Landessozialgericht NRW Urteil, 14. Juni 2016 - L 18 KN 31/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.02.2014 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 01.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2011 verurteilt, an den Kläger EUR 6.750,64 zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Streitig ist die Erstattung von Beiträgen.
3Der im August 1942 geborene Kläger wurde am 12.12.1969 im deutschen Steinkohlenbergbau angelegt und war seither dort beschäftigt, zuletzt bei der Bergbau AG H im Bergwerk D/Q. Mit Schreiben vom 20.8.1975 - gerichtet an die Anschrift des Klägers in der Türkei - kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos "wegen Vertragsbruchs". Der Kläger sei seit dem 17.7.1975 seinem Arbeitsplatz unentschuldigt fern geblieben. Die fristlose Kündigung gelte vorsorglich auch als fristgemäße Kündigung zum 30.9.1975.
4Anfang Dezember 2004 wandte sich der Knappschaftsälteste X aus E mit einem Schreiben an die Beklagte: Der in Deutschland lebende Versicherte G D sei von dem in der Türkei lebenden Kläger beauftragt worden (herauszufinden), ob noch Versicherungszeiten in Deutschland vorliegen, die zur Rentenberechtigung führen. Der Kläger sei am 30.9.1975 von der Ruhrkohle gekündigt worden und lebe seit 1975 in der Türkei. Eine Antwort der Beklagten ist nicht aktenkundig. Etwa ein halbes Jahr später sprach der Versicherte D bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in C vor und fragte, wann die Beitragserstattung erfolgt sei und auf welches Konto gezahlt wurde. Der Kläger habe weder einen Bescheid noch eine Überweisung erhalten. Die Adresse des Klägers sei damals wie heute die gleiche. Die Beklagte stellte fest, dass ihr Aktenvorgänge über das Erstattungsverfahren nicht mehr vorliegen. Im Dezember 2005 rief der Versicherte D bei der Beklagten an und teilte mit, dass der Kläger nie einen Antrag auf Beitragserstattung gestellt habe. Es werde um Auskunft gebeten, auf welches Konto der Betrag überwiesen wurde. Die Beklagte antwortete, dass zwar keine Unterlagen mehr vorlägen, laut (elektronischem) Versicherungskonto die Beiträge jedoch erstattet worden seien. Danach sei am 1.9.1977 ein Antrag auf Beitragserstattung gestellt worden, dem mit Bescheid vom 20.6.1978 entsprochen worden sei (Erstattungszeitraum 1.12.1969 bis 31.7.1975, Erstattungsbetrag DM 13.203,10).
5Am 3.11.2006 beantragte der Kläger, ihm die für die Zeit vom 1.12.1969 bis zum 31.7.1975 gezahlten Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von EUR 6.750,64 zu erstatten. Die Beklagte wandte sich an die DRV Westfalen mit dem Hinweis, dass von dort am 20.6.1978 eine Beitragserstattung durchgeführt worden sei. Diese antwortete, dass der Antrag auf Beitragserstattung am 9.3.1978 an die Beklagte abgegeben worden sei. Bei der DRV Westfalen seien keine Unterlagen verblieben. In den Verwaltungsakten der Beklagten findet sich ein 2007 vom Referat Rentenversicherung II der Beklagten in Hamburg entworfener "Musterbescheid, wenn Versicherte behaupten, den Erstattungsbetrag nicht erhalten zu haben".
6Mit Klage vom 28.3.2007 (Vorprozess vor dem SG Dortmund, Az S 6 KN 100/07) verfolgte der Kläger sein Erstattungsbegehren weiter. Entgegen den Ausführungen der Beklagten habe er den Betrag zu keinem Zeitpunkt erhalten. Ihm sei nicht mehr bekannt, welche Bankverbindung er im Jahr 1978 gehabt habe. Die Beklagte führte zunächst aus, es verwundere, dass der Kläger erstmals im Alter von 62 Jahren (nämlich 2004) nachgefragt habe. Sie sei nicht in der Lage, 30 Jahre nach Erteilung des Erstattungsbescheides mitzuteilen, auf welches Konto das Geld geflossen sei. Auf gezielte Anfrage des Sozialgerichts (SG), wann, auf welcher Grundlage und warum die Aktenvorgänge vernichtet worden seien, antwortete die Beklagte, dass die Akten auf der Grundlage interner Verwaltungsvorschriften - hier wohl im Jahre 1985 - vernichtet worden sind. Diese Verwaltungsvorschriften seien später wegen einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) geändert worden. Gleichwohl bleibe sie bei ihrer Auffassung. Nach erstem Anschein lasse ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur Beitragserstattung typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung auch bewirkt worden ist. Zusätzlich sei im vorliegenden Fall dokumentiert, dass der Antrag auf Beitragserstattung bei der damaligen LVA Westfalen gestellt und zuständigkeitshalber am 9.3.1978 an die Bundesknappschaft abgegeben worden ist. Nach Hinweis des SG, dass über den Erstattungsantrag noch nicht durch Verwaltungsakt entschieden worden sei, erklärte sich die Beklagte zur Beendigung des Rechtsstreits bereit, "über den vom Kläger im Dezember 2004 gestellten Beitragserstattungsbescheid" zu entscheiden.
7Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab: Nach den elektronisch gespeicherten Daten seien auf Antrag vom 1.9.1977 die für den Zeitraum vom 1.12.1969 bis 31.7.1975 gezahlten Arbeitnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von DM 13.203,10 mit Bescheid vom 20.6.1978 erstattet worden. Damit sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Beitragszeiten lägen nicht mehr vor, so dass eine weitere Beitragserstattung ausgeschlossen sei (Bescheid vom 1.2.2011; Widerspruchsbescheid vom 16.5.2011).
8Mit seiner Klage vom 16.6.2011 hat der Kläger sein Begehren unter Hinweis auf den Vorprozess weiter verfolgt und beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2011 zu verurteilen, eine Beitragserstattung in Höhe von 13.203,10 DM (= 6.750,64 EUR) zu zahlen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Obwohl die Akten über das Erstattungsverfahren nicht mehr vorgelegt werden können, sei die Beitragserstattung erfolgt. Aufgrund der im maschinellen Versicherungsverlauf des Klägers gespeicherten Daten bestünden ausreichende Hinweise dafür, dass die Beitragserstattung tatsächlich durchgeführt wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestehe, wenn in das Versichertenverzeichnis eines Rentenversicherungsträgers ein Vermerk über eine erfolgte Beitragserstattung eingetragen sei, eine Vermutung dafür, dass diese auch tatsächlich durchgeführt worden ist, wenn nicht Tatsachen festgestellt werden, die diese Vermutung erschüttern. Solche Tatsachen habe der Kläger nicht vorgetragen.
13Bei den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich die Versichertenkarte des Klägers mit der "Stammkarte für Ausländer - Arbeiter", in die in der Rubrik "Versicherungszeit und Arbeitsverdienst" (nur) der Beginn der Beschäftigung "12.12.69" mit zwei bestätigenden Handzeichen eingetragen ist. Auf ihr befindet sich außerdem ein Stempelaufdruck "Beitragserstattung"; weitere Angaben finden sich auf der Stammkarte nicht. An die Versichertenkarte ist die Kopie einer Karte der Bundesknappschaft (als damaliger Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung der Bergleute) über Leistungen an den Versicherten angeheftet, auf der (lediglich) Leistungen aus den Jahren 1970 und 1971 vermerkt sind.
14Das SG ist der Auffassung der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.2.2014, zugestellt am 7.3.2014).
15Mit seiner Berufung vom 11.3.2014 hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Der Versicherte D habe ihn auf die Idee gebracht, sich (wie viele andere) seine Rentenversicherung auszahlen zu lassen. Gehaltsabrechnungen aus der damaligen Zeit lägen ihm nicht mehr vor. Er habe damals ein Konto (Gehaltskonto) in Deutschland gehabt. Er habe sich 1975 während eines Urlaubs in der Türkei entschieden, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Er habe 1975 nichts von einer Auszahlung gewusst, davon habe er erst 2004 erfahren.
16Der Kläger beantragt,
17das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.02.2014 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2011 zu verurteilen, dem Kläger in der Zeit vom Dezember 1969 bis Juli 1975 entrichtete Pflichtbeiträge in Höhe von 6.750,64 EUR zu erstatten.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie hat ergänzend ausgeführt, dass die an die Stammkarte angeheftete Leistungskarte der knappschaftlichen Krankenversicherung ein weiteres Indiz für eine durchgeführte Beitragserstattung sei. Im Zeitpunkt der Beitragserstattung habe ein Anspruch nur bestanden, wenn seit dem Wegfall der Versicherungspflicht 2 Jahre verstrichen waren. Bei einem Antrag auf Beitragserstattung sei routinemäßig in den Geschäftsstellen ermittelt worden, ob dort weitere Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dokumentiert wurden, die der Rentenversicherung noch nicht gemeldet worden seien. Das Vorhandensein der Leistungskarte der knappschaftlichen KV sei ausschließlich auf diese Prüfung zurückzuführen.
21Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat den Kläger befragt und den Versicherten D als Zeugen gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Vorprozessakten des SG Dortmund (Az S 6 KN 100/07) Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
23Entscheidungsgründe:
24A. Die Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger durch den Bescheid vom 1.2.2011 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.5.2011, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Der ablehnende Bescheid ist rechtswidrig, weil dem Kläger der streitige Erstattungsanspruch zusteht.
25Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.5.2011. Darin lehnt die Beklagte einen Erstattungsanspruch ab, weil keine erstattungsfähigen Beiträge vorliegen. Dies folge daraus, dass "nach den elektronisch gespeicherten Daten" die streitigen Beiträge bereits 1978 erstattet worden seien. Damit sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst; eine nochmalige Auszahlung sei nicht möglich. Die Beklagte wendet gegen den geltend gemachten Erstattungsanspruch damit nicht ein, dieser sei bereits erfüllt, sondern - weiter reichend - es bestehe aufgrund eines früher durchgeführten (vollständigen) Erstattungsverfahren kein Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten, § 210 Abs 6 S 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
26Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet. Der - in der Höhe zu Recht von den Beteiligten mit EUR 6.750,64 bezifferte - Erstattungsanspruch des Klägers folgt aus § 210 Abs 1 Nr 1, Abs 3 S 1 SGB VI. Da der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung die für ihn geltende Regelaltersgrenze (65 Jahre, vgl § 235 Abs 2 Satz 1 SGB VI) noch nicht erreicht hatte, ist für sein Begehren nicht § 210 Abs 1 Nr 2 SGB VI, sondern § 210 Abs 1 Nr 1 SGB VI einschlägig. Danach werden Beiträge zur (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag solchen Versicherten erstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Weitere Voraussetzungen sind, dass seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und dass seither nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist, § 210 Abs 2 SGB VI.
27Der Kläger hat den erforderlichen (gestaltenden) Antrag im Dezember 2004 gestellt. Sofern zu diesem Zeitpunkt die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, entsteht der Erstattungsanspruch. Da dieser keine wiederkehrende, sondern eine einmalige Leistung betrifft (BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 10), ist für dessen Beurteilung (und seine rechtsgestaltende Wirkung) allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung maßgeblich; spätere Änderungen sind nicht mehr zu berücksichtigen (stRspr, vgl BSGE 86, 262, 265 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 S 5 mwN; BSG SozR 4-2600 § 210 Nr 2 RdNr 15). Folglich ist ohne Belang, dass der Kläger zwischenzeitlich (im Jahr 2007) die Regelaltersgrenze erreicht hat.
28Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Antragstellung sämtliche Voraussetzungen für eine Beitragserstattung erfüllt: Er war aufgrund der für ihn in den Jahren 1969 bis 1975 gezahlten Pflichtbeiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung "Versicherter" iS der Vorschrift. Dieses Versicherungsverhältnis ist nicht durch eine frühere Beitragserstattung aufgelöst worden, § 210 Abs 6 S 2 SGB VI. Der Kläger war im Dezember 2004 in der deutschen Rentenversicherung "nicht versicherungspflichtig". Er hatte bei Antragstellung auch nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, § 210 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB VI. Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB VI (in der bis heute unverändert geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18.12.1989, BGBl I 2261) können sich alle Personen, die "nicht versicherungspflichtig" sind, für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt nach dem persönlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Versicherung nur für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 3 Abs 1 Nr 2 SGB IV) oder für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben (§ 7 Abs 1 S 2 SGB VI). Schließlich sind seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Monate abgelaufen, ohne dass (bis 2004) erneut Versicherungspflicht eingetreten ist, § 210 Abs 2 SGB VI.
29Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass der Kläger aufgrund seiner Beschäftigung im deutschen Steinkohlenbergbau und der anschließenden Rückkehr in seine türkische Heimat einen Erstattungsanspruch erworben hat. Die Beklagte wendet gegen diesen Anspruch lediglich rechtsvernichtend ein, der Kläger habe sein Gestaltungsrecht auf Erstattung der gezahlten (Arbeitnehmer-)Beiträge bereits 1977 ausgeübt und sie habe daraufhin den Erstattungsanspruch 1978 bereits erfüllt. Dadurch sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden, § 210 Abs 6 S 2 SGB VI. Damit wendet sie gegen den Anspruch ein, der Kläger sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2004 nicht mehr Versicherter gewesen. Streitig ist damit allein noch, ob ein früheres Beitragserstattungsverfahren zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses geführt hat, so dass der Kläger daraus keine Rechte mehr herleiten kann.
30Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass 1977/78 eine Beitragserstattung erfolgt ist. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Erstattungsanspruch des Klägers - rechtsvernichtend - einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1978 durch Beitragserstattung aufgelöst worden.
31Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung einer Beitragserstattung trägt die Beklagte die objektive Beweislast (vgl dazu, besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Kläger 1977 einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte 1978 einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Kläger wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat.
32Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel"), der Einlassungen des Klägers und der Aussage des Zeugen D sowie der Angaben in der "Stammkarte für Ausländer" steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Humpert in: Jansen. Sozialgerichtsgesetz. 4. Aufl. 2012, § 128 Rdnr 7 mwN; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Auf 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand Mai 2016. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand April 2016. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll )Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Humpert. AaO; Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris; außerdem: LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Klägers belegen.
33Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb im Kern auf die im elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen (grundlegend bereits: Urteil des Senats vom 19.8.2014, Az. L 18 KN 45/11, s dazu den die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückweisenden Beschluss des BSG vom 2.4.2015, Az B 13 R 361/14 B). Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als möglich erscheinen, dass (außerdem) verfahrenseinleitend ein wirksamer Erstattungsantrag des betroffenen Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl zuletzt Senatsurteile vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11 und L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, und vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und grundlegend: L 18 KN 45/11, alle bei juris; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, diese zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den - ehemaligen - Versicherten) zulassen. Der abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, beide zitiert nach juris) schließt sich der Senat nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
34Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak. ZPO. 11. Aufl 2014. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
35Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht - selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre - nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall.
36Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw - bei öffentlichen elektronischen Dokumenten - gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. AaO. § 415 RdNr 10). Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 01.09.1977" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert hat, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Kläger persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine - uU nicht wirksam bevollmächtigte - dritte Person war. Da der Kläger nur bis Mitte 1975 in Deutschland beschäftigt war und nach eigenen Angaben seither dauerhaft in der Türkei lebt, liegt nahe, dass er sich im Zeitpunkt, an dem der Antrag gestellt worden sein soll, in der Türkei aufhielt, so dass durchaus möglich erscheint, dass ein Dritter für ihn den (etwaigen) Antrag gestellt haben könnte. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß vom Kläger bevollmächtigt worden ist (vgl dazu etwa die vom Zeugen D vorgelegte notarielle Vollmacht vom November 2004). Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Kläger zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist.
37Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 20.6.1978", "Erstattung von 01.12.1969 bis 31.07.1975", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 013203,10" zu entnehmen. Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 1.3.2016. § 417 RdNr 5). Der vorliegende Sachverhalt zeigt deutlich, dass sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht entnehmen lässt, ob die dort gespeicherten Daten zuverlässige, sichere Rückschlüsse auf ihren Wahrheitsgehalt zulassen. So hat die Beklagte den gespeicherten Daten offenbar entnommen, dass die DRV Westfalen das Beitragserstattungsverfahren durchgeführt habe, und diese folglich um Übersendung der Versichertenkarte gebeten (Schreiben vom 10.11.2006). Die DRV Westfalen hat dazu mitgeteilt, sie habe den Vorgang am 9.3.1978 an die Beklagte abgegeben und verfüge über keine Unterlagen mehr (Schreiben vom 21.11.2006). Im Gesamtkontospiegel finden sich dazu ua die - mit diesem Sachverhalt nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringenden - Angaben "1880 Ablehnung Beitragserstattung", "Antrag 01.09.1977" und "Bescheid 09.03.1978". Solche mit der Aktenlage nicht (ganz) übereinstimmenden Angaben in einem Gesamtkontospiegel hat der Senat in zahlreichen anderen Verfahren ebenfalls feststellen können (vgl zB das bereits mehrfach erwähnte Senatsurteil vom 19.8.2014, Az L 18 KN 45/11). Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Daten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, dass ein vollständiges Beitragsverfahren stattgefunden hat, zumal sich darin grundsätzlich keine Angaben zur Bekanntmachung eines Erstattungsbescheides und Bewirkung der Leistung finden lassen.
38Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegels allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten die Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der - wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind - Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Klägers ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat.
39Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind danach nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag in Deutschland hat der Kläger im Juli 1975 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz war eine Beitragserstattung auch damals idR erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im September 1977 war diese Frist abgelaufen. Daraus lässt sich aber gerade nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. So sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) auch Fälle bekannt, in denen eine Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder erst später vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist. Hinzu kommt vorliegend, dass der Kläger - nach eigenen, durchgehend einheitlichen Angaben, bestätigt durch die Aussage des Zeugen D und das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers - nicht geordnet und planmäßig in die Türkei zurückgekehrt ist, sondern ursprünglich nur eine Urlaubsreise beabsichtigt hatte, und erst auf Wunsch seiner Ehefrau dauerhaft in der Türkei verblieben ist. Das lässt den Schluss zu, dass er sich bei dahin über eine Beitragserstattung überhaupt keine Gedanken gemacht hatte.
40Die persönlichen Angaben des Klägers im Termin sowie die Aussage des Zeugen D begründen im Gegenteil erhebliche Zweifel daran, dass dem Kläger die Beiträge 1978 erstattet worden sind. Beide bekunden übereinstimmend, dass der Kläger den Zeugen D erst spät ("2005/6") darum gebeten hat, für ihn einen Renten- oder Beitragserstattungsanspruch in Deutschland zu klären, und ihn dann - notariell - bevollmächtigt hat, sich für ihn darum zu kümmern. Beide sind - nachdem die Beklagte auf eine Beitragserstattung hingewiesen hatte - diesem Vorbringen nachgegangen. Der Zeuge hat in Deutschland mehrfach bei verschiedenen Stellen der Beklagten vorgesprochen und in der Türkei zusammen mit dem Kläger mögliche Zahlungswege überprüft. Aus den Äußerungen des Klägers ergeben sich (anders als in vielen anderen Verfahren) keine (mittelbaren) Hinweise auf eine Erstattung oder überhaupt den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt zB von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft). Er hat im Gegenteil auf die gezielte Nachfrage im Termin ohne Zögern erklärt, er habe 1978 aus Deutschland kein Geld von der Beklagten erhalten. Nach dem Vorbringen des Klägers ist überdies fraglich, wie eine Zahlung bewirkt worden sein soll. Der Kläger hatte zwar ein Bankkonto in Deutschland, hat sich darum aber nach der plötzlichen Rückkehr in die Türkei nicht mehr gekümmert und überhaupt keine Kontakte nach Deutschland mehr aufgenommen. In der Türkei hatte er niemals ein Bankkonto.
41Der Senat hat nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung keine greifbaren Zweifel daran, dass der Zeuge und der Kläger wahrheitsgemäße Angaben gemacht haben. Aus ihren Angaben ergeben sich aber - und das ist wesentlich - keine im Sinne des Beklagtenvorbringens positiv ergiebigen Tatsachen.
42Die Versichertenkarte (mit der Stammkarte für Ausländer) kann - ungeachtet des Beweiswerts im Übrigen - nicht wegen des Stempelaufdrucks "Beitragserstattung" für einen typischen Geschehensablauf herangezogen werden. Zu dem Stempel "Beitragserstattung" fehlt zunächst die - in vielen vergleichbaren Fällen vorhandene - handschriftliche Bestätigung mit Datum und Unterschrift. Damit korrespondiert, dass auf der Karte nur der Beginn der Beschäftigung, nicht aber deren Ende vermerkt ist. Für eine Bearbeitung eines Vorgangs "Beitragserstattung" ist aber erforderlich, das Ende der Beschäftigung zu kennen, um entscheiden zu können, auf welchen Zeitraum sich die Beitragserstattung bezieht. Allein der Stempelaufdruck lässt damit durchaus die Möglichkeiten offen, dass jemand irrtümlich davon ausgegangen ist, es handele sich um ein Beitragserstattungsverfahren, oder jemand den Vorgang aus sonstigen Gründe nicht abgeschlossen hat.
43Sonstige Hilfstatsachen, die den sicheren Schluss auf eine vollständige Beitragserstattung zulassen, liegen nicht vor. Insbesondere die Tatsache, dass sich bei der Versichertenkarte die Ablichtung einer Leistungskarte der Knappschaft als gesetzlicher Krankenversicherung des Klägers befindet, ist insoweit nicht positiv ergiebig. Sie enthält lediglich Angaben über Krankheitszeiten und Leistungen in den Jahren 1970 und 1971, so dass nicht erkennbar ist, dass sie auch für die darauffolgende Zeit (negative) Informationen enthält. Selbst wenn aber die - für den Senat nicht überzeugende und in keinem vergleichbaren Verfahren bisher zu Tage getretene - Auffassung der Beklagten zuträfe, die Kopie könne nur im Zuge eines Beitragserstattungsverfahrens zur Versichertenkarte gelangt sein, besagte dies nach dem zuvor Gesagten nichts über einen vom Kläger wirksam gestellten Erstattungsantrag und den (vollständigen) antragsgemäßen Abschluss dieses Erstattungsverfahrens.
44Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Der Beweisnotstand der Beklagten resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Aus dieser Vorgehensweise ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, den Beweismaßstab zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25; Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 128 Rdnr 7), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4; Breitkreuz. AaO). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
45Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der weisen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat.
46Überdies dürfte der Beklagten auch klar sein, dass die im vorliegenden Fall erwiesene Tatsachenlage nicht ausreicht, um den Beweis einer durchgeführten Beitragserstattung zu führen. So hat sie im Vorprozess selbst vorgetragen, 1979 sei in einer Büroverfügung geregelt worden, dass die Akten in Beitragserstattungsfällen für die Dauer von 6 Jahren aufzubewahren seien. Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG. Urt v 29.1.1997, Az 5 RJ 52/94) sei allerdings "zur Vermeidung von Vermögensschäden" die Arbeitsanweisung der Beklagten am 26.11.1998 ergänzt worden (Schreiben vom 6.9.2010 im Verfahren S 6 KN 100/07). Außerdem hat sie 2007 einen "Musterbrief, wenn behauptet wird, dass das Geld aufgrund eines alten Erstattungsbescheides nicht angekommen ist" entworfen. Darin heißt es ua, "Der Bescheid wurde mit Einschreiben/Rückschein zugestellt, die Auszahlung erfolgte per Scheck über eine Bank Ihres Wohnortes an Ihre damalige Adresse [ ...] auf das von Ihnen angegebene Konto [ ...]". Diese Beispiele machen deutlich, dass auch nach den verschiedenen von der Beklagten angelegten Maßstäben die zur Beweisführung erforderlichen Tatsachen vorliegend nicht bewiesen sind.
47B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
48C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 14. Juni 2016 - L 18 KN 31/14
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Landessozialgericht NRW Urteil, 14. Juni 2016 - L 18 KN 31/14 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet
- 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, - 2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, - 3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,
- 1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder - 2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.
(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.
(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.
(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.
(1) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie
haben. Die Regelaltersgrenze wird frühestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.(2) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze wie folgt angehoben:
Versicherte Geburtsjahr | Anhebung um Monate | auf Alter | |
Jahr | Monat | ||
1947 | 1 | 65 | 1 |
1948 | 2 | 65 | 2 |
1949 | 3 | 65 | 3 |
1950 | 4 | 65 | 4 |
1951 | 5 | 65 | 5 |
1952 | 6 | 65 | 6 |
1953 | 7 | 65 | 7 |
1954 | 8 | 65 | 8 |
1955 | 9 | 65 | 9 |
1956 | 10 | 65 | 10 |
1957 | 11 | 65 | 11 |
1958 | 12 | 66 | 0 |
1959 | 14 | 66 | 2 |
1960 | 16 | 66 | 4 |
1961 | 18 | 66 | 6 |
1962 | 20 | 66 | 8 |
1963 | 22 | 66 | 10. |
Für Versicherte, die
- 1.
vor dem 1. Januar 1955 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes vereinbart haben oder - 2.
Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben,
(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet
- 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, - 2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, - 3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,
- 1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder - 2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.
(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.
(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.
(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.
(1) Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt auch für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.
(2) Nach bindender Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente ist eine freiwillige Versicherung nicht zulässig, wenn der Monat abgelaufen ist, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde.
Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,
- 1.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind, - 2.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.
(1) Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Dies gilt auch für Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.
(2) Nach bindender Bewilligung einer Vollrente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente ist eine freiwillige Versicherung nicht zulässig, wenn der Monat abgelaufen ist, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde.
(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet
- 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, - 2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, - 3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,
- 1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder - 2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.
(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.
(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.
(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 27.1.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 00.00. 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 war er in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst bis zum 30.6.1970 im deutschen Steinkohlenbergbau, anschließend vom 23.7.1970 bis zum 30.11.1976 als Rangierarbeiter bei der damaligen Deutschen Bundesbahn. Später war der Kläger wohl noch kurzzeitig (vom 16. bis 27.5.1977) bei der Firma J GmbH & Co. KG in I als Arbeiter in der Abteilung Hackenbau beschäftigt. Am 26.5.1977 meldete der Kläger sich beim marokkanischen Generalkonsulat in Düsseldorf nach Marokko ab, unter dem 27.5.1977 wird diese Abmeldung in einer Abmeldebescheinigung der Stadt I bestätigt. Das Ausreisedatum "27.5.1977" ist auch im Pass des Klägers vermerkt. Seither lebt der Kläger wieder in Marokko.
4Mit dem Ausscheiden bei der Deutschen Bundesbahn zum 30.11.1976 beantragte der Kläger dort die Erstattung der zur Zusatzversorgung bei der Bahn entrichteten Beiträge. Auf diesen Antrag entschied die damals zuständige Bahnversicherungsanstalt (BVA), dass ihm 90 % der aus eigenen Mitteln geleisteten Beiträge (insgesamt 1.425,60 DM) zu erstatten seien, weil er aus den Diensten der Deutschen Bundesbahn ohne Rentenberechtigung (betreffend eine Betriebsrente) ausscheide (Bescheid vom 15.4.1977). Dieser Betrag wurde dem Kläger wunschgemäß nach Marokko überwiesen.
5Die Bundesknappschaft bestätigte dem Kläger am 24.5.1977 an seine damalige Anschrift in I, dass sie ihm keine Leistungen der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation gewährt habe. Mit Antrag vom 31.5.1977 stellte der Kläger bei der BVA Düsseldorf einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter". Das Antragsformular weist den Aufdruck "Forderung abgetreten" auf. Als Vertreter des Versicherten ist (ebenfalls durch Stempelaufdruck) ein "Q U, vereidigter Dolmetscher, 7 T1, Gymnasiumstr. 31 B, Telefon 295007" vermerkt.
6Dem Antrag beigefügt waren eine Vollmacht und Zustellungsvollmacht für Herrn Q U aus T mit notariell beglaubigter, vor den Augen des Notars eigenhändig vollzogener Unterschrift des Klägers vom 25.5.1977 und eine Abtretungsanzeige vom 31.5.1977, aus der sich ergibt, dass der Kläger die Erstattungsforderung in Höhe von 14.751,00 DM zur Sicherung eines Darlehens an die Teilzahlungsbank T VOBA Finanzierungs GmbH & Co. KG, 8440 T, Rot-Kreuz-Platz 3, abgetreten hat, und die BVA unwiderruflich anweist, alle Zahlungen schuldbefreiend nur auf das Konto des Abtretungsgläubigers zu überweisen.
7Ebenfalls am 31.5.1977 hat der Kläger einen Barkreditantrag auf Zahlung eines Darlehens in Höhe von 14.751,00 DM an die Teilzahlungsbank T gerichtet. Von diesem Betrag, so heißt es im Antrag, seien eine Pauschalabgeltung in Höhe von 1.401,00 DM und eine Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM abzuziehen, der Restbetrag von 12.540,00 DM sei an ihn auszuzahlen. Beigefügt war eine vom Kläger am gleichen Tag unterzeichnete, an die BVA gerichtete Zahlungsanweisung, nach der die Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM an Herrn Q U, Dolmetscher- und Übersetzungsbüro, 7 T 1, Firnhaberstr. 5a, und der Auszahlungsbetrag von 12.540,00 DM an ihn selbst auf sein Konto bei der Stadtsparkasse I zu zahlen seien. Aus einem in Ablichtung bei den Akten befindlichen telegraphischen Überweisungsauftrag vom 31.5.1977 ergibt sich, dass der Betrag von 12.540,00 DM über die Landeszentralbank T an den Kläger auf das von ihm angegebene Konto bei der Stadtsparkasse I zur Zahlung angewiesen worden ist.
8Die BVA entschied, dass dem Kläger die in der Zeit vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 entrichteten Pflichtbeiträge hälftig zu erstatten seien. Es ergebe sich ein Gesamtbetrag von 14.753,90 DM (Bescheid vom 2.9.1977). Dieser Bescheid ist an Herrn Q U T adressiert und wurde am 7.9.1977 abgeschickt. Ausweislich der Akten erhielten der Kläger, die Beklagte und die Bank eine Kopie. In den Unterlagen der BVA befindet sich an zwei Stellen (auf einer Beitragsbescheinigung vom 17.9.1973 und auf der Karte "Beitragsnachweis") ein Stempel mit dem Text "Beitragserstattung nach 1303 RVO für die Zeit vom 21.11.1964 bis 30.11.1976 in Höhe von 14.753,90 DM. Rosenheim, den 1.9.1977".
9Im April 2004 wandte sich der Kläger an die Deutsche Bahn Hagen wegen der Gewährung einer Betriebsrente (weitergeleitet an die BVA) und an die DRV Schwaben wegen der Gewährung einer Altersrente (weitergeleitet an DRV KBS).
10Die BVA teilte ihm mit, dass ihm sowohl die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch diejenigen zur Betriebsrente auf seine Anträge hin erstattet worden seien (Schreiben vom 23.4. und 16.6.2004).
11Die Beklagte veranlasste wegen des Antrags auf Altersrente eine förmliche Antragstellung über die marokkanische Verbindungsstelle (CNSS) und zog einen Kontospiegel von der DRV Ober- und Mittelfranken Bayreuth (jetzt DRV Bayern Nord) bei, aus dem sich (angeblich) ergeben soll, dass dem Kläger aufgrund eines Antrags vom 31.5.1977 mit Bescheid vom 2.9.1977 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 4.070,30 DM + 10.683,60 DM = 14.753,90 DM erstattet worden sind. Die Beklagte lehnte ab, Altersrente zu gewähren, weil mit der Erstattung der Beiträge das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst worden sei (Bescheid vom 8.1.2004). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger unter Beifügung einer Übersicht der BVA Wuppertal ("Zusammenstellung der von der BVA Abteilung B zu erstattenden Beiträge für die Zeit vom 23.7.1970 bis 30.11.1976") mit angegebenem auszuzahlendem Erstattungsbetrag von 1.425,60 DM unter Anderem geltend, dass er 11 Jahre lang gearbeitet habe und 1.425,00 DM nicht der Preis für elf Arbeitsjahre sei. Die Beklagte wies den Widerspruch nach mehr als 4 Jahren (!) zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.6.2008).
12Dagegen hat der Kläger mit einem Schreiben ohne Datum und Unterschrift am 5.8.2008 in französischer Sprache beim Sozialgericht (SG) Dortmund "Einspruch gegen ein Urteil" erhoben. Eine Rente könne nicht verkauft werden. Falls der Rentengewährung eine gezahlte Entschädigung entgegenstehe, dürfe diese in angemessener Staffelung von der Rente einbehalten werden.
13Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen und sich der Begründung der Beklagten angeschlossen (Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, zugestellt am 5.2.2010).
14Gegen diese Entscheidung hat der Kläger mit am 5.3.2010 eingegangenem Schreiben wiederum in französischer Sprache eine "Bitte um Intervention" formuliert. Er habe den Betrag von 14.754,90 DM (Rechenfehler des SG, richtig: 14.753,90 DM) nur unvollständig erhalten. Er habe ab Februar 1977 bei der "Plastikfirma I gearbeitet
15Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne aber wegen seines Gesundheitszustands, seines fortgeschrittenen Alters und seiner finanziellen Lage nicht am Termin teilnehmen (Schreiben vom 5.8.2014).
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie hat aufgrund der Angaben des Klägers zu einem Arbeitskollegen herausgefunden, dass es sich bei der "Plastikfirma I" um die Firma J in I handelt. Bei der AOK Westfalen-Lippe seien indes Versicherungsunterlagen zu einem Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Mai 1977 nicht mehr vorhanden.
20Der Senat hat die Verwaltungsakten der früheren BVA beigezogen und von der Firma J in I erfahren, die mitgeteilt hat, dass zum Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger im Mai 1977 keine Lohnunterlagen mehr vorhanden seien. Für den Kläger seien jedoch mit Sicherheit Beiträge entrichtet worden.
21Entscheidungsgründe:
22Der Senat kann trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 5.8.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich sein Nichterscheinen zum Termin begründet hat.
23Bei der "Bitte um Intervention" handelt es sich erkennbar um eine Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, mit der der Kläger seinen Anspruch aus Altersrente aus Deutschland weiterverfolgt. Trotz der anderslautenden Formulierung handelt es sich in der Sache um eine Berufung, weil nur dieses allein statthafte Rechtsmittel die vom Kläger gewünschte materielle Prüfung ermöglicht. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 27.1.2010 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.2.2010 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Die Berufung des Klägers ist innerhalb dieser Frist eingegangen.
24Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit dem am 5.3.2010 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben vom 22.2.2010 wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.3.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin der Senat auch tendiert - oder dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15. November 2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht am 24.3.2012 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar ist das Gericht zur Übersetzung der in einer Fremdsprache abgefassten Berufungsschrift nicht verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
25Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
26Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) gegen den Bescheid vom 8.1.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.6.2008, vgl § 95 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich erhoben, § 90 SGG. Dazu genügt, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung sowie die Person, von der sie ausgeht, hinreichend sicher bestimmt werden können (Wolff-Dellen in Breitkreutz-Fichte. SGG. 2. Auflage 2014, § 90 Rdnr 5). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie auch der weitere Verfahrensverlauf dokumentiert. Einer Unterschrift bedarf es dann nicht, vgl § 92 Abs 1 Satz 3 SGG. Die Klage ist auch in der maßgeblichen Gerichtssprache erhoben. Insoweit gilt das zur Zulässigkeit der Berufung Ausgeführte entsprechend. Hielte man die Klageerhebung in französischer Sprache nicht für ausreichend, hätte das SG dem Kläger jedenfalls zu Recht konkludent Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, §§ 92 Abs 2 entsprechend, 67 SGG.
27Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 8.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 nicht beschwert, §§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Er hat entgegen seiner Auffassung keinen Anspruch auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
28Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr (bereits 2004) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
29Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von November 1964 bis November 1976 (und uU auch noch im Mai 1977) in Deutschland gearbeitet und (jedenfalls bis November 1976) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1977 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO, gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
30Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1977 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
31Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 ). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben insbesondere in den Verwaltungsakten der früheren BVA mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
32Aus den aktenkundigen Unterlagen ergibt sich mit wünschenswerter Klarheit, dass der Kläger, nachdem er aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bundesbahn am 30.11.1976 ausgeschieden war, wohl am 27. Mai 1977 nach Marokko zurückgekehrt ist und im Vorfeld alle nötigen Vorbereitungen für die Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn getroffen hat. Dazu hat er den Dolmetscher Q U aus T eingeschaltet, der für ihn als Bevollmächtigter eine Vorfinanzierung der Erstattungsforderung durch ein Darlehen bei der Teilzahlungsbank T vorgenommen hat. Die entsprechenden aktenkundigen Formulare sind sämtlich vom Kläger selbst unterzeichnet, insbesondere der Erstattungsantrag, die Vollmacht (diese sogar in Gegenwart eines Notars), der Darlehensantrag bzw. -vertrag und die Zahlungsanweisung. Das Darlehen ist auch zur Zahlung auf das Konto des Klägers bei der Stadtsparkasse I angewiesen worden. Dies alles ist durch aktenkundige Urkunden belegt. Dass diese Unterlagen das Datum "31.5.1977" aufweisen, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits ausgereist war, dürfte sich dadurch erklären, dass der Bevollmächtigte dieses Datum im Nachhinein in die blanko unterschriebenen Formulare eingefügt hat. Die Stempelaufdrucke in den Akten der BVA belegen, dass diese das Erstattungsverfahren intern am 1.9.1977 abgeschlossen hat. Der Erstattungsbescheid vom 2.9.1977 ist dem (Zustellungs-)Bevollmächtigten des Klägers am 7.9.1977 zugesandt worden. Wenn auch der Zugang des Bescheids und der Eingang des Erstattungsbetrags auf dem Konto der Abtretungsgläubigerin nicht durch Urkunden belegt sind, sind auch diese Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erfüllt.
33Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
34Hier ist der typische Geschehensablauf erwiesen. Der Kläger hat sich die Erstattungsforderung vorfinanzieren lassen, um nicht den Abschluss des Verwaltungsverfahren abwarten zu müssen, sondern bereits im Zeitpunkt der Ausreise Ende Mai 1977 über den Geldbetrag verfügen zu können. Ist ein Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er keine weitere Nachricht (mehr) erhält und/oder eine Zahlung nicht erfolgt. Dies gilt besonders bei dem vorliegenden zweistufigen Verfahren. Da der Bevollmächtigte des Klägers sich wegen des Erstattungsbescheids nicht mehr an die BVA gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er den an ihn adressierten Bescheid vom 2.9.1977 erhalten hat. Im Erstattungsbescheid ist überdies vermerkt, dass der Erstattungsbetrag an die VOBA Teilzahlungsbank erstattet worden ist. Da sich auch diese im Folgenden weder an die BVA noch an den Bevollmächtigten des Klägers (der sich dann seinerseits an die BVA gewandt hätte) gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BVA die Leistung auch tatsächlich an die neue Gläubigerin bewirkt hat. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass ein Kreditinstitut bei Eintritt des Sicherungsfalles nicht auf die ihm zustehende Sicherheit zugreift, sich also nicht bei der BVA meldet, wenn die Zahlung nicht eingeht. Dass sich weder der Bevollmächtigte des Klägers noch die Abtretungsgläubigerin nach dem 7.9.1977 wegen der Zahlung des Erstattungsbetrags an die BVA gewandt haben, schließt der Senat aus den offenbar noch vollständig erhaltenen, insoweit negativ ergiebigen Verwaltungsakten der BVA. Soweit der Kläger geltend macht, er habe den vom SG angegebenen Erstattungsbetrag nicht vollständig erhalten, trifft dies zu, ist aber ohne Belang. Der Kläger hat vom Darlehensbetrag DM 14.751 tatsächlich nur 12.540 DM erhalten, weil ausweislich des mit der TeilzahlungsbankT geschlossenen Vertrages dieser 1.401 DM und dem Vermittler U 810 DM davon zustanden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe nur 1.425,60 DM erhalten, verkennt er, dass dieser Betrag nicht aus der Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung herrührt, sondern die Erstattung von Beiträgen zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn betrifft.
35Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
36Ohne Belang ist, ob der Kläger für ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma J vom 16. bis zum 27.5.1977 Beiträge entrichtet hat. Unabhängig davon, dass damit allein die Wartezeit nicht erfüllt ist und zu berücksichtigende Zeiten in Marokko nicht ersichtlich sind, ergibt sich aus § 210 Abs 6 Satz 3 SGB VI, dass aus Zeiten bis zur Erstattung (hier mit Bescheid vom 2.9.1977, also im September 1977) keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Dies bedeutet, dass, sofern im Mai 1977 (wie der Arbeitgeber bestätigt, aber sich bisher nicht hat erweisen lassen) "mit Sicherheit" weitere Beiträge entrichtet worden sind, insoweit allenfalls ein (weiterer) Erstattungsanspruch bestünde. Dies gilt gleichermaßen, soweit die BVA nach der Abtretungsanzeige vom 31.5.1997 von der Abtretung nicht erfasste, weitere 2,90 DM (14.753,90 DM 14.751,00 DM) an die Teilzahlungsbank T ausgezahlt hat.
37Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass auch dem Wunsch des Klägers, ihm die Rückzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten und ihm stattdessen Regelaltersrente zu gewähren, von Rechts wegen nicht entsprochen werden kann. Ein derartiges (Rück-) Gestaltungsrecht ist im System des SGB VI nicht vorgesehen. Wählt ein Versicherter durch seinen Antrag die Beitragserstattung, ist nach deren vollständiger Durchführung eine Geltendmachung von Ansprüchen aus den erstatteten Beiträgen für alle Zukunft ausgeschlossen. Der Versicherte ist an seine Gestaltung der Rechtslage gebunden.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
39Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2011 Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente, hilfsweise eine finanzielle Unterstützung.
3Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und war in Deutschland vom 6.10.1972 bis zum 5.3.1974, vom 1.4.1974 bis zum 30.11.1976, vom 1.2.1977 bis zum 31.3.1977 und vom 6.4.1977 bis zum 31.10.1978 versicherungspflichtig im Bergbau beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück, wo er bis heute lebt.
4Im Juni 2004 beantragte der Kläger Rentenleistungen unter Vorlage einer Lohnabrechnung der S Bergbau AG Westfalen betreffend den Monat 7/1976. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Versicherungszeiten mehr bestünden. Die zur deutschen Rentenversicherung in der Zeit vom 6.10.1972 bis zum 30.10.1978 entrichteten Beiträge seien mit Bescheid vom 20.7.1982 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 20.7.1982 seien weder behauptet noch nachgewiesen (Bescheid vom 3.9.2004). Dieser Bescheid konnte trotz Einschaltung der Deutschen Botschaft in Rabat dem Kläger nicht wirksam zugestellt werden.
5Im April 2009 beantragte der Kläger die Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte nahm einen (verschlüsselten) Ausdruck des den Kläger betreffenden (elektronisch gespeicherten) "Gesamtkontospiegels" zu den Akten. Darin sind im Versicherungskonto des Klägers unter der Schlüssel-Nr 1830 folgende Daten gespeichert: "Antrag 16.06.1982", "Bescheid 20.07.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20". Ferner ist nach diesem Kontospiegel - unter der Schlüssel-Nr 1860 "Ablehnung Versichertenrente" - der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Anschließend lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente mit derselben Begründung wie 2004 ab (Bescheid vom 22.5.2009; Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009). Der per Einschreiben mit Auslandsrückschein versandte Widerspruchsbescheid konnte wiederum nicht an den Kläger zugestellt werden; die Beklagte sandte ihn daraufhin erneut mit Begleitschreiben vom 25.1.2010 an den Kläger, dieses Mal mit einfachem Brief.
6Mit seiner am 19.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund in französischer Sprache erhobenen und nicht in die deutsche Sprache übersetzten Klage ("réclamation"), der eine Kopie des Schreibens vom 25.1.2010 und des diesem Schreiben beigefügten Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 beigefügt waren, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er in Deutschland gearbeitet und Beiträge gezahlt habe. Er sei ein alter Mann und befinde sich in einer schlechten finanziellen Situation. Er bitte, seine Akten nochmals zu prüfen und ihm eine Rente oder eine finanzielle Hilfe zu gewähren.
7Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
8Auf die in französischer Sprache verfasste Aufforderung des SG, Stellung zu der im Jahr 1982 erfolgten Beitragserstattung zu nehmen und hierzu ggf noch vorhandene Unterlagen vorzulegen, hat der Kläger mitgeteilt, er besitze die angeforderten Dokumente nicht.
9Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Regelaltersrente, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Auf Grund der Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Der Vorgang der Beitragserstattung ergebe sich aus dem Gesamtkontospiegel. Es bestehe kein Anhaltspunkt, dass die sich hieraus ergebenden Grunddaten fehlerhaft sein könnten. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren die Durchführung des vollständigen Beitragserstattungsverfahrens auch nur ansatzweise in Abrede gestellt. Schließlich zeige das Verhalten des Klägers nach der ersten Antragstellung im Jahr 2004, dass er selbst nicht davon ausgehe, einen berechtigten Anspruch gegenüber der Beklagten zu haben. Denn anderenfalls hätte er sich nicht erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet, um seinen vermeintlichen Anspruch geltend zu machen (Gerichtsbescheid vom 14.12.2010, zugestellt am 18.1.2011).
10Mit seiner am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Berufung ("recours"), deren in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung dem Gericht am 30.3.2011 vorgelegen hat, hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er bittet erneut um die Überprüfung seiner Akte, damit er eine Altersrente oder eine finanzielle Unterstützung erhalte. Auf die Bitten des Gerichts - auch in französischer Sprache -, sämtliche Unterlagen, die er noch besitze, vorzulegen sowie Fragen zu der Beitragserstattung zu beantworten, hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er widerspreche der Darstellung der Beklagten. Er bitte um eine günstige Entscheidung; für weitere Informationen stehe er jederzeit zur Verfügung.
11Der Kläger ist am 4.6.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
12Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie hält ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und ist weiter der Auffassung, die für den Kläger vorgenommene Beitragserstattung ergebe sich nachweislich aus dem Gesamtkontospiegel. Die im Versicherungskonto gespeicherte Dokumentation der Beitragserstattung korrespondiere schlüssig mit den im Versicherungskonto abgelegten Versicherungszeiten. Sie hat eine Versicherungskarte des Klägers vorgelegt, auf der lediglich - neben dem Namen, dem Geburtsort sowie zwei Versicherungsnummern des Klägers - das Datum des Beschäftigungsbeginns am 6.10.1972 eingetragen ist. Diese Karte sei bei Aufnahme der knappschaftlich versicherten Beschäftigung ausgefertigt worden. Der Umstand, dass auf dieser Karte keine weiteren Eintragungen, insbesondere keine Vermerke über die durchgeführte Beitragserstattung vorhanden seien, erkläre sich damit, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Oktober 1978 sowie im Zeitpunkt der durchgeführten Beitragserstattung keine manuellen Notierungen in Papierform mehr vorgenommen worden seien.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Parteivernehmung des Klägers beantragt zum Beweis der Tatsache, dass - wie in ihrem Gesamtkontospiegel vermerkt - ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren durchgeführt worden ist. Sie ist der Ansicht, ihr müsse "im Falle eines Beweisnotstandes" als letztes Beweismittel auch die Parteivernehmung des betroffenen Versicherten offen stehen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
18Entscheidungsgründe:
19A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm Art 31 Abs 1 S 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
20I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 14.12.2010 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerks am 18.1.2011 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete mit Ablauf des 18.4.2011. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung ("recours") eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist (nur) die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderregelungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 22.3.2001, Az L 3 U 23/00, juris). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs 2 DMSVA und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil die französische Sprache wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin auch der Senat tendiert -, oder dem Kläger gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass der Kläger sich gegen den Gerichtsbescheid ("la décision") wendet, ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 30.3.2011 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar war das Gericht nicht zur Übersetzung einer in einer Fremdsprache verfassten Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl 2014. § 61 RdNr 7c mwN); die deutsche Übersetzung ist vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1).
21II. Die Berufung ist begründet.
22Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente abgelehnt hat. Streitgegenstand ist damit das Begehren des Klägers, die genannten Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren. Der Senat geht davon aus, dass ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil andere Altersrenten für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der Auffassung des SG auch begründet. Da die Berufung des Klägers bereits mit dem Hauptbegehren auf Regelaltersrente erfolgreich ist, kann dahin stehen, ob das bereits in der ersten Instanz verfolgte Hilfsbegehren des Klägers, eine finanzielle Unterstützung ("une aide financière") zu erhalten, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
231. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar hat das SG die Klageschrift - wohl versehentlich, wie das weitere Verfahren zeigt - nicht in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Allerdings ist, da der Kläger seinem Klageschriftsatz vom 8.2.2010 eine Kopie des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 11.11.2009 beigefügt hat, mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der Kläger sich gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Regelung mit dem zulässigen Rechtsbehelf - der Klage - wenden wollte. Dass der Kläger mit dieser Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden war und diese durch das Gericht überprüfen lassen wollte, ergibt sich zudem daraus, dass er im Betreff des Schriftsatzes den auch im Deutschen verständlichen Begriff "réclamation" angegeben hat. Entsprechend hat das SG das Rechtsschutzbegehren des Klägers durchweg als ordnungsgemäß erhobene "Klage" behandelt und ihm nicht die ansonsten wohl erforderliche "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.
242. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Der Kläger hat ab dem 1.1.2011 Anspruch auf Regelaltersrente.
25Nach § 235 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der an einem unbekannten Tag eines unbekannten Monats im Jahr 1945 geborene Kläger hat (spätestens) Ende Dezember 2010 das 65. Lebensjahr vollendet. Er hat auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) erfüllt, weil er unstreitig in Deutschland 71 Monate mit (ausschließlich knappschaftlichen) Beitragszeiten zurückgelegt hat, so dass es nicht darauf ankommt, ob außerdem nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") marokkanische Zeiten zu berücksichtigen sind.
26Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, Ansprüche aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr, weil dem Kläger die entsprechenden Beiträge erstattet worden seien und das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht nämlich nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine solche Beitragserstattung erfolgt ist. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Rentenanspruch des Klägers - rechtsvernichtend - einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1982 durch eine Beitragserstattung aufgelöst worden.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung der Beitragserstattung trägt die Beklagte die objektive Beweislast (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Kläger einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Kläger wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat.
28Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel") sowie der Einlassungen des Klägers steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Auf 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll )Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs )Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Klägers beweisen.
29Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den gesamten Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die aktenkundige Versicherungskarte ist als Urkunde insoweit unergiebig. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb ausschließlich auf die im elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als denkbar erscheinen, dass (außerdem) ein wirksamer Erstattungsantrag des betreffenden Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, und Urteile vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 (2) KN 239/09 und L 18 KN 30/10, sämtlich zitiert nach juris; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, diese zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den - ehemaligen - Versicherten) zulassen. Der - vom SG zitierten - abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, beide zitiert nach juris) schließt sich der Senat nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
30Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak. ZPO. 11. Aufl 2014. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
31Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht - selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre - nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall.
32Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw - bei öffentlichen elektronischen Dokumenten - gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. aaO. § 415 RdNr 10). Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 16.06.1982" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert haben mag, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Kläger persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine - uU nicht wirksam bevollmächtigte - dritte Person war. Da der Kläger nur bis Oktober 1978 in Deutschland beschäftigt war, liegt nahe, dass er im Zeitpunkt, an dem der Antrag gestellt worden sein soll, bereits nach Marokko zurückgekehrt war, so dass mindestens möglich erscheint, dass ein Dritter den (etwaigen) Antrag gestellt hat. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß von dem Kläger bevollmächtigt worden ist. Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Kläger zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist.
33Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 20.7.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20" zu entnehmen. Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 15.6.2014. § 417 RdNr 5). Der vorliegende Sachverhalt zeigt besonders deutlich, dass sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht entnehmen lässt, ob die dort gespeicherten Bescheide formell wirksam erlassen, also dem Versicherten (auch) bekannt gegeben worden sind, § 39 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Denn in dem Kontospiegel ist unter der "Schlüsselnummer" 1860 sowie dem Hinweis "Ablehnung Versichertenrente" der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Nach dem Inhalt der Akten der Beklagten konnte dieser Bescheid aber trotz mehrfacher Versuche dem Kläger gerade nicht zugestellt werden, ist mithin also nie wirksam geworden. Im elektronischen Versicherungskonto ist er gleichwohl (wie der angebliche Bescheid vom 20.7.1982) gespeichert. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht restlos davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Bescheiddaten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, diese Bescheide seien wirksam erlassen worden.
34Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegel allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten diese Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der - wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind - Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Klägers ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat.
35Selbst Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind danach nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag in Deutschland hat der Kläger im Oktober 1978 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz war eine Beitragserstattung auch damals idR erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im Juni 1982 (aber auch bereits 1980) war diese Frist abgelaufen. Daraus lässt sich aber gerade nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. So sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) auch Fälle bekannt, in denen eine Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist. Auch die Versicherungskarte kann - ungeachtet des Beweiswerts im Übrigen - nicht für einen typischen Geschehensablauf herangezogen werden, da auf ihr nicht - wie in vielen vergleichbaren Fällen - eine Beitragserstattung (durch Stempel oder handschriftlich) vermerkt ist. Worauf dies ggf. beruhen könnte, ist unerheblich. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein solcher Vermerk fehlt.
36Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten folgt nichts Anderes daraus, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren den Vortrag der Beklagten substantiiert bestritten hat. Dieses Schweigen des Klägers ist unergiebig. Immerhin ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich entgegengetreten ("trifft nicht zu") und hat erklärt, die angeforderten Unterlagen lägen ihm nicht vor. Welche weitergehenden Angaben zu "Nichttatsachen" von einem (mit hoher Wahrscheinlichkeit prozessunerfahrenen) Kläger verlangt werden sollen, ist dem Senat nicht klar. Aus den Äußerungen des Klägers ergeben sich (anders als in vielen ähnlich gelagerten Verfahren) auch keine mittelbaren Hinweise auf eine Erstattung oder den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt im Übrigen von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft).
37Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beitragserstattung rechtswirksam erfolgt ist, ergibt sich schließlich entgegen der Auffassung des SG nicht aus dem Verhalten des Klägers nach dem ersten Antrag, insbesondere nicht aus der Tatsache, dass er sich erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet hat. Auch dieses Verhalten ist unergiebig. Aus dem fünfjährigen Zuwarten bis zur erneuten Antragstellung kann nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger selbst wisse, dass er - wegen der Beitragserstattung - keinen Anspruch auf die Regelaltersrente habe. Denn daraus, dass der zum zweiten Mal von der Beklagten die Gewährung einer Rente begehrt und diesen Anspruch bis in die zweite Instanz verfolgt, kann ebenso der gegenteilige Schluss gezogen werden.
38Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als "Beweisnotstand" bezeichnete Beweislage resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Hieraus ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, das Beweismaß zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
39Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der klugen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat.
40Die Regelaltersrente beginnt mit dem Monat Januar 2011, § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen erst für den Beginn des Monats Januar 2011 nachweislich vor. Es ist nach Lage der Akten nämlich lediglich erwiesen, dass der Kläger im Jahr 1945 geboren wurde. Dass kein früheres Geburtsdatum als der letzte Tag dieses Jahres erwiesen ist, wirkt sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers aus. Der Senat geht davon aus, dass er durch diese gesetzeskonforme Rentengewährung dem allgemein gefassten (Haupt-)Begehren des Klägers vollständig entspricht, so dass eine Zurückweisung der Berufung im Übrigen nicht erforderlich ist.
413. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Eine weitergehende Beweiserhebung iS des "Beweisantrags" der Beklagten ist nicht geboten.
42Bei dem Antrag auf "Parteivernehmung des Klägers", also den Kläger persönlich anzuhören, handelt es sich nicht um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Nach den Vorschriften des SGG ist die Parteivernehmung kein im Sozialgerichtsverfahren zulässiges Beweismittel, denn § 118 Abs 1 SGG verweist nicht auf die §§ 445 ff ZPO (stRspr; vgl nur BSG, Beschlüsse vom 24.11.1990, Az 1 BA 45/90, juris, sowie vom 18.2.2003, Az B 11 AL 273/02 B, juris; M. Kühl. AaO). Hieran ändert sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts dadurch, dass sie sich auf einen "Beweisnotstand" beruft. Die im Sozialgerichtsverfahren zulässigen (Streng-)Beweismittel werden auch dann nicht erweitert, wenn ein Beweisnotstand iS von typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten (s.o.) vorliegt.
43Es ist zwar zutreffend, dass besondere Beweisschwierigkeiten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können, etwa wenn übliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden) nicht zur Verfügung stehen, so dass vorhandene Erkenntnisquellen, etwa Beteiligtenvorbringen, an Gewicht gewinnen (vgl hierzu Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Beteiligte Tatsachen aus eigener Wahrnehmung angibt, und andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 22.5.2013, Az L 18 KN 52/10; juris Rdnr 28). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte erhofft sich vielmehr vom Kläger "ins Blaue hinein", dass er Angaben machen könnte, die ihren Standpunkt bestätigen. Allein deshalb fühlt sich der Senat nicht gedrängt, dem "Beweisantrag" der Beklagten nachzugehen und den Kläger entweder in Marokko oder in Deutschland zu der von der Beklagten behaupteten Beitragserstattung persönlich anzuhören. Denn der Senat hat sämtliche vorhandenen Erkenntnisquellen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten - und damit auch das des Klägers - berücksichtigt und in die Beweiswürdigung eingezogen. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Erstattung zur Gänze bestritten und vorgetragen, die angeforderten Unterlagen lägen ihm (folglich) nicht vor. Dieser Vortrag des Klägers blieb über die Dauer des gesamten Verfahrens frei von Widersprüchen. Welche über diesen Vortrag hinausgehenden Erkenntnisse die Beklagte sich von der persönlichen Anhörung des Klägers zu der von ihr behaupteten Beitragserstattung verspricht, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Beklagte trägt keinen konkreten Sachverhalt vor, den der Kläger vortragen oder bestätigen soll. Der Beweisantrag ist offenbar lediglich von der vagen Hoffnung getragen, der Kläger könnte - anders als mit seinem Vortrag im schriftlichen Verfahren - nunmehr ihre Behauptungen bestätigen. Da hierfür angesichts des bisherigen Vortrags des Klägers tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen, handelt es sich bei dem "Beweisantrag" der Beklagten um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl hierzu: BSG, Beschluss vom 19.11.2009, Az B 13 R 303/09 B, juris RdNr 12).
44B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
45C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dortmund vom 5.5.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Von Januar 1962 bis November 1966 war er in Deutschland beschäftigt, bis Juli 1965 im Bergbau, danach außerhalb des Bergbaus. Für die Zeiten der Beschäftigung (17.1.1962 bis 13.4.1964, 3.6.1964 bis 30.7.1965, 9.8.1965 bis 14.2.1966 und 28.7. bis 29.11.1966) entrichtete er Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Dezember 1966 kehrte der Kläger nach Marokko zurück, wo er seither lebt.
4Im September 1997 beantragte der Kläger Altersrente bei der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Schwaben (seit Oktober 2005: Deutsche Rentenversicherung Schwaben; fortan: DRV Schwaben). Diese lehnte den Rentenantrag ab: Ein Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte bestehe nicht, da der Kläger weder das 63. noch das 65 Lebensjahr vollendet habe. Auch habe er nicht die erforderliche Wartezeit erfüllt. In Deutschland habe er auf die Wartezeit anrechenbare 53 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt, in Marokko - nach Auskunft des dortigen Sozialleistungsträgers - keinen einzigen. Er habe damit nur 4,42 Jahre statt der mindestens erforderlichen 5 Jahre Wartezeit zurückgelegt. Deshalb empfehle sie, eine Beitragserstattung zu beantragen (Bescheid vom 6.8.1998). Als der Kläger sich Ende September 1999 ein weiteres Mal wegen der einer Rente an die DRV Schwaben wandte, teilte sie ihm erneut mit, dass ein Anspruch auf Altersrente nicht bestehe und sie weiter empfehle, die Erstattung der Beiträge zu beantragen.
5Im Mai 2000 beantragte der Kläger bei der DRV Schwaben die Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die DRV Schwaben klärte das Rentenkonto und gab dem Antrag statt: Der Kläger habe einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1942,45 DM aus der knappschaftliche Rentenversicherung + 679,40 DM aus der Arbeiterrentenversicherung = insgesamt 2.621, 85 DM (Bescheid vom 25.9.2000, dem Kläger zugestellt am 12.10.2000); den Betrag überwies sie auf das vom Kläger angegebene Konto bei einer marokkanischen Bank in O.
6Im August 2005 beantragte der Kläger bei der (wegen der Beschäftigung des Klägers im Bergbau seit 2002 zuständigen) Beklagten Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe nicht, da der Kläger die erforderliche Wartezeit nicht erfülle. Durch die erfolgte Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden deshalb nicht mehr (Bescheid vom 22.9.2005, Widerspruchsbescheid vom 10.4.2006). Die anschließende Klage blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 2.1.2008, Aktenzeichen (Az) S 6 KN 143/06; Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 11.9.2008, Az L 2 KN 37/08; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.2.2009, Az B 13 R 5/09 B).
7Mit Schreiben vom 26.10.2009 beantragt der Kläger erneut Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag wiederum wegen der im Jahr 2000 erfolgten Beitragserstattung ab (Bescheid vom 12.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 5.5.2010).
8Mit der dagegen (wie alle Schreiben des Klägers: in französischer Sprache) am 14.6.2010 erhobenen Klage (deren Übersetzung ins Deutsche lag dem SG am 30.6.2010 vor) hat der Kläger weiter die Gewährung einer Altersrente begehrt.
9Das SG hat die Klage abgewiesen: Die für den geltend gemachten Rentenanspruch erforderliche allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (60 Kalendermonaten) sei nicht erfüllt. Dies sei bereits im Vorprozess rechtskräftig festgestellt worden (Gerichtsbescheid vom 5.5.2011, am 19.5.2010 an den Kläger gesandt).
10Mit der dagegen gerichteten, ebenfalls in französischer Sprache verfassten Berufung hat der Kläger zunächst einen Anspruch auf (zunächst) "Altersrente oder finanzielle Hilfe" geltend gemacht. Er habe in Deutschland gearbeitet, sei inzwischen sehr alt und befinde sich in einer miserablen wirtschaftlichen Situation. Später hat er wiederholt darauf hingewiesen, dass er zwar 2.621,85 DM von der DRV Schwaben erhalten habe, es in diesem Verfahren jedoch um seine Altersrente gehe. Er wolle den erhaltenen Betrag zurückzahlen und stattdessen Altersrente beziehen.
11Der Kläger ist am 17.3.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Bereits im Vorprozess sei entschieden worden, dass ein Rentenanspruch wegen der wirksam erfolgten Beitragserstattung nicht bestehe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge betreffend den Kläger, die Verwaltungsakten der DRV Schwaben sowie die erwähnten Vorprozessakten des SG Dortmund Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
16Entscheidungsgründe:
17Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986; 550ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
18Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
19Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht wirksam eingelegt worden.
20Der Gerichtsbescheid vom 5.5.2011 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 19.5.2011 per Einschreiben/Rückschein zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich bei den Akten kein Zustellungsnachweis befindet und der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe/Zustellung des Gerichtsbescheides deshalb nicht feststeht, ist doch die Berufung vom 27.7.2014 unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 10.8.2011 innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
21Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit dem am 10.8.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.3.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin der Senat auch tendiert - oder der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15. November 2011, Az L 18 KN 30/10, und zuletzt vom 24.4.2014, Az L 18 KN 83/12, beide in juris). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 25.8.2012 vor. Es lässt sich wegen des fehlenden Zustellungsnachweises zwar nicht sicher feststellen, dass dieser Zeitpunkt innerhalb der Berufungsfrist liegt. Dies wirkt sich jedoch nicht zulasten des Klägers aus. Deshalb und weil Zustellungen nach Marokko erfahrungsgemäß durchaus mehrere Wochen dauern, ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass auch der Eingang der Übersetzung der Berufungsschrift noch innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist lag. Zwar ist das Gericht zur Übersetzung der Berufungsschrift nicht verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
22Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2010 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente erneut ablehnt. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger, wenn er die Beitragserstattung rückgängig machen will und stattdessen aus seinen Beiträgen eine Alterrente begehrt. Soweit er zu Beginn des Berufungsverfahrens Altersrente "oder eine finanzielle Hilfe" begehrt hat, hat er dieses - aus mehreren formellen und materiellem Gründen nicht sachdienliches - Alternativbegehren später nicht aufrechterhalten, sondern sich auf den (bereits ursprünglich ausschließlich geltend gemachten) Anspruch auf Altersrente beschränkt.
23Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die zulässige (zur Erhebung der Klage in französischer Sprache gilt das zuvor zur Berufung Gesagte entsprechend) Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 12.11.2009 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.5.2010) nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Entscheidung der Beklagten ist (unabhängig davon, ob es sich um einen Zweitbescheid oder eine Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch handelt) rechtmäßig, weil in der Sache ein Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der - hier noch maßgeblichen - Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
24Nach § 35 SGB VI aF erhalten Versicherte Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar 2004 das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Der Kläger hatte bereits ursprünglich in Deutschland keine fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten (sondern nur 53 Monate). Zwar sind nach Art. 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig, solche liegen aber nach der Auskunft des marokkanischen Leistungsträgers und den eigenen Angaben des Klägers nicht vor. Wegen der im Jahr 2000 durchgeführten Beitragserstattung liegt beim Kläger seither sogar kein einziger anrechenbarer deutscher Beitragsmonat (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) mehr vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
25Es trifft allerdings zu, dass der Kläger mit kurzen Unterbrechungen von 1962 bis 1966 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (vom 17.1.1962 bis zum 13.4.1964 und vom 3.6.1964 bis zum 30.7.1965 zur knappschaftlichen, vom 9.8.1965 bis zum 14.2.1966 sowie vom 28.7. bis zum 29.11.1966 zur allgemeinen Rentenversicherung) entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch keine Rechte mehr herleiten, weil ihm seine Beiträge im Jahr 2000 (vollständig) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI. Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (vgl BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
26Aus den Verwaltungsakten der DRV Schwaben sowie den eigenen Angaben des Klägers ergibt sich, dass dem Kläger sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10 und zuletzt Urteil vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, alle bei juris). Das ist hier der Fall. Der Erstattungsantrag des Klägers und der diesem Antrag stattgebende Bescheid vom 25.9.2000 finden sich in den Verwaltungsakten der DRV Schwaben. Der Erstattungsbescheid ist dem Kläger ausweislich des dort ebenfalls befindlichen Einschreiben-Rückscheins am 12.10.2010 zugestellt worden. Schließlich hat der Kläger im Berufungsverfahren zugestanden, den Erstattungsbetrag von 2.621,85 DM erhalten zu haben. Der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln.
28Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich klar, dass dem Wunsch des Klägers, ihm die Rückzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten und ihm stattdessen Regelaltersrente zu gewähren, von Rechts wegen nicht entsprochen werden kann. Ein derartiges (Rück-) Gestaltungsrecht ist im System des SGB VI nicht vorgesehen. Wählt ein Versicherter durch seinen Antrag die Beitragserstattung, ist nach deren vollständiger Durchführung eine Geltendmachung von Ansprüchen aus den erstatteten Beiträgen für alle Zukunft ausgeschlossen. Der Versicherte ist an seine Gestaltung der Rechtslage gebunden. Der Wunsch des Klägers ist im Übrigen nicht zielführend, sondern sinnlos. Denn die Rückzahlung der erstatteten Beiträge führte nicht zur Gewährung einer Altersrente, weil auch zuvor die dazu erforderliche allgemeine Wartezeit nicht erfüllt war. Deshalb handelte die DRV Schwaben im Interesse des Klägers, als sie ihm 1998 und erneut 2000 empfahl, die Beitragserstattung zu beantragen.
29Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
30Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 27.1.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 00.00. 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 war er in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst bis zum 30.6.1970 im deutschen Steinkohlenbergbau, anschließend vom 23.7.1970 bis zum 30.11.1976 als Rangierarbeiter bei der damaligen Deutschen Bundesbahn. Später war der Kläger wohl noch kurzzeitig (vom 16. bis 27.5.1977) bei der Firma J GmbH & Co. KG in I als Arbeiter in der Abteilung Hackenbau beschäftigt. Am 26.5.1977 meldete der Kläger sich beim marokkanischen Generalkonsulat in Düsseldorf nach Marokko ab, unter dem 27.5.1977 wird diese Abmeldung in einer Abmeldebescheinigung der Stadt I bestätigt. Das Ausreisedatum "27.5.1977" ist auch im Pass des Klägers vermerkt. Seither lebt der Kläger wieder in Marokko.
4Mit dem Ausscheiden bei der Deutschen Bundesbahn zum 30.11.1976 beantragte der Kläger dort die Erstattung der zur Zusatzversorgung bei der Bahn entrichteten Beiträge. Auf diesen Antrag entschied die damals zuständige Bahnversicherungsanstalt (BVA), dass ihm 90 % der aus eigenen Mitteln geleisteten Beiträge (insgesamt 1.425,60 DM) zu erstatten seien, weil er aus den Diensten der Deutschen Bundesbahn ohne Rentenberechtigung (betreffend eine Betriebsrente) ausscheide (Bescheid vom 15.4.1977). Dieser Betrag wurde dem Kläger wunschgemäß nach Marokko überwiesen.
5Die Bundesknappschaft bestätigte dem Kläger am 24.5.1977 an seine damalige Anschrift in I, dass sie ihm keine Leistungen der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation gewährt habe. Mit Antrag vom 31.5.1977 stellte der Kläger bei der BVA Düsseldorf einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter". Das Antragsformular weist den Aufdruck "Forderung abgetreten" auf. Als Vertreter des Versicherten ist (ebenfalls durch Stempelaufdruck) ein "Q U, vereidigter Dolmetscher, 7 T1, Gymnasiumstr. 31 B, Telefon 295007" vermerkt.
6Dem Antrag beigefügt waren eine Vollmacht und Zustellungsvollmacht für Herrn Q U aus T mit notariell beglaubigter, vor den Augen des Notars eigenhändig vollzogener Unterschrift des Klägers vom 25.5.1977 und eine Abtretungsanzeige vom 31.5.1977, aus der sich ergibt, dass der Kläger die Erstattungsforderung in Höhe von 14.751,00 DM zur Sicherung eines Darlehens an die Teilzahlungsbank T VOBA Finanzierungs GmbH & Co. KG, 8440 T, Rot-Kreuz-Platz 3, abgetreten hat, und die BVA unwiderruflich anweist, alle Zahlungen schuldbefreiend nur auf das Konto des Abtretungsgläubigers zu überweisen.
7Ebenfalls am 31.5.1977 hat der Kläger einen Barkreditantrag auf Zahlung eines Darlehens in Höhe von 14.751,00 DM an die Teilzahlungsbank T gerichtet. Von diesem Betrag, so heißt es im Antrag, seien eine Pauschalabgeltung in Höhe von 1.401,00 DM und eine Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM abzuziehen, der Restbetrag von 12.540,00 DM sei an ihn auszuzahlen. Beigefügt war eine vom Kläger am gleichen Tag unterzeichnete, an die BVA gerichtete Zahlungsanweisung, nach der die Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM an Herrn Q U, Dolmetscher- und Übersetzungsbüro, 7 T 1, Firnhaberstr. 5a, und der Auszahlungsbetrag von 12.540,00 DM an ihn selbst auf sein Konto bei der Stadtsparkasse I zu zahlen seien. Aus einem in Ablichtung bei den Akten befindlichen telegraphischen Überweisungsauftrag vom 31.5.1977 ergibt sich, dass der Betrag von 12.540,00 DM über die Landeszentralbank T an den Kläger auf das von ihm angegebene Konto bei der Stadtsparkasse I zur Zahlung angewiesen worden ist.
8Die BVA entschied, dass dem Kläger die in der Zeit vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 entrichteten Pflichtbeiträge hälftig zu erstatten seien. Es ergebe sich ein Gesamtbetrag von 14.753,90 DM (Bescheid vom 2.9.1977). Dieser Bescheid ist an Herrn Q U T adressiert und wurde am 7.9.1977 abgeschickt. Ausweislich der Akten erhielten der Kläger, die Beklagte und die Bank eine Kopie. In den Unterlagen der BVA befindet sich an zwei Stellen (auf einer Beitragsbescheinigung vom 17.9.1973 und auf der Karte "Beitragsnachweis") ein Stempel mit dem Text "Beitragserstattung nach 1303 RVO für die Zeit vom 21.11.1964 bis 30.11.1976 in Höhe von 14.753,90 DM. Rosenheim, den 1.9.1977".
9Im April 2004 wandte sich der Kläger an die Deutsche Bahn Hagen wegen der Gewährung einer Betriebsrente (weitergeleitet an die BVA) und an die DRV Schwaben wegen der Gewährung einer Altersrente (weitergeleitet an DRV KBS).
10Die BVA teilte ihm mit, dass ihm sowohl die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch diejenigen zur Betriebsrente auf seine Anträge hin erstattet worden seien (Schreiben vom 23.4. und 16.6.2004).
11Die Beklagte veranlasste wegen des Antrags auf Altersrente eine förmliche Antragstellung über die marokkanische Verbindungsstelle (CNSS) und zog einen Kontospiegel von der DRV Ober- und Mittelfranken Bayreuth (jetzt DRV Bayern Nord) bei, aus dem sich (angeblich) ergeben soll, dass dem Kläger aufgrund eines Antrags vom 31.5.1977 mit Bescheid vom 2.9.1977 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 4.070,30 DM + 10.683,60 DM = 14.753,90 DM erstattet worden sind. Die Beklagte lehnte ab, Altersrente zu gewähren, weil mit der Erstattung der Beiträge das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst worden sei (Bescheid vom 8.1.2004). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger unter Beifügung einer Übersicht der BVA Wuppertal ("Zusammenstellung der von der BVA Abteilung B zu erstattenden Beiträge für die Zeit vom 23.7.1970 bis 30.11.1976") mit angegebenem auszuzahlendem Erstattungsbetrag von 1.425,60 DM unter Anderem geltend, dass er 11 Jahre lang gearbeitet habe und 1.425,00 DM nicht der Preis für elf Arbeitsjahre sei. Die Beklagte wies den Widerspruch nach mehr als 4 Jahren (!) zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.6.2008).
12Dagegen hat der Kläger mit einem Schreiben ohne Datum und Unterschrift am 5.8.2008 in französischer Sprache beim Sozialgericht (SG) Dortmund "Einspruch gegen ein Urteil" erhoben. Eine Rente könne nicht verkauft werden. Falls der Rentengewährung eine gezahlte Entschädigung entgegenstehe, dürfe diese in angemessener Staffelung von der Rente einbehalten werden.
13Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen und sich der Begründung der Beklagten angeschlossen (Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, zugestellt am 5.2.2010).
14Gegen diese Entscheidung hat der Kläger mit am 5.3.2010 eingegangenem Schreiben wiederum in französischer Sprache eine "Bitte um Intervention" formuliert. Er habe den Betrag von 14.754,90 DM (Rechenfehler des SG, richtig: 14.753,90 DM) nur unvollständig erhalten. Er habe ab Februar 1977 bei der "Plastikfirma I gearbeitet
15Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne aber wegen seines Gesundheitszustands, seines fortgeschrittenen Alters und seiner finanziellen Lage nicht am Termin teilnehmen (Schreiben vom 5.8.2014).
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie hat aufgrund der Angaben des Klägers zu einem Arbeitskollegen herausgefunden, dass es sich bei der "Plastikfirma I" um die Firma J in I handelt. Bei der AOK Westfalen-Lippe seien indes Versicherungsunterlagen zu einem Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Mai 1977 nicht mehr vorhanden.
20Der Senat hat die Verwaltungsakten der früheren BVA beigezogen und von der Firma J in I erfahren, die mitgeteilt hat, dass zum Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger im Mai 1977 keine Lohnunterlagen mehr vorhanden seien. Für den Kläger seien jedoch mit Sicherheit Beiträge entrichtet worden.
21Entscheidungsgründe:
22Der Senat kann trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 5.8.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich sein Nichterscheinen zum Termin begründet hat.
23Bei der "Bitte um Intervention" handelt es sich erkennbar um eine Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, mit der der Kläger seinen Anspruch aus Altersrente aus Deutschland weiterverfolgt. Trotz der anderslautenden Formulierung handelt es sich in der Sache um eine Berufung, weil nur dieses allein statthafte Rechtsmittel die vom Kläger gewünschte materielle Prüfung ermöglicht. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 27.1.2010 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.2.2010 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Die Berufung des Klägers ist innerhalb dieser Frist eingegangen.
24Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit dem am 5.3.2010 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben vom 22.2.2010 wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.3.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin der Senat auch tendiert - oder dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15. November 2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht am 24.3.2012 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar ist das Gericht zur Übersetzung der in einer Fremdsprache abgefassten Berufungsschrift nicht verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
25Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
26Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) gegen den Bescheid vom 8.1.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.6.2008, vgl § 95 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich erhoben, § 90 SGG. Dazu genügt, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung sowie die Person, von der sie ausgeht, hinreichend sicher bestimmt werden können (Wolff-Dellen in Breitkreutz-Fichte. SGG. 2. Auflage 2014, § 90 Rdnr 5). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie auch der weitere Verfahrensverlauf dokumentiert. Einer Unterschrift bedarf es dann nicht, vgl § 92 Abs 1 Satz 3 SGG. Die Klage ist auch in der maßgeblichen Gerichtssprache erhoben. Insoweit gilt das zur Zulässigkeit der Berufung Ausgeführte entsprechend. Hielte man die Klageerhebung in französischer Sprache nicht für ausreichend, hätte das SG dem Kläger jedenfalls zu Recht konkludent Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, §§ 92 Abs 2 entsprechend, 67 SGG.
27Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 8.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 nicht beschwert, §§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Er hat entgegen seiner Auffassung keinen Anspruch auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
28Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr (bereits 2004) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
29Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von November 1964 bis November 1976 (und uU auch noch im Mai 1977) in Deutschland gearbeitet und (jedenfalls bis November 1976) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1977 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO, gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
30Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1977 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
31Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 ). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben insbesondere in den Verwaltungsakten der früheren BVA mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
32Aus den aktenkundigen Unterlagen ergibt sich mit wünschenswerter Klarheit, dass der Kläger, nachdem er aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bundesbahn am 30.11.1976 ausgeschieden war, wohl am 27. Mai 1977 nach Marokko zurückgekehrt ist und im Vorfeld alle nötigen Vorbereitungen für die Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn getroffen hat. Dazu hat er den Dolmetscher Q U aus T eingeschaltet, der für ihn als Bevollmächtigter eine Vorfinanzierung der Erstattungsforderung durch ein Darlehen bei der Teilzahlungsbank T vorgenommen hat. Die entsprechenden aktenkundigen Formulare sind sämtlich vom Kläger selbst unterzeichnet, insbesondere der Erstattungsantrag, die Vollmacht (diese sogar in Gegenwart eines Notars), der Darlehensantrag bzw. -vertrag und die Zahlungsanweisung. Das Darlehen ist auch zur Zahlung auf das Konto des Klägers bei der Stadtsparkasse I angewiesen worden. Dies alles ist durch aktenkundige Urkunden belegt. Dass diese Unterlagen das Datum "31.5.1977" aufweisen, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits ausgereist war, dürfte sich dadurch erklären, dass der Bevollmächtigte dieses Datum im Nachhinein in die blanko unterschriebenen Formulare eingefügt hat. Die Stempelaufdrucke in den Akten der BVA belegen, dass diese das Erstattungsverfahren intern am 1.9.1977 abgeschlossen hat. Der Erstattungsbescheid vom 2.9.1977 ist dem (Zustellungs-)Bevollmächtigten des Klägers am 7.9.1977 zugesandt worden. Wenn auch der Zugang des Bescheids und der Eingang des Erstattungsbetrags auf dem Konto der Abtretungsgläubigerin nicht durch Urkunden belegt sind, sind auch diese Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erfüllt.
33Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
34Hier ist der typische Geschehensablauf erwiesen. Der Kläger hat sich die Erstattungsforderung vorfinanzieren lassen, um nicht den Abschluss des Verwaltungsverfahren abwarten zu müssen, sondern bereits im Zeitpunkt der Ausreise Ende Mai 1977 über den Geldbetrag verfügen zu können. Ist ein Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er keine weitere Nachricht (mehr) erhält und/oder eine Zahlung nicht erfolgt. Dies gilt besonders bei dem vorliegenden zweistufigen Verfahren. Da der Bevollmächtigte des Klägers sich wegen des Erstattungsbescheids nicht mehr an die BVA gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er den an ihn adressierten Bescheid vom 2.9.1977 erhalten hat. Im Erstattungsbescheid ist überdies vermerkt, dass der Erstattungsbetrag an die VOBA Teilzahlungsbank erstattet worden ist. Da sich auch diese im Folgenden weder an die BVA noch an den Bevollmächtigten des Klägers (der sich dann seinerseits an die BVA gewandt hätte) gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BVA die Leistung auch tatsächlich an die neue Gläubigerin bewirkt hat. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass ein Kreditinstitut bei Eintritt des Sicherungsfalles nicht auf die ihm zustehende Sicherheit zugreift, sich also nicht bei der BVA meldet, wenn die Zahlung nicht eingeht. Dass sich weder der Bevollmächtigte des Klägers noch die Abtretungsgläubigerin nach dem 7.9.1977 wegen der Zahlung des Erstattungsbetrags an die BVA gewandt haben, schließt der Senat aus den offenbar noch vollständig erhaltenen, insoweit negativ ergiebigen Verwaltungsakten der BVA. Soweit der Kläger geltend macht, er habe den vom SG angegebenen Erstattungsbetrag nicht vollständig erhalten, trifft dies zu, ist aber ohne Belang. Der Kläger hat vom Darlehensbetrag DM 14.751 tatsächlich nur 12.540 DM erhalten, weil ausweislich des mit der TeilzahlungsbankT geschlossenen Vertrages dieser 1.401 DM und dem Vermittler U 810 DM davon zustanden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe nur 1.425,60 DM erhalten, verkennt er, dass dieser Betrag nicht aus der Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung herrührt, sondern die Erstattung von Beiträgen zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn betrifft.
35Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
36Ohne Belang ist, ob der Kläger für ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma J vom 16. bis zum 27.5.1977 Beiträge entrichtet hat. Unabhängig davon, dass damit allein die Wartezeit nicht erfüllt ist und zu berücksichtigende Zeiten in Marokko nicht ersichtlich sind, ergibt sich aus § 210 Abs 6 Satz 3 SGB VI, dass aus Zeiten bis zur Erstattung (hier mit Bescheid vom 2.9.1977, also im September 1977) keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Dies bedeutet, dass, sofern im Mai 1977 (wie der Arbeitgeber bestätigt, aber sich bisher nicht hat erweisen lassen) "mit Sicherheit" weitere Beiträge entrichtet worden sind, insoweit allenfalls ein (weiterer) Erstattungsanspruch bestünde. Dies gilt gleichermaßen, soweit die BVA nach der Abtretungsanzeige vom 31.5.1997 von der Abtretung nicht erfasste, weitere 2,90 DM (14.753,90 DM 14.751,00 DM) an die Teilzahlungsbank T ausgezahlt hat.
37Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass auch dem Wunsch des Klägers, ihm die Rückzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten und ihm stattdessen Regelaltersrente zu gewähren, von Rechts wegen nicht entsprochen werden kann. Ein derartiges (Rück-) Gestaltungsrecht ist im System des SGB VI nicht vorgesehen. Wählt ein Versicherter durch seinen Antrag die Beitragserstattung, ist nach deren vollständiger Durchführung eine Geltendmachung von Ansprüchen aus den erstatteten Beiträgen für alle Zukunft ausgeschlossen. Der Versicherte ist an seine Gestaltung der Rechtslage gebunden.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
39Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2011 Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente, hilfsweise eine finanzielle Unterstützung.
3Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und war in Deutschland vom 6.10.1972 bis zum 5.3.1974, vom 1.4.1974 bis zum 30.11.1976, vom 1.2.1977 bis zum 31.3.1977 und vom 6.4.1977 bis zum 31.10.1978 versicherungspflichtig im Bergbau beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück, wo er bis heute lebt.
4Im Juni 2004 beantragte der Kläger Rentenleistungen unter Vorlage einer Lohnabrechnung der S Bergbau AG Westfalen betreffend den Monat 7/1976. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Versicherungszeiten mehr bestünden. Die zur deutschen Rentenversicherung in der Zeit vom 6.10.1972 bis zum 30.10.1978 entrichteten Beiträge seien mit Bescheid vom 20.7.1982 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 20.7.1982 seien weder behauptet noch nachgewiesen (Bescheid vom 3.9.2004). Dieser Bescheid konnte trotz Einschaltung der Deutschen Botschaft in Rabat dem Kläger nicht wirksam zugestellt werden.
5Im April 2009 beantragte der Kläger die Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte nahm einen (verschlüsselten) Ausdruck des den Kläger betreffenden (elektronisch gespeicherten) "Gesamtkontospiegels" zu den Akten. Darin sind im Versicherungskonto des Klägers unter der Schlüssel-Nr 1830 folgende Daten gespeichert: "Antrag 16.06.1982", "Bescheid 20.07.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20". Ferner ist nach diesem Kontospiegel - unter der Schlüssel-Nr 1860 "Ablehnung Versichertenrente" - der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Anschließend lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente mit derselben Begründung wie 2004 ab (Bescheid vom 22.5.2009; Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009). Der per Einschreiben mit Auslandsrückschein versandte Widerspruchsbescheid konnte wiederum nicht an den Kläger zugestellt werden; die Beklagte sandte ihn daraufhin erneut mit Begleitschreiben vom 25.1.2010 an den Kläger, dieses Mal mit einfachem Brief.
6Mit seiner am 19.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund in französischer Sprache erhobenen und nicht in die deutsche Sprache übersetzten Klage ("réclamation"), der eine Kopie des Schreibens vom 25.1.2010 und des diesem Schreiben beigefügten Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 beigefügt waren, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er in Deutschland gearbeitet und Beiträge gezahlt habe. Er sei ein alter Mann und befinde sich in einer schlechten finanziellen Situation. Er bitte, seine Akten nochmals zu prüfen und ihm eine Rente oder eine finanzielle Hilfe zu gewähren.
7Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
8Auf die in französischer Sprache verfasste Aufforderung des SG, Stellung zu der im Jahr 1982 erfolgten Beitragserstattung zu nehmen und hierzu ggf noch vorhandene Unterlagen vorzulegen, hat der Kläger mitgeteilt, er besitze die angeforderten Dokumente nicht.
9Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Regelaltersrente, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Auf Grund der Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Der Vorgang der Beitragserstattung ergebe sich aus dem Gesamtkontospiegel. Es bestehe kein Anhaltspunkt, dass die sich hieraus ergebenden Grunddaten fehlerhaft sein könnten. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren die Durchführung des vollständigen Beitragserstattungsverfahrens auch nur ansatzweise in Abrede gestellt. Schließlich zeige das Verhalten des Klägers nach der ersten Antragstellung im Jahr 2004, dass er selbst nicht davon ausgehe, einen berechtigten Anspruch gegenüber der Beklagten zu haben. Denn anderenfalls hätte er sich nicht erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet, um seinen vermeintlichen Anspruch geltend zu machen (Gerichtsbescheid vom 14.12.2010, zugestellt am 18.1.2011).
10Mit seiner am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Berufung ("recours"), deren in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung dem Gericht am 30.3.2011 vorgelegen hat, hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er bittet erneut um die Überprüfung seiner Akte, damit er eine Altersrente oder eine finanzielle Unterstützung erhalte. Auf die Bitten des Gerichts - auch in französischer Sprache -, sämtliche Unterlagen, die er noch besitze, vorzulegen sowie Fragen zu der Beitragserstattung zu beantworten, hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er widerspreche der Darstellung der Beklagten. Er bitte um eine günstige Entscheidung; für weitere Informationen stehe er jederzeit zur Verfügung.
11Der Kläger ist am 4.6.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
12Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie hält ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und ist weiter der Auffassung, die für den Kläger vorgenommene Beitragserstattung ergebe sich nachweislich aus dem Gesamtkontospiegel. Die im Versicherungskonto gespeicherte Dokumentation der Beitragserstattung korrespondiere schlüssig mit den im Versicherungskonto abgelegten Versicherungszeiten. Sie hat eine Versicherungskarte des Klägers vorgelegt, auf der lediglich - neben dem Namen, dem Geburtsort sowie zwei Versicherungsnummern des Klägers - das Datum des Beschäftigungsbeginns am 6.10.1972 eingetragen ist. Diese Karte sei bei Aufnahme der knappschaftlich versicherten Beschäftigung ausgefertigt worden. Der Umstand, dass auf dieser Karte keine weiteren Eintragungen, insbesondere keine Vermerke über die durchgeführte Beitragserstattung vorhanden seien, erkläre sich damit, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Oktober 1978 sowie im Zeitpunkt der durchgeführten Beitragserstattung keine manuellen Notierungen in Papierform mehr vorgenommen worden seien.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Parteivernehmung des Klägers beantragt zum Beweis der Tatsache, dass - wie in ihrem Gesamtkontospiegel vermerkt - ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren durchgeführt worden ist. Sie ist der Ansicht, ihr müsse "im Falle eines Beweisnotstandes" als letztes Beweismittel auch die Parteivernehmung des betroffenen Versicherten offen stehen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
18Entscheidungsgründe:
19A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm Art 31 Abs 1 S 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
20I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 14.12.2010 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerks am 18.1.2011 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete mit Ablauf des 18.4.2011. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung ("recours") eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist (nur) die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderregelungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 22.3.2001, Az L 3 U 23/00, juris). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs 2 DMSVA und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil die französische Sprache wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin auch der Senat tendiert -, oder dem Kläger gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass der Kläger sich gegen den Gerichtsbescheid ("la décision") wendet, ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 30.3.2011 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar war das Gericht nicht zur Übersetzung einer in einer Fremdsprache verfassten Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl 2014. § 61 RdNr 7c mwN); die deutsche Übersetzung ist vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1).
21II. Die Berufung ist begründet.
22Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente abgelehnt hat. Streitgegenstand ist damit das Begehren des Klägers, die genannten Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren. Der Senat geht davon aus, dass ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil andere Altersrenten für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der Auffassung des SG auch begründet. Da die Berufung des Klägers bereits mit dem Hauptbegehren auf Regelaltersrente erfolgreich ist, kann dahin stehen, ob das bereits in der ersten Instanz verfolgte Hilfsbegehren des Klägers, eine finanzielle Unterstützung ("une aide financière") zu erhalten, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
231. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar hat das SG die Klageschrift - wohl versehentlich, wie das weitere Verfahren zeigt - nicht in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Allerdings ist, da der Kläger seinem Klageschriftsatz vom 8.2.2010 eine Kopie des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 11.11.2009 beigefügt hat, mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der Kläger sich gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Regelung mit dem zulässigen Rechtsbehelf - der Klage - wenden wollte. Dass der Kläger mit dieser Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden war und diese durch das Gericht überprüfen lassen wollte, ergibt sich zudem daraus, dass er im Betreff des Schriftsatzes den auch im Deutschen verständlichen Begriff "réclamation" angegeben hat. Entsprechend hat das SG das Rechtsschutzbegehren des Klägers durchweg als ordnungsgemäß erhobene "Klage" behandelt und ihm nicht die ansonsten wohl erforderliche "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.
242. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Der Kläger hat ab dem 1.1.2011 Anspruch auf Regelaltersrente.
25Nach § 235 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der an einem unbekannten Tag eines unbekannten Monats im Jahr 1945 geborene Kläger hat (spätestens) Ende Dezember 2010 das 65. Lebensjahr vollendet. Er hat auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) erfüllt, weil er unstreitig in Deutschland 71 Monate mit (ausschließlich knappschaftlichen) Beitragszeiten zurückgelegt hat, so dass es nicht darauf ankommt, ob außerdem nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") marokkanische Zeiten zu berücksichtigen sind.
26Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, Ansprüche aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr, weil dem Kläger die entsprechenden Beiträge erstattet worden seien und das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht nämlich nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine solche Beitragserstattung erfolgt ist. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Rentenanspruch des Klägers - rechtsvernichtend - einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1982 durch eine Beitragserstattung aufgelöst worden.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung der Beitragserstattung trägt die Beklagte die objektive Beweislast (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Kläger einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Kläger wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat.
28Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel") sowie der Einlassungen des Klägers steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Auf 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll )Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs )Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Klägers beweisen.
29Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den gesamten Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die aktenkundige Versicherungskarte ist als Urkunde insoweit unergiebig. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb ausschließlich auf die im elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als denkbar erscheinen, dass (außerdem) ein wirksamer Erstattungsantrag des betreffenden Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, und Urteile vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 (2) KN 239/09 und L 18 KN 30/10, sämtlich zitiert nach juris; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, diese zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den - ehemaligen - Versicherten) zulassen. Der - vom SG zitierten - abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, beide zitiert nach juris) schließt sich der Senat nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
30Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak. ZPO. 11. Aufl 2014. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
31Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht - selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre - nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall.
32Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw - bei öffentlichen elektronischen Dokumenten - gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. aaO. § 415 RdNr 10). Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 16.06.1982" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert haben mag, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Kläger persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine - uU nicht wirksam bevollmächtigte - dritte Person war. Da der Kläger nur bis Oktober 1978 in Deutschland beschäftigt war, liegt nahe, dass er im Zeitpunkt, an dem der Antrag gestellt worden sein soll, bereits nach Marokko zurückgekehrt war, so dass mindestens möglich erscheint, dass ein Dritter den (etwaigen) Antrag gestellt hat. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß von dem Kläger bevollmächtigt worden ist. Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Kläger zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist.
33Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 20.7.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20" zu entnehmen. Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 15.6.2014. § 417 RdNr 5). Der vorliegende Sachverhalt zeigt besonders deutlich, dass sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht entnehmen lässt, ob die dort gespeicherten Bescheide formell wirksam erlassen, also dem Versicherten (auch) bekannt gegeben worden sind, § 39 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Denn in dem Kontospiegel ist unter der "Schlüsselnummer" 1860 sowie dem Hinweis "Ablehnung Versichertenrente" der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Nach dem Inhalt der Akten der Beklagten konnte dieser Bescheid aber trotz mehrfacher Versuche dem Kläger gerade nicht zugestellt werden, ist mithin also nie wirksam geworden. Im elektronischen Versicherungskonto ist er gleichwohl (wie der angebliche Bescheid vom 20.7.1982) gespeichert. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht restlos davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Bescheiddaten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, diese Bescheide seien wirksam erlassen worden.
34Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegel allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten diese Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der - wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind - Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Klägers ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat.
35Selbst Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind danach nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag in Deutschland hat der Kläger im Oktober 1978 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz war eine Beitragserstattung auch damals idR erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im Juni 1982 (aber auch bereits 1980) war diese Frist abgelaufen. Daraus lässt sich aber gerade nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. So sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) auch Fälle bekannt, in denen eine Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist. Auch die Versicherungskarte kann - ungeachtet des Beweiswerts im Übrigen - nicht für einen typischen Geschehensablauf herangezogen werden, da auf ihr nicht - wie in vielen vergleichbaren Fällen - eine Beitragserstattung (durch Stempel oder handschriftlich) vermerkt ist. Worauf dies ggf. beruhen könnte, ist unerheblich. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein solcher Vermerk fehlt.
36Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten folgt nichts Anderes daraus, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren den Vortrag der Beklagten substantiiert bestritten hat. Dieses Schweigen des Klägers ist unergiebig. Immerhin ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich entgegengetreten ("trifft nicht zu") und hat erklärt, die angeforderten Unterlagen lägen ihm nicht vor. Welche weitergehenden Angaben zu "Nichttatsachen" von einem (mit hoher Wahrscheinlichkeit prozessunerfahrenen) Kläger verlangt werden sollen, ist dem Senat nicht klar. Aus den Äußerungen des Klägers ergeben sich (anders als in vielen ähnlich gelagerten Verfahren) auch keine mittelbaren Hinweise auf eine Erstattung oder den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt im Übrigen von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft).
37Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beitragserstattung rechtswirksam erfolgt ist, ergibt sich schließlich entgegen der Auffassung des SG nicht aus dem Verhalten des Klägers nach dem ersten Antrag, insbesondere nicht aus der Tatsache, dass er sich erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet hat. Auch dieses Verhalten ist unergiebig. Aus dem fünfjährigen Zuwarten bis zur erneuten Antragstellung kann nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger selbst wisse, dass er - wegen der Beitragserstattung - keinen Anspruch auf die Regelaltersrente habe. Denn daraus, dass der zum zweiten Mal von der Beklagten die Gewährung einer Rente begehrt und diesen Anspruch bis in die zweite Instanz verfolgt, kann ebenso der gegenteilige Schluss gezogen werden.
38Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als "Beweisnotstand" bezeichnete Beweislage resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Hieraus ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, das Beweismaß zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
39Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der klugen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat.
40Die Regelaltersrente beginnt mit dem Monat Januar 2011, § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen erst für den Beginn des Monats Januar 2011 nachweislich vor. Es ist nach Lage der Akten nämlich lediglich erwiesen, dass der Kläger im Jahr 1945 geboren wurde. Dass kein früheres Geburtsdatum als der letzte Tag dieses Jahres erwiesen ist, wirkt sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers aus. Der Senat geht davon aus, dass er durch diese gesetzeskonforme Rentengewährung dem allgemein gefassten (Haupt-)Begehren des Klägers vollständig entspricht, so dass eine Zurückweisung der Berufung im Übrigen nicht erforderlich ist.
413. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Eine weitergehende Beweiserhebung iS des "Beweisantrags" der Beklagten ist nicht geboten.
42Bei dem Antrag auf "Parteivernehmung des Klägers", also den Kläger persönlich anzuhören, handelt es sich nicht um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Nach den Vorschriften des SGG ist die Parteivernehmung kein im Sozialgerichtsverfahren zulässiges Beweismittel, denn § 118 Abs 1 SGG verweist nicht auf die §§ 445 ff ZPO (stRspr; vgl nur BSG, Beschlüsse vom 24.11.1990, Az 1 BA 45/90, juris, sowie vom 18.2.2003, Az B 11 AL 273/02 B, juris; M. Kühl. AaO). Hieran ändert sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts dadurch, dass sie sich auf einen "Beweisnotstand" beruft. Die im Sozialgerichtsverfahren zulässigen (Streng-)Beweismittel werden auch dann nicht erweitert, wenn ein Beweisnotstand iS von typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten (s.o.) vorliegt.
43Es ist zwar zutreffend, dass besondere Beweisschwierigkeiten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können, etwa wenn übliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden) nicht zur Verfügung stehen, so dass vorhandene Erkenntnisquellen, etwa Beteiligtenvorbringen, an Gewicht gewinnen (vgl hierzu Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Beteiligte Tatsachen aus eigener Wahrnehmung angibt, und andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 22.5.2013, Az L 18 KN 52/10; juris Rdnr 28). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte erhofft sich vielmehr vom Kläger "ins Blaue hinein", dass er Angaben machen könnte, die ihren Standpunkt bestätigen. Allein deshalb fühlt sich der Senat nicht gedrängt, dem "Beweisantrag" der Beklagten nachzugehen und den Kläger entweder in Marokko oder in Deutschland zu der von der Beklagten behaupteten Beitragserstattung persönlich anzuhören. Denn der Senat hat sämtliche vorhandenen Erkenntnisquellen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten - und damit auch das des Klägers - berücksichtigt und in die Beweiswürdigung eingezogen. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Erstattung zur Gänze bestritten und vorgetragen, die angeforderten Unterlagen lägen ihm (folglich) nicht vor. Dieser Vortrag des Klägers blieb über die Dauer des gesamten Verfahrens frei von Widersprüchen. Welche über diesen Vortrag hinausgehenden Erkenntnisse die Beklagte sich von der persönlichen Anhörung des Klägers zu der von ihr behaupteten Beitragserstattung verspricht, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Beklagte trägt keinen konkreten Sachverhalt vor, den der Kläger vortragen oder bestätigen soll. Der Beweisantrag ist offenbar lediglich von der vagen Hoffnung getragen, der Kläger könnte - anders als mit seinem Vortrag im schriftlichen Verfahren - nunmehr ihre Behauptungen bestätigen. Da hierfür angesichts des bisherigen Vortrags des Klägers tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen, handelt es sich bei dem "Beweisantrag" der Beklagten um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl hierzu: BSG, Beschluss vom 19.11.2009, Az B 13 R 303/09 B, juris RdNr 12).
44B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
45C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. August 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beklagte hat dem Kläger die für das Beschwerdeverfahren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 19.8.2014 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Regelaltersrente ab 1.1.2011 zu gewähren.
- 2
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte beim BSG Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensfehler.
- 3
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Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 6.10.2014 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn sie hat die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
- 5
-
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
- 6
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Die Beklagte hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage,
"Kann allein aus dem Inhalt des bei dem Rentenversicherungsträger elektronisch gespeicherten Versicherungskontos, in dem Daten über den Antrag auf Beitragserstattung, Bescheiderteilung, Erstattungszeitraum und Erstattungsbetrag festgehalten sind, der Beweis des ersten Anscheins für die Durchführung einer wirksamen Beitragserstattung gemäß § 210 SGB VI an den Versicherten geführt werden?"
- 7
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Die Beklagte führt hierzu aus, die aufgeworfene Frage sei klärungsbedürftig, weil höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, wie zu verfahren sei, wenn sich die tatsächlich erfolgte Beitragserstattung lediglich aus dem sog Gesamtkontospiegel des Rentenversicherungsträgers ergebe. Bisher sei lediglich entschieden, dass aus dem Inhalt von Sammelkarten, Beitragserstattungslisten und weiterer laufender Verwaltungsunterlagen die - auf Lebenserfahrung beruhende, jedoch widerlegbare Vermutung - der wirksamen Beitragserstattung gestützt werden könne (Hinweis auf BSG vom 14.3.1975 - 1 RA 173/74 - SozR 2200 § 1309a Nr 1 und BSG vom 14.8.1989 - 5 BJ 33/89 - Juris). Diverse Senate des Bayerischen LSG hätten allerdings die Ansicht der Beklagten bestätigt, dass allein aus dem beim Rentenversicherungsträger elektronisch gespeicherten Versicherungskonto der Beweis des ersten Anscheins dahingehend geführt werden könne, dass eine wirksame Beitragserstattung an den Versicherten vorgenommen worden sei (zB Bayerisches LSG vom 25.9.2007 - L 18 R 335/07). Wäre das LSG im vorliegenden Fall dem Beweis des ersten Anscheins zur Wirksamkeit der Beitragserstattung an den Kläger gefolgt, so wäre seine Altersrente abzulehnen gewesen.
- 8
-
Mit diesem Vortrag möchte die Beklagte eine höchstrichterliche Entscheidung des Inhalts erreichen, dass sie sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens allein auf die im elektronischen Versicherungskonto des Versicherten gespeicherten Daten stützen darf. Sinngemäß begehrt sie damit die generelle Festlegung eines Beweisgrundsatzes für das Beitragserstattungsverfahren nach § 210 SGB VI. Im Kern stellt die Beklagte damit keine abstrakte Rechtsfrage sondern eine - allenfalls in das Gewand einer Rechtsfrage gekleidete - Beweisfrage auf. Fragen tatsächlicher Art eröffnen aber nicht den Zugang zur Revisionsinstanz über die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung, und zwar selbst dann nicht, wenn dabei Erfahrungssätze allgemeiner Art (wie hier der Lebenserfahrung) betroffen sind. Soweit allgemeine Tatsachen nicht die Qualität und Funktion von Rechtsnormen erreichen, wie es zB für allgemeine Erfahrungssätze angenommen wird, sind sie weiterhin als "Tatsachen" zu qualifizieren (stRspr, vgl nur BSG vom 7.10.2005 - B 1 KR 107/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 6 mwN). Das ist auch hier der Fall. Im Ergebnis fehlt es daher der von der Beklagten aufgeworfenen Frage an einem auf § 210 SGB VI bezogenen normativen Inhalt, der mit Mitteln juristischer Methodik zu klären wäre. Ob das LSG für den Nachweis eines ordnungsgemäßen Erstattungsverfahrens den Beweis des ersten Anscheins ausreichen lässt, der grundsätzlich im sozialgerichtlichen Verfahren auch Anwendung findet (vgl bereits BSG vom 3.5.1968 - 4 RJ 45/68 - ZFS 1969, 138; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap III, RdNr 28), ist vielmehr im Kern eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Frage der richterlichen Beweiswürdigung (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
- 9
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2. Die Beklagte hat auch keinen Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet.
- 10
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen siehe Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
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Die Beklagte trägt vor, dass sie ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2014 einen Antrag auf Parteivernehmung zum Beweis der Tatsache gestellt habe, dass ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren durchgeführt worden sei entsprechend dem elektronisch gespeicherten sog Gesamtkontospiegel. Hierzu habe der Beklagtenvertreter erklärt, dass ihm im Falle eines - hier vorliegenden - Beweisnotstandes das Beweismittel der Parteivernehmung des betroffenen Versicherten offenstehen müsse (S 10 der Beschwerdebegründung). Diesem Antrag sei das LSG nicht gefolgt.
- 13
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Wie die Beklagte selbst einräumt, hat sie mit diesen Darlegungen keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet. Denn sie führt zutreffend aus, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine Parteivernehmung weder auf Antrag noch von Amts wegen zulässigerweise in Betracht kommt (stRspr vgl BSG vom 27.5.2011 - B 12 KR 79/10 B - Juris RdNr 8; vom 18.2.2003 - B 11 AL 273/02 B - Juris RdNr 3; vom 24.11.1990 - 1 BA 45/90 - SozR 3-1500 § 160a Nr 2 S 2; vom 20.1.1988 - 1 BA 51/87 - Juris). Dem sozialgerichtlichen Verfahren ist das Institut der Parteivernehmung fremd, da § 118 Abs 1 S 1 SGG nicht auf die §§ 445 ff ZPO verweist.
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Selbst wenn in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht iS des § 103 SGG bei abgelehnter Parteivernehmung angenommen werden könnte(vgl Senatsbeschluss vom 14.10.2008 - B 13 R 407/08 B - Juris RdNr 18), so hätte die Beklagte darlegen müssen, dass ein derartiger Sachverhalt vorliegt und dass das LSG sich deshalb hätte gedrängt sehen müssen, den Kläger persönlich anzuhören. Ob nach Ansicht der Beklagten ein sog Beweisnotstand vorliegt, weil sie die bei ihr geführten relevanten Beitragserstattungsvorgänge, die in diesem Rechtsstreit zu Beweiszwecken benötigt werden, vernichtet habe, kann dahingestellt bleiben. Wenn das Berufungsgericht dem Kläger am 26.9.2011 verschiedene detaillierte Fragen zur Beitragserstattung gestellt habe, die er am 14.8.2012 beantwortet habe (S 3 f, 11 der Beschwerdebegründung), reicht es nicht aus, lediglich die "exakte Beantwortung" der Fragen durch den Kläger zu bemängeln. Damit hat sie nicht hinreichend dargelegt, dass sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, diese Fragen vom Kläger (erneut) beantworten zu lassen.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.
Tenor
Soweit der Kläger eine Entschädigung für die Folgen einer Gallenoperation begehrt, wird die Berufung als unzulässig verworfen und die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente, im zweiten Rechtszug außerdem eine Entschädigung für die Folgen einer Gallenoperation.
3Der 1940 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Er war vom 21.11.1963 bis zum 15.2.1967 in der Bundesrepublik Deutschland als Bergmann und für kurze Zeit als Hilfsarbeiter außerhalb des Bergbaus versicherungspflichtig beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück.
4Am 12.2.1969 beantragte er über das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Casablanca bei der Ruhrknappschaft (als Rechtsvorgängerin der Beklagten) die Erstattung der in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlten Beiträge. Am 7.1.1970 sprach der Kläger (anlässlich eines Aufenthalts in Deutschland als Tourist) bei der Ruhrknappschaft persönlich vor, um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Die Bundesknappschaft (als Rechtsnachfolgerin der Ruhrknappschaft bzw Rechtsvorgängerin der Beklagten; fortan einheitlich: Beklagte) entsprach dem Antrag und stellte eine Erstattungsforderung in Höhe von 1.056,02 DM fest. Hierbei berücksichtigte sie sämtliche Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung (Zeiten vom 21.11.1963 bis zum 23.11.1964 und vom 7.10.1965 bis zum 15.2.1967) sowie Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter für die Zeit vom 13.6. bis 30.9.1965 aus einem versicherungspflichtigen Entgelt von 1.697,82 DM (Bescheid vom 10.2.1970). Diesen Bescheid übergab der Knappschaftsälteste Schneider am 23.2.1970 dem damaligen Hauswirt des Klägers in Essen, weil er den Kläger unter der angegebenen Anschrift in Essen-Überruhr nicht getroffen hatte. Der Erstattungsbetrag wurde dem Kläger am 20.2.1970 durch einen Briefboten in bar ausgezahlt (Bestätigung der Hauswirtin A. Linke gegenüber dem Knappschaftsältesten Schneider am 6.5.1970; Auskunft des Postscheckamts Dortmund vom 18.6.1970).
5Nachdem die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz (jetzt: DRV Rheinland) mitgeteilt hatte, für die Beschäftigung vom 13.6. bis 30.9.1965 sei von einem (höheren) versicherungspflichtigen Entgelt von 1.991,64 DM auszugehen, stellte die Beklagte eine weitere Erstattungsforderung von 20,56 DM fest; der Betrag werde nach Marokko überwiesen (an den Kläger in Marokko adressierter Bescheid vom 12.8.1970). Der Bescheid wurde dem Kläger am 17.8.1970 zugestellt. Fast 2 Jahre später (Schreiben vom 10.5.1972) teilte die LVA Rheinprovinz der Beklagten mit, dass der Kläger vom 13.6. bis 30.9.1965 tatsächlich nur 1.697,82 DM verdient habe. Von einer Rückforderung des überzahlten Betrages von 20,56 DM werde Abstand genommen.
6Anträge des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung (zunächst wegen Folgen einer Magenoperation 1967, später wegen Folgen einer Gallenoperation 1964 in Deutschland) lehnte die Beklagte wegen der Beitragserstattung ab (Bescheide vom 20.10.1980, 13.4.1981 und 16.1.2006).
7Am 26.10.2009 beantragte der Kläger über die marokkanische Verbindungsstelle "Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS)" die Gewährung einer Altersrente ("pension de vieillesse"). Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag wegen der erfolgten Beitragserstattung ab (Bescheid vom 23.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 19.1.2010).
8Mit seiner am 10.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er habe Beiträge an die Beklagte gezahlt, er sei ein alter Mann und brauche seine Rente.
9Die Beklagte hat ihre Entscheidung für richtig gehalten.
10Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Rentenanspruch bestehe nicht, weil dem Kläger die geleisteten Beiträge erstattet worden seien. Dadurch sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden (Gerichtsbescheid vom 14.12.2010, zugestellt am 3.1.2011).
11Mit seiner Berufung vom 17.1.2011 (Eingang beim SG) hat der Kläger vorgetragen, er habe für seine Arbeit in Deutschland vom 21.11.1963 bis zum 15.2.1967 nur 1.056,02 DM erhalten. Das sei zu wenig. Zudem sei er damals gezwungen worden, die "Abrechnung zu machen". Er sei bereit, den Betrag von 1.056,02 DM gegen Gewährung einer Rente zurückzuzahlen. Er bestehe außerdem auf einer Entschädigung für die Folgen der in Deutschland am 5.3.1964 erfolgten Gallenoperation.
12Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er sei alt und krank. Er habe keinen Vertreter in Deutschland. Seine Situation sei schwierig. Er bitte, ihm sein Recht zu geben (Schreiben vom 17.3.2014).
13Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie hält ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
17Der Senat hat abgelehnt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen (Beschluss vom 20.12.2011).
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
19Entscheidungsgründe:
20A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG. Das Schreiben des Klägers vom 17.3.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen darauf gerichteten Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich erklärt hat, er sei alt und krank und habe keinen Vertreter in Deutschland, und darum gebeten hat, ihm zu helfen und ihm (auch in seiner Abwesenheit) sein Recht zu geben.
21I. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals (auch) eine Entschädigung für die Folgen einer Gallenoperation begehrt, geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass er dieses Begehren mit der Berufung, hilfsweise mit einer zweitinstanzlichen Klage in das Verfahren einführen will.
22Die Berufung ist insoweit unzulässig. Der Kläger ist durch die erstinstanzliche Entscheidung nicht formell beschwert, da das SG nicht über einen solchen Entschädigungsanspruch entschieden hat. Das Rechtsmittel der Berufung dient dazu, eine erstinstanzliche Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Fehlt es - wie hier zum Entschädigungsanspruch - an einer solchen Entscheidung, kann der Berufungskläger insoweit nicht durch eine sozialgerichtliche Entscheidung zu seinen Lasten "beschwert" sein; seine Berufung geht ins Leere.
23Auch die - dann hilfsweise anzunehmende - zweitinstanzliche Klage(-änderung) ist unzulässig, §§ 153 Abs 1, 99 SGG. Die Beklagte hat dieser Klageänderung weder zugestimmt noch sich dazu in der Sache eingelassen, § 99 Abs 1 Alt 1 SGG. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, da die geänderte Klage unzulässig wäre, § 99 Abs 1 Alt 2 SGG. Eine Klageänderung ist niemals sachdienlich, wenn die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste. So liegt der Fall hier, weil eine (direkte) Klage auf Entschädigung wegen der Folgen einer Gallenoperation nicht statthaft ist.
24Keine der im sozialgerichtlichen Verfahrensrecht vorgesehenen Klagearten ist statthaft. Das SGG stellt eine Numerus Clausus von Klagearten zur Verfügung. Begehrt jemand - wie vorliegend der Kläger - Leistungen von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, muss er sich zunächst an diesen wenden und kann erst später gegen dessen Entscheidung (eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungs-)Klage erheben. Diese Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungsklage ist eine spezifische Klageart, die in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten - in Ausgestaltung von Art 19 Abs 4 Grundgesetz - den Besonderheiten des Subordinationsverhältnisses Rechnung trägt. In diesem (allgemeinen oder besonderen) Gewaltverhältnis zwischen staatlichem Hoheitsträger und (seiner Gewalt unterworfenem) Staatsbürger ist jener befugt, das Rechtsverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) zu regeln. Der gerichtliche Rechtsschutz ist so ausgestaltet, dass erst nach Abschluss eines solchen Verwaltungsverfahrens eine Klage statthaft ist, die dann (ggf ua) darauf gerichtet ist, den Verwaltungsakt zu ändern. Da die Beklagte dem Kläger zu seinem - erst im Berufungsverfahren vorgebrachten - Begehren auf Entschädigung noch keinen Bescheid erteilt hat, ist eine (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs /Leistungs )Klage iS von § 54 Abs 1, 2 oder 4 SGG nicht statthaft. Auch die allgemeine (=direkte) Leistungsklage iS von § 54 Abs 5 SGG ist nicht statthaft, weil sie nur für Gleichordnungsverhältnisse vorgesehen ist, in denen ein Verwaltungsakt gerade nicht zu ergehen hat. Eine Feststellungsklage ist ebenfalls nicht statthaft, weil ein Feststellungsinteresse regelmäßig fehlt, wenn (sofort) auf Leistung geklagt werden kann. Andere Klagearten kommen von vorneherein nicht in Betracht.
25II. Im Übrigen ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2010 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
26Nach § 35 SGB VI aF erhalten Versicherte Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar 2005 das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, dass der Kläger bereits in Deutschland keine fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten hatte (sondern nur 32 Monate), weil nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kläger überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
27Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit Unterbrechungen) von November 1963 bis Februar 1967 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge im Jahr 1970 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 95 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) (gleichlautend: § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO)) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: §§ 95 Abs 7 RKG, 1303 Abs 7 RVO). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst, § 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2). Deshalb besteht auch keine gesetzliche Grundlage für das Begehren des Klägers, den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen und stattdessen Rente zu erhalten.
28Nach dem Gesamtinhalt der Akten sowie dem Vorbringen des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
29Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, sowie vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10). Das ist hier der Fall. Für den Senat steht aufgrund der in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen Urkunden sowie der eigenen Ausführungen des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
30Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei Nichterfüllung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier liegt ein wirksamer, in Casablanca am 12.2.1969 gestellter Antrag des Klägers vor, der die Unterschrift des Klägers trägt. Der Kläger hat selbst eingeräumt, diesen Antrag gestellt zu haben. Auf diesen Antrag hin hat die damals zuständige Bundesknappschaft mit Bescheid vom 10.2.1970 festgestellt, dass in der Zeit von November 1963 bis Februar 1967 entrichtete Beiträge in Höhe von 1.056,02 DM erstattet werden. Sowohl den Erstattungsbescheid als auch den Erstattungsbetrag von 1.056,02 DM hat der Kläger anlässlich seines (erneuten) Aufenthalts in Deutschland im Jahr 1970 auch erhalten. Den Erhalt des Betrages hat er überdies im Berufungsverfahren eingeräumt.
31Es kann dahinstehen, ob der Kläger auch den mit Bescheid vom 12.8.1970 festgestellten zusätzlichen Erstattungsbetrag von 20,56 DM, der ihm uU nicht zustand, erhalten hat, wofür nach dem Beweis des ersten Anscheins Einiges spricht, da ihm der Bescheid am 17.8.1970 zugestellt worden ist, der Betrag von der Beklagten überwiesen wurde und der Kläger sich in der Folge nicht mehr (wie zB bei der Vorsprache am 7.1.1970) nach dem Verbleib erkundigt hat. Denn es liegt ein insgesamt wirksames Erstattungsverfahren vor, durch das das Versicherungsverhältnis aufgelöst wurde und die bis zum Erstattungszeitpunkt bestehenden Rentenanwartschaften des Klägers sämtlich erloschen sind, § 210 Abs 6 Sätze 1 bis 3 SGB VI. Auf der Basis des Bescheides vom 12.8.1970 könnte der Kläger allenfalls noch die Erstattung des Restbetrages von 20,56 DM geltend machen; ein solcher Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
32Aus dem Vortrag des Klägers, er sei zu der Beitragserstattung gezwungen worden, resultiert schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil sich dieser Vortrag nach Lage der Akten als unrichtig erweist. Die Aktenlage spricht im Gegenteil für eine selbst bestimmte, eigenverantwortliche Antragstellung des Klägers. Soweit der Kläger später behauptet, er sei nach Deutschland gereist, wo man sich geweigert habe, ihm eine Arbeit anzubieten und ihn gezwungen habe, die "Abrechnung zu machen", widerspricht dieser Vortrag sowohl dem Inhalt der Verwaltungsakten als auch dem Vorbringen des Klägers an anderer Stelle. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich vielmehr, dass der Kläger den Antrag auf Beitragserstattung nicht in Deutschland, sondern im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Casablanca gestellt hat. Diesen Sachverhalt hat der Kläger in seiner Berufungsschrift (zunächst) bestätigt.
33B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
34C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 2.7.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 1938 in Marokko geborene Kläger kam 1963 unter dem Namen B D nach Deutschland und war hier bis Juni 1978 erwerbstätig, zunächst vom 16.4.1963 bis zum 28.8.1965 als Kranhelfer bei der Bauunternehmung P KG X, danach vom 31.8.1965 bis zum 30.4.1969 bei der Stadt X, vom 5.5.1969 bis zum 31.3.1970 bei der G & Co. KG X und zuletzt als Fahrzeugreiniger vom 1.7.1970 bis zum 30.6.1978 bei der (damaligen) Deutschen Bundesbahn, Bahnwerk X W. Während der Tätigkeit bei der Stadt X will der Kläger am 9.10. und am 10.12.1966 Arbeitsunfälle mit Verletzung im Kopfbereich erlitten haben. Während der Tätigkeit bei der Deutschen Bahn AG erlitt er am 9.10.1970 einen Arbeitsunfall mit Knieverletzung rechts. Wegen der Unfallfolgen "Leichtes Wackelknie rechts infolge einer Lockerung des äußeren Seitenbandes, Muskelminderung am rechten Ober- und Unterschenkel und beginnende chronisch verbildende Veränderungen im rechten Kniegelenk" gewährte ihm die Eisenbahn Unfallkasse (EUK) "Unfallrente" nach einer MdE um 20 vH. Diese "Unfallrente" wurde später abgefunden (Bescheid vom 2.6.1978; Betrag: DM 64.060,20). Am 24.6.1978 reiste der Kläger zurück nach Marokko und lebt seither dort.
4Am 9.6.1978, also kurz vor seiner Ausreise, beantragte der Kläger bei der Bahnversicherungsanstalt (fortan: BVA), Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 30.9.2005, die Erstattung der von ihm zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge und fügte dem Antrag eine beglaubigte Vollmacht für seinen Stiefbruder M B bei, auf dessen Konto bei der Stadt Sparkasse X das Geld überwiesen werden solle. Die Beklagte leitete den Antrag (mit Entgeltbescheinigungen) am 1.12.1978 weiter an ihre Bezirksleitung in S und informierte den Kläger darüber schriftlich (nach Marokko). Nachdem die vor dem 1.7.1970 für den Kläger zuständige LVA Rheinprovinz (seit dem 1.10.2005: DRV Rheinland) die Versicherungskarten 1 und 2 übermittelt hatte, fragte die BVA beim Stiefbruder des Klägers (als Bevollmächtigtem) schriftlich nach, aus welchen Gründen 1964, 1965 und 1970 nicht belegte Zeiträume vorhanden seien (Anfrage vom 30.3.1979). Dazu teilte der Kläger selbst handschriftlich mit, er sei in den fraglichen Zeiträumen in Marokko im Urlaub gewesen (Schreiben vom 16.5.1979).
5Die BVA erstattete dem Kläger "nach § 1303 RVO" die Hälfte der von ihm in der Zeit vom 16.4.1963 bis zum 30.6.1978 zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge. Die Erstattung schließe weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus, auch wenn die für diese Zeiten entrichteten Beiträge nicht erstattet worden seien. Die Erstattung in Höhe von DM 19.655,30 erfolgte wunschgemäß an den Stiefbruder des Klägers (an den Kläger in Marokko adressierter Bescheid vom 29.5.1979, abgesandt am 5. Juni 1979). Ein Zustellungsnachweis oder ein Überweisungsbeleg (auf das Konto des Stiefbruders) findet sich nicht in den Akten. Ein in den Akten befindlicher "Beitragsnachweis" für 1970-1972 sowie die ebenfalls in den Akten befindlichen Versicherungskarten 1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung enthalten sämtlich den Stempelaufdruck "Beiträge nach § 1303 RVO erstattet".
6Im Oktober 2009 beantragte der Kläger unter seinem jetzigen neuen Namen bei der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BVA Altersrente ("pension de vieillesse") mit der Begründung, er habe 15 Jahre in Deutschland gearbeitet. Die Beklagte entnahm den bei ihr elektronisch gespeicherten Daten, dass 1978 eine Beitragserstattung erfolgt war, und lehnte den Antrag deshalb ab.
7Im Mai 2010 stellte der Kläger (dieses Mal auf Deutsch) einen weiteren Rentenantrag ("Rentenbetrag"), den die Beklagte in einem zweisprachig in Deutsch und Französisch gehaltenen Bescheid aus den gleichen Gründen ablehnte (Bescheid vom 14. September 2010). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er habe das Recht von seiner Versicherung und seine Renten immer noch nicht erhalten. Er habe in Deutschland drei Unfälle erlitten, bei denen zweimal der Kopf und einmal das Knie betroffen gewesen seien. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4.7.2011).
8Dagegen hat der Kläger am 5.8.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und seinen Rentenanspruch weiter verfolgt. Er habe lange in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet, sei dort krank gewesen und habe drei Unfälle erlitten. Eine Erstattung habe er nicht erhalten. Er möchte seine "Rechtsrenten" erhalten.
9Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
10Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.7.2012, ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht in den Akten).
11Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger mit am 5.9.2012 beim SG und am 12.9.2012 beim erkennenden Gericht eingegangenem Schreiben vom 8.8.2012 gewandt, darauf hingewiesen, dass er den Bescheid vom SG erhalten habe und seine Angelegenheit auf "Altersrenten als Krankgeld" weiterverfolge. Er habe schon drei Unfälle gehabt, sei damals krank geworden und sei jetzt noch krank. Deswegen sei er in seine Heimat zurückgereist und dort geblieben. Er bitte um sein Recht auf Altersrente von seiner Versicherung. Er hat im Berufungsverfahren einen Bescheid der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK NRW) vom 1.2.2013 zu den Akten gereicht, mit dem ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Unfalls aus dem Jahr 1966 abgelehnt wurde.
12Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne selbst nicht anreisen, warte auf den Termin und traue dem Gericht (Schreiben vom 13.3.2014).
13Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie hält ihrer Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
17Der Senat hat eine Auskunft der EUK eingeholt. Aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 25.5.2010 sei ein "mehrmaliger Schriftverkehr" erfolgt, in den auch die zuständige Verbindungsstelle einbezogen worden sei. Nachdem der Kläger nicht mehr reagiert habe, sei Anfang 2012 weiterer Handlungsbedarf nicht mehr gesehen worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Verwaltungsakten der früheren BVA, der beigezogenen Verwaltungsakten der EUK und der Gerichtsakten Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
19Entscheidungsgründe:
20Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 13.3.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt hat, sondern sein Nichterscheinen zum Termin und außerdem - sinngemäß - erklärt hat, er sei auch mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden.
21Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 2.7.2012 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.7.2012 zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich bei den Akten kein Zustellungsnachweis befindet und der genaue Zeitpunkt der Übergabe/Zustellung des Gerichtsbescheides deshalb nicht feststeht, ist doch die Berufung unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids selbst mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 12.9.2012 noch innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
22Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2011 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf (Regel-)Altersrente erneut ablehnt. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger, wenn er unter Hinweis auf seine 15jährige Beschäftigungszeit in Deutschland (mit unterschiedlichen Formulierungen) eine Altersrente aus seiner Versicherung begehrt. Soweit er außerdem auf seine 3 (Arbeits-)Unfälle und seine daraus resultierenden Krankheiten hinweist, dient dieses Vorbringungen (nur) zur Untermauerung des Rentenanspruchs. Dass er insoweit nicht weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte (als sachlich unzuständigen Leistungsträger) geltend macht, entnimmt der Senat auch daraus, dass dazu zwischenzeitlich eigenständige Verfahren bei der EUK und bei der UK NW anhängig (gewesen?) sind.
23Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 4.7.2011 nicht beschwert, §§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klage ist unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
24Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr (bereits 2003) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
25Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von April 1963 bis Juni 1978 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1979 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist.
26Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
27Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1979 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
28Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben in den Verwaltungsakten der Beklagten, insbesondere der früheren BVA und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
29Nach dem Inhalt der Akten der BVA hat der Kläger am 9.6.1978 kurz vor seiner Rückkehr nach Marokko bei der Beklagten eigenhändig die Beitragserstattung durch Überweisung des Erstattungsbetrages auf ein Konto seines Stiefbruders beantragt. Der auf diesen Antrag ergangene Erstattungsbescheid vom 29.5.1979 wurde am 5.6.1979 an den Kläger abgesandt. Urkunden, die die Haupttatsachen des Zugangs dieses Bescheides und des Eingangs des Erstattungsbetrags auf dem angegebenen Konto des Stiefbruders unmittelbar belegen (Zustellungsnachweis; Überweisungsträger; Eingangsbestätigung der Sparkasse X; Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der Kläger (bzw. sein Stiefbruder als Bevollmächtigter) den Erstattungsbescheid erhalten hat, und der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers bzw. seines (insoweit auch geldempfangsbevollmächtigten) Stiefbruders gelangt ist, die Beklagte damit den Erstattungsanspruch auch vollständig erfüllt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06 LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
30Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht (mehr) erhält. Dies kommt auch im vorliegenden Fall besonders deutlich zum Tragen. Der Kläger hat nämlich im Verwaltungsverfahren auf die Nachfrage der BVA (gerichtet an seinen Stiefbruder) selbst (wohl aus Marokko) handschriftlich mitgeteilt, dass er in den von der BVA bezeichneten, nicht mit Beiträgen belegten Zeiten in Marokko Urlaub gemacht habe. Dies zeugt von seinem Interesse an einem raschen Abschluss des Erstattungsverfahrens. Wenn er bei dieser Sachlage später nicht mehr zeitnah nach dem (Aus-)Gang des Verfahrens fragt, lässt dies nur den Schluss zu, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und das Geld vollständig in seine oder mindestens seines Stiefbruders Verfügungsgewalt gelangt ist.
31Hinzu kommt, dass der Kläger mit der Beitragserstattung 1978/79 die (damals) einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung seiner Beiträge wahrgenommen hat. Denn es gab im Zeitpunkt der Beitragserstattung (noch) keine Möglichkeit, Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren) Rentenzahlung stand die Regelung des § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF (gleichlautend § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt. Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge lediglich in Form der Beitragserstattung (§ 1303 RVO, entsprechend § 95 RKG) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das DMSVA vom 25.3.1981 erst 1986 in Kraft trat (BGBl II 1986; 550ff, 562, 772; vgl zu alledem BSG SozR 3 - 6610 Artikel 5 Nr 1). Dies alles spricht aus Sicht des Senats dafür, dass die jetzigen abweichenden Angaben des Klägers ("keine Erstattung erhalten") nicht den objektiven Tatsachen entsprechen. Der Senat hält sie deshalb nicht für geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des angenommenen typischen Geschehensablaufs zu begründen. Im Gegenteil bestätigen die Stempelaufdrucke auf Versicherungskarten 1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung "Beiträge nach § 1303 RVO erstattet", dass man ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Erstattungsverfahren stattgefunden hat.
32Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
33Selbst wenn man dem Vorbringen des Klägers (außerdem) entnähme, er begehrte (hilfsweise) auch eine "Rente wegen Krankheit", also nach der Systematik des SGB VI eine "Rente wegen (voller) Erwerbsminderung, gälte für eine solche Rente im Ergebnis das das zuvor Gesagte gleichermaßen.
34Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
35Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dortmund vom 5.5.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Von Januar 1962 bis November 1966 war er in Deutschland beschäftigt, bis Juli 1965 im Bergbau, danach außerhalb des Bergbaus. Für die Zeiten der Beschäftigung (17.1.1962 bis 13.4.1964, 3.6.1964 bis 30.7.1965, 9.8.1965 bis 14.2.1966 und 28.7. bis 29.11.1966) entrichtete er Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Dezember 1966 kehrte der Kläger nach Marokko zurück, wo er seither lebt.
4Im September 1997 beantragte der Kläger Altersrente bei der (damaligen) Landesversicherungsanstalt Schwaben (seit Oktober 2005: Deutsche Rentenversicherung Schwaben; fortan: DRV Schwaben). Diese lehnte den Rentenantrag ab: Ein Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte bestehe nicht, da der Kläger weder das 63. noch das 65 Lebensjahr vollendet habe. Auch habe er nicht die erforderliche Wartezeit erfüllt. In Deutschland habe er auf die Wartezeit anrechenbare 53 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt, in Marokko - nach Auskunft des dortigen Sozialleistungsträgers - keinen einzigen. Er habe damit nur 4,42 Jahre statt der mindestens erforderlichen 5 Jahre Wartezeit zurückgelegt. Deshalb empfehle sie, eine Beitragserstattung zu beantragen (Bescheid vom 6.8.1998). Als der Kläger sich Ende September 1999 ein weiteres Mal wegen der einer Rente an die DRV Schwaben wandte, teilte sie ihm erneut mit, dass ein Anspruch auf Altersrente nicht bestehe und sie weiter empfehle, die Erstattung der Beiträge zu beantragen.
5Im Mai 2000 beantragte der Kläger bei der DRV Schwaben die Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die DRV Schwaben klärte das Rentenkonto und gab dem Antrag statt: Der Kläger habe einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1942,45 DM aus der knappschaftliche Rentenversicherung + 679,40 DM aus der Arbeiterrentenversicherung = insgesamt 2.621, 85 DM (Bescheid vom 25.9.2000, dem Kläger zugestellt am 12.10.2000); den Betrag überwies sie auf das vom Kläger angegebene Konto bei einer marokkanischen Bank in O.
6Im August 2005 beantragte der Kläger bei der (wegen der Beschäftigung des Klägers im Bergbau seit 2002 zuständigen) Beklagten Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab: Ein Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe nicht, da der Kläger die erforderliche Wartezeit nicht erfülle. Durch die erfolgte Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden deshalb nicht mehr (Bescheid vom 22.9.2005, Widerspruchsbescheid vom 10.4.2006). Die anschließende Klage blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 2.1.2008, Aktenzeichen (Az) S 6 KN 143/06; Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 11.9.2008, Az L 2 KN 37/08; Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25.2.2009, Az B 13 R 5/09 B).
7Mit Schreiben vom 26.10.2009 beantragt der Kläger erneut Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag wiederum wegen der im Jahr 2000 erfolgten Beitragserstattung ab (Bescheid vom 12.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 5.5.2010).
8Mit der dagegen (wie alle Schreiben des Klägers: in französischer Sprache) am 14.6.2010 erhobenen Klage (deren Übersetzung ins Deutsche lag dem SG am 30.6.2010 vor) hat der Kläger weiter die Gewährung einer Altersrente begehrt.
9Das SG hat die Klage abgewiesen: Die für den geltend gemachten Rentenanspruch erforderliche allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (60 Kalendermonaten) sei nicht erfüllt. Dies sei bereits im Vorprozess rechtskräftig festgestellt worden (Gerichtsbescheid vom 5.5.2011, am 19.5.2010 an den Kläger gesandt).
10Mit der dagegen gerichteten, ebenfalls in französischer Sprache verfassten Berufung hat der Kläger zunächst einen Anspruch auf (zunächst) "Altersrente oder finanzielle Hilfe" geltend gemacht. Er habe in Deutschland gearbeitet, sei inzwischen sehr alt und befinde sich in einer miserablen wirtschaftlichen Situation. Später hat er wiederholt darauf hingewiesen, dass er zwar 2.621,85 DM von der DRV Schwaben erhalten habe, es in diesem Verfahren jedoch um seine Altersrente gehe. Er wolle den erhaltenen Betrag zurückzahlen und stattdessen Altersrente beziehen.
11Der Kläger ist am 17.3.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Bereits im Vorprozess sei entschieden worden, dass ein Rentenanspruch wegen der wirksam erfolgten Beitragserstattung nicht bestehe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge betreffend den Kläger, die Verwaltungsakten der DRV Schwaben sowie die erwähnten Vorprozessakten des SG Dortmund Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
16Entscheidungsgründe:
17Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986; 550ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
18Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
19Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht wirksam eingelegt worden.
20Der Gerichtsbescheid vom 5.5.2011 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 19.5.2011 per Einschreiben/Rückschein zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich bei den Akten kein Zustellungsnachweis befindet und der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe/Zustellung des Gerichtsbescheides deshalb nicht feststeht, ist doch die Berufung vom 27.7.2014 unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 10.8.2011 innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
21Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit dem am 10.8.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.3.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin der Senat auch tendiert - oder der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15. November 2011, Az L 18 KN 30/10, und zuletzt vom 24.4.2014, Az L 18 KN 83/12, beide in juris). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 25.8.2012 vor. Es lässt sich wegen des fehlenden Zustellungsnachweises zwar nicht sicher feststellen, dass dieser Zeitpunkt innerhalb der Berufungsfrist liegt. Dies wirkt sich jedoch nicht zulasten des Klägers aus. Deshalb und weil Zustellungen nach Marokko erfahrungsgemäß durchaus mehrere Wochen dauern, ist zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass auch der Eingang der Übersetzung der Berufungsschrift noch innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist lag. Zwar ist das Gericht zur Übersetzung der Berufungsschrift nicht verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
22Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2010 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente erneut ablehnt. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger, wenn er die Beitragserstattung rückgängig machen will und stattdessen aus seinen Beiträgen eine Alterrente begehrt. Soweit er zu Beginn des Berufungsverfahrens Altersrente "oder eine finanzielle Hilfe" begehrt hat, hat er dieses - aus mehreren formellen und materiellem Gründen nicht sachdienliches - Alternativbegehren später nicht aufrechterhalten, sondern sich auf den (bereits ursprünglich ausschließlich geltend gemachten) Anspruch auf Altersrente beschränkt.
23Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die zulässige (zur Erhebung der Klage in französischer Sprache gilt das zuvor zur Berufung Gesagte entsprechend) Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 12.11.2009 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.5.2010) nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Entscheidung der Beklagten ist (unabhängig davon, ob es sich um einen Zweitbescheid oder eine Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch handelt) rechtmäßig, weil in der Sache ein Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der - hier noch maßgeblichen - Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
24Nach § 35 SGB VI aF erhalten Versicherte Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar 2004 das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Der Kläger hatte bereits ursprünglich in Deutschland keine fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten (sondern nur 53 Monate). Zwar sind nach Art. 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig, solche liegen aber nach der Auskunft des marokkanischen Leistungsträgers und den eigenen Angaben des Klägers nicht vor. Wegen der im Jahr 2000 durchgeführten Beitragserstattung liegt beim Kläger seither sogar kein einziger anrechenbarer deutscher Beitragsmonat (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) mehr vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
25Es trifft allerdings zu, dass der Kläger mit kurzen Unterbrechungen von 1962 bis 1966 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (vom 17.1.1962 bis zum 13.4.1964 und vom 3.6.1964 bis zum 30.7.1965 zur knappschaftlichen, vom 9.8.1965 bis zum 14.2.1966 sowie vom 28.7. bis zum 29.11.1966 zur allgemeinen Rentenversicherung) entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch keine Rechte mehr herleiten, weil ihm seine Beiträge im Jahr 2000 (vollständig) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI. Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (vgl BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
26Aus den Verwaltungsakten der DRV Schwaben sowie den eigenen Angaben des Klägers ergibt sich, dass dem Kläger sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10 und zuletzt Urteil vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, alle bei juris). Das ist hier der Fall. Der Erstattungsantrag des Klägers und der diesem Antrag stattgebende Bescheid vom 25.9.2000 finden sich in den Verwaltungsakten der DRV Schwaben. Der Erstattungsbescheid ist dem Kläger ausweislich des dort ebenfalls befindlichen Einschreiben-Rückscheins am 12.10.2010 zugestellt worden. Schließlich hat der Kläger im Berufungsverfahren zugestanden, den Erstattungsbetrag von 2.621,85 DM erhalten zu haben. Der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln.
28Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich klar, dass dem Wunsch des Klägers, ihm die Rückzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten und ihm stattdessen Regelaltersrente zu gewähren, von Rechts wegen nicht entsprochen werden kann. Ein derartiges (Rück-) Gestaltungsrecht ist im System des SGB VI nicht vorgesehen. Wählt ein Versicherter durch seinen Antrag die Beitragserstattung, ist nach deren vollständiger Durchführung eine Geltendmachung von Ansprüchen aus den erstatteten Beiträgen für alle Zukunft ausgeschlossen. Der Versicherte ist an seine Gestaltung der Rechtslage gebunden. Der Wunsch des Klägers ist im Übrigen nicht zielführend, sondern sinnlos. Denn die Rückzahlung der erstatteten Beiträge führte nicht zur Gewährung einer Altersrente, weil auch zuvor die dazu erforderliche allgemeine Wartezeit nicht erfüllt war. Deshalb handelte die DRV Schwaben im Interesse des Klägers, als sie ihm 1998 und erneut 2000 empfahl, die Beitragserstattung zu beantragen.
29Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
30Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die besonderen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 27.1.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 00.00. 1939 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. Vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 war er in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst bis zum 30.6.1970 im deutschen Steinkohlenbergbau, anschließend vom 23.7.1970 bis zum 30.11.1976 als Rangierarbeiter bei der damaligen Deutschen Bundesbahn. Später war der Kläger wohl noch kurzzeitig (vom 16. bis 27.5.1977) bei der Firma J GmbH & Co. KG in I als Arbeiter in der Abteilung Hackenbau beschäftigt. Am 26.5.1977 meldete der Kläger sich beim marokkanischen Generalkonsulat in Düsseldorf nach Marokko ab, unter dem 27.5.1977 wird diese Abmeldung in einer Abmeldebescheinigung der Stadt I bestätigt. Das Ausreisedatum "27.5.1977" ist auch im Pass des Klägers vermerkt. Seither lebt der Kläger wieder in Marokko.
4Mit dem Ausscheiden bei der Deutschen Bundesbahn zum 30.11.1976 beantragte der Kläger dort die Erstattung der zur Zusatzversorgung bei der Bahn entrichteten Beiträge. Auf diesen Antrag entschied die damals zuständige Bahnversicherungsanstalt (BVA), dass ihm 90 % der aus eigenen Mitteln geleisteten Beiträge (insgesamt 1.425,60 DM) zu erstatten seien, weil er aus den Diensten der Deutschen Bundesbahn ohne Rentenberechtigung (betreffend eine Betriebsrente) ausscheide (Bescheid vom 15.4.1977). Dieser Betrag wurde dem Kläger wunschgemäß nach Marokko überwiesen.
5Die Bundesknappschaft bestätigte dem Kläger am 24.5.1977 an seine damalige Anschrift in I, dass sie ihm keine Leistungen der medizinischen oder beruflichen Rehabilitation gewährt habe. Mit Antrag vom 31.5.1977 stellte der Kläger bei der BVA Düsseldorf einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter". Das Antragsformular weist den Aufdruck "Forderung abgetreten" auf. Als Vertreter des Versicherten ist (ebenfalls durch Stempelaufdruck) ein "Q U, vereidigter Dolmetscher, 7 T1, Gymnasiumstr. 31 B, Telefon 295007" vermerkt.
6Dem Antrag beigefügt waren eine Vollmacht und Zustellungsvollmacht für Herrn Q U aus T mit notariell beglaubigter, vor den Augen des Notars eigenhändig vollzogener Unterschrift des Klägers vom 25.5.1977 und eine Abtretungsanzeige vom 31.5.1977, aus der sich ergibt, dass der Kläger die Erstattungsforderung in Höhe von 14.751,00 DM zur Sicherung eines Darlehens an die Teilzahlungsbank T VOBA Finanzierungs GmbH & Co. KG, 8440 T, Rot-Kreuz-Platz 3, abgetreten hat, und die BVA unwiderruflich anweist, alle Zahlungen schuldbefreiend nur auf das Konto des Abtretungsgläubigers zu überweisen.
7Ebenfalls am 31.5.1977 hat der Kläger einen Barkreditantrag auf Zahlung eines Darlehens in Höhe von 14.751,00 DM an die Teilzahlungsbank T gerichtet. Von diesem Betrag, so heißt es im Antrag, seien eine Pauschalabgeltung in Höhe von 1.401,00 DM und eine Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM abzuziehen, der Restbetrag von 12.540,00 DM sei an ihn auszuzahlen. Beigefügt war eine vom Kläger am gleichen Tag unterzeichnete, an die BVA gerichtete Zahlungsanweisung, nach der die Vermittlungs- und Bearbeitungsgebühr in Höhe von 810,00 DM an Herrn Q U, Dolmetscher- und Übersetzungsbüro, 7 T 1, Firnhaberstr. 5a, und der Auszahlungsbetrag von 12.540,00 DM an ihn selbst auf sein Konto bei der Stadtsparkasse I zu zahlen seien. Aus einem in Ablichtung bei den Akten befindlichen telegraphischen Überweisungsauftrag vom 31.5.1977 ergibt sich, dass der Betrag von 12.540,00 DM über die Landeszentralbank T an den Kläger auf das von ihm angegebene Konto bei der Stadtsparkasse I zur Zahlung angewiesen worden ist.
8Die BVA entschied, dass dem Kläger die in der Zeit vom 21.11.1964 bis zum 30.11.1976 entrichteten Pflichtbeiträge hälftig zu erstatten seien. Es ergebe sich ein Gesamtbetrag von 14.753,90 DM (Bescheid vom 2.9.1977). Dieser Bescheid ist an Herrn Q U T adressiert und wurde am 7.9.1977 abgeschickt. Ausweislich der Akten erhielten der Kläger, die Beklagte und die Bank eine Kopie. In den Unterlagen der BVA befindet sich an zwei Stellen (auf einer Beitragsbescheinigung vom 17.9.1973 und auf der Karte "Beitragsnachweis") ein Stempel mit dem Text "Beitragserstattung nach 1303 RVO für die Zeit vom 21.11.1964 bis 30.11.1976 in Höhe von 14.753,90 DM. Rosenheim, den 1.9.1977".
9Im April 2004 wandte sich der Kläger an die Deutsche Bahn Hagen wegen der Gewährung einer Betriebsrente (weitergeleitet an die BVA) und an die DRV Schwaben wegen der Gewährung einer Altersrente (weitergeleitet an DRV KBS).
10Die BVA teilte ihm mit, dass ihm sowohl die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch diejenigen zur Betriebsrente auf seine Anträge hin erstattet worden seien (Schreiben vom 23.4. und 16.6.2004).
11Die Beklagte veranlasste wegen des Antrags auf Altersrente eine förmliche Antragstellung über die marokkanische Verbindungsstelle (CNSS) und zog einen Kontospiegel von der DRV Ober- und Mittelfranken Bayreuth (jetzt DRV Bayern Nord) bei, aus dem sich (angeblich) ergeben soll, dass dem Kläger aufgrund eines Antrags vom 31.5.1977 mit Bescheid vom 2.9.1977 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 4.070,30 DM + 10.683,60 DM = 14.753,90 DM erstattet worden sind. Die Beklagte lehnte ab, Altersrente zu gewähren, weil mit der Erstattung der Beiträge das Versicherungsverhältnis endgültig aufgelöst worden sei (Bescheid vom 8.1.2004). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger unter Beifügung einer Übersicht der BVA Wuppertal ("Zusammenstellung der von der BVA Abteilung B zu erstattenden Beiträge für die Zeit vom 23.7.1970 bis 30.11.1976") mit angegebenem auszuzahlendem Erstattungsbetrag von 1.425,60 DM unter Anderem geltend, dass er 11 Jahre lang gearbeitet habe und 1.425,00 DM nicht der Preis für elf Arbeitsjahre sei. Die Beklagte wies den Widerspruch nach mehr als 4 Jahren (!) zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.6.2008).
12Dagegen hat der Kläger mit einem Schreiben ohne Datum und Unterschrift am 5.8.2008 in französischer Sprache beim Sozialgericht (SG) Dortmund "Einspruch gegen ein Urteil" erhoben. Eine Rente könne nicht verkauft werden. Falls der Rentengewährung eine gezahlte Entschädigung entgegenstehe, dürfe diese in angemessener Staffelung von der Rente einbehalten werden.
13Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen und sich der Begründung der Beklagten angeschlossen (Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, zugestellt am 5.2.2010).
14Gegen diese Entscheidung hat der Kläger mit am 5.3.2010 eingegangenem Schreiben wiederum in französischer Sprache eine "Bitte um Intervention" formuliert. Er habe den Betrag von 14.754,90 DM (Rechenfehler des SG, richtig: 14.753,90 DM) nur unvollständig erhalten. Er habe ab Februar 1977 bei der "Plastikfirma I gearbeitet
15Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne aber wegen seines Gesundheitszustands, seines fortgeschrittenen Alters und seiner finanziellen Lage nicht am Termin teilnehmen (Schreiben vom 5.8.2014).
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie hat aufgrund der Angaben des Klägers zu einem Arbeitskollegen herausgefunden, dass es sich bei der "Plastikfirma I" um die Firma J in I handelt. Bei der AOK Westfalen-Lippe seien indes Versicherungsunterlagen zu einem Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Mai 1977 nicht mehr vorhanden.
20Der Senat hat die Verwaltungsakten der früheren BVA beigezogen und von der Firma J in I erfahren, die mitgeteilt hat, dass zum Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger im Mai 1977 keine Lohnunterlagen mehr vorhanden seien. Für den Kläger seien jedoch mit Sicherheit Beiträge entrichtet worden.
21Entscheidungsgründe:
22Der Senat kann trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 5.8.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich sein Nichterscheinen zum Termin begründet hat.
23Bei der "Bitte um Intervention" handelt es sich erkennbar um eine Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid vom 27.1.2010, mit der der Kläger seinen Anspruch aus Altersrente aus Deutschland weiterverfolgt. Trotz der anderslautenden Formulierung handelt es sich in der Sache um eine Berufung, weil nur dieses allein statthafte Rechtsmittel die vom Kläger gewünschte materielle Prüfung ermöglicht. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 27.1.2010 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.2.2010 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Die Berufung des Klägers ist innerhalb dieser Frist eingegangen.
24Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit dem am 5.3.2010 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben vom 22.2.2010 wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.3.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin der Senat auch tendiert - oder dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15. November 2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht am 24.3.2012 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar ist das Gericht zur Übersetzung der in einer Fremdsprache abgefassten Berufungsschrift nicht verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
25Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
26Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) gegen den Bescheid vom 8.1.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.6.2008, vgl § 95 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere schriftlich erhoben, § 90 SGG. Dazu genügt, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung sowie die Person, von der sie ausgeht, hinreichend sicher bestimmt werden können (Wolff-Dellen in Breitkreutz-Fichte. SGG. 2. Auflage 2014, § 90 Rdnr 5). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie auch der weitere Verfahrensverlauf dokumentiert. Einer Unterschrift bedarf es dann nicht, vgl § 92 Abs 1 Satz 3 SGG. Die Klage ist auch in der maßgeblichen Gerichtssprache erhoben. Insoweit gilt das zur Zulässigkeit der Berufung Ausgeführte entsprechend. Hielte man die Klageerhebung in französischer Sprache nicht für ausreichend, hätte das SG dem Kläger jedenfalls zu Recht konkludent Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, §§ 92 Abs 2 entsprechend, 67 SGG.
27Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 8.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 nicht beschwert, §§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Er hat entgegen seiner Auffassung keinen Anspruch auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
28Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr (bereits 2004) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
29Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von November 1964 bis November 1976 (und uU auch noch im Mai 1977) in Deutschland gearbeitet und (jedenfalls bis November 1976) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1977 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO, gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
30Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1977 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
31Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 ). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben insbesondere in den Verwaltungsakten der früheren BVA mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
32Aus den aktenkundigen Unterlagen ergibt sich mit wünschenswerter Klarheit, dass der Kläger, nachdem er aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bundesbahn am 30.11.1976 ausgeschieden war, wohl am 27. Mai 1977 nach Marokko zurückgekehrt ist und im Vorfeld alle nötigen Vorbereitungen für die Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als auch zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn getroffen hat. Dazu hat er den Dolmetscher Q U aus T eingeschaltet, der für ihn als Bevollmächtigter eine Vorfinanzierung der Erstattungsforderung durch ein Darlehen bei der Teilzahlungsbank T vorgenommen hat. Die entsprechenden aktenkundigen Formulare sind sämtlich vom Kläger selbst unterzeichnet, insbesondere der Erstattungsantrag, die Vollmacht (diese sogar in Gegenwart eines Notars), der Darlehensantrag bzw. -vertrag und die Zahlungsanweisung. Das Darlehen ist auch zur Zahlung auf das Konto des Klägers bei der Stadtsparkasse I angewiesen worden. Dies alles ist durch aktenkundige Urkunden belegt. Dass diese Unterlagen das Datum "31.5.1977" aufweisen, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt vermutlich bereits ausgereist war, dürfte sich dadurch erklären, dass der Bevollmächtigte dieses Datum im Nachhinein in die blanko unterschriebenen Formulare eingefügt hat. Die Stempelaufdrucke in den Akten der BVA belegen, dass diese das Erstattungsverfahren intern am 1.9.1977 abgeschlossen hat. Der Erstattungsbescheid vom 2.9.1977 ist dem (Zustellungs-)Bevollmächtigten des Klägers am 7.9.1977 zugesandt worden. Wenn auch der Zugang des Bescheids und der Eingang des Erstattungsbetrags auf dem Konto der Abtretungsgläubigerin nicht durch Urkunden belegt sind, sind auch diese Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erfüllt.
33Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
34Hier ist der typische Geschehensablauf erwiesen. Der Kläger hat sich die Erstattungsforderung vorfinanzieren lassen, um nicht den Abschluss des Verwaltungsverfahren abwarten zu müssen, sondern bereits im Zeitpunkt der Ausreise Ende Mai 1977 über den Geldbetrag verfügen zu können. Ist ein Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er keine weitere Nachricht (mehr) erhält und/oder eine Zahlung nicht erfolgt. Dies gilt besonders bei dem vorliegenden zweistufigen Verfahren. Da der Bevollmächtigte des Klägers sich wegen des Erstattungsbescheids nicht mehr an die BVA gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er den an ihn adressierten Bescheid vom 2.9.1977 erhalten hat. Im Erstattungsbescheid ist überdies vermerkt, dass der Erstattungsbetrag an die VOBA Teilzahlungsbank erstattet worden ist. Da sich auch diese im Folgenden weder an die BVA noch an den Bevollmächtigten des Klägers (der sich dann seinerseits an die BVA gewandt hätte) gewandt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BVA die Leistung auch tatsächlich an die neue Gläubigerin bewirkt hat. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass ein Kreditinstitut bei Eintritt des Sicherungsfalles nicht auf die ihm zustehende Sicherheit zugreift, sich also nicht bei der BVA meldet, wenn die Zahlung nicht eingeht. Dass sich weder der Bevollmächtigte des Klägers noch die Abtretungsgläubigerin nach dem 7.9.1977 wegen der Zahlung des Erstattungsbetrags an die BVA gewandt haben, schließt der Senat aus den offenbar noch vollständig erhaltenen, insoweit negativ ergiebigen Verwaltungsakten der BVA. Soweit der Kläger geltend macht, er habe den vom SG angegebenen Erstattungsbetrag nicht vollständig erhalten, trifft dies zu, ist aber ohne Belang. Der Kläger hat vom Darlehensbetrag DM 14.751 tatsächlich nur 12.540 DM erhalten, weil ausweislich des mit der TeilzahlungsbankT geschlossenen Vertrages dieser 1.401 DM und dem Vermittler U 810 DM davon zustanden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe nur 1.425,60 DM erhalten, verkennt er, dass dieser Betrag nicht aus der Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung herrührt, sondern die Erstattung von Beiträgen zur Betriebsrente der Deutschen Bundesbahn betrifft.
35Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
36Ohne Belang ist, ob der Kläger für ein Beschäftigungsverhältnis bei der Firma J vom 16. bis zum 27.5.1977 Beiträge entrichtet hat. Unabhängig davon, dass damit allein die Wartezeit nicht erfüllt ist und zu berücksichtigende Zeiten in Marokko nicht ersichtlich sind, ergibt sich aus § 210 Abs 6 Satz 3 SGB VI, dass aus Zeiten bis zur Erstattung (hier mit Bescheid vom 2.9.1977, also im September 1977) keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Dies bedeutet, dass, sofern im Mai 1977 (wie der Arbeitgeber bestätigt, aber sich bisher nicht hat erweisen lassen) "mit Sicherheit" weitere Beiträge entrichtet worden sind, insoweit allenfalls ein (weiterer) Erstattungsanspruch bestünde. Dies gilt gleichermaßen, soweit die BVA nach der Abtretungsanzeige vom 31.5.1997 von der Abtretung nicht erfasste, weitere 2,90 DM (14.753,90 DM 14.751,00 DM) an die Teilzahlungsbank T ausgezahlt hat.
37Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass auch dem Wunsch des Klägers, ihm die Rückzahlung der erstatteten Beiträge zu gestatten und ihm stattdessen Regelaltersrente zu gewähren, von Rechts wegen nicht entsprochen werden kann. Ein derartiges (Rück-) Gestaltungsrecht ist im System des SGB VI nicht vorgesehen. Wählt ein Versicherter durch seinen Antrag die Beitragserstattung, ist nach deren vollständiger Durchführung eine Geltendmachung von Ansprüchen aus den erstatteten Beiträgen für alle Zukunft ausgeschlossen. Der Versicherte ist an seine Gestaltung der Rechtslage gebunden.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
39Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2011 Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente, hilfsweise eine finanzielle Unterstützung.
3Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und war in Deutschland vom 6.10.1972 bis zum 5.3.1974, vom 1.4.1974 bis zum 30.11.1976, vom 1.2.1977 bis zum 31.3.1977 und vom 6.4.1977 bis zum 31.10.1978 versicherungspflichtig im Bergbau beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück, wo er bis heute lebt.
4Im Juni 2004 beantragte der Kläger Rentenleistungen unter Vorlage einer Lohnabrechnung der S Bergbau AG Westfalen betreffend den Monat 7/1976. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Versicherungszeiten mehr bestünden. Die zur deutschen Rentenversicherung in der Zeit vom 6.10.1972 bis zum 30.10.1978 entrichteten Beiträge seien mit Bescheid vom 20.7.1982 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 20.7.1982 seien weder behauptet noch nachgewiesen (Bescheid vom 3.9.2004). Dieser Bescheid konnte trotz Einschaltung der Deutschen Botschaft in Rabat dem Kläger nicht wirksam zugestellt werden.
5Im April 2009 beantragte der Kläger die Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte nahm einen (verschlüsselten) Ausdruck des den Kläger betreffenden (elektronisch gespeicherten) "Gesamtkontospiegels" zu den Akten. Darin sind im Versicherungskonto des Klägers unter der Schlüssel-Nr 1830 folgende Daten gespeichert: "Antrag 16.06.1982", "Bescheid 20.07.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20". Ferner ist nach diesem Kontospiegel - unter der Schlüssel-Nr 1860 "Ablehnung Versichertenrente" - der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Anschließend lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente mit derselben Begründung wie 2004 ab (Bescheid vom 22.5.2009; Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009). Der per Einschreiben mit Auslandsrückschein versandte Widerspruchsbescheid konnte wiederum nicht an den Kläger zugestellt werden; die Beklagte sandte ihn daraufhin erneut mit Begleitschreiben vom 25.1.2010 an den Kläger, dieses Mal mit einfachem Brief.
6Mit seiner am 19.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund in französischer Sprache erhobenen und nicht in die deutsche Sprache übersetzten Klage ("réclamation"), der eine Kopie des Schreibens vom 25.1.2010 und des diesem Schreiben beigefügten Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 beigefügt waren, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er in Deutschland gearbeitet und Beiträge gezahlt habe. Er sei ein alter Mann und befinde sich in einer schlechten finanziellen Situation. Er bitte, seine Akten nochmals zu prüfen und ihm eine Rente oder eine finanzielle Hilfe zu gewähren.
7Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
8Auf die in französischer Sprache verfasste Aufforderung des SG, Stellung zu der im Jahr 1982 erfolgten Beitragserstattung zu nehmen und hierzu ggf noch vorhandene Unterlagen vorzulegen, hat der Kläger mitgeteilt, er besitze die angeforderten Dokumente nicht.
9Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Regelaltersrente, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Auf Grund der Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Der Vorgang der Beitragserstattung ergebe sich aus dem Gesamtkontospiegel. Es bestehe kein Anhaltspunkt, dass die sich hieraus ergebenden Grunddaten fehlerhaft sein könnten. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren die Durchführung des vollständigen Beitragserstattungsverfahrens auch nur ansatzweise in Abrede gestellt. Schließlich zeige das Verhalten des Klägers nach der ersten Antragstellung im Jahr 2004, dass er selbst nicht davon ausgehe, einen berechtigten Anspruch gegenüber der Beklagten zu haben. Denn anderenfalls hätte er sich nicht erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet, um seinen vermeintlichen Anspruch geltend zu machen (Gerichtsbescheid vom 14.12.2010, zugestellt am 18.1.2011).
10Mit seiner am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Berufung ("recours"), deren in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung dem Gericht am 30.3.2011 vorgelegen hat, hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er bittet erneut um die Überprüfung seiner Akte, damit er eine Altersrente oder eine finanzielle Unterstützung erhalte. Auf die Bitten des Gerichts - auch in französischer Sprache -, sämtliche Unterlagen, die er noch besitze, vorzulegen sowie Fragen zu der Beitragserstattung zu beantworten, hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er widerspreche der Darstellung der Beklagten. Er bitte um eine günstige Entscheidung; für weitere Informationen stehe er jederzeit zur Verfügung.
11Der Kläger ist am 4.6.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
12Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie hält ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und ist weiter der Auffassung, die für den Kläger vorgenommene Beitragserstattung ergebe sich nachweislich aus dem Gesamtkontospiegel. Die im Versicherungskonto gespeicherte Dokumentation der Beitragserstattung korrespondiere schlüssig mit den im Versicherungskonto abgelegten Versicherungszeiten. Sie hat eine Versicherungskarte des Klägers vorgelegt, auf der lediglich - neben dem Namen, dem Geburtsort sowie zwei Versicherungsnummern des Klägers - das Datum des Beschäftigungsbeginns am 6.10.1972 eingetragen ist. Diese Karte sei bei Aufnahme der knappschaftlich versicherten Beschäftigung ausgefertigt worden. Der Umstand, dass auf dieser Karte keine weiteren Eintragungen, insbesondere keine Vermerke über die durchgeführte Beitragserstattung vorhanden seien, erkläre sich damit, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Oktober 1978 sowie im Zeitpunkt der durchgeführten Beitragserstattung keine manuellen Notierungen in Papierform mehr vorgenommen worden seien.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Parteivernehmung des Klägers beantragt zum Beweis der Tatsache, dass - wie in ihrem Gesamtkontospiegel vermerkt - ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren durchgeführt worden ist. Sie ist der Ansicht, ihr müsse "im Falle eines Beweisnotstandes" als letztes Beweismittel auch die Parteivernehmung des betroffenen Versicherten offen stehen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
18Entscheidungsgründe:
19A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm Art 31 Abs 1 S 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
20I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 14.12.2010 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerks am 18.1.2011 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete mit Ablauf des 18.4.2011. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung ("recours") eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist (nur) die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderregelungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 22.3.2001, Az L 3 U 23/00, juris). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs 2 DMSVA und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil die französische Sprache wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin auch der Senat tendiert -, oder dem Kläger gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass der Kläger sich gegen den Gerichtsbescheid ("la décision") wendet, ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 30.3.2011 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar war das Gericht nicht zur Übersetzung einer in einer Fremdsprache verfassten Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl 2014. § 61 RdNr 7c mwN); die deutsche Übersetzung ist vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1).
21II. Die Berufung ist begründet.
22Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente abgelehnt hat. Streitgegenstand ist damit das Begehren des Klägers, die genannten Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren. Der Senat geht davon aus, dass ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil andere Altersrenten für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der Auffassung des SG auch begründet. Da die Berufung des Klägers bereits mit dem Hauptbegehren auf Regelaltersrente erfolgreich ist, kann dahin stehen, ob das bereits in der ersten Instanz verfolgte Hilfsbegehren des Klägers, eine finanzielle Unterstützung ("une aide financière") zu erhalten, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
231. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar hat das SG die Klageschrift - wohl versehentlich, wie das weitere Verfahren zeigt - nicht in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Allerdings ist, da der Kläger seinem Klageschriftsatz vom 8.2.2010 eine Kopie des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 11.11.2009 beigefügt hat, mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der Kläger sich gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Regelung mit dem zulässigen Rechtsbehelf - der Klage - wenden wollte. Dass der Kläger mit dieser Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden war und diese durch das Gericht überprüfen lassen wollte, ergibt sich zudem daraus, dass er im Betreff des Schriftsatzes den auch im Deutschen verständlichen Begriff "réclamation" angegeben hat. Entsprechend hat das SG das Rechtsschutzbegehren des Klägers durchweg als ordnungsgemäß erhobene "Klage" behandelt und ihm nicht die ansonsten wohl erforderliche "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.
242. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Der Kläger hat ab dem 1.1.2011 Anspruch auf Regelaltersrente.
25Nach § 235 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der an einem unbekannten Tag eines unbekannten Monats im Jahr 1945 geborene Kläger hat (spätestens) Ende Dezember 2010 das 65. Lebensjahr vollendet. Er hat auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) erfüllt, weil er unstreitig in Deutschland 71 Monate mit (ausschließlich knappschaftlichen) Beitragszeiten zurückgelegt hat, so dass es nicht darauf ankommt, ob außerdem nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") marokkanische Zeiten zu berücksichtigen sind.
26Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, Ansprüche aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr, weil dem Kläger die entsprechenden Beiträge erstattet worden seien und das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht nämlich nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine solche Beitragserstattung erfolgt ist. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Rentenanspruch des Klägers - rechtsvernichtend - einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1982 durch eine Beitragserstattung aufgelöst worden.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung der Beitragserstattung trägt die Beklagte die objektive Beweislast (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Kläger einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Kläger wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat.
28Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel") sowie der Einlassungen des Klägers steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Auf 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll )Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs )Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Klägers beweisen.
29Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den gesamten Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die aktenkundige Versicherungskarte ist als Urkunde insoweit unergiebig. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb ausschließlich auf die im elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als denkbar erscheinen, dass (außerdem) ein wirksamer Erstattungsantrag des betreffenden Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, und Urteile vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 (2) KN 239/09 und L 18 KN 30/10, sämtlich zitiert nach juris; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, diese zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den - ehemaligen - Versicherten) zulassen. Der - vom SG zitierten - abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, beide zitiert nach juris) schließt sich der Senat nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
30Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak. ZPO. 11. Aufl 2014. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
31Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht - selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre - nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall.
32Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw - bei öffentlichen elektronischen Dokumenten - gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. aaO. § 415 RdNr 10). Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 16.06.1982" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert haben mag, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Kläger persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine - uU nicht wirksam bevollmächtigte - dritte Person war. Da der Kläger nur bis Oktober 1978 in Deutschland beschäftigt war, liegt nahe, dass er im Zeitpunkt, an dem der Antrag gestellt worden sein soll, bereits nach Marokko zurückgekehrt war, so dass mindestens möglich erscheint, dass ein Dritter den (etwaigen) Antrag gestellt hat. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß von dem Kläger bevollmächtigt worden ist. Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Kläger zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist.
33Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 20.7.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20" zu entnehmen. Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 15.6.2014. § 417 RdNr 5). Der vorliegende Sachverhalt zeigt besonders deutlich, dass sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht entnehmen lässt, ob die dort gespeicherten Bescheide formell wirksam erlassen, also dem Versicherten (auch) bekannt gegeben worden sind, § 39 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Denn in dem Kontospiegel ist unter der "Schlüsselnummer" 1860 sowie dem Hinweis "Ablehnung Versichertenrente" der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Nach dem Inhalt der Akten der Beklagten konnte dieser Bescheid aber trotz mehrfacher Versuche dem Kläger gerade nicht zugestellt werden, ist mithin also nie wirksam geworden. Im elektronischen Versicherungskonto ist er gleichwohl (wie der angebliche Bescheid vom 20.7.1982) gespeichert. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht restlos davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Bescheiddaten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, diese Bescheide seien wirksam erlassen worden.
34Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegel allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten diese Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der - wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind - Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Klägers ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat.
35Selbst Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind danach nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag in Deutschland hat der Kläger im Oktober 1978 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz war eine Beitragserstattung auch damals idR erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im Juni 1982 (aber auch bereits 1980) war diese Frist abgelaufen. Daraus lässt sich aber gerade nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. So sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) auch Fälle bekannt, in denen eine Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist. Auch die Versicherungskarte kann - ungeachtet des Beweiswerts im Übrigen - nicht für einen typischen Geschehensablauf herangezogen werden, da auf ihr nicht - wie in vielen vergleichbaren Fällen - eine Beitragserstattung (durch Stempel oder handschriftlich) vermerkt ist. Worauf dies ggf. beruhen könnte, ist unerheblich. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein solcher Vermerk fehlt.
36Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten folgt nichts Anderes daraus, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren den Vortrag der Beklagten substantiiert bestritten hat. Dieses Schweigen des Klägers ist unergiebig. Immerhin ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich entgegengetreten ("trifft nicht zu") und hat erklärt, die angeforderten Unterlagen lägen ihm nicht vor. Welche weitergehenden Angaben zu "Nichttatsachen" von einem (mit hoher Wahrscheinlichkeit prozessunerfahrenen) Kläger verlangt werden sollen, ist dem Senat nicht klar. Aus den Äußerungen des Klägers ergeben sich (anders als in vielen ähnlich gelagerten Verfahren) auch keine mittelbaren Hinweise auf eine Erstattung oder den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt im Übrigen von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft).
37Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beitragserstattung rechtswirksam erfolgt ist, ergibt sich schließlich entgegen der Auffassung des SG nicht aus dem Verhalten des Klägers nach dem ersten Antrag, insbesondere nicht aus der Tatsache, dass er sich erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet hat. Auch dieses Verhalten ist unergiebig. Aus dem fünfjährigen Zuwarten bis zur erneuten Antragstellung kann nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger selbst wisse, dass er - wegen der Beitragserstattung - keinen Anspruch auf die Regelaltersrente habe. Denn daraus, dass der zum zweiten Mal von der Beklagten die Gewährung einer Rente begehrt und diesen Anspruch bis in die zweite Instanz verfolgt, kann ebenso der gegenteilige Schluss gezogen werden.
38Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als "Beweisnotstand" bezeichnete Beweislage resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Hieraus ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, das Beweismaß zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
39Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der klugen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat.
40Die Regelaltersrente beginnt mit dem Monat Januar 2011, § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen erst für den Beginn des Monats Januar 2011 nachweislich vor. Es ist nach Lage der Akten nämlich lediglich erwiesen, dass der Kläger im Jahr 1945 geboren wurde. Dass kein früheres Geburtsdatum als der letzte Tag dieses Jahres erwiesen ist, wirkt sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers aus. Der Senat geht davon aus, dass er durch diese gesetzeskonforme Rentengewährung dem allgemein gefassten (Haupt-)Begehren des Klägers vollständig entspricht, so dass eine Zurückweisung der Berufung im Übrigen nicht erforderlich ist.
413. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Eine weitergehende Beweiserhebung iS des "Beweisantrags" der Beklagten ist nicht geboten.
42Bei dem Antrag auf "Parteivernehmung des Klägers", also den Kläger persönlich anzuhören, handelt es sich nicht um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Nach den Vorschriften des SGG ist die Parteivernehmung kein im Sozialgerichtsverfahren zulässiges Beweismittel, denn § 118 Abs 1 SGG verweist nicht auf die §§ 445 ff ZPO (stRspr; vgl nur BSG, Beschlüsse vom 24.11.1990, Az 1 BA 45/90, juris, sowie vom 18.2.2003, Az B 11 AL 273/02 B, juris; M. Kühl. AaO). Hieran ändert sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts dadurch, dass sie sich auf einen "Beweisnotstand" beruft. Die im Sozialgerichtsverfahren zulässigen (Streng-)Beweismittel werden auch dann nicht erweitert, wenn ein Beweisnotstand iS von typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten (s.o.) vorliegt.
43Es ist zwar zutreffend, dass besondere Beweisschwierigkeiten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können, etwa wenn übliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden) nicht zur Verfügung stehen, so dass vorhandene Erkenntnisquellen, etwa Beteiligtenvorbringen, an Gewicht gewinnen (vgl hierzu Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Beteiligte Tatsachen aus eigener Wahrnehmung angibt, und andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 22.5.2013, Az L 18 KN 52/10; juris Rdnr 28). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte erhofft sich vielmehr vom Kläger "ins Blaue hinein", dass er Angaben machen könnte, die ihren Standpunkt bestätigen. Allein deshalb fühlt sich der Senat nicht gedrängt, dem "Beweisantrag" der Beklagten nachzugehen und den Kläger entweder in Marokko oder in Deutschland zu der von der Beklagten behaupteten Beitragserstattung persönlich anzuhören. Denn der Senat hat sämtliche vorhandenen Erkenntnisquellen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten - und damit auch das des Klägers - berücksichtigt und in die Beweiswürdigung eingezogen. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Erstattung zur Gänze bestritten und vorgetragen, die angeforderten Unterlagen lägen ihm (folglich) nicht vor. Dieser Vortrag des Klägers blieb über die Dauer des gesamten Verfahrens frei von Widersprüchen. Welche über diesen Vortrag hinausgehenden Erkenntnisse die Beklagte sich von der persönlichen Anhörung des Klägers zu der von ihr behaupteten Beitragserstattung verspricht, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Beklagte trägt keinen konkreten Sachverhalt vor, den der Kläger vortragen oder bestätigen soll. Der Beweisantrag ist offenbar lediglich von der vagen Hoffnung getragen, der Kläger könnte - anders als mit seinem Vortrag im schriftlichen Verfahren - nunmehr ihre Behauptungen bestätigen. Da hierfür angesichts des bisherigen Vortrags des Klägers tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen, handelt es sich bei dem "Beweisantrag" der Beklagten um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl hierzu: BSG, Beschluss vom 19.11.2009, Az B 13 R 303/09 B, juris RdNr 12).
44B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
45C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.
(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.
(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.
(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.
(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.
Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts.
Eine öffentliche Urkunde kann in Urschrift oder in einer beglaubigten Abschrift, die hinsichtlich der Beglaubigung die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt, vorgelegt werden; das Gericht kann jedoch anordnen, dass der Beweisführer die Urschrift vorlege oder die Tatsachen angebe und glaubhaft mache, die ihn an der Vorlegung der Urschrift verhindern. Bleibt die Anordnung erfolglos, so entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, welche Beweiskraft der beglaubigten Abschrift beizulegen sei.
Der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Absatz 3, den eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat, sowie der Ausdruck eines gerichtlichen elektronischen Dokuments, der einen Vermerk des zuständigen Gerichts gemäß § 298 Absatz 3 enthält, stehen einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich.
(1) Auf private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, finden die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden entsprechende Anwendung. Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung, der sich auf Grund der Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 32 der Verordnung (EU)
(2) Hat sich eine natürliche Person bei einem ihr allein zugeordneten De-Mail-Konto sicher angemeldet (§ 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes), so kann für eine von diesem De-Mail-Konto versandte elektronische Nachricht der Anschein der Echtheit, der sich aus der Überprüfung der Absenderbestätigung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes ergibt, nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Nachricht von dieser Person mit diesem Inhalt versandt wurde.
(3) Auf elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind (öffentliche elektronische Dokumente), finden die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. Ist das Dokument von der erstellenden öffentlichen Behörde oder von der mit öffentlichem Glauben versehenen Person mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 entsprechend. Das Gleiche gilt, wenn das Dokument im Auftrag der erstellenden öffentlichen Behörde oder der mit öffentlichem Glauben versehenen Person durch einen akkreditierten Diensteanbieter mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes versehen ist und die Absenderbestätigung die erstellende öffentliche Behörde oder die mit öffentlichem Glauben versehene Person als Nutzer des De-Mail-Kontos ausweist.
Der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Absatz 3, den eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat, sowie der Ausdruck eines gerichtlichen elektronischen Dokuments, der einen Vermerk des zuständigen Gerichts gemäß § 298 Absatz 3 enthält, stehen einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich.
(1) Auf private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, finden die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden entsprechende Anwendung. Der Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form vorliegenden Erklärung, der sich auf Grund der Prüfung der qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 32 der Verordnung (EU)
(2) Hat sich eine natürliche Person bei einem ihr allein zugeordneten De-Mail-Konto sicher angemeldet (§ 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes), so kann für eine von diesem De-Mail-Konto versandte elektronische Nachricht der Anschein der Echtheit, der sich aus der Überprüfung der Absenderbestätigung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes ergibt, nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Nachricht von dieser Person mit diesem Inhalt versandt wurde.
(3) Auf elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind (öffentliche elektronische Dokumente), finden die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. Ist das Dokument von der erstellenden öffentlichen Behörde oder von der mit öffentlichem Glauben versehenen Person mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 entsprechend. Das Gleiche gilt, wenn das Dokument im Auftrag der erstellenden öffentlichen Behörde oder der mit öffentlichem Glauben versehenen Person durch einen akkreditierten Diensteanbieter mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes versehen ist und die Absenderbestätigung die erstellende öffentliche Behörde oder die mit öffentlichem Glauben versehene Person als Nutzer des De-Mail-Kontos ausweist.
Der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Absatz 3, den eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat, sowie der Ausdruck eines gerichtlichen elektronischen Dokuments, der einen Vermerk des zuständigen Gerichts gemäß § 298 Absatz 3 enthält, stehen einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich.
(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.
(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.
Die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden begründen vollen Beweis ihres Inhalts.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.