Landessozialgericht NRW Urteil, 29. Apr. 2014 - L 18 KN 120/12
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 2.7.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 1938 in Marokko geborene Kläger kam 1963 unter dem Namen B D nach Deutschland und war hier bis Juni 1978 erwerbstätig, zunächst vom 16.4.1963 bis zum 28.8.1965 als Kranhelfer bei der Bauunternehmung P KG X, danach vom 31.8.1965 bis zum 30.4.1969 bei der Stadt X, vom 5.5.1969 bis zum 31.3.1970 bei der G & Co. KG X und zuletzt als Fahrzeugreiniger vom 1.7.1970 bis zum 30.6.1978 bei der (damaligen) Deutschen Bundesbahn, Bahnwerk X W. Während der Tätigkeit bei der Stadt X will der Kläger am 9.10. und am 10.12.1966 Arbeitsunfälle mit Verletzung im Kopfbereich erlitten haben. Während der Tätigkeit bei der Deutschen Bahn AG erlitt er am 9.10.1970 einen Arbeitsunfall mit Knieverletzung rechts. Wegen der Unfallfolgen "Leichtes Wackelknie rechts infolge einer Lockerung des äußeren Seitenbandes, Muskelminderung am rechten Ober- und Unterschenkel und beginnende chronisch verbildende Veränderungen im rechten Kniegelenk" gewährte ihm die Eisenbahn Unfallkasse (EUK) "Unfallrente" nach einer MdE um 20 vH. Diese "Unfallrente" wurde später abgefunden (Bescheid vom 2.6.1978; Betrag: DM 64.060,20). Am 24.6.1978 reiste der Kläger zurück nach Marokko und lebt seither dort.
4Am 9.6.1978, also kurz vor seiner Ausreise, beantragte der Kläger bei der Bahnversicherungsanstalt (fortan: BVA), Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 30.9.2005, die Erstattung der von ihm zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge und fügte dem Antrag eine beglaubigte Vollmacht für seinen Stiefbruder M B bei, auf dessen Konto bei der Stadt Sparkasse X das Geld überwiesen werden solle. Die Beklagte leitete den Antrag (mit Entgeltbescheinigungen) am 1.12.1978 weiter an ihre Bezirksleitung in S und informierte den Kläger darüber schriftlich (nach Marokko). Nachdem die vor dem 1.7.1970 für den Kläger zuständige LVA Rheinprovinz (seit dem 1.10.2005: DRV Rheinland) die Versicherungskarten 1 und 2 übermittelt hatte, fragte die BVA beim Stiefbruder des Klägers (als Bevollmächtigtem) schriftlich nach, aus welchen Gründen 1964, 1965 und 1970 nicht belegte Zeiträume vorhanden seien (Anfrage vom 30.3.1979). Dazu teilte der Kläger selbst handschriftlich mit, er sei in den fraglichen Zeiträumen in Marokko im Urlaub gewesen (Schreiben vom 16.5.1979).
5Die BVA erstattete dem Kläger "nach § 1303 RVO" die Hälfte der von ihm in der Zeit vom 16.4.1963 bis zum 30.6.1978 zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Pflichtbeiträge. Die Erstattung schließe weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung aus, auch wenn die für diese Zeiten entrichteten Beiträge nicht erstattet worden seien. Die Erstattung in Höhe von DM 19.655,30 erfolgte wunschgemäß an den Stiefbruder des Klägers (an den Kläger in Marokko adressierter Bescheid vom 29.5.1979, abgesandt am 5. Juni 1979). Ein Zustellungsnachweis oder ein Überweisungsbeleg (auf das Konto des Stiefbruders) findet sich nicht in den Akten. Ein in den Akten befindlicher "Beitragsnachweis" für 1970-1972 sowie die ebenfalls in den Akten befindlichen Versicherungskarten 1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung enthalten sämtlich den Stempelaufdruck "Beiträge nach § 1303 RVO erstattet".
6Im Oktober 2009 beantragte der Kläger unter seinem jetzigen neuen Namen bei der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BVA Altersrente ("pension de vieillesse") mit der Begründung, er habe 15 Jahre in Deutschland gearbeitet. Die Beklagte entnahm den bei ihr elektronisch gespeicherten Daten, dass 1978 eine Beitragserstattung erfolgt war, und lehnte den Antrag deshalb ab.
7Im Mai 2010 stellte der Kläger (dieses Mal auf Deutsch) einen weiteren Rentenantrag ("Rentenbetrag"), den die Beklagte in einem zweisprachig in Deutsch und Französisch gehaltenen Bescheid aus den gleichen Gründen ablehnte (Bescheid vom 14. September 2010). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, er habe das Recht von seiner Versicherung und seine Renten immer noch nicht erhalten. Er habe in Deutschland drei Unfälle erlitten, bei denen zweimal der Kopf und einmal das Knie betroffen gewesen seien. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4.7.2011).
8Dagegen hat der Kläger am 5.8.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und seinen Rentenanspruch weiter verfolgt. Er habe lange in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet, sei dort krank gewesen und habe drei Unfälle erlitten. Eine Erstattung habe er nicht erhalten. Er möchte seine "Rechtsrenten" erhalten.
9Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
10Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.7.2012, ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht in den Akten).
11Gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger mit am 5.9.2012 beim SG und am 12.9.2012 beim erkennenden Gericht eingegangenem Schreiben vom 8.8.2012 gewandt, darauf hingewiesen, dass er den Bescheid vom SG erhalten habe und seine Angelegenheit auf "Altersrenten als Krankgeld" weiterverfolge. Er habe schon drei Unfälle gehabt, sei damals krank geworden und sei jetzt noch krank. Deswegen sei er in seine Heimat zurückgereist und dort geblieben. Er bitte um sein Recht auf Altersrente von seiner Versicherung. Er hat im Berufungsverfahren einen Bescheid der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (UK NRW) vom 1.2.2013 zu den Akten gereicht, mit dem ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines Unfalls aus dem Jahr 1966 abgelehnt wurde.
12Der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Er hat mitgeteilt, er habe die Ladung zum Termin erhalten, könne selbst nicht anreisen, warte auf den Termin und traue dem Gericht (Schreiben vom 13.3.2014).
13Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie hält ihrer Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
17Der Senat hat eine Auskunft der EUK eingeholt. Aufgrund eines Schreibens des Klägers vom 25.5.2010 sei ein "mehrmaliger Schriftverkehr" erfolgt, in den auch die zuständige Verbindungsstelle einbezogen worden sei. Nachdem der Kläger nicht mehr reagiert habe, sei Anfang 2012 weiterer Handlungsbedarf nicht mehr gesehen worden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der Verwaltungsakten der früheren BVA, der beigezogenen Verwaltungsakten der EUK und der Gerichtsakten Bezug genommen. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
19Entscheidungsgründe:
20Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 13.3.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt hat, sondern sein Nichterscheinen zum Termin und außerdem - sinngemäß - erklärt hat, er sei auch mit einer Entscheidung in seiner Abwesenheit einverstanden.
21Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 2.7.2012 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 5.7.2012 zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich bei den Akten kein Zustellungsnachweis befindet und der genaue Zeitpunkt der Übergabe/Zustellung des Gerichtsbescheides deshalb nicht feststeht, ist doch die Berufung unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids selbst mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 12.9.2012 noch innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
22Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.7.2011 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf (Regel-)Altersrente erneut ablehnt. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger, wenn er unter Hinweis auf seine 15jährige Beschäftigungszeit in Deutschland (mit unterschiedlichen Formulierungen) eine Altersrente aus seiner Versicherung begehrt. Soweit er außerdem auf seine 3 (Arbeits-)Unfälle und seine daraus resultierenden Krankheiten hinweist, dient dieses Vorbringungen (nur) zur Untermauerung des Rentenanspruchs. Dass er insoweit nicht weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte (als sachlich unzuständigen Leistungsträger) geltend macht, entnimmt der Senat auch daraus, dass dazu zwischenzeitlich eigenständige Verfahren bei der EUK und bei der UK NW anhängig (gewesen?) sind.
23Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 14.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 4.7.2011 nicht beschwert, §§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klage ist unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
24Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr (bereits 2003) vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
25Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit kurzen Unterbrechungen) von April 1963 bis Juni 1978 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1979 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist.
26Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
27Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1979 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
28Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben in den Verwaltungsakten der Beklagten, insbesondere der früheren BVA und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
29Nach dem Inhalt der Akten der BVA hat der Kläger am 9.6.1978 kurz vor seiner Rückkehr nach Marokko bei der Beklagten eigenhändig die Beitragserstattung durch Überweisung des Erstattungsbetrages auf ein Konto seines Stiefbruders beantragt. Der auf diesen Antrag ergangene Erstattungsbescheid vom 29.5.1979 wurde am 5.6.1979 an den Kläger abgesandt. Urkunden, die die Haupttatsachen des Zugangs dieses Bescheides und des Eingangs des Erstattungsbetrags auf dem angegebenen Konto des Stiefbruders unmittelbar belegen (Zustellungsnachweis; Überweisungsträger; Eingangsbestätigung der Sparkasse X; Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der Kläger (bzw. sein Stiefbruder als Bevollmächtigter) den Erstattungsbescheid erhalten hat, und der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers bzw. seines (insoweit auch geldempfangsbevollmächtigten) Stiefbruders gelangt ist, die Beklagte damit den Erstattungsanspruch auch vollständig erfüllt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 10. Auflage 2010. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, zuletzt Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06 LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
30Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht (mehr) erhält. Dies kommt auch im vorliegenden Fall besonders deutlich zum Tragen. Der Kläger hat nämlich im Verwaltungsverfahren auf die Nachfrage der BVA (gerichtet an seinen Stiefbruder) selbst (wohl aus Marokko) handschriftlich mitgeteilt, dass er in den von der BVA bezeichneten, nicht mit Beiträgen belegten Zeiten in Marokko Urlaub gemacht habe. Dies zeugt von seinem Interesse an einem raschen Abschluss des Erstattungsverfahrens. Wenn er bei dieser Sachlage später nicht mehr zeitnah nach dem (Aus-)Gang des Verfahrens fragt, lässt dies nur den Schluss zu, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und das Geld vollständig in seine oder mindestens seines Stiefbruders Verfügungsgewalt gelangt ist.
31Hinzu kommt, dass der Kläger mit der Beitragserstattung 1978/79 die (damals) einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung seiner Beiträge wahrgenommen hat. Denn es gab im Zeitpunkt der Beitragserstattung (noch) keine Möglichkeit, Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren) Rentenzahlung stand die Regelung des § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF (gleichlautend § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt. Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge lediglich in Form der Beitragserstattung (§ 1303 RVO, entsprechend § 95 RKG) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das DMSVA vom 25.3.1981 erst 1986 in Kraft trat (BGBl II 1986; 550ff, 562, 772; vgl zu alledem BSG SozR 3 - 6610 Artikel 5 Nr 1). Dies alles spricht aus Sicht des Senats dafür, dass die jetzigen abweichenden Angaben des Klägers ("keine Erstattung erhalten") nicht den objektiven Tatsachen entsprechen. Der Senat hält sie deshalb nicht für geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des angenommenen typischen Geschehensablaufs zu begründen. Im Gegenteil bestätigen die Stempelaufdrucke auf Versicherungskarten 1-3 der LVA Rheinprovinz einschließlich Aufrechnungsbescheinigung "Beiträge nach § 1303 RVO erstattet", dass man ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Erstattungsverfahren stattgefunden hat.
32Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
33Selbst wenn man dem Vorbringen des Klägers (außerdem) entnähme, er begehrte (hilfsweise) auch eine "Rente wegen Krankheit", also nach der Systematik des SGB VI eine "Rente wegen (voller) Erwerbsminderung, gälte für eine solche Rente im Ergebnis das das zuvor Gesagte gleichermaßen.
34Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
35Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.
(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Versicherte haben Anspruch auf Regelaltersrente, wenn sie
- 1.
die Regelaltersgrenze erreicht und - 2.
die allgemeine Wartezeit erfüllt
(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf- 1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat, - 2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.
(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.
(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
- 1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und - 2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.
(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet
- 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, - 2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, - 3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,
- 1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder - 2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.
(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.
(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.
(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.
(1) Die allgemeine Wartezeit ist vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte
- 1.
wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, - 2.
wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit, - 3.
wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder - 4.
wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)
(2) Die allgemeine Wartezeit ist auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.
(3) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne der Absätze 1 und 2 liegen auch vor, wenn
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.