Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 12. Juni 2015 - I-16 U 26/15
Gericht
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Kläger gegen das am 23.12.2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird als unzulässig verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungs- und des Wiedereinsetzungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungs- und Wiedereinsetzungsverfahren wird auf jeweils 13.546,09 € festgesetzt.
1
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
3BESCHLUSS
4G r ü n d e :
5I.Die Kläger begehren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Das ihre Klage abweisende Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23.12.2014 wurde ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.01.2015 zugestellt. Hiergegen wurde am 05.02.2015 fristgerecht Berufung erhoben. Die am 05.03.2015 auslaufende Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis zum 02.04.2015 verlängert. Mit Schreiben des Senats vom 07.04.2015, zugestellt am 08.04.2015, wurden der Prozessbevollmächtige der Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung erst am 07.04.2015 begründet worden ist, die Berufungsbegründungsfrist indes nach Verlängerung bereits am 02.04.2015 abgelaufen war.
6Mit am 17.04.2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage beantragen die Kläger die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und führen dazu aus, dass die bis dahin stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte D… B… im Büro der Prozessbevollmächtigten es versäumt habe, die Erledigung der für den 02.04.2015 im Handkalender notierten Berufungsbegründungsfrist nachzuhalten. Am 02.04.2015 habe sie die Berufungsbegründung an das OLG Düsseldorf gefaxt und im Fristenbuch vermerkt, dass die Berufungsbegründungsfrist erledigt sei. Entgegen ihrer üblichen Handhabung habe sie jedoch nicht anhand des Sendeberichtes überprüft, ob der Schriftsatz auch tatsächlich vollständig und erfolgreich an das OLG übermittelt worden sei und diesen auch nicht abgezeichnet. Daher habe Frau Rechtsanwältin M… erst am darauffolgenden Freitag, den 03.04.2015 (Karfreitag) den Sendebericht mit der Fehlermeldung „No Ans“ im Faxgerät vorgefunden und eine Auszubildende angewiesen, den Schriftsatz erneut an das OLG Düsseldorf zu faxen.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Wiedereinsetzungsgesuchs wird auf den Schriftsatz vom 17.04.2015 Bezug genommen.
8II.Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Frist des § 520 Abs.2 ZPO begründet worden ist. Diese lief nach Verlängerung der zweimonatigen Frist seit Zustellung des in vollständiger Form abgefassten landgerichtlichen Urteils am 02.04.2015 ab. Erst am 07.04.2015 ging der Schriftsatz, mit dem die Berufung begründet wurde, bei Gericht ein.
9III.
10Der gegen die damit erfolgte Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellte Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, aber nicht begründet. Nach § 233 ZPO ist einer Partei dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Notfrist einzuhalten. Die Kläger haben indes nicht ausreichend darlegen und glaubhaft machen können, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Fristversäumnis verschuldet hat. Dessen Verschulden ist den Klägern zuzurechnen ( §§ 233, 85 ZPO).
111.
12Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts verlangt in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb durch entsprechende Organisation des Fristenwesens in seiner Kanzlei dafür zu sorgen, dass durch Vermeidung von Fehlerquellen ein Fristversäumnis ausgeschlossen ist (BGH, Beschl. v. 15.04.2008 - VI ZB 29/07 - JurBüro 2009, 54, 55; BGH, Beschl. v. 10.10.1991 - VII ZB 4/91 - NJW 1992, 574, m.w.N.). Es ist weder ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben noch allgemein üblich (BGH, Beschl. v. 09.12.2009 - XII ZB 154/09 - MDR 2010, 400). Es steht dem Rechtsanwalt grundsätzlich frei, wie er seine Fristenkontrolle gestaltet (BGH, Beschl. v. 15.04.2008 - VI ZB 29/07 - JurBüro 2009, 54, 55; BGH, Beschl. v. 25.03.1992 - XII ZR 268/91 - FamRZ 1992, 1058). Es muss nur gewährleistet sein, dass sämtliche organisatorischen Maßnahmen so beschaffen sind, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs bei Anlegung eines äußersten Sorgfaltsmaßstabes die Einhaltung der anstehenden Frist von der Eintragung bis zur Ausgangskontrolle gesichert ist (BGH, Beschl. v. 26.08.1999 - VII ZB 12/99 - NJW 1999, 3783). Danach ist ein Rechtsanwalt zwar grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen zur selbstständigen Erledigung seinem geschulten Personal zu übertragen; hierzu gehört auch die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes mittels eines Telefaxgerätes. Der Rechtsanwalt hat jedoch durch konkrete oder allgemeine Weisungen sicherzustellen, dass diese einfachen Verrichtungen korrekt und vollständig ausgeführt werden. Die Weisungen müssen deutlich und vollständig sein und sich beim Telefaxversand auf die Kontrolle des Sendeberichts beziehen (BGH, Beschl. v. 20.10.2009 - VIII ZB 97/08). Es ist dabei nicht nur zu überprüfen, ob die Übersendung überhaupt stattgefunden hat, sondern auch, ob sie an den richtigen Empfänger erfolgt ist und ob die Anzahl der bestätigten Seiten mit den tatsächlich ins Faxgerät eingelegten Seiten übereinstimmt (BGH, Beschl. V. 31.3.2010 – XII ZB166/09 – Rn. 9 m. w. N., juris; BGH, Beschl. v. 14.05.2008 - XII ZB 34/07). Bei der Übermittlung per Telefax kommt der Rechtsanwalt seinen organisatorischen Verpflichtung daher nur dann nach, wenn er seiner Büroangestellten die Weisung erteilt, den Versand des Schriftsatzes abzuwarten, sich einen Sendebericht ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen ( BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - VIII ZB 128/06 - juris; vom 16. Juni 1998 - IX ZB 13/98, IX ZB 14/98 - VersR 1999, 996; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515).
132.
14Nach dem Vorbringen der Kläger ist jedoch nicht feststellbar, dass eine effektive Ausgangskontrolle im oben genannten Sinne bestand. So hat der Kläger lediglich dargetan, dass die im Büro für die Fristennotierung und Kontrolle zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte B… allgemein angewiesen gewesen sei, bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze vorab per Telefax die in dem Sendebericht ausgewiesene Faxnummer nach Ausdruck noch einmal anhand eines aktuellen Verzeichnisses auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen. Zudem sei sie angewiesen gewesen sicherzustellen, dass die Übertragung entsprechend der angewiesenen Seitenzahl vollständig und erfolgreich geschehen ist. Ob überhaupt und wenn ja, welche Anweisungen dazu bestanden, wie sie die erfolgreiche und vollständige Übertragung habe sicherstellen sollen, ist dem Vorbringen dagegen nicht zu entnehmen. Es ist insbesondere nicht dargetan, dass es eine klare allgemeine oder individuelle Anweisung dahingehend gab, die erfolgreiche Übersendung eines Schriftstückes per Fax abzuwarten, eine erfolgte Kontrolle des Sendeprotokolls durch entsprechende Abzeichnung zu dokumentieren und das Sendeprotokoll zum Nachweis und möglicher Überprüfung rechtzeitiger Übersendung abzulegen oder direkt zu den Akten zu nehmen, bevor die Fristen im Fristenbuch ausgetragen werden. Das Bestehen hinreichender Anweisungen ist auch nicht glaubhaft gemacht. So lässt sich den Ausführungen der Rechtsanwaltsfachangestellten B… in der Eideststattlichen Versicherung vom 17.04.2015 nicht entnehmen, welche Anweisungen zur Vorgehensweise bei der allgemeinen Anordnung einer Kontrolle der ausgehenden Schriftsätze bestanden haben. Insoweit hat sie lediglich ausgeführt, sie achte darauf, ob die Übertragung entsprechend der ausgewiesenen Seitenzahl vollständig und erfolgreich geschehen sei. Zu den dahingehenden Anweisungen verhält sich die Eidesstattliche Versicherung nicht. Vor dem Hintergrund ihrer Ausführungen, sie habe am 02.04.2015, bevor sie das Büro verlassen habe, kontrolliert, dass alle Fristen als erledigt gekennzeichnet waren und dass alle Faxberichte eine vollständige und erfolgreiche Übertragung ausgewiesen hätten ist nicht erklärlich, wie sich dann am Tag nach Fristablauf ein Sendebericht im Faxgerät befinden konnte, dem nicht nur eindeutig zu entnehmen war, dass die Übertragung nicht funktioniert hatte, sondern auch, dass die Übertragung nach kurzer Zeit abgebrochen worden war. Der Umstand, dass das Sendeprotokoll noch am Folgetag von einer anderen Person zufällig im Faxgerät vorgefunden wurde, belegt vielmehr, dass eine abschließende Kontrolle des Fristenkalenders anhand der entsprechend abgelegten Sendeberichte organisatorisch offenkundig nicht vorgesehen war. Hinzu kommt, dass es an jeglichem Vortrag zur Durchführung einer gebotenen regelmäßigen Kontrolle der im April 2015 erst seit nicht einmal einem Jahr für die Fristenkontrolle zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten fehlt, sowie dazu, wie im Betriebsablauf sichergestellt wurde, dass es auffällt, wenn am Abend ein Sendebericht im Gerät verbleibt, der augenscheinlich ein fristgebundenes Schriftstück betrifft, dessen Übertragung ganz offensichtlich nicht funktioniert hat.
15IV.
16Die Kostenentscheidung folgt betreffend des Antrags auf Wiedereinsetzung aus § 91 Abs. 1 ZPO, betreffend der Verwerfung der Berufung aus 97 Abs. 1 ZPO.
17D… S… O…
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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.