haben konkreten Bezug zu dem Strafverfahren und waren geeignet, insoweit der öffentlichen Meinungsbildung zu dienen.
41Dem Foto – in seinem jeweils verwendeten Ausschnitt – kann auch der erforderliche Bezug zu den Wortberichterstattungen nicht abgesprochen werden. Denn der Kläger wird hier als Angeklagter in einem im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Strafverfahren abgebildet, welches Gegenstand der Wortberichterstattung ist (vgl. BGH, NJW 2012, 763 ff.- Die INKA Story“). Das Foto hat hier jeweils auch die zulässige Funktion, die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken, der wiederum Informationen über eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte enthält (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“; BGH, NJW 2009, 1503 ff). Ein über das Wecken von Interesse hinausgehendes Informationsinteresse des Fotos selbst besteht hingegen nicht, da in den streitgegenständlichen Berichten kein inhaltlicher Bezug auf die durch das Foto abgebildete Situation genommen wird bzw. im Bericht der Beklagten zu 2) der Ansatz in der Bildunterschrift „Eine Anwaltsgehilfin trägt den Koffer“ nicht weiter vertieft wird, um z.B. eine Diskussion über die bevorzugte Behandlung prominenter Mandanten o.Ä. zu führen.
42Trotz der insgesamt erheblichen Bedeutung der Berichterstattung für die öffentliche Meinungsbildung überwiegt allerdings das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Informationsinteresse an einer solcherart bebilderten Mitteilung der Inhalte des Strafverfahrens. Zwar tritt das Schutzinteresse des Betroffenen hinter die Informationsbelange zurück, je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist (vgl. BVerfG NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“). Indessen hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass einerseits die Bebilderung vorliegend weder den Aussagegehalt der Wortberichterstattung erweitere noch die Authentizität des Geschilderten unterstreiche, anderseits aber bei der im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmenden Abwägung auf Seiten des Klägers zu berücksichtigen ist, dass die Fotos den Kläger in erheblicher Weise in seiner Privatsphäre verletzen. Gegen Letzteres wendet sich die Berufung der Beklagten vergeblich, denn entgegen der Ansicht der Beklagten greifen die Fotos in den Schutzbereich der Privatsphäre des Klägers ein.
43Der Schutz der Privatsphäre hat verschiedene Dimensionen. In thematischer Hinsicht betrifft er insbesondere solche Angelegenheiten, die von dem Grundrechtsträger einer öffentlichen Erörterung oder Zurschaustellung entzogen zu werden pflegen. In räumlicher Hinsicht gehört zur Privatsphäre ein Rückzugsbereich des Einzelnen, der ihm insbesondere im häuslichen, aber auch im außerhäuslichen Bereich die Möglichkeit des Zu-Sich-Selbst-Kommens und der Entspannung sichert und der das Bedürfnis verwirklichen hilft, "in Ruhe gelassen zu werden". Dabei lassen sich die Grenzen der geschützten Privatsphäre nicht generell und abstrakt festlegen (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793 ff. – „Caroline von Monaco IV“; BGH, NJW 2012, 763 ff. – „Die INKA Story“). Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass das Strafverfahren öffentlich und der Kläger damit thematisch nur in seiner Sozialsphäre betroffen sei, überzeugt dies nicht. Zwar befasst sich die begleitende Wortberichterstattung tatsächlich überwiegend mit dem Inhalt des Strafverfahrens. Darauf kommt es indessen nicht an, denn nicht die thematische Dimension der Privatsphäre ist Anknüpfungspunkt für die Rechtsverletzung des Klägers, sondern deren räumliche Dimension. Für die Annahme einer Verletzung der Privatsphäre ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht erforderlich, dass beide Dimensionen kumulativ betroffen sind. So setzt der Schutz vor Abbildungen in der räumlich geschützten Privatsphäre nicht erst dann ein, wenn der Betroffene dort ein Verhalten an den Tag legt, das er unter den Augen der Öffentlichkeit vermeiden würde. Die örtliche Abgeschiedenheit vermag ihre Schutzfunktion für die Persönlichkeitsentfaltung vielmehr nur dann zu erfüllen, wenn sie dem Einzelnen ohne Rücksicht auf sein jeweiliges Verhalten einen Raum der Entspannung sichert, in dem er nicht mit der Anwesenheit von Fotografen oder Kameraleuten rechnen muss (BVerfGE 101, 361 ff. – „Caroline von Monaco II“).
44Vorliegend hatte sich der Kläger auf einem im Innenhof befindlichen Parkplatz der Kanzleiräume seiner Strafverteidigerin aufgehalten, um sodann mit dieser gemeinsam das Landgericht aufzusuchen. Der Umgang mit dem eigenen Strafverteidiger ist im Falle eines laufenden Strafverfahrens jedoch thematisch der Privatsphäre zuzuordnen, da die Erörterung des Strafverfahrens der Öffentlichkeit entzogen werden soll. Muss für die Interaktion mit der Strafverteidigerin deren Kanzlei aufgesucht werden, so wird die Kanzlei und auch deren unmittelbares Umfeld von der räumlichen Dimension der Privatsphäre erfasst.
45Es kann nicht generell und abstrakt festgelegt werden, wo die räumlichen Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen. Vielmehr muss anhand der jeweiligen Beschaffenheit des Ortes bestimmt werden, ob der Einzelne sich in einer Situation befindet, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein. Im Kern geht es um einen Raum, in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Dafür ist ausreichend, dass es sich um eine Örtlichkeit handelt, die jedenfalls von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden und geeignet ist, sich in einer von öffentlicher Beobachtung freien Weise zu bewegen (BVerfGE 101, 361 ff.- „Caroline von Monaco II “).
46Bei dem hier in Rede stehenden Parkplatz im Innenhof der Kanzlei der Strafverteidigerin des Klägers handelt es sich um einen Privatparkplatz, der unstreitig überwiegend von Gebäuden umschlossen ist und nur durch eine etwas mehr als fahrzeugbreite Tordurchfahrt unter einem Haus hindurch zu erreichen ist. Es handelte sich klar erkennbar nicht um einen öffentlichen, von einer Vielzahl von Menschen frequentierten und einzusehenden Parkplatz. Die Tatsache, dass der Ort von einer eingeschränkten Personenanzahl einsehbar ist, schließt die Annahme einer Abgeschiedenheit nicht aus (BVerfGE 101, 361 ff.- „Caroline von Monaco II). Auch die Tatsache, dass der Kläger in einer alltäglichen Situation beim Aus-bzw. Einladen von Gegenständen aus einem Autokofferraum abgebildet ist – eine Handlung, die der Kläger in anderem Zusammenhang sicherlich auch öffentlich tätigt - und die Bebilderung als solche den Kläger nicht in negativem Licht erscheinen lässt, ändert nichts daran, dass im hier gegebenen konkreten Fall der Kläger, der sich auf die Fahrt zum Hauptverhandlungsort mit seiner Verteidigerin vorbereitete, sich noch in einer Phase des Rückzugs vor öffentlicher Wahrnehmung befand. Der Kläger war im Verlauf des Strafverfahrens Gegenstand zahlreicher Wort- und Bildberichterstattungen, die er – wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist – zu vermeiden suchte. Wenn auch die Ankunft am Ort der Hauptverhandlung in Mannheim bereits dem Strafverfahren selbst und damit dem der öffentlichen Berichterstattung zugänglichen Geschehen zuzuordnen sein dürfte, so zählt das Zusammentreffen mit der Verteidigerin in deren Kanzlei bzw. die Vorbereitung dazu noch zu dem der Privatsphäre zuzurechnenden Vorbereitungsstadium, in welchem die Privatsphäre des Klägers zu schützen ist.
47Die vorbezeichneten kollidierenden Interessenlagen in der Gesamtschau gegen-
48einander abwägend, hat nach alledem das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten hinter dem Bildnisschutz des Klägers zurückzutreten.
492.
50Der Kläger hat weiterhin Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 26,32 € gegen beide Beklagte gem. § 823 BGB und nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die vom Kläger vorgenommene Berechnung begegnet keiner Beanstandung.
51III.
52Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
53Der Senat sah keinen Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO). Weder kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Im Übrigen handelt es sich um eine durch die Besonderheit der Verhältnisse gekennzeichnete Einzelfallentscheidung.
54Streitwert: 50.000,00 Euro. (entsprechend den Wertfestsetzungen in den Verfahren 15 U 73/13 und 15 U 64/13)
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Annotations
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.