Oberlandesgericht Köln Beschluss, 12. Jan. 2016 - 1 RVs 243/15
Gericht
Tenor
Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels wird das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen 1 (Tat vom 20. September 2013) und 3 – 5 (Taten vom 20. und 26. August sowie vom 20. September 2014) der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
In diesem Umfang wird die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Aachen hat den Angeklagten wegen Diebstahls in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf das Strafmaß beschränkte Berufung, mit der die Nichtanwendung des § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen worden ist, hat das Landgericht Aachen mit der angefochtenen Entscheidung verworfen.
4Die Revision des Angeklagten rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
5II.
6Das Rechtsmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts führt.
71.
8Die Beschränkung der Berufung ist – was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (s. nur SenE v. 02.04.2013 - III-1 RVs 57/13) – wirksam. Die amtsgerichtlichen Feststellungen zum jeweiligen Tatgeschehen bieten eine genügend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen. Zutreffend hat die Berufungsstrafkammer daher nur noch über die Rechtsfolgenseite entschieden.
92.
10Hiervon ausgehend hat zunächst die Überprüfung des angefochtenen Urteils anhand der Revisionsbegründung im Fall 2 der Urteilsgründe (Tat vom 25. Mai 2014) keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler aufgedeckt. Das hierauf bezogene Rechtsmittel war daher – in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft – als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
113.
12Die Rechtsfolgenbemessung hält indessen im Übrigen sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Berufungsstrafkammer dieser in den Fällen 1 und 3 – 5 jeweils den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 StGB zugrundegelegt, zur Frage der angenommen Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 StGB) aber in eigener Verantwortung keine Feststellungen getroffen hat.
13Anders als die tatsächlichen Feststellungen zu den - äußere Tatmodalitäten umschreibenden - Merkmalen der Regelbeispiele in § 243 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1, 2 und 4, die in aller Regel auch den Schuldspruch tragen und damit doppelrelevant sind, betreffen die Feststellungen zu dem Merkmal des Regelbeispiels in § 243 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 StGB allein den Rechtsfolgenausspruch. Denn die Gewerbsmäßigkeit eines Handelns wird durch ein subjektives Moment, nämlich die Absicht des Täters, sich durch wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle zu verschaffen, begründet. Das Berufungsgericht muss deshalb die notwendigen Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch bezüglich der Gewerbsmäßigkeit, die den verschärften Strafrahmen des § 243 StGB zur Anwendung bringen, in eigener Verantwortung neu treffen und werten (st. Senatsrechtsprechung: SenE v. 26.02.1999 - Ss 54/99 -; v. 25.06.1999 - Ss 249/99 -; SenE v. 14.07.2000 - Ss 295/00 -; SenE v. 02.12.2003 - Ss 413-414/03 -; SenE v. 13.08.2013 - III-1 RVs 174/13 -; SenE v. 08.04.2014 - III-1 RVs 52/14 -).
14Hier hat sich die Berufungsstrafkammer indessen an die zur Gewerbsmäßigkeit vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen gebunden gesehen. Das ergibt sich insbesondere aus dem sich an die Ausführungen zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung unmittelbar anschließenden, die Feststellungen zum Tatgeschehen einleitenden Satz, es sei „daher (Hervorhebung durch den Senat) von folgendem Sacherhalt auszugehen“, woran sich wiederum unmittelbar - aus dem amtsgerichtlichen Urteil wörtlich übernommene - Ausführungen zum gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten anschließen. Soweit die Berufungsstrafkammer zuvor von „ergänzend in der Berufungshauptverhandlung getroffene(n) Feststellungen zu Motivation (…) der Taten“ spricht, werden solche in den Urteilsgründen nicht widergegeben. Zureichende, in eigener Verantwortung getroffene Feststellungen zur Frage gewerbsmäßigen Handelns ergeben sich schließlich nicht daraus, dass die Berufungsstrafkammer im Rahmen der Strafzumessung von einem in der Berufungshauptverhandlung abgelegten Geständnis des Angeklagten berichtet, weil dieses insbesondere mit Blick auf die hier interessierende Tatveranlassung inhaltlich nicht widergegeben wird und auch deswegen von nur eingeschränktem Erkenntniswert ist, weil der Angeklagte angegeben hat, sich an einzelne Taten nicht mehr erinnern zu können. Hinsichtlich der Fälle 1 und 3 – 5 bedarf die Sache daher erneuter tatrichterlicher Behandlung und Entscheidung.
154.
16Die Urteilsaufhebung in den genannten Fällen zieht ohne weiteres auch die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
175.
18Für die erneute Hauptverhandlung sieht sich der Senat noch zu dem Hinweis veranlasst, dass die Prüfung des § 21 StGB zu Rechtsfolgenseite gehört und daher gleichfalls von der Berufungsstrafkammer in eigener Verantwortung wahrzunehmen ist (SenE v. 31.03.2000 - Ss 152/00 -; SenE v. 02.12.2003 - Ss 413-414/03 -; SenE v. 16.04.2004 - Ss 96/04 -)
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.