Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 30. Okt. 2014 - I-2 U 10/14
Gericht
Tenor
A. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Februar 2014 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
Drainagekanal-Abschnitte mit einem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt, einer Mehrzahl längsseits beabstandeter mit dem Rohrabschnitt kommunizierender hohler Vorsprünge und einem längslaufenden Kanal, wobei der längslaufende Kanal mit den Vorsprüngen kommuniziert und einen längslaufenden Schlitz definiert, welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liegt,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn der längslaufende Kanal durch die Vorsprünge gestützt wird,
wobei sich die Verurteilung der Beklagten ausschließlich auf Drainagekanal-Abschnitte des „Typs G“, nicht aber des „Typs F“ erstreckt;
2. der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 21. November 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie der bezahlten Preise,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen-, zeiten-, preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
- die Angaben zu lit. f) nur für die in der Zeit seit dem 21. Dezember 2007 begangenen Handlungen zu machen sind,
- die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1. September 2008 zu machen sind;
- es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist; und
- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu lit. b) und lit. c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege in Kopie vorzulegen hat, bei denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichten Daten geschwärzt werden dürfen;
3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
4. die unter Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs-und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
1. für die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 21. November 2007 bis zum 20. Dezember 2007 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen, wobei sich die Entschädigungspflicht auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagte durch die Benutzung des Gegenstandes des deutschen Teils (DE 603 17 AAA T2) des europäischen Patents EP 1 380 AAB B1 auf Kosten der Klägerin erlangt hat;
2. allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, ab dem 21. Dezember 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
B. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
C. Die Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
D. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für die Beklagte zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
E. Die Revision wird nicht zugelassen.
F. Der Streitwert für das landgerichtliche Verfahren und für das Berufungsverfahren wird auf jeweils 750.000,- € festgesetzt.
G
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 380 AAB B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz und zur Herausgabe der Bereicherung dem Grunde nach in Anspruch.
4Das Klagepatent wurde am 6. Juni 2003 unter Inanspruchnahme der Priorität der GB 0215AAC vom 10. Juli 2002 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 14. Januar 2004. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 21. November 2007 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents, der beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 603 17 AAA T2 geführt wird, ist in Kraft, nachdem das Klagepatent in einem durch die Beklagte initiierten Einspruchsverfahren durch die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes mit Entscheidung vom 1. Oktober 2013, dessen vollständiger Inhalt aus den Anlagen K 19 und K 20 ersichtlich ist, unbeschränkt aufrecht erhalten wurde.
5Das Klagepatent betrifft eine „Breite Entwässerungsrinne“ („Wide channel drainage system“). Sein Patentanspruch 1 hat in der englischen Fassung folgenden Wortlaut:
6„A drainage channel section (2) comprising a longitudinally extending pipe portion (6), a plurality of longitudinally spaced hollow projections (22) communicating with the pipe portion (6) and a longitudinal channel (24), wherein said longitudinal channel (24) communicates with the projections (22) and defines a longitudinal slot (26) that lies in use in a surface to be drained
7characterised in that
8said longitudinal channel (24) is supported by said projections (22).”
9In der eingetragenen deutschen Übersetzung ist Patentanspruch 1 wie folgt gefasst:
10„Ein Drainagekanal-Abschnitt (2) mit einem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt (6), einer Mehrzahl längsseits beabstandeter mit dem Rohrabschnitt (6) kommunizierender hohler Vorsprünge (22) und einem längslaufenden Kanal (24), wobei der längslaufende Kanal (24) mit den Vorsprüngen (22) kommuniziert und einen längslaufenden Schlitz (26) definiert, welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liegt,
11dadurch gekennzeichnet, dass
12der längslaufende Kanal (24) durch die Vorsprünge gestützt wird.“
13Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 3 der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt ausweislich der Klagepatentbeschreibung einen erfindungsgemäßen Kanalabschnitt in einer Perspektivansicht.
14Zu sehen ist ein Kanalabschnitt (2), der einen eiförmigen Rohrabschnitt (6) aufweist. Entlang der Oberfläche des Rohrabschnittes (6) sind eine Reihe hohler Vorsprünge vorgesehen, die einen längslaufenden Schlitzkanal (24) stützen, der in einem offenen Schlitz (26) endet. Dieser ist - verbaut - so in einer horizontalen Oberflächenebene angeordnet, dass in den Schlitz (26) eintretendes Wasser durch die Vorsprünge (22) in den Rohrabschnitt (6) läuft. Jeder Vorsprung (22) hat ein Fundament (30), das sich entlang des Umfangs um den eiförmigen Rohrabschnitt (6) erstreckt. In einem vertikalen, quer zur Längsrichtung des Kanalabschnitts verlaufenden Abschnitt verjüngt sich der hohle Vorsprung (22), der sich von seinem Fundament erstreckt, zu dem schmaleren längslaufenden Kanal (24) hin. Der Kanal (24) hat Seitenwände (32), die in Seitenwände (34) eines jeden Vorsprungs übergehen. Die Basis des Kanals (24) ist durch Öffnungen in die hohlen Vorsprünge (22) und Zwischenbogenabschnitte (38), welche die Zwischenräume zwischen benachbarten Vorsprüngen überbrücken, effektiv definiert. Diese Konfiguration leitet den Wasserfluss in das hohle Innere der Vorsprünge (22).
15In Figur 3 sind die Einzelheiten eines längslaufenden Schlitzkanals und von Stützvorsprüngen des in Figur 1 gezeigten Kanalabschnitts ebenfalls in einer Perspektivansicht dargestellt.
16Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Entwässerungssystem, das aus Kanalentwässerungsabschnitten besteht. Unter der Marke B stellt die Beklagte her, bietet an und vertreibt Kanalentwässerungsabschnitte, unter anderem einen Typ F (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform I) und einen Typ G (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform II).
17Die nachfolgend verkleinert eingeblendete Abbildung zeigt beispielhaft einen Kanalentwässerungsabschnitt des Typs F ohne Rippenabdeckung.
18.
19Dabei werden die Kanalentwässerungsabschnitte des Typs F in Bezug auf den Abstand der Einlaufschlitze in zwei Varianten angeboten und vertrieben, die sich dadurch unterscheiden, dass der Abstand, gemessen vom Ende des einen Einlaufschlitzvolumens bis zum Beginn des nächsten Einlaufschlitzvolumens, 1 cm bzw. 4,5 cm beträgt. Auch für diejenigen Ausführungsformen mit weitem Abstand werden jeweils gleiche (und damit nicht größer dimensionierte) Einlauftrichter verwendet. Im Übrigen unterscheiden sich die Kanalentwässerungsabschnitte des Typs F nur in anderen Merkmalen, wozu beispielsweise die Größe des Entwässerungsquerschnitts zählt. Die technische Gestaltung des Typs F verdeutlichen auch die durch die Beklagte vorgelegten und nachfolgend verkleinert wiedergegeben Prinzipienskizzen.
20Da die vorstehend gezeigten Kanalentwässerungsabschnitte des Typs F aus Kunststoff bestehen, werden diese fast immer dort, wo sie mit der Oberfläche in Berührung kommen, mit sog. Abdeckrosten eingebaut („integrierte Gussabdeckungen“), welche die Kunststoffrinne einerseits vor Beschädigungen schützen und andererseits einen sog. Absatzschutz bereitstellen. Die nachfolgend eingeblendete, dem durch die Klägerin als Anlage K 23 zur Akte gereichten Untersuchungsbericht entnommene Abbildung zeigt den Typ F mit solch einem Abdeckrost.
21Der Typ G unterscheidet sich vom Typ F dadurch, dass die hohlen Vorsprünge nicht aus Kunststoff, sondern gusseisern ausgebildet sind und, wie die nachfolgend eingeblendete Abbildung zeigt, eine andere Form aufweisen.
22Die Gestaltung des Einlaufschlitzes lässt sich aus der nachfolgend eingeblendeten Abbildung, welche das durch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat übergebene Muster in einer Draufsicht zeigt, erkennen, wobei die Kanalentwässerungsabschnitte des Typs G im Hinblick auf die Gestaltung der Einlaufschlitze nur in dieser Form angeboten und vertrieben werden.
23Nach Auffassung der Klägerin stellen die Herstellung, das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine Verletzung des Klagepatents dar, da die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch machten.
24Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um die Gewährung von Vollstreckungsschutz gebeten hat, hat eine Verletzung des Klagepatents bestritten und geltend gemacht:
25Beide angegriffenen Ausführungsformen wiesen keinen längslaufenden Kanal auf. Die hohlen Vorsprünge seien deutlich voneinander beabstandet. Insofern werde kein Längsspalt definiert. Es handele sich um eine Reihe hintereinander angeordneter, voneinander beabstandeter und separierter Einlauföffnungen, ohne dass ein Kanal im Sinne des Klagepatents verwirklicht wäre. Es werde kein Übertritt von einem Einlaufstutzen in den anderen angestrebt. Die angegriffene Ausführungsform I benötige auch keinen Kanal, da ihre trichterförmige Ausgestaltung nach unten dazu führe, dass das Oberflächenwasser sofort in vertikaler Richtung abströme. Eine Querleitung des Wassers sei technisch unmöglich. In den Abstand zwischen den Einlauftrichtern einströmendes Wasser werde nicht abgeführt, sondern überströme die Rinne. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten damit das Prinzip einer erweiterten Punktentwässerung. Das Klagepatent setzte demgegenüber durch die beabsichtigte Weiterbildung der Linienentwässerung auf ein anderes Ableitungsprinzip. Sofern die angegriffenen Ausführungsformen schließlich unterhalb der zu entwässernden Oberfläche verlegt würden, definierten sie jedenfalls keinen längslaufenden Schlitz, der in Benutzung „in der zu entwässernden Fläche liege“. Denn der längslaufende Schlitz werde in Benutzung mindestens 3 bis 5 mm unterhalb der zu entwässernden Fläche liegen, also nicht „in“ der zu entwässernden Fläche.
26Durch Urteil vom 13. Februar 2014 hat das Landgericht Düsseldorf beide angegriffenen Ausführungsformen als Patentverletzung beurteilt und wie folgt erkannt:
27I. Die Beklagten werden verurteilt,
28es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
29Drainagekanal-Abschnitte mit einem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt, einer Mehrzahl längsseits beabstandeter mit dem Rohrabschnitt kommunizierender hohler Vorsprünge und einem längslaufenden Kanal, wobei der längslaufende Kanal mit den Vorsprüngen kommuniziert und einen längslaufenden Schlitz definiert, welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liegt,
30in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
31wenn der längslaufende Kanal durch die Vorsprünge gestützt wird.
32II. Die Beklagte hat der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I bezeichneten Handlungen seit dem 21. November 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe:
33- 1.34
der Herstellungsmengen und -zeiten;
- 2.36
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie der bezahlten Preise;
- 3.38
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren;
- 4.40
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
- 5.42
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- 6.44
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
wobei
46- die Angaben zu Ziffer 6 nur für die in der Zeit seit dem 21. Dezember 2007 begangenen Handlungen zu machen sind;
47- die Angaben zu den Einkaufspreisen sowie den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 01. September 2008 zu machen sind;
48- es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer oder Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist; und
49- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu Ziffern 2 und 3 die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege in Kopie vorzulegen hat, bei denen geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungslegungspflichten Daten geschwärzt werden dürfen.
50III. Die Beklagte hat die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz, oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
51IV. Die Beklagte hat die unter Ziffer I bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs-und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
52V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
531. für die unter Ziffer I bezeichneten, in der Zeit vom 21. November 2007 bis zum 20. Dezember 2007 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen;
542. allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I bezeichneten, ab dem 21. Dezember 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
55Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
56Der Fachmann verstehe unter einem längslaufenden Kanal im Sinne des Klagepatents einen sich in Längsrichtung erstreckenden Durchgang, der in seinem Verlauf einen Schlitz ausbilde. Er diene dazu, das Oberflächenwasser vertikal in die hohlen Vorsprünge und den Rohrabschnitt abzuleiten, wobei er die Abstände zwischen den hohlen Vorsprüngen überbrücke. Dabei schade es nicht, wenn der Schlitz geringfügige Lücken aufweise, sofern nur gewährleistet sei, dass die Entwässerung entlang einer Linie stattfinde. Dem Klagepatent sei zudem nicht zu entnehmen, dass der Kanal zwingend das Oberflächenwasser den hohlen Vorsprüngen auf einem Kanalbett zunächst in horizontaler Richtung über die dazwischenliegenden Bogenabschnitte zuleiten müsse. Vielmehr fordere das Klagepatent im Anspruch 1 nur einen definierten längslaufenden Schlitz. Der Kanal diene daher dazu, das Oberflächenwasser durch den längslaufenden Schlitz schnell in die hohlen Innenräume der Vorsprünge abführen zu können. Soweit der streitgegenständliche Patentanspruch darüber hinaus verlange, dass der längslaufende Kanal durch die Vorsprünge gestützt werde, sollten die Vorsprünge die Funktion des „Gewichttragens“ bzw. „in Positionhaltens“ erfüllen, wobei die Fixierung eine einfache Installation des Drainagekanalabschnitts in seiner Gesamtheit und in einem Schritt ermögliche.
57Davon ausgehend machten beide angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Sie würden, unabhängig von der in Anlage B 16 gezeigten Rinnenabdeckung, durch die aneinandergereihten Einlaufstutzen einen längslaufenden Kanal zeigen, der mit den unter ihm befindlichen hohlen Vorsprüngen kommuniziere und einen längslaufenden Schlitz definiere, welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liege. Einer Verletzung stehe es nicht entgegen, dass die Einlaufstutzen kleine Unterbrechungen zwischen den einzelnen Stutzen aufwiesen, da diese Unterbrechungen nicht dazu führten, dass sich dort solche Wassermengen ansammelten, dass der Fachmann darin bereits eine Punktentwässerung zu erkennen vermöge. Nicht überzeugend seien die weiteren Ausführungen der Beklagten, die angegriffenen Ausführungsformen würden unterhalb der Entwässerungsebene und daher nicht „in“ einer zu entwässernden Fläche liegen. Entscheidend sei, dass der Kanal einen Schlitz definiere, in dem die Entwässerung stattfinde. Ob sich dieser Schlitz eingelassen in der Fläche oder auf gleicher Höhe mit der Oberfläche des Betons befinde, sei unerheblich, sofern er „in“ der zu entwässernden Fläche liege und das Wasser ableite.
58Gegen dieses, ihr am 18. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. März 2014 Berufung eingelegt. Mit ihrer Berufung verfolgt sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung weiter.
59Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht im Wesentlichen geltend:
60Das Landgericht habe zur Ermittlung dessen, was Patentanspruch 1 leisten solle, eine unzutreffende Aufgabe herausgearbeitet. Unter Berücksichtigung der Auffassung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes sei es die objektive Aufgabe der Erfindung, einen Drainagekanal-Abschnitt zu schaffen, der einfacher installiert werden könne als aus dem Stand der Technik bekannt.
61Des Weiteren habe das Landgericht, das seinen Ausführungen lediglich die deutsche Übersetzung des Klagepatents zugrunde gelegt habe, anders als das Europäische Patentamt die AU 733 AAD B nicht als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Vom Gegenstand dieses Standes der Technik unterscheide sich das Klagepatent nach der Einspruchsbeschwerdeentscheidung des Europäischen Patentamtes nur durch die über das Abstützen des längslaufenden Kanals durch die Vorsprünge ermöglichte einfache Installation. Daher nehme die AU 733 AAD B auch das Merkmal vorweg, dass der Drainagekanal-Abschnitt einen längslaufenden Kanal aufweise. Unstreitig handele es sich aber bei dem längslaufenden Kanal der AU 733 AAD B um einen Kanal mit einem Kanalbett. Folge man der Auffassung des Landgerichts, würden im Übrigen auch der als „throat“ bezeichnete Einlauf der US 6,000,AAE und die „throat walls“ der GB 2 311 AAF A als ein Kanal im Sinne des Klagepatents anzusehen sein.
62Unter Berücksichtigung der englischen Fassung des Patentanspruchs („…that lies in use in a surface to be drained“) sei darüber hinaus klar, dass die Lage des Schlitzes entgegen der Auffassung des Landgerichts in der zu entwässernden Oberfläche festgelegt sei. Die Präposition „in“ gebe an, in welcher Höhe der Schlitz angeordnet sei, nämlich in der Ebene der zu entwässernden Fläche.
63Davon ausgehend würden die angegriffenen Ausführungsformen keinen längslaufenden Kanal im Sinne des Klagepatents aufweisen. Was genau den längslaufenden Kanal ausmache, sei dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen. Die bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandenen Einlaufstutzen würden nichts anderes darstellen als die Einlaufstutzen der vorbekannten Punktentwässerungen. Durch die Beklagte in Auftrag gegebene Untersuchungen hätten gezeigt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform I (Typ F) sowohl der Querabschnitt ohne Abdeckung als auch der Rinnenabschnitt mit Abdeckung in den Abschnitten zwischen den Einlaufstutzen überströmt würden, so dass das bei der Entwässerung im Bereich zwischen den Einlaufstutzen anströmende Wasser nicht nach unten abgeführt werde und versickere (wegen der Einzelheiten der Untersuchungen vgl. das Privatgutachten gemäß Anlage B 24). Im Übrigen würden die angegriffenen Ausführungsformen auch keinen Schlitz aufweisen, der in der Oberfläche der zu entwässernden Fläche angeordnet sei.
64Die Beklagte beantragt,
65das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Februar 2014, Aktenzeichen 4b O 111/12, im Kostenpunkt aufzuheben und im Übrigen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten beider Rechtszüge auferlegt werden;
66hilfsweise:
67der Beklagten Vollstreckungsschutz einzuräumen.
68Die Klägerin beantragt,
69die Berufung zurückzuweisen;
70hilfsweise:
71I.a. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
72Drainagekanal-Abschnitte, mit einem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt, einer Mehrzahl von längsseits beabstandeter mit dem Rohrabschnitt kommunizierender hohler Vorsprünge, und
73einer Vielzahl von sich längsseits erstreckender voneinander beabstandeter und separierter Einlauföffnungen,
74wobei diese mit den Vorsprüngen kommunizieren,
75und die, wenn sie in einer Fläche, die entwässert werden soll, installiert sind in Benutzung über die im Wesentlichen gesamte Länge des Rohrabschnitts verlaufen
76in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
77wenn die sich längs erstreckenden voneinander beabstandeten und separierten Einlauföffnungen von den Vorsprüngen gestützt werden;
78äußerst hilfsweise:
79I.a. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
80Drainagekanal-Abschnitte, mit einem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt, einer Mehrzahl von längsseits beabstandeter mit dem Rohrabschnitt kommunizierender hohler Vorsprünge, und
81einer Vielzahl von sich längsseits erstreckender voneinander beabstandeter und separierter, als Einlaufstutzen ausgebildeten, Einlauföffnungen,
82wobei diese mit den Vorsprüngen kommunizieren,
83und die, wenn sie in einer Fläche, die entwässert werden soll, installiert sind in Benutzung über die im Wesentlichen gesamte Länge des Rohrabschnitts verlaufen
84in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
85wenn die Vielzahl von sich längsseits erstreckenden voneinander beabstandeten und separierten, als Einlaufstutzen ausgebildeten, Einlauföffnungen von den Vorsprüngen gestützt werden.
86Darüber hinaus hat die Klägerin hilfsweise die Anordnung einer Vorlageverpflichtung der Beklagten gemäß §§ 142, 144 ZPO bzw. höchst hilfsweise nach §§ 809, 810 BGB und § 140c PatG beantragt bzw. angeregt. Hinsichtlich der genauen Formulierung dieses Begehrens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Schriftsatz der Klägerin vom 2. Oktober 2014 Bezug genommen.
87Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Darüber hinaus führt sie aus:
88Das Landgericht gehe davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandenen Unterbrechungen dazu führten, dass dort geringfügig Wasser versickere. Dies sei beim bestimmungsgemäßen Gebrauch jedoch nicht der Fall, da die Zwischenräume nach der Einbauanleitung – unstreitig – vollständig mit Beton ausgefüllt würden. Im Übrigen entspreche es auch nicht den Eigenschaften von Wasser, in einer Säule über einem solchen Abstand stehen zu bleiben. Vielmehr würde das Wasser in die benachbarten Einlaufstutzen abfließen.
89Außerdem würden sich die Begriffe „Linienentwässerung“ und „Punktentwässerung“ nicht in den Ansprüchen des Klagepatents finden, weshalb eine Linienentwässerung auch nicht zu den für eine Verletzung des Klagepatents erforderlichen Merkmalen gehöre. Zudem gehe die DIN 1433 („Entwässerungsrinnen für Verkehrsflächen – Klassifizierung, Bau- und Prüfgesetze, Kennzeichnung und Beurteilung der Konformität“) in der Fassung vom September 2005 ebenso wie die Vorläufernorm (DIN 19 580) davon aus, dass der Einlaufschlitz einer Schlitzrinne zur Aufnahme von Oberflächenwasser unterbrochen sein könne. Die Beklagte bewerbe die angegriffenen Ausführungsformen dementsprechend auch selbst als Linienentwässerung.
90Schließlich habe die Klägerin das Überströmverhalten bei ihrer Rinne D und der angegriffenen Ausführungsform I (Typ F) untersucht. Diese Versuche hätten ergeben, dass die angegriffene Ausführungsform I zu dem Produkt D 225 wenigstens gleichwertig sei. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Untersuchung wird auf die Anlage K 23 Bezug genommen.
91Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
92II.
93Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache lediglich teilweise Erfolg.
94Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in den angegriffenen Kanalentwässerungsabschnitten des Typs G (angegriffene Ausführungsform II) eine wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung sowie zum Rückruf verurteilt und die Verpflichtung zum Schadenersatz und zur Herausgabe der Bereicherung dem Grunde nach festgestellt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB i. V. m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu.
95Demgegenüber macht die angegriffene Ausführungsform des Typs F (angegriffene Ausführungsform I) unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, so dass der Klägerin die von ihr insoweit geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen. Soweit die Beklagte erstinstanzlich auch in Bezug auf diese Ausführungsform verurteilt wurde, war das Urteil des Landgerichts daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
961.
97Das Klagepatent betrifft Kanaldrainagesysteme und insbesondere Kanäle mit einer hohen Kapazität, die typischerweise als „Breitkanal-Drainagesysteme“ bezeichnet werden.
98Wie das Klagepatent einleitend ausführt, seien zur Oberflächendrainage großer Flächen, wie etwa bei Supermärkten, Parkplätzen oder Flughäfen, robuste Abflusskanäle mit einer hohen hydraulischen Kapazität erforderlich.
99Im Stand der Technik seien zunächst Punktdrainagesysteme bekannt. So werde von E Ltd. ein den Gegenstand verschiedener britischer Patentanmeldungen bildendes System bereitgestellt, bei dem ein offenes Kanalelement aus glasfaserverstärktem Beton, das mittels eines Rahmens aus Bewehrungsstäben verankert und mit einem separaten Deckel verwendet werde. Der Deckel weise eine Reihe von Vorsprüngen auf, die in sich quer zur Richtung des Kanals in der Oberfläche erstreckenden Schlitzen enden würden, durch welche das Wasser in den Kanal eintrete. Da derartige Drainagesysteme in Gebieten zum Einsatz kommen könnten, in welchen eine schwere Flächenauflast der Fahrzeuge vorliege, sei eine Bewehrung der die Decken bedeckenden Betonplatte erforderlich. Bei dem von E vorgeschlagenen System sei die Plattenbewehrung durch ein speziell ausgebildetes, vom Hersteller geliefertes Bewehrungsstabnetzwerk vorgesehen, das so ausgebildet sei, dass es mit den Vorsprüngen in dem Deckel zusammenwirke.
100Jedoch sei ein solches System mit einer Reihe von Nachteilen behaftet. Zum einen sei der Wirkungsgrad beim Sammeln von Wasser gering, da das Wasser, etwa bei Sturm, über die Schlitze hinweg getragen werde. Zum anderen müsse sichergestellt werden, dass die Oberseite des Deckels mit dem fertiggestellten Oberflächenniveau fluchte. Daher werde in der GB-A-316 AAG vorgeschlagen, den Deckel und den Kanal in einer einzigen Einheit auszubilden, um so Probleme bei der Anordnung des Deckels relativ zum Kanal in situ zu vermeiden. Wie eine solche Einheit erhalten werden könne, lasse sich dieser Schrift jedoch nicht entnehmen. Schließlich sei das vorzusehende Bewehrungsstabnetzwerk relativ teuer.
101Ein alternatives Drainagesystem, so führt die Klagepatentschrift weiter aus, sei aus der GB-A-1 456 AAH (F Ltd.) bekannt, wobei ein handelsübliches System der dort beschriebenen Bauart von der G Ltd. unter dem eingetragenen Warenzeichen H verkauft werde. Dieses System sehe einen Drainagekanalabschnitt vor, der einen sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt und eine Mehrzahl von längsseits beabstandeten, mit dem Rohrabschnitt kommunizierenden hohlen Vorsprünge aufweise. Wie bei dem System von E ergebe dies diskrete Wassereintrittsstellen und einen begrenzten hydraulischen Wirkungsgrad. Die kleinen vorspringenden Röhren hätten jedoch einen relativ geringen Einfluss auf die erforderliche Plattenbewehrung.
102Deutlich wirkungsvoller wie derartige Punktdrainageanordnungen seien Leitungsdrainageanordnungen.
103Ein solches System werde beispielsweise in der US-A-6 999 AAI (I , Inc.) beschrieben. Diese zeige einen Kunststoffkanalabschnitt, der einen schmalen querschnittsverringerten Ablauf aufweise. Um den Kanalabschnitt in dem Material festzulegen, in das er eingebettet sei, seien Vorsprünge vorgesehen. Stütz- und Bewehrungsstäbe könnten ebenfalls an dem Abschnitt befestigt sein. Ein ähnliches System werde in der GB-A-2 311 AAJ(J) beschrieben. Dabei weise der Schlitzablauf einen polygonalen Kanalbereich und einen querschnittsverringerten Bereich auf, wobei der querschnittsverringerte Bereich aus zwei Wänden bestehe, die sich von dem Kanalbereich nach oben erstrecken, um einen Schlitzablauf zu bilden.
104Im Verhältnis zu den vorstehend beschriebenen Punktdrainageanordnungen hätten diese Leitungsdrainagesysteme einen verbesserten hydraulischen Wirkungsgrad. Allerdings würden die Betonplatten an jeder Seite des Schlitzes über den Kanalabschnitt herausragen, was insbesondere bei Kunststoffkanalabschnitten eine erhebliche Gefahr für die Entstehung von Belastungsschäden in diesem Bereich begründe.
105Schließlich beschreibe die AU-B-733 AAK ein Drainagekanalsystem mit einem Oberflächenkanal, der über eine Reihe von Fallrohren mit einer Rohrleitung in einer Fluidverbindung stehe.
106Vor dem geschilderten Hintergrund liegt der Erfindung unter Berücksichtigung der in den Abschnitten [0014] und [0043] der Klagepatentbeschreibung genannten Vorteile die – in der Klagepatentschrift nicht ausdrücklich formulierte – Aufgabe zugrunde, ein Kanalentwässerungssystem bereitzustellen, welches eine hohe hydraulische Kapazität und Effizienz aufweist, ohne in der lasttragenden Platte Schwachstellen zu erzeugen. Zudem soll das System auf einfache Weise ohne die von zweiteiligen Kanälen bekannten Ausfluchtungsprobleme installiert werden können.
107Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
108- 109
1. Ein Drainagekanal-Abschnitt (2).
- 111
2. Der Drainagekanal-Abschnitt (2) hat
a) einen sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt (6),
113b) eine Mehrzahl hohler Vorsprünge (22) und
114c) einen längslaufenden Kanal (24).
115- 116
3. Die hohlen Vorsprünge (22)
a) sind längsseits beabstandet und
118b) kommunizieren mit dem Rohrabschnitt (6).
119- 120
4. Der längslaufende Kanal (24)
a) definiert einen längslaufenden Schlitz (26), welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Oberfläche liegt,
122b) kommuniziert mit den Vorsprüngen (22) und
123c) wird durch die Vorsprünge (22) gestützt.
124b)
125Ein erfindungsgemäßer Drainagekanal-Abschnitt ist somit dadurch gekennzeichnet, dass ein längslaufender Kanal (24), der einen längslaufenden Schlitz (26) definiert, durch eine Mehrzahl von hohlen Vorsprüngen (22) gestützt wird, die längsseits beabstandet sind und mit dem Rohrabschnitt (6) kommunizieren.
126Während der Schlitzablauf bei den im Stand der Technik bekannten Leitungsdrainagesystemen lediglich dadurch realisiert wurde, dass der Kanalabschnitt einen querschnittsverringerten Bereich aufwies (vgl. Abschnitte [0008] f.]), finden sich nunmehr zwischen dem längslaufenden Kanal und dem Rohrabschnitt die in der Merkmalsgruppe 3 im Einzelnen beschriebenen hohlen Vorsprünge. Dadurch, dass diese längsseits beabstandet sind, kann eine Plattenbewehrung zwischen den Vorsprüngen verlaufen, was sicherstellt, dass dann, wenn die Kanalabschnitte eingebettet sind, eine kontinuierliche Bewehrung gebildet wird (vgl. Abschnitt [0014]).
127Wie der Fachmann Patentanspruch 1 entnimmt, sollen die (in Bezug auf den Rohrabschnitt) längsseits beabstandeten Vorsprünge hohl sein (Merkmal 2 b)), mit dem Rohrabschnitt kommunizieren (Merkmal 4 b)) und den längslaufenden Kanal stützen (Merkmal 4 c)). Erfindungsgemäß kommen den Vorsprüngen somit drei Funktionen zu: Sie dienen zunächst als Abstandhalter zwischen dem Rohrabschnitt und dem Kanal, damit in diesem Bereich eine Bewehrung befestigt werden kann (vgl. Abschnitt [0014]). Außerdem ermöglicht ihre hohle Ausgestaltung, dass eintretendes Wasser durch die Vorsprünge in den Rohrabschnitt (6) nach unten läuft (vgl. Abschnitt [0034] a. E.). Schließlich sollen sie den längslaufenden Kanal (24) stützen.
128Was unter dem zuletzt genannten Aspekt zu verstehen ist, hat bereits die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 1. Oktober 2013, die der Senat als fachkundige Stellungnahme zu berücksichtigen hat, zutreffend festgestellt. Die Vorsprünge sollen den Kanal an seiner vorgesehenen Position gegenüber dem Rohrabschnitt stützen, wobei „stützen“ in seiner geläufigen Bedeutung von „das Gewicht tragen“ oder „in Position halten“ zu verstehen ist (vgl. Anlage K 20, S. 13, Punkt 4.4.). Indem die Vorsprünge den längslaufenden Kanal stützen, wird somit sichergestellt, dass der Kanal in der Praxis stets korrekt gegenüber dem Rohrabschnitt ausgerichtet ist, wodurch eine einfache Installation des Drainagekanal-Abschnittes in seiner Gesamtheit und in einem Schritt ermöglicht wird, ohne dass das Problem der Ausrichtung bzw. Anpassung des Kanals im Verhältnis zum Rohrabschnitt vor Ort auftritt (vgl. Anlage K 20, S. 14, oben; Klagepatent, Abschnitte [0014] und [0043]). Das Klagepatent grenzt sich in diesem Punkt somit insbesondere von den im Stand der Technik bekannten zweiteiligen Lösungen ab, bei denen vor Ort ein Ausfluchten erforderlich war (vgl. Abschnitt [0005]).
129Sinn der aus dem sich längsseits erstreckenden Rohrabschnitt (6), der Mehrzahl von hohlen Vorsprüngen (22) und einem einen längslaufenden Schlitz (26) definierenden Kanal (24) bestehenden Anordnung ist es weiterhin, Oberflächenwasser durch den längslaufenden Kanal sammelnd aufzufangen und von dort über die mit dem Kanal kommunizierenden hohlen Vorsprünge in den Rohrabschnitt zu leiten, der das Abwasser endgültig abführt. Soweit sich das Klagepatent mit dem Kanal (24) und seiner Fluidverbindung zum Rohrabschnitt (6) befasst, stehen deshalb Gesichtspunkte der Hydraulik und damit des Strömungsverhaltens von Flüssigkeiten im Mittelpunkt, die folgerichtig auch in der Patentbeschreibung sowohl im Zusammenhang mit der Erörterung des Standes der Technik als auch bei den Vorteilsangaben der Erfindung ausdrücklich Erwähnung finden. So werden die aus der GB-A-2 316 AAL und der GB-A-2 347 AAM bekannten Lösungen in Abschnitt [0003] der Klagepatentbeschreibung im Hinblick auf den mit dem Einsatz von Querschlitzen verbundenen geringen hydraulischen Wirkungsgrad beim Sammeln von Wasser von der Oberfläche kritisiert, der beispielsweise darauf beruhe, dass das Wasser bei Stürmen über die Schlitze hinweg getragen werde.
130Diesen (Punktdrainage-)Systemen werden in der Klagepatentbeschreibung die ebenfalls im Stand der Technik bekannten Leitungsdrainagesysteme von K (US-A-6 000 AAN) und J (GB-A-2 311 AAO) exemplarisch gegenübergestellt, die sich beide durch einen im Bereich der zu entwässernden Oberfläche in Längsrichtung verlaufenden, durchgehenden Schlitzablauf auszeichnen. Wie der Fachmann der Klagebeschreibung entnimmt, verfügt eine solche Gestaltung gegenüber einem Punktdrainagesystem über einen verbesserten hydraulischen Wirkungsgrad (vgl. Abschnitt [0010]). Anknüpfend hieran stellt die Klagepatentschrift in Abschnitt [0014] zu den Vorzügen des erfindungsgemäßen Entwässerungskonzepts fest, dieses weise die Vorteile hoher hydraulischer Kapazität und Effizienz gemäß den Systemen von K und J auf (vgl. Abschnitt [0014]).
131Der Fachmann entnimmt dem, dass mit der Erfindung des Klagepatents ein hydraulisches Leistungspotenzial bereitgestellt werden soll, das dem der erwähnten Leitungsdrainagesysteme entspricht. Ihm leuchtet dies auch unmittelbar deshalb ein, weil der erfindungsgemäße Drainagekanal-Abschnitt in der Form eines Schlitzkanals – und damit prinzipiell in der für die vorbekannten Leitungsdrainagesysteme geläufigen Weise – ausgebildet werden soll. Konkret sieht das Klagepatent hierzu einen „längslaufenden Kanal vor, der einen in der zu entwässernden Oberfläche liegenden längslaufenden Schlitz definiert.“
132Für das Verständnis der Begriffe „Kanal“ und „Schlitz“ ist im Blick zu behalten, dass das Klagepatent Schutz für einen (dem Geschäfts- und Handelsverkehr zugänglichen) Drainagekanal-Abschnitt gewährt, der unverbaut ist, der sich aber in einer solchen Weise verbauen lässt, dass sich eine oberflächennahe Leitungsdrainage ergibt. „Kanal“ bezeichnet deshalb das (räumlich-körperliche) Vorrichtungsteil des patentgeschützten Drainagekanal-Abschnitts, in dem das Oberflächenwasser aufgenommen, gesammelt und asnchließend den hohlen Vorsprüngen zur weiteren Entsorgung zugeführt wird, während „Schlitz“ diejenige Raumform umschreibt, die mithilfe des Kanals in der zu entwässernden Oberfläche, in die der patentgemäße Drainagekanal-Abschnitt bestimmungsgemäß mit seinem obenliegenden Kanal eingebaut worden ist, zum Zwecke der Entwässerung zur Verfügung gestellt wird.
133Damit der Kanal seiner ihm zugedachten Funktion nachkommen, nämlich Oberflächenwasser sammeln und über die hohlen Vorsprünge in den Rohrabschnitt leiten kann, muss er in Längsrichtung Seitenwände aufweisen, die ein Volumen umschließen, in dem Oberflächenwasser aufgenommen werden kann, um es sodann zunächst den Vorsprüngen und von dort dem Rohrabschnitt zuzuführen. Für diesen Zweck kommt es – anders als die Beklagte meint – nicht darauf an, dass das Oberflächenwasser vor der vertikalen Ableitung über die hohlen Vorsprünge über eine mehr oder weniger lange Distanz horizontal im Kanal geleitet wird. Unter technischen Gesichtspunkten gibt es für eine derartige einschränkende Interpretation schon deshalb keinen Anlass, weil der Kanal patentgemäß lediglich dazu vorgesehen ist, das zu entsorgende Oberflächenwasser so aufzunehmen, dass es in die hohlen Vorsprünge und von dort in den Rohrabschnitt gelangt. Letzteres kann unmittelbar, nachdem das Oberflächenwasser den Kanal erreicht hat, geschehen, oder erst nach einem gewissen zeitlichen Verbleib (aufgrund einer horizontalen Strömung) im Kanal. Für die Zwecke der Erfindung des Klagepatents sind beide Varianten gleichermaßen geeignet und tauglich. Dass es dem Klagepatent nicht auf eine horizontale Strömung des Oberflächenwassers im Kanal ankommt, wird im Anspruchswortlaut auch daran deutlich, dass Patentanspruch 1 die Zahl der nebeneinander angeordneten hohlen Vorsprünge nicht begrenzt, was es zwanglos zulässt, dass der Drainagekanal-Abschnitt in Längsrichtung mit dicht beieinander liegenden Vorsprüngen versehen ist, die praktisch keine horizontale Strömung zulassen, sondern bewirken, dass aufgenommenes Oberflächenwasser augenblicklich von einem der vielen, dicht bei dicht platzierten Vorsprünge vertikal abgeführt wird.
134Die von der Beklagten zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung herangezogene Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar ist die Beschwerdeabteilung dort (zutreffend) davon ausgegangen, dass in der auch in der Beschreibung des Klagepatents erwähnten AU-B-733 AAK ein längslaufender Kanal im Sinne des Klagepatents offenbart ist. Dass dem so ist, zeigt bereits die nachfolgend verkleinert eingeblendete und der vorgenannten Schrift entnommene Figur 1:
135Schutzbereich und Offenbarungsgehalt sind aber nicht unmittelbar dasselbe. Dass nach Auffassung des EPA in der Entgegenhaltung ein längslaufender Kanal im Sinne des Klagepatents offenbart ist, bedeutet zunächst einmal nur, dass unter den Schutzbereich des Klagepatents auch eine Gestaltung fällt, wie sie in der Entgegenhaltung gezeigt ist. Dass eine derartige, durchgängige Gestaltung des Kanals, bei der das Wasser über eine gewisse Strecke horizontal geleitet wird, unter den Schutzbereich des Klagepatents fällt, heißt aber nicht im Umkehrschluss, dass unter den Schutzbereich des Klagepatents zwingend nur solche Ausgestaltungen fallen, bei denen der Kanal als ein durchgängiges, das Wasser über eine gewisse Strecke horizontal leitendes Bauteil ausgestaltet ist. Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäisches Patent geschützt ist und damit in seinen Schutzbereich fällt, ist gemäß Art. 69 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche. Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 160, 204, 209 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2007, 778, 779 – Ziehmaschinenzugeinheit; BGH, GRUR 2011, 313, 315 – Crimpwerkzeug IV; vgl. auch BGHZ 98, 12, 18 = GRUR 1986, 803 – Formstein). Dass das Oberflächenwasser, bevor es vertikal über die hohlen Vorsprünge abgeleitet wird, nach der technischen Lehre des Klagepatents nicht zwingend über eine mehr oder weniger lange Distanz horizontal im Kanal geleitet werden muss, hat der Senat bereits ausgeführt.
136Soweit das Klagepatent weiterhin verlangt, dass mit dem Kanal (in seinem eingebauten Zustand) in der zu entwässernden Oberfläche ein länglicher Ablaufschlitz bereitgestellt wird, ist dem Fachmann angesichts der damit beabsichtigten Leitungsdrainage einsichtig, dass der Ablaufschlitz in Längsrichtung betrachtet grundsätzlich durchgehend zu sein hat. In den allgemeinen Vorteilsangaben (Abs. [0012]) stellt die Klagepatentschrift ganz in diesem Sinne heraus, dass der Kanal „einen kontinuierlichen längslaufenden Schlitz definiert, welcher in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liegt“ (Anm.: Unterstreichung ist hinzugefügt). Zwar ist das Wort „kontinuierlich“ nicht ausdrücklich in den Patentanspruch übernommen worden. Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass eine in Längsrichtung durchgehende Aufnahmeöffnung vom Klagepatent nicht verlangt wird. Ihr Vorhandensein ergibt sich für den Durchschnittsfachmann hinreichend bereits aus der geforderten „längslaufenden Schlitz“-Form, die der Entwässerungskanal anspruchsgemäß bereitzustellen hat. Die Vokabel „kontinuierlich“ im Beschreibungstext stellt insofern für den Fachmann lediglich einen technischen Sachverhalt umschreibend klar, der sich ihm unter der gebotenen Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Erfindung (sic.: Leitungsdrainage) bereits deutlich erschließt. Dass der Kanal einen in der zu entwässernden Oberfläche liegenden längslaufenden Schlitz definieren soll, verlangt schon für sich genommen einen in Längsrichtung durchgehenden, nach oben offenen Aufnahmeraum, weil das Klagepatent erklärtermaßen das Konzept der Leitungsdrainage verfolgt. Folgerichtig stellt Unteranspruch 3 eine Ausführungsform unter Schutz, bei der der Kanal mehrteilig ausgebildet ist, nämlich sich aus in Längsrichtung aneinander anschließenden Kanalabschnitten zusammensetzt. Für eine derartige Erfindungsvariante verlangt Unteranspruch 3, dass die Kanalabschnitte im eingebauten Zustand des Drainagekanal-Abschnitts „den kontinuierlichen längslaufenden Schlitz (26) definieren“ (Anm.: Unterstreichung ist hinzugefügt). Die mehreren Kanalabschnitte sollen also nach der Formulierung des Unteranspruchs 3 denselben Ablaufschlitz bereitstellen, der nach dem Hauptanspruch des Klagepatents vorgesehen ist, nämlich einen kontinuierlichen längslaufenden Schlitz. Mit diesem längslaufenden Schlitz soll für den Fachmann erkennbar gewährleistet werden, dass das Oberflächenwasser über den Kanal vollständig gesammelt und alsdann mittels der hohlen Vorsprünge über den Rohrabschnitt abgeleitet werden kann, ohne dass es – in Längsrichtung des Rohrabschnitts betrachtet – zu einem Übertritt von Oberflächenwasser von der einen zu der anderen Seite des Drainagekanal-Abschnitts kommt.
137Solange dies gewährleistet ist, muss der Schlitz allerdings nicht zwingend durchgängig sein. Minimal ausgedehnte Stege zwischen den Längswänden des Kanals sind vielmehr ebenso zulässig wie minimale Unterbrechungen zwischen benachbarten Kanalabschnitten, wenn und soweit sie nicht zur Folge haben, dass es in einem irgendwie nennenswerten Umfang zu einem Übertritt von Oberflächenwasser auf die andere Seite des Kanals kommt. Dass dem so ist, bestätigt dem Fachmann Unteranspruch 2, der es ausdrücklich zulässt, dass der längslaufende Kanal zwischen zumindest einigen der Vorsprünge ausgespart ist, um das Durchgleiten eines Verstärkungsnetzes oder loser Stäbe durch den Kanal zu ermöglichen (vgl. auch Abschnitte [0015] und [0048] f.). Da Unteransprüche als rückbezogene Ansprüche definitionsgemäß spezielle Ausführungsvarianten des im Hauptanspruch nach allgemeinen Merkmalen umschriebenen Erfindungsgegenstandes betreffen, ist ein bestimmtes allgemeines Merkmal im Hauptanspruch so auszulegen, dass es auch die im Unteranspruch beschriebene bevorzugte Ausgestaltung erfasst (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, Patentgesetz, 9. Auflage, § 14 Rz. 26). Auf den konkreten Fall bezogen folgt daraus, dass der im Patentanspruch 1 genannte längslaufende Kanal nicht zwingend durchgehend im Sinne von unterbrechungsfrei sein muss, denn andernfalls ließe sich die im Unteranspruch 2 genannte besondere Ausgestaltung des Kanals nicht mit dem Hauptanspruch in Einklang bringen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der Kanal beliebig unterbrochen sein darf. Da das Klagepatent weder im Anspruch noch in der Beschreibung konkrete Vorgaben zu den Maßen der Zwischenräume macht, wird der Fachmann vor dem Hintergrund der Aufgabe des Klagepatents, die Vorteile einer Leitungsdrainage beizubehalten und die mit den Punktentwässerungssystemen verbundene Ineffektivität zu vermeiden, solche Zwischenräume als nicht mehr vom Klagepatent erfasst ansehen, die so groß sind, dass sie den Charakter der Leitungsdrainageanordnung zu einer Punktdrainageanordnung verändern. Dies wäre der Fall, wenn das Wasser, das sich in den Zwischenräumen verfängt, nicht mehr vertikal abgeführt wird, sondern den Kanal überströmt, so dass die Wasserabführung nur noch punktuell stattfindet.
138Dass nach Abschnitt [0053] der Klagepatentbeschreibung über dem Schlitz auch andere Fittings oder Gitter abgestützt werden können, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar liegt es auf der Hand, dass auch ein derartiges Gitter dazu führen kann, dass der Kanal punktuell überströmt wird, weshalb die Stege des Gitters nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Praxis zur Verhinderung eines solchen Überströmens beispielsweise ballig ausgebildet werden können. Jedoch kommt es darauf vorliegend nicht an. Denn die klagepatentgemäße Lösung soll nach der Klagepatentbeschreibung über dieselbe hohe hydraulische Kapazität und Effizienz wie die Systeme von K und J verfügen (vgl. Abschnitt [0014]). Zwar werden Schutzgitter, wie sie in Abschnitt [0053] erwähnt werden, auch bereits in der nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figur 1 von K gezeigt (vgl. Bezugsziffer (45); grate member).
139Allerdings finden sich diese Gitter nicht in den Hauptansprüchen der vorgenannten Schrift und sind demnach ebenso optional wie nach der technischen Lehre des Klagepatents. Somit ist dem Fachmann klar, dass es patentgemäß nicht darauf ankommt, ob der mit einem (lediglich optionalen) Gitter bedeckte Schlitz überströmt wird. Denn das Klagepatent knüpft gerade an die hydraulische Effizienz des Systems von K an, ohne auf das dort lediglich optional vorgesehene Gitter einzugehen. Um eine mit den Lösungen von K und J vergleichbare Effizienz zu erreichen, soll das Wasser klagepatentgemäß in den Schlitz eintreten und über die Vorsprünge in den Rohrabschnitt nach unten laufen (vgl. Abschnitt [0034 a. E.]). Indem ein grundsätzlich mögliches Gitter in den Klagepatentansprüchen keine Erwähnung findet und in Abschnitt [0053] lediglich als optional beschrieben wird, ist dem Fachmann klar, dass ein solches, über dem Schlitz angeordnetes Schutzgitter (vgl. Abschnitt [0053]; Anm.: Unterstreichung hinzugefügt) bei der Beurteilung des Vorliegens eines darunter liegenden, längslaufenden Schlitzes keine Berücksichtigung finden kann. Entscheidend für die Frage des Vorliegens eines längslaufenden Schlitzes ist vielmehr, ob der Schlitz unabhängig von einem solchen Gitter überströmt wird. Ist dies der Fall, wird das Wasser nicht mehr vollständig im längslaufenden Schlitz gesammelt, so dass es an der angestrebten gleichen Effektivität der Entwässerung wie bei K und J fehlt.
140Soweit Patentanspruch 1 schließlich verlangt, dass der längslaufende Schlitz in Benutzung in einer zu entwässernden Ebene liegt („lies in use in a surface to be drained“), bedeutet dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass der Schlitz exakt in einer Ebene mit der zu entwässernden Fläche liegen muss. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass er in einer zu entwässernden Fläche liegt, das heißt so in der zu entwässernden Fläche angeordnet ist, dass das Wasser in den Schlitz abfließen und von dort über die Vorsprünge abtransportiert werden kann. Anhaltspunkte für ein engeres Verständnis lassen sich weder der Formulierung des Patentanspruchs noch der Klagepatentbeschreibung entnehmen. Soweit sich in der für die Auslegung des Klagepatentanspruchs maßgeblichen englischen Fassung die Formulierung „in a surface“ findet, lässt sich diese nicht nur, wie die Beklagte meint, mit „in einer Oberfläche“, sondern auch entsprechend der eingetragenen Übersetzung des streitgegenständlichen Patentanspruchs mit „in einer Fläche“ übersetzen. Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an. Denn unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der im Anspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre (vgl. BGH, GRUR 2004, 844 – Dampferzeuger) ist dem Fachmann klar, dass die Anordnung des durch den längslaufenden Kanal geschaffenen Entwässerungsschlitzes „in der zu entwässernden Oberfläche“ dazu dient, dass die Längswände des Kanals, zwischen denen das Oberflächenwasser aufgenommen und gesammelt werden soll, im eingebauten Zustand des Drainagekanal-Abschnitts so positioniert sind, dass sie der ihnen zugedachten Aufnahme- und Sammelfunktion für das Oberflächen-Abwasser gerecht werden können. Diese Funktion wird nicht dadurch infrage gestellt, dass sich die Oberkante der Kanal-Seitenwände geringfügigst unterhalb des Oberflächenniveaus der zu entwässernden Fläche befindet. Der Schlitz liegt vielmehr erst dann nicht mehr in einer zu entwässernden Fläche, wenn er sich soweit über oder unterhalb dieser Fläche befindet, dass er seine Funktion, das Wasser abzuführen, nicht mehr erfüllen kann. Das durch die Beklagte vertretene, engere Verständnis dieses Merkmals ist demgegenüber weder unter Berücksichtigung der gewählten Formulierung des Patentanspruchs, der gerade nicht die Anordnung in einer Ebene fordert, noch unter funktionalen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Soweit die Beklagte meint, bei einem solchen weiten Verständnis wäre jede Einbausituation, die den längslaufenden Kanal unterhalb der zu entwässernden Oberfläche anordne, als „in der zu entwässernden Oberfläche gelegen“ anzusehen, gleichgültig, ob der Abstand nur wenige Millimeter oder einen halben Meter betrage, weil in diesem Fall der längslaufende Schlitz durch den den Drainagekanal-Abschnitt umgebenden Beton gebildet werde, vermag der Senat dem bereits deshalb nicht zu folgen, weil in einem solchen Fall der längslaufende Schlitz nicht mehr - wie von Patentanspruch 1 gefordert - durch den längslaufenden Kanal (als Bestandteil des Drainagekanal-Abschnittes), sondern durch den den Drainagekanal umgebenden Beton definiert würde.
1412.
142Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Ausführungsform II (Typ G) wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht.
143Dass diese Ausführungsform unter Berücksichtigung der vorstehenden Auslegung einen längslaufenden Kanal aufweist, der einen längslaufenden, in Benutzung in einer zu entwässernden Fläche liegenden Schlitz definiert, lässt sich anhand der nachfolgend eingeblendeten Abbildungen ohne Weiteres erkennen:
144Einer Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents stehen dabei auch nicht die in der vorstehenden Abbildung links und rechts zu sehenden, tieferliegenden Vorsprünge entgegen. Denn dort, wo sich diese Vorsprünge finden, weist der Kanal zwar eine geringere Tiefe auf, bildet dank der höher reichenden, durchgehenden Seitenwände aber gleichwohl den Rahmen für den Verlauf des Schlitzes in einer Linie, so dass der (kontinuierliche) Schlitz durch die Vorsprünge nicht unterbrochen ist. Eine bestimmte Mindesttiefe des Kanals gibt das Klagepatent nicht vor. Dass der Kanal zudem auch nicht durchgängig dieselbe Tiefe haben muss, erkennt der Fachmann bereits anhand der Figur 3 des Klagepatents nebst der zugehörigen Beschreibung, denn auch dort variiert die Tiefe des Kanals im Bereich der Zwischenbogenabschnitte (38). Wasser, das die Seitenwand überströmt hat, wird auch dort, wo sich die Vorsprünge befinden, nicht mehr nach oben aus dem Kanal heraus gelangen, sondern der Schwerkraft folgen und sich, bedingt durch das nachströmende Wasser, nach links oder rechts verteilen und weiter nach unten abfließen.
145Auch wenn es sich bei dem längslaufenden Kanal um kein selbstständiges Bauteil handelt, wird dieser bei der angegriffenen Ausführungsform II darüber hinaus durch die Vorsprünge abgestützt. Wie der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt hat, soll durch das Stützen des Kanals sichergestellt werden, dass der Kanal in der Praxis stets korrekt gegenüber dem Rohrabschnitt ausgerichtet ist, wodurch eine einfache Installation des Drainagekanal-Abschnittes in seiner Gesamtheit und in einem Schritt ermöglicht wird, ohne dass das Problem der Ausrichtung bzw. Anpassung des Kanals im Verhältnis zum Rohrabschnitt vor Ort auftritt. Dies ist jedoch unabhängig davon der Fall, ob es sich bei dem Kanal um ein selbstständiges Bauteil handelt. Nachdem Patentanspruch 1 nicht verlangt, dass der Kanal durchgängig im Sinne von unterbrechungsfrei ausgestaltet und mit einem Kanalbett versehen ist, ist das „Stützen“ vorliegend nicht im Sinne eines Abstützens eines (selbstständigen) Bauteils auf einem anderen, sondern funktional zu verstehen, indem sich der Kanal auf den Vorsprüngen abstützen, das heißt auf diesen gelagert sein soll. Dies ist jedoch bei der angegriffenen Ausführungsform II, wie sowohl die zur Akte gereichten Abbildungen als auch das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichte Muster erkennen lassen, der Fall.
1463.
147Unabhängig davon, ob der Abstand der Einlaufschlitze 1 cm oder 4,5 cm beträgt, macht die angegriffene Ausführungsform I (Typ F) unter Berücksichtigung der vorstehenden Auslegung von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.
148a)
149Dass es bei der Variante des Typs F, bei welcher die (zwischen 1 cm und 4,5 cm variierenden) Einlaufschlitze einen größeren Abstand haben, in einem erheblichen Umfang zu einem Überströmen des Kanals kommt, hat die Beklagte durch das als Anlage B 24 vorgelegte Privatgutachten gezeigt. Lediglich beispielhaft wird nachfolgend das auf Seite 39 des Privatgutachtens eingeblendete Foto 23 verkleinert wiedergegeben, welchem sich das Überströmen ohne Weiteres entnehmen lässt.
150Nachdem das Wasser somit lediglich punktuell, nämlich im Bereich der Schlitze, nicht jedoch zwischen den Schlitzen und damit nicht im Wege einer Leitungsdrainage im Sinne des Klagepatents abgeführt wird, fehlt es bei dieser Ausführungsform an einem längslaufenden Schlitz im Sinne der durch das Klagepatent beanspruchten technischen Lehre.
151Das durch die Beklagte vorgelegte Privatgutachten hatte der Senat bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin insoweit auf Verspätungsrecht. Bei der Behauptung, zwischen den Einlauftrichtern einströmendes Wasser werde nicht abgeführt, sondern überströme die Rinne, handelt es sich nicht um ein neues, erstmalig in der zweiten Instanz in den Prozess eingeführtes Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO. Vielmehr hat die Beklagte auf diesen Umstand bereits erstmalig in der Klageerwiderung, dort auf Seite 29 unten, hingewiesen. Ihr diesbezügliches Vorbringen hat die Beklagte nunmehr lediglich – auf eine, sich gerade auf das Verhalten des Wassers zwischen den Einlauftrichtern befassende Hinweisverfügung des Senats – konkretisiert und ergänzt. Darüber hinaus scheidet auch eine Zurückweisung des Vorbringens nach § 296 ZPO aus, da es insoweit bereits an der erforderlichen Verzögerung des Rechtsstreits fehlt (vgl. BGH NJW 2012, 2808; BGHZ 86, 31, 34 = NJW 1983, 575; Musielak, ZPO, 11. Auflage, Rz. 13). Die Sache ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung des Privatgutachtens der Beklagten entscheidungsreif.
152Darüber hinaus kam die Gewährung eines Schriftsatznachlasses für die Klägerin nicht in Betracht. Soweit die Klägerin schriftsätzlich einen solchen mit der Begründung beantragt hat, sie könne in der Kürze der Zeit nicht umfassend zu dem durch die Beklagte vorgelegten Privatgutachten vortragen, scheidet ein Schriftsatznachlass bereits deshalb aus, weil die Beklagte das Privatgutachten bereits mit Schriftsatz vom 10. September 2014 und damit knapp einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat. Konkrete Gründe, weshalb es der Klägerin gleichwohl nicht möglich gewesen sein soll, zu der bereits in der Klageerwiderung erstmalig aufgeworfenen Frage des Strömungsverhaltens zwischen den Einlaufschlitzen substantiiert Stellung zu nehmen, und, soweit die Klägerin dies für erforderlich hält, ein eigenes Privatgutachten vorzulegen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Darüber hinaus bedurfte es auch im Hinblick auf die durch Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Flächenberechnung keiner weiteren Stellungnahme der Klägerin, weil das Urteil des Senats nicht auf dieser Berechnung beruht, so dass diese nicht entscheidungserheblich war.
153b)
154Die vorstehenden Ausführungen zu einem unzulässigen Wasserübertritt über den Längsschlitz hinweg gelten für die Ausführungsform des Typs F in gleicher Weise, soweit die Einlauftrichter einen Abstand von lediglich 1 cm haben. Dass es auch bei dieser Ausgestaltung zwischen den Einlaufschlitzen zu einem Überströmen kommt, und zwar unabhängig von der Menge des Abwassers, lässt sich anhand der auf Seite 4 der durch die Klägerin als Anlage K 23 vorgelegten Fotografien zu findenden Abbildung erkennen und wird auch von der Klkägerin nicht bestritten (Anlage K 23, S. 6):
155c)
156Darüber hinaus kann sich die Klägerin zur Begründung einer Verletzung des Klagepatents auch nicht mit Erfolg auf die Werbung der Beklagten berufen.
157Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass auch eine Werbeaussage des vermeintlichen Verletzers ein Indiz für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre darstellen kann (vgl. Senat, Urt. v. 6. Juni 2013, Az.: I-2 U 112/11, Ziff. II. 2. a) dd)). Allerdings beziehen sich die durch die Klägerin insoweit herangezogenen Werbeaussagen der Beklagten (vgl. Anlage K 8, S. 3, Anlage K 33) alle auf die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform nach der für die Linienentwässerung geltenden DIN EN 1433 getestet wurden. Die DIN, welche in der Klagepatentschrift keine Erwähnung gefunden hat, ist weder der richtige Maßstab für die Auslegung des Klagepatents noch für die anschließende Beurteilung der Verletzungsfrage. Gemäß Art. 69 EPÜ ist der Inhalt der Patentansprüche maßgebend für den Schutzbereich eines Patents, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Da „Inhalt“ nicht „Wortlaut“ bedeutet, sondern „Sinngehalt“, kommt es insoweit darauf an, welchen Sinngehalt der von einem Patent angesprochene Durchschnittsfachmann einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff unter Berücksichtigung des gesamten Offenbarungsgehalts der Patentschrift beimisst. Insoweit ist eine Patentschrift im Hinblick auf die in ihr gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon; ergibt der Gesamtzusammenhang der Schrift, dass ein in ihr benutzter Begriff ausnahmsweise in einem anderen, z. B. einem engeren Sinne zu verstehen ist, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, so ist dieser Sinn maßgebend (vgl. dazu BGH, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube).
158Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die zur Akte gereichte Werbung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs beschreibt, so dass die Werbung der Beklagten auch unter diesem Gesichtspunkt kein patentverletzendes Angebot darstellt.
159d)
160Von den nicht wortsinngemäß verwirklichten Merkmalen des Klagepatents macht die angegriffene Ausführungsform I auch nicht mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.
161(1)
162Damit eine vom Wortsinn eines Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine im Prioritätszeitpunkt gegebenen Fachkenntnisse den Fachmann befähigt haben, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch (Gleichwertigkeit) erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (st. Rspr. des BGH; vgl. BGHZ 150, 161 ff. = GRUR 2002, 511 ff. – Kunststoffhohlprofil; BGHZ 150, 149 ff. = GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II; GRUR 2007, 410, 415 f. – Kettenradanordnung; GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung, GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallzeitmessgerät; GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH, GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV; vgl. auch Senat, Urteil v. 7. November 2013, Az. I-2 U 29/12 – WC-Sitzgarnitur).
163(2)
164Ausgehend von diesen Voraussetzungen stellt die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Lösung, beabstandete Einlauftrichter vorzusehen, keine Verwirklichung der durch das Klagepatent beanspruchten technischen Lehre mit äquivalenten Mitteln dar.
165Eine derartige Lösung ist gegenüber der technischen Lehre des Klagepatents, nach welcher in Längsrichtung des Rohrabschnitts gesehen lediglich solche Unterbrechungen des längslaufenden Schlitzes zulässig sind, bei denen es praktisch nicht zu einem Übertritt von Oberflächenwasser von der einen zur anderen Seite des Drainagekanal-Abschnitts kommt, bereits nicht gleichwirkend. Denn die Gleichwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann zu bejahen, wenn durch die gewählte technische Gestaltung nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt wird, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, GRUR 2011, 313, 318 – Crimpwerkzeug IV; GRUR 2012, 1122, 1123 – Palettenbehälter III). Daran fehlt es ersichtlich, weil die deutlichen Abstände zwischen den Einlauftrichtern zu einem nenneswerten Wasserübertritt führen, den das Klagepatent nicht billigt.
166Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, weshalb es für den Fachmann am Prioritätstag naheliegend gewesen sein sollte, anstelle eines längslaufenden, durch einen Kanal gebildeten Schlitzes beabstandete Einlauftrichter einzusetzen. Irgendwelche konkreten Anregungen (Druckschriften, Fachbücher, Prospekte), die der vorbekannte Stand der Technik dem Fachmann für eine solche Abwandlung hätte an die Hand geben können, hat die Klägerin jedenfalls nicht aufgezeigt. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der als Anlagen K 41 bis K 43 vorgelegten Werbematerialien. Auch wenn die Durchlässe zum Rohrabschnitt bei den dort gezeigten Betonschlitzrinnen voneinander beabstandet sind, verfügen die Rinnen gleichwohl über einen über den eigentlichen Durchlässen liegenden, durchgängigen Längsschlitz. Eine Anregung dafür, stattdessen voneinander beabstandete Einlauftrichter einzusetzen, bieten diese Gestaltungen dem Fachmann somit nicht.
167Beide Fragen können aber sogar auf sich beruhen. In jedem Fall fehlt es nämlich an der erforderlichen Gleichwertigkeit. Sie verlangt, dass die Überlegungen, die der Fachmann zum Auffinden eines äquivalenten Ersatzmittels anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung (Verwendung beabstandeter Einlauftrichter) mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lösung (Vorsehen eines längslaufenden Schlitzes, bei dem es zu keinem Übertritt von Oberflächenwasser von der einen zur anderen Seite des Drainage-Kanalabschnitts kommt) als gleichwertige Alternative in Betracht zieht. Eine „Orientierung am Patentanspruch“ setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet. Es ist insofern nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens die abgewandelte Lehre als technisch sinnvoll und in gleicher Weise zielführend wie die im Patentanspruch formulierte Anweisung erkennt. Es reicht auch nicht aus, die Gleichwertigkeit isoliert für das abgewandelte Mittel festzustellen; vielmehr muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung). Bei allem ist der Schutzrechtsinhaber an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil). Die vom Patent gegebene technische Lehre muss von ihm als sinnhaft hingenommen und darf bei der Suche nach einem gleichwirkenden Ersatzmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden. Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGH, a.a.O., S. 705 Tz. 35 - Okklusionsvorrichtung m.w.N.; Senat, Urteil v. 13. September 2013, Az. I-2 U 25/13 - Drospirenon; Senat, Urt. v. 17. Juli 2014, Az.: I-2 U 11/14).
168Im Streitfall vermittelt das Klagepatent dem Fachmann die Einsicht, dass eine Punktentwässerung einen zu niedrigen hydraulischen Wirkungsgrad aufweist, weshalb eine mit einer höheren Kapazität und Effizienz ausgestattete Leitungsdrainage, wie sie aus dem Stand der Technik (K, J) bekannt ist, insoweit als vorteilhaft angesehen wird. Um ein vergleichbares hydraulisches Leistungspotential bereitzustellen, soll ein durch den Kanal gebildeter längslaufender Schlitz bereitgestellt werden, der nur insoweit unterbrochen sein darf, als es nicht zu einem Übertritt von Oberflächenwasser auf die andere Seite kommt. Dies stellt sicher, dass das Oberflächenwasser über den Kanal vollständig gesammelt und alsdann mittels der hohlen Vorsprünge über den Rohrabschnitt abgeleitet werden kann. Von dieser konkreten Gestaltung löst sich die angegriffene Ausführungsform signifikant, indem die Einlauftrichter beabstandet angeordnet sind, so dass das Wasser nicht vollständig über den Kanal abgeführt wird, sondern den Bereich zwischen den Schlitzen überströmen kann.
1694.
170Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung durch die angegriffene Ausführungsform II (Typ G) zur Unterlassung, zur Vernichtung, zum Rückruf, zur Herausgabe der Bereicherung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, auch zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihrer Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
1715.
172Nachdem die technische Gestaltung der angegriffenen Ausführungsformen und insbesondere der Abstand der Einlaufschlitze bei der angegriffenen Ausführungsform I („Typ F“) nunmehr unstreitig ist, scheidet die von der Klägerin hilfsweise beantragte bzw. angeregte Vorlageverpflichtung von vornherein aus, da es im Hinblick auf die entscheidungsrelevanten Tatsachen keiner weiteren Aufklärung des Sachverhaltes bedarf (zu den Voraussetzungen einer solchen Anordnung vgl. BGH, GRUR 2013, 316 – Rohrmuffe).
173III.
174Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
175Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
176Soweit die Beklagte die Gewährung von Vollstreckungsschutz beantragt hat, hat bereits das Landgericht mit einer vollumfänglich zutreffenden Begründung festgestellt, dass ein solcher hier allenfalls in Bezug auf die Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung sowie zum Rückruf (und zusätzlich auch hinsichtlich der Vernichtung), nicht aber im Hinblick auf die Ansprüche auf Schadenersatz und Herausgabe der Bereicherung, die Verpflichtung zur Rechnungslegung sowie die Kostengrundentscheidung in Betracht kommt (vgl. Senat, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; GRUR 21979. 188 – Flachdachabläufe). Hinsichtlich des Unterlassungstitels (und der übrigen Ansprüche) gilt jedoch, dass im Rahmen der nach § 712 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel von einem überwiegenden Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich begrenzten Anspruchs auszugehen ist (Senat, Urt. v. 10. Juli 2009 - I-2 U 23/08 = BeckRS 2010, 21820; Senat a. a. O.). Grundsätzlich ist deshalb ein erweiterter Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO in Patentstreitigkeiten zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die im Einzelnen vorzutragen und nach § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind.
177Dass der Beklagten durch die Vollstreckung dieses Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil droht, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Dies wäre jedoch gemäß § 712 ZPO Voraussetzung dafür, der Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden. Allein die nach dem Tenor notwendige Einstellung des Angebots und Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform II in der Bundesrepublik Deutschland reicht insoweit nicht, weil es sich hierbei um die normale Folge einer Unterlassungsvollstreckung handelt (Senat, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rz. 2040). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch die Vollstreckung des Rechnungslegungsanspruchs das Bekanntwerden von Geschäftsgeheimnissen droht, hat die Beklagte schließlich ebenfalls nicht vorgetragen (vgl. Senat, a. a. O.; Kühnen, a. a. O., Rz. 2038).
178Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
179Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 17. Oktober 2014 sowie vom 23. Oktober 2014, welche lediglich Rechtsansichten wiedergeben, bieten für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung (§§ 296a, 156 ZPO). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die als Anlagen K 48 und K 49 vorgelegten Privatgutachten. Die dort vorgenommene Abgrenzung zwischen einer Linien- und einer Punktentwässerung erfolgt unter Heranziehung technischer Normen (DIN 19580; DIN EN 1433; RAS-Ew), die in der Klagepatentschrift keine Erwähnung gefunden haben. Dass diese vor diesem Hintergrund weder den richtigen Maßstab für die Auslegung des Klagepatents noch für die anschließende Beurteilung der Verletzungsfrage darstellen, hat der Senat bereits ausgeführt. Im Übrigen bestätigt auch der durch die Klägerin nunmehr beauftragte Privatgutachter, dass das Wasser ohne einen Ablaufrost – und allein darauf kommt es bei der Beurteilung der Verletzungsfrage an – zwischen den linienförmig angeordneten länglichen Öffnungen hindurchläuft (vgl. Anlage K 49, S. 6 oben).
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(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.
(1) Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins sowie die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen. Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstandes aufgeben und hierfür eine Frist setzen. Es kann auch die Duldung der Maßnahme nach Satz 1 aufgeben, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist.
(2) Dritte sind zur Vorlegung oder Duldung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Die Vorschriften, die eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstand haben, sind entsprechend anzuwenden.
Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.
(1) Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, oder eines Verfahrens, das Gegenstand des Patents ist, in Anspruch genommen werden, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung, erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen. Soweit der vermeintliche Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(3) Die Verpflichtung zur Vorlage einer Urkunde oder zur Duldung der Besichtigung einer Sache kann im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden. Das Gericht trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen wird.
(4) § 811 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie § 140b Abs. 8 gelten entsprechend.
(5) Wenn keine Verletzung vorlag oder drohte, kann der vermeintliche Verletzer von demjenigen, der die Vorlage oder Besichtigung nach Absatz 1 begehrt hat, den Ersatz des ihm durch das Begehren entstandenen Schadens verlangen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.
(1) Anträge nach den §§ 710, 711 Satz 3, § 712 sind vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht.
(2) Die tatsächlichen Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.
(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn
- 1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt, - 2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder - 3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.