Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Sept. 2014 - 31 U 75/14
Gericht
Tenor
Der Antrag der Beklagten vom 01.08.2014 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.05.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 75.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Gegen das am 08.05.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach dem EB am 14.05.2014 (Bl. 403 d.A.) zugestellt, hat diese mit Schreiben vom 21.05.2014, welches am selben Tag beim Oberlandesgericht Hamm eingegangen ist, Berufung eingelegt. Mit Faxschreiben vom 15.07.2014, eingegangen am selben Tag beim OLG, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragt, die am 16.07.2014 endende Berufungsbegründungsfrist ein erstes Mal bis einschließlich Montag, den 18.08.2014 zu verlängern (Bl. 411 d.A.). Der Vorsitzende wies mit Verfügung vom 17.07.2014 darauf hin, dass dem Fristverlängerungsantrag nicht entsprochen werden kann, da die Frist abgelaufen war. Daraufhin beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2014, jeweils am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen, ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Bl. 417 d.A.) und begründete die Berufung (Bl. 430 d.A.).
4Zum Wiedereinsetzungsantrag führte sie im Wesentlichen unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen vom 01.08.2014 der Rechtsanwälte X und T sowie der Angestellten Frau Q aus:
5Rechtsanwalt X habe nach den kanzleiinternen Regeln ein Votum gefertigt, welches von Rechtsanwalt T habe überprüft werden sollen. Dazu habe die Akte übergeben werden müssen. Der übernehmende Rechtsanwalt übernehme damit zugleich die Fristenkontrolle. Wegen des hohen Arbeitsanfalls von Rechtsanwalt X habe die Akte erst am 09.07.14 Rechtsanwalt T übergeben werden können. Die Assistentin von Rechtsanwalt X, Frau Q, habe die Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender von Rechtsanwalt T eingetragen. Rechtsanwalt T sei bei Durchsicht der Akte am 11.07.14 aufgefallen, dass die Berufungsbegründungsfrist unzutreffend auf den 16.07.2014 und nicht auf den 14.07.2014 notiert worden war. Rechtsanwalt T habe Frau Q die Akte mit der Anweisung zurückgegeben, einen Fristverlängerungsantrag zu verfassen, den Fristablauf auf den 14.07.2014 zu notieren, einen neuen Fristablauf für die Vorlage der Berufungsbegründung zu notieren und die Akte Rechtsanwalt X zur Unterschrift des Fristverlängerungsgesuchs vorzulegen. Frau Q habe die Akte allerdings versehentlich nicht sofort weiter bearbeitet, sondern in das Regalfach abgelegt, in dem die Fristsachen für die nächste Woche aufbewahrt würden. Sie habe aber weisungswidrig die bestehende Frist im Fristenkalender gestrichen und als neuen Ablauf der Berufungsbegründungsfrist den 14.08.14 notiert. Rechtsanwalt T habe dann am späten Nachmittag des 11.07.2014 bei der Kontrolle der Fristenliste gesehen, dass die Frist von Frau Q ausgetragen gewesen sei. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass der Fristverlängerungsantrag weisungsgemäß abgeändert, ausgefertigt und per Fax vorab dem erkennenden Senat übermittelt worden sei.
6Frau Q habe am 15.07.2014 die Fristsachen für diesen Tag bearbeitet und den als Entwurf vorbereiteten Fristverlängerungsantrag Rechtsanwalt X vorgelegt. Dabei sei ihr die vorangegangene Anweisung von Rechtsanwalt T entfallen gewesen.
7Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
8II.
9Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
10Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung war gem. § 233 ZPO zurückzuweisen, weil die Beklagte nicht ohne ihr bzw. ohne das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das der Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), daran gehindert war, diese Frist einzuhalten.
111. Hier ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine wirksame Postausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten generell und speziell in diesem Fall sichergestellt ist. Die Ausgangskontrolle, die eine nochmalige, selbstständige Prüfung darstellt, hat sicherzustellen, dass fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig und zuverlässig auf den Weg gebracht werden. Die Ausgangskontrolle soll vermeiden, dass durch versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender Fristen versäumt werden. Eine Frist darf erst gestrichen werden, wenn der Schriftsatz gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht wurde. Deshalb ist am Ende eines jeden Arbeitstages von einer erprobten Bürokraft zu prüfen, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder wenigstens postfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen. Die Ausgangskontrolle sollte zentral, kann aber auch dezentral organisiert sein. Sie kann in der Führung eines Postausgangsbuchs oder darin bestehen, dass nach Absendung des Schriftsatzes auf dessen Durchschrift ein „Ab-Vermerk“ angebracht wird. Der Anwalt darf die Ausgangskontrolle einer, nicht gleichzeitig mehreren zuverlässigen Kräften zuweisen. Die Frist darf im Kalender erst gelöscht (als erledigt gekennzeichnet, „abgehakt“) werden, wenn der Schriftsatz tatsächlich das Büro verlassen hat oder bei organisatorisch sichergestellter zuverlässiger Beförderung wenigstens post- oder abtragefertig gemacht worden ist und zu Mitnahme sicher bereit liegt. Unzureichend ist es, wenn keine eigenständige Kontrolle erfolgt, sondern sich die verantwortliche Angestellte mit dem Bearbeitungsvermerk in ihrer Kolleginnen begnügt (BGH, Beschluss v. 27.11.2013, III ZB 46/13 m.w.N.; BGH, Beschluss v. 13.09.2007, III ZB 26/07; MüKo ZPO/Gehrlein, 4. Auflage, § 233, Rn. 66 m.w.N).
12Zu diesen Voraussetzungen ist hier nichts dargetan. Eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, ist nicht dargelegt. Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergibt sich nicht, ob eine Postausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgt und wie diese organisiert ist. Aus der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt X ergibt sich hierzu nichts. Gleiches gilt für die eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt T. Dieser führt lediglich aus, er habe am späten Nachmittag des 11.07.2014 bei der Kontrolle seiner Fristenliste gesehen, dass die Frist ausgetragen war, weshalb er davon ausgegangen sei, dass Frau Q seine Weisungen ausgeführt habe. Eine diesbezügliche Kontrolle in diesem Einzelfall hat er nicht durchgeführt.
13Auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau Q ergibt sich nichts zu einer Postausgangskontrolle, sondern lediglich zu bestehenden Anweisungen wann eine Frist gestrichen werden darf. Danach werden die Fristenkalender täglich geprüft im Hinblick auf die Erledigung/Wahrung der Fristen. Fristen werden als sog. „Rotfristen“ notiert und dürfen erst gestrichen werden, wenn der entsprechende Schriftsatz versandt wurde. Im Hinblick auf Ungewissheiten beim Postversand werden fristwahrende Schriftsätze vorab per Telefax übermittelt. Das Faxprotokoll soll auf Richtigkeit überprüft werden. Erst dann darf die Frist ausgetragen werden. Sie habe an dem 11.07. die Fristenliste noch auf offene Fristen geprüft, wobei ihr diese Sache entfallen sei.
142. Weiter kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass Rechtsanwalt T nicht darauf hingewirkt hat, dass die falsch notierte Frist berichtigt wird. Wäre dies geschehen, hätte die Erledigung der Fristsache vor Büroschluss am 14.07.2014 aufgrund der durchzuführenden Fristenkontrolle nochmals überprüft werden müssen. Gegenteiliges ist zwar dargelegt, ergibt sich aber nicht aus den eidesstattlichen Versicherungen. Rechtsanwalt T hat an Eides statt versichert, er habe einen Handzettel erstellt mit einem Hinweis auf einen Irrtum bei der Frist und Frau Q in einem Gespräch auf den Fristirrtum hingewiesen und sie angewiesen einen Fristverlängerungsantrag an das OLG spätestens am 14.07.2014 zu erstellen und zur Unterschrift an Rechtsanwalt X mit Akte weiter zu geben zum Zwecke der weiteren Bearbeitung. Konkrete Anweisungen zu zu streichenden bzw. neu einzutragenden Fristen versichert er nicht an Eides statt. Auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau Q ergibt sich keine Anweisung von Rechtsanwalt T, dass die falsch auf den 16.07.2014 notierte Frist zunächst korrekt auf den 14.07.2014 einzutragen ist. Nach der eidesstattlichen Versicherung habe Rechtsanwalt T sie darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründungsfrist unrichtig auf den 16.07.2014 notiert worden war. Er habe sie angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Ablauf der verlängerten Begründungsfrist richtig auf den 14.08.2014 zu notieren sei. Am 15.07.2014 sei die Akte nicht mehr mit dem Fristenzettel versehen gewesen, auf dem Rechtsanwalt T seine Anweisungen vermerkt hatte. Welche Anweisungen das genau gewesen sein sollen, wird nicht ausgeführt. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts T war auf dem Handzettel lediglich der Irrtum über den Fristablauf notiert.
15Der Beklagten ist das Verschulden von Rechtsanwalt T zuzurechnen. Als Bevollmächtigter der Partei gilt nicht nur der eigentliche Prozessbevollmächtigte, sondern auch der als Sozius mit beauftragte Rechtsanwalt, selbst wenn er für die Bearbeitung der Sache im Innenverhältnis zunächst gar nicht (als Sachbearbeiter) zuständig war (BGH, Beschluss vom 25.03.2003, VI ZB 55/02; MüKo ZPO/Gehrlein, a.a.O., Rn. 82).
16III.
17Die Berufung der Beklagten war nach § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden ist. Das Urteil wurde am 14.05.2014 zugestellt. Damit endete die Frist zur Begründung der Berufung gemäß §§ 520 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 14.07.2014, einem Montag. Der Antrag auf Verlängerung der Frist ging aber erst am 15.07.2014 beim Oberlandesgericht ein. Die Berufungsbegründung selbst ging erst am 01.08.2014 beim Oberlandesgericht ein.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)