Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 04. Dez. 2006 - L 9 SO 19/06
Gericht
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Übernahme ungedeckter Heimkosten durch den Beklagten.
- 2
Die am … 1921 geborene Klägerin befand sich im Februar 2003 in Kurzzeitpflege und lebt seit dem 19. März 2003 in der DRK-Seniorenwohnanlage in B.. Bereits am 24. Januar 2003 hatte die Schwester der Klägerin, Frau K., einen Betrag von 3.410,00 EUR in eine Stiftung zwecks „Pflege der Grabstätte 14/9 n.H. (H.)“ eingezahlt. Und am 27. Januar 2003 erfolgte die Wertstellung von 5.000,00 EUR zugunsten eines Bestattungsvorsorgetreuhandvertrages. Diese Beträge stammen von einem Sparbuch der Klägerin.
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Am 24. März 2003 stellte diese einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten bei dem Beklagten, welcher mit Bescheid vom 21. Mai 2003 abgelehnt wurde wegen vorhandenen Vermögens der Klägerin. Als Vermögen wurden die Beträge der Stiftung für die Grabpflege und des Bestattungsvorsorgevertrages angesehen.
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Am 28. Juni 2004 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Dieser wurde mit Bescheid vom 10. August 2004 abgelehnt mit der Begründung, die Beträge aus dem Bestattungsvorsorgevertrag und der Stiftung für die Grabpflege seien als Vermögen anzusehen, welches zur Deckung des Lebensunterhaltes einzusetzen sei. Dagegen legte die Klägerin am 15. August 2004 Widerspruch ein.
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Auf Betreiben der Betreuerin der Klägerin genehmigte das Amtsgericht Husum am 18. August 2004, den Bestattungsvorsorgevertrag auf einen Betrag von 2.800,00 EUR herabzusetzen.
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Am 7. Januar 2005 ging bei dem Verwaltungsgericht Schleswig ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage mit dem Ziel der Übernahme der ungedeckten Heimkosten der Klägerin durch den Beklagten ein, der mit Beschluss vom 24. Januar 2005 an das Sozialgericht Schleswig verwiesen wurde. Dieses lehnte mit Beschluss vom 9. März 2005 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Auf die Beschwerde der Klägerin wurde der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. März 2005 abgeändert und der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. O., B., bewilligt (Beschluss vom 11. August 2005 - L 9 B 75/05 SO PKH).
- 7
Bereits am 8. April 2005 hatte die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten gestellt (S 11 SO 78/05 ER), der mit Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 28. April 2005 abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei nicht ersichtlich, denn es sei der Antragstellerin zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Auf die Beschwerde der Antragstellerin (L 9 B 109/05 SO ER) wurde der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 28. April 2005 geändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Hilfe zur Pflege ohne Anrechnung von Vermögen zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Anordnungsgrund gegeben sei und auch ein Anordnungsanspruch, denn bei der gebotenen Folgenabwägung sei das Interesse der Antragstellerin daran, dass die begehrte einstweilige Anordnung zu ihren Gunsten erlassen wird, gegenüber dem Interesse des Antragsgegners vorrangig.
- 8
Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das erkennende Gericht hat die Klägerin am 5. September 2005 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Während des Klageverfahrens ist der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 zurückgewiesen worden.
- 9
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, Bestattungsvorsorgeverträge seien der angemessenen Alterssicherung zuzurechnen und somit nicht als Vermögen anzusehen. Außerdem sei der Bestattungsvorsorgevertrag bereits auf 2.800,00 EUR reduziert worden. Dessen Einsatz stelle eine besondere Härte dar. Das gelte auch für die Stiftung zwecks Grabpflege. Außerdem könnten Bestattungsvorsorgevertrag und die Stiftung nicht rückgängig gemacht werden.
- 10
Die Klägerin hat beantragt,
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„den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 der Klägerin Hilfe in Form zur Übernahme der ungedeckten Heimkosten der DRK-Seniorenwohnanlage Straße 5 in B. zu gewähren.“
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Der Beklagte hat beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Er meint, der Grabpflegevertrag und das Stiftungsvermögen seien nicht geschont und zu verwerten. Die Verwertung stelle auch keine besondere Härte dar. Im Übrigen gewährleisteten die rechtlichen Bestimmungen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und im Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), dass ein Verstorbener menschenwürdig beerdigt werde. Dafür sei ein gesonderter Vermögensbetrag neben dem so genannten Schonbetrag nicht erforderlich.
- 15
Das Sozialgericht Schleswig hat mit Urteil vom 7. Juli 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bestattungsvorsorgevertrag und das in die Stiftung eingezahlte Geld seien als Vermögen anzusehen und zu verwerten. Der Bestattungsvorsorgevertrag sei jederzeit kündbar, und die Ausstattung der Stiftung sei als Schenkung anzusehen, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Rückgewähr des Geschenkten wegen Notbedarfs oder Verarmung geltend machen könne. Der Einsatz dieser Vermögenswerte stelle auch keine Härte dar, zumal die Klägerin erst in Ansehung der vollstationären Heimunterbringung sowohl den Bestattungsvorsorgetreuhandvertrag wie auch den Vertrag zur Errichtung einer Stiftung zur Dauergrabpflege abgeschlossen habe. Das Urteil ist der Klägerin am 19. Oktober 2006 zugestellt worden.
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Diese hat am 10. November 2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Verträge seien erst kurz vor Heimaufnahme abgeschlossen worden, denn erst bei Eintreten der Pflegebedürftigkeit werde die Sorge um Bestattung und Grabpflege in den Vordergrund gerückt. Im Übrigen lasse die Reduzierung des Bestattungsvorsorgevertrages nicht den Schluss zu, dass dieser insgesamt aufgelöst werden könnte. Ebenso könne die Stiftungserrichtung nicht rückgängig gemacht werden. Die Stiftung betreffe das Grab ihres verstorbenen Ehemannes und solle gewährleisten, dass sie auch auf dieser Grabstätte beigesetzt werden könne. Außerdem gehöre die nach eigenen Vorstellungen auszurichtende Bestattung und die spätere Grabpflege zur Religionsfreiheit, wohingegen eine vom Sozialamt ausgerichtete Bestattung die Religionsfreiheit verletze.
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Die Klägerin beantragt,
- 18
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 zu verurteilen, ihr - der Klägerin - Hilfe in Form der Übernahme der ungedeckten Heimkosten in der DRK-Seniorenwohnanlage, Straße 5, in B. zu gewähren.
- 19
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 21
Er beruft sich darauf, dass der Bestattungsvorsorgevertrag ein Werkvertrag mit besonderer Ausgestaltung sei, auf den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf die Beendigung des Vertrages anzuwenden seien, so dass die Klägerin diesen Vertrag kündigen könne. Die Stiftung müsse als Schenkung angesehen werden, so dass die Klägerin einen Rückgewähranspruch habe. Da Bestattungs- und Grabpflegeverträge nicht zum so genannten Schonvermögen gehörten, seien sie zu verwerten. Auf die Religionsfreiheit könne die Klägerin sich nicht berufen, denn die Grundrechte gewährleisteten lediglich Schutz vor staatlichen Eingriffen, um die es hier jedoch nicht gehe. Die Religionsfreiheit gewähre jedenfalls keinen Anspruch auf eine finanzielle Gewährleistung der beabsichtigten Religionsausübung. Außerdem sei bei einer vom Sozialamt veranlassten bzw. bezahlten Beerdigung die Menschenwürde gewahrt.
- 22
In der mündlichen Verhandlung ist ihr Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt worden.
- 23
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Beiakten sowie die Akten in den Verfahren L 9 B 75/05 SO PKH und L 9 B 109/05 SO ER Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
- 25
Das Sozialgericht Schleswig hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihr Vermögen in Form des Bestattungsvorsorgevertrages sowie der Stiftung zur Grabpflege zu verwerten, und dass sie so lange keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten durch den Beklagten hat. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit und hinsichtlich der Kündigung des Vertrages und des Rückgewähranspruches gegen die Stiftung gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.
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Zusätzlich ist auszuführen:
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Zum verwertbaren Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG, der zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides vom 10. August 2004 galt, bzw. § 90 Abs. 1 SGB XII, welcher bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 26. April 2006 galt, gehört jeder Vermögensgegenstand, der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tatsächlich verwertet werden kann und damit grundsätzlich geeignet ist, der bestehenden Hilfebedürftigkeit zu begegnen. Hierunter fallen auch Mittel für Bestattungsvorsorgeverträge, denn diese sind nicht in der Aufzählung verschonter Vermögensgegenstände in § 88 Abs. 2 BSHG bzw. § 90 Abs. 2 SGB XII genannt. Ihre Verschonung ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 88 Abs. 3 BSHG/§ 90 Abs. 3 SGB XII möglich, wobei nur unmittelbar Satz 1 und nicht Satz 2 dieser Norm einschlägig ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84/02).
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Nach § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG/§ 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII bedeutet der Vermögenseinsatz bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen eine Härte vor allem, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Eine Härte im Sinne dieser Vorschrift ist schon deshalb zu verneinen, weil nach ihr Vermögen nur dann der Verschonung unterliegen kann, wenn es um die Deckung eines Bedarfs geht, welchen der Hilfesuchende noch zu seinen Lebzeiten hat. Denn sowohl die "angemessene Lebensführung" als auch die "angemessene Alterssicherung" finden begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann daher weder unter den Begriff "angemessene Lebensführung" noch unter den Begriff Aufrechterhaltung einer "angemessenen Alterssicherung" subsumiert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass der Lebensabschnitt "Alter" auch den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall umfasse, überdehnt den Gesetzeswortlaut (Hauck/Noftz/Lücking, Kommentar zum SGB XII, § 90, Rn. 73; anderer Ansicht: Spranger NVwZ 2001, S. 877).
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Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG/§ 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen, der Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift zielt auf atypische Fälle, die nicht von § 88 Abs. 2 BSHG/§ 90 Abs. 2 SGB XII erfasst, aber unter wertenden Gesichtspunkten mit diesen Fällen vergleichbar sind (vgl. VerwGE 92, S. 254). Dabei ist zum einen auf die Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung zurückzugreifen, die in diesen Vorschriften zum Ausdruck gekommen sind, und zum anderen sind weitere Schutzwertungen aus anderen Bestimmungen des BSHG/SGB XII zu berücksichtigen. Letztlich sind die Wertvorstellungen der Grundrechte zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Härte zu beachten. Dabei stellt das für die eigene Bestattung angesammelte Vermögen nicht generell ein Vermögen dar, das durch § 88 Abs. 3 BSHG/§ 90 Abs. 3 SGB XII geschützt wird. Dies würde der Zielrichtung des Gesetzgebers widersprechen, der diesen Tatbestand gerade nicht in § 88 Abs. 2 BSHG/§ 90 Abs. 2 SGB XII aufgeführt hat. Nach dem Beschluss der 816. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2005 soll ein Gesetzentwurf (§ 90 Abs. 2a SGB XII) beim Deutschen Bundestag eingebracht werden, wonach eine Versicherung nicht verwertet werden muss, mit der eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende angemessene Bestattung sichergestellt werden soll. Zur Begründung wird auf die "höchst unbefriedigende" derzeitige Rechtslage verwiesen. Außerdem soll mit der Erweiterung des Katalogs für das "Schonvermögen" der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in dem genannten Urteil vom 11. Dezember 2003 (5 C 84/02) Rechnung getragen werden. In der Stellungnahme der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/239, Art. 3, Nr. 4) heißt es hierzu allerdings, dass die vorgesehene Regelung nicht erforderlich sei, da bereits nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sichergestellt sei.
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Nach gegenwärtiger Rechtslage ist jedenfalls in Übereinstimmung mit der Begründung des Bundesrats die Verwertung von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag nicht generell als Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzusehen. Vielmehr müssen die Gesamtumstände des Einzelfalles das Vorliegen einer Härte ergeben (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2006 - L 8 SO 135/05 ER; Hauck/Noftz/Lücking, ebenda; Fichtner u. a., Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl., § 90 SGB XII, Rn. 21; Mergler/Zink, Kommentar zum SGB XII, § 90, Rn. 78 mit Nachweisen auf die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte; anderer Ansicht: Brühl in LPK-SGB XII, § 90, Rn. 12; Grube u. a., Kommentar zum SGB XII, § 90, Rn. 44; Widmann, Sicherung von Bestattungskosten als nicht verwertbares Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG, ZFSH/SGB 2001, S. 653, nach deren Auffassung für Bestattung und Grabpflege angesammeltes angemessenes Vermögen in verfassungskonformer Auslegung generell durch die Härteregelung zu verschonen ist - so im Ergebnis wohl auch Bundesverwaltungsgericht, ebenda).
- 31
Eine generelle Härte kann schon deswegen nicht angenommen werden, weil es eine Vielzahl von Personen gibt, die zur Deckung von Bestattungskosten Vermögen ansparen. Wenn der Gesetzgeber eine Härtevorschrift einführt, so regelmäßig deshalb, weil er mit den Regelvorschriften zwar den dem Gesetz zugrunde liegenden typischen Sachverhalten gerecht werden kann, nicht aber den atypischen. Da die atypischen Fälle nicht mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache erfasst werden können, muss der Gesetzgeber neben dem Regeltatbestand einen Ausnahmetatbestand setzen, der zwar in den einzelnen Merkmalen unbestimmt ist, jedoch bei einer sinngerechten Anwendung ein Ergebnis gestattet, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung gleichwertig ist. Danach kommt es bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschrift zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG/§ 90 Abs. 2 SGB XII nicht entsprechendem Ergebnis führen würde. Die Systematik des Vermögensschutzes in diesen Vorschriften verbietet es, den unbestimmten Rechtsbegriff der Härte in der Weise auszulegen, dass dadurch in einer Vielzahl von Fällen generell die Pflicht zum Vermögenseinsatz weiter eingeschränkt wird (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. März 2003 - 12 A 10302/03 -, recherchiert bei juris). Wenn aber eine Vielzahl von Personen Vermögen für die Bestattung und die Grabpflege anspart, kann das nicht ohne Weiteres einen atypischen Fall darstellen.
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Zudem ist die Härtefallregelung im Zusammenhang mit § 15 BSGH/§ 74 SGB XII zu sehen, wonach die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen werden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Dadurch wird gewährleistet, dass selbst dann, wenn kein Schonvermögen vorhanden ist, eine angemessene Bestattung erfolgt. Eine solche durch das Sozialamt übernommene Bestattung verletzt jedenfalls nicht die Religionsfreiheit. Unabhängig davon, dass die in Art. 4 Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit den Sozialhilfeträger nicht dazu verpflichten könnte, eine von einem Betroffenen besonders ausgestaltete Bestattung zu zahlen, verstößt ein Begräbnis, für das der Sozialhilfeträger gemäß § 15 BSHG/§ 74 SGB XII die Kosten zu übernehmen hat, ebenso wenig gegen die Menschenwürde, wie der Bezug von Sozialhilfe zu Lebzeiten einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt (Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. November 2003 - 2 MB 133/03 -).
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Schließlich dienen Bestattungsvorsorgevertrag und Vorsorge für die Grabpflege der Entlastung von Erben und zur Bestattung Verpflichteten. Der Wunsch, dadurch Belastungen für die Angehörigen bei der Beerdigung und der späteren Grabpflege zu verhindern, ist aber sozialhilferechtlich nicht schützenswert. Es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Angehörige von dieser Verpflichtung zu entlasten (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2006 - L 8 SO 135/05 ER -, recherchiert bei juris).
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Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich, dass eine Härte nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann.
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Nach Abwägung aller Umstände dieses Einzelfalls ist der Senat im Anschluss an die Entscheidung des Sozialgerichts zu der Überzeugung gelangt, dass die Verwertung des in den Bestattungsvorsorgevertrag sowie in die Stiftung zwecks Grabpflege eingezahlten Geldes für die Klägerin objektiv nicht als Härte angesehen werden kann. Dabei ist insbesondere der zeitliche Zusammenhang zu berücksichtigen zwischen dem Eingehen der entsprechenden Verpflichtungen, dem Abheben der entsprechenden Beträge vom Sparbuch und der Aufnahme in das Heim (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. März 2003 - 12 A 10302/03 -; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 2006 - L 9 SO 4/06). Hier hat die Klägerin im Dezember 2002 und im Januar 2003 Gelder von ihrem Sparbuch abgehoben und im Januar 2003 die Beträge für den Bestattungsvorsorgevertrag bzw. in die Stiftung gezahlt. Zu diesem Zeitpunkt war sie hierzu selbst nicht mehr fähig, denn die Verträge hat ihre Schwester abgeschlossen und auch die Gelder gezahlt. Sie selbst war somit zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage, weitreichende Entscheidungen zu treffen oder diese umzusetzen. Kurz danach, nämlich im Februar 2003, befand sie sich in Kurzzeitpflege und wurde bereits Mitte März 2003 in das Heim aufgenommen. Hier besteht somit ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Abheben der Gelder vom eindeutig nicht als Schonvermögen anzusehenden Sparbuch und Einzahlen in den Bestattungsvorsorgevertrag sowie die Grabpflegestiftung in der Hoffnung, diese Gelder dadurch dem Zugriff des Sozialamtes zu entziehen. Die "Umwidmung" dieses Vermögens in Kenntnis dessen, dass in kürzester Zeit Sozialhilfebedürftigkeit eintreten wird, kann nicht zur Annahme einer Härte führen. Die Klägerin hat den Umstand, der nun die Härte begründen soll, selbst herbeigeführt bzw. über ihre Schwester herbeiführen lassen, um sich danach sogleich auf eine Härte zu berufen. Dies ist keine Konstellation, die zu den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG/§ 90 Abs. 2 SGB XII passt. Dort wird etwas - aus ganz bestimmten Gründen - geschützt, das schon vorhanden ist. Hier hat die Klägerin hingegen etwas nicht geschütztes Vorhandenes (Sparbuchguthaben) in etwas (eventuell) Geschütztes ungewandelt.
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Die Sorge um die eigene Bestattung ist auch nicht ein das Leben der Klägerin über einen längeren Zeitpunkt bestimmender Umstand gewesen, für den sie schon lange Jahre Vorsorge getroffen hatte. Erst als feststand, dass sie in ein Heim kommt und ihr Vermögen für die Heimkosten würde einsetzen müssen, hat sie ihr Vermögen in den Bestattungsvorsorgevertrag und die Grabpflegestiftung eingezahlt
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Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass nur durch die Grabpflegestiftung gewährleistet werde, dass die Klägerin auf der Grabstätte ihres verstorbenen Ehemannes beigesetzt werden könne.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
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Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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Annotations
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, - 2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden, - 3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, - 4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, - 6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, - 7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, - 8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, - 9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, - 2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden, - 3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, - 4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, - 6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, - 7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, - 8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, - 9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.