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Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.
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Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Für die damit geforderte Erfolgsprognose ist zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – hier des Senats – abzustellen (vgl. nur Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe unter Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 423 m.w.N.; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 119 Rdnr. 4 m.w.N.; Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 7c m.w.N.). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Entscheidung durch das Gericht grundlos verzögert wird und sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage zum Nachteil des Antragstellers geändert hat. In diesem Falle kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Bewilligungsgesuches an (Knittel in Hennig, SGG, § 73a Rdnr. 15; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, Kapitel VI Rdnr. 71; Keller/Leitherer, a.a.O.; Thomas/Putzo, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.12.2001, L 8 B 71/01 RA PKH in Breithaupt 2002, 663). Andernfalls würde der Zweck der Prozesskostenhilfe, auch dem Bedürftigen Rechtsschutz zu ermöglichen, verfehlt (Knittel, a.a.O., Rdnr. 14). Die Gegenmeinung (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdnr. 427 m.w.N.), die hier auch vom Sozialgericht vertreten wird, übersieht die verfassungsrechtliche Dimension der Problematik. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gebieten Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (Beschluss vom 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02 in SozR 4-1500 § 73a Nr. 1). Dies wäre nicht gewährleistet, wenn das Gericht beliebig lange zuwarten und beispielsweise durch entsprechende Ermittlungen die Frage des Erfolges endgültig klären könnte. Denn im Falle eines Erfolges bedürfte der Unbemittelte keiner Prozesskostenhilfe, weil mit seinem Erfolg regelmäßig auch die Kostentragungspflicht des Unterlegenen verbunden ist. Im Falle seines Misserfolges wäre das Verfahren – was die Ermittlungen anbelangt – bereits durchgeführt, im Falle einer Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt dessen Kosten bereits entstanden. Prozesskostenhilfe soll jedoch nicht den Erfolg in der Hauptsache prämieren, sondern den Rechtsschutz nur ermöglichen (BVerfG, a.a.O.). Mit der genannten Entscheidung hat das BVerfG dementsprechend einen Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss in einem Fall aufgehoben, in dem das Instanzgericht trotz Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages zunächst eine mehrstündige Anhörung des Klägers durchführte, die Klage abwies und dann darauf gestützt Erfolgsaussicht verneinte.
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Im vorliegenden Fall ist daher entgegen der Auffassung des Sozialgerichts der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgebend.
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Entscheidungsreife liegt vor, wenn der Antragsteller alle für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat, insbesondere den vollständig ausgefüllten Vordruck über die Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege (vgl. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO), und wenn gegebenenfalls der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier am 24. März 2005 mit Eingang der vom Sozialgericht geforderten restlichen Belege erfüllt gewesen.
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Indessen rechtfertigt auch dies im vorliegenden Fall nicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Weder im Zeitpunkt der Entscheidungsreife noch später hat die Klage Erfolgsaussicht gehabt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass vom Sozialgericht eine Sachaufklärung durchgeführt worden ist.
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Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringt, im Falle streitiger Tatsachen, wenn die von ihm behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen nachweisbar erscheinen (Krasney/Udsching, a.a.O., Rdnr. 60), wenn also keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (Knittel, a.a.O., Rdnr. 13). Dementsprechend wird Erfolgsaussicht auch im sozialgerichtlichen Verfahren dann zu bejahen sei, wenn eine Beweisaufnahme von Amts wegen durchgeführt werden muss (Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 7a; Krasney/Udsching, a.a.O; Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, 2. Aufl. 2004, VI Rdnr. 91; Wenner/Terdenge/Krauß, Grundzüge der Sozialgerichtsbarkeit, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 345; Jansen, SGG, 2. Aufl. 2005, § 73a Rdnr. 7).
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Indessen gilt dies nicht ausnahmslos. Das Gesetz selbst sieht in § 118 Abs. 2 ZPO vor, dass das Gericht Erhebungen anstellt, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnet und Auskünfte einholt (Satz 2). Allerdings werden nach Satz 3 Zeugen und Sachverständige nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Vorschrift zeigt, dass die Vernehmung von Zeugen und die Einholung von Gutachten auch vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommt. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1986, 2 BvR 25/86 in NVwZ 1987, 786). Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Zeugenvernehmung und der Einholung von Gutachten im Zivilprozess ist vor dem Hintergrund der Dispositionsmaxime, die zum Erfordernis schlüssigen und substantiierten Vortrages führt, und des Umstandes zu sehen, dass eine derartige Beweiserhebung bereits mit Kosten verbunden ist, wegen der der bedürftige Kläger gerade die Prozesskostenhilfe benötigt. Im sozialgerichtlichen Verfahren dagegen gilt der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 103 SGG) und der Kostenfreiheit (§ 183 SGG). Wenn im Zivilprozess eine Zeugenvernehmung vor der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe beispielsweise dann in Betracht gezogen wird, wenn eine Behauptung zwar schlüssig, aber sehr unwahrscheinlich ist (Wax in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. 2002, § 118 Rdnr. 24; Philippi in Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 118 Rdnr. 21), gilt dies vor den Sozialgerichten in weit stärkerem Maß.
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Im sozialgerichtlichen Verfahren kann deshalb trotz Durchführung von Ermittlungen, insbesondere in Form von Zeugenvernehmungen und der Einholung von Gutachten, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu verneinen sein. Wird in eine Beweisaufnahme eingetreten, muss dies nicht bedeuten, das Gericht sei davon überzeugt, dass sich die zu beweisende Tatsache mit hinreichender Erfolgsaussicht werde feststellen lassen. Beweisbedürftigkeit und Erfolgsaussicht haben wenig miteinander zu tun (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Mai 1986, L 3 U 60/86 in Breithaupt 1987, 607). So ist anerkannt, dass die Einholung eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG nicht die Annahme von Erfolgsaussicht rechtfertigt, weil sonst der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe selbst in der Hand hätte (Krasney/Udsching, a.a.O.; Knittel, a.a.O.). Denn dem Antrag nach § 109 SGG muss das Gericht auch dann nachgeben, wenn es selbst weitere Ermittlungen nicht für erforderlich hält.
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Aber auch von Amts wegen werden Gutachten nicht ausnahmslos vor dem Hintergrund einer zumindest offenen Erfolgsprognose eingeholt. Insbesondere wenn die Einholung eines Gutachtens nur noch dazu dient, letzte Zweifel an der Unbegründetheit des Klageanspruches zu zerstreuen (Jansen, a.a.O.) oder wenn sich das Gericht durch Vorlage zweifelhafter medizinischer Unterlagen durch den Kläger aus prozessualen Gründen zur Einholung eines – die vorgelegten Unterlagen aller Voraussicht nach widerlegenden – Gutachtens veranlasst sieht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 1997, L 8 V 1865/97 PKH-A ), wenn also ein günstiges Ergebnis unwahrscheinlich bzw. die Erfolgschance nur eine entfernte ist, kann Erfolgsaussicht verneint werden (Keller/Leitherer, a.a.O. m.w.N. auch zur Rechtsprechung; Kummer, a.a.O.).
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Nichts anderes gilt für die Vernehmung von Ärzten als sachverständige Zeugen (so im Ergebnis LSG Bremen, Beschluss vom 7. Januar 1986, L 1 BR 28/85 in SozSich 1987, 223; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. März 1988, L 7 PKH 282/87 B in Breithaupt 1989, 165; Beschluss vom 9. Februar 1990, L 1 PKH 275/89 B in Justiz 1991, 101; Beschluss vom 25. März 2002, L 6 SB 3114/01 PKH-B – nicht veröffentlicht –). Häufig dient diese Ermittlungstätigkeit des Sozialgerichts erst dazu, den klägerischen Vortrag zu substanziieren oder gar erst schlüssig zu machen. Es soll geklärt werden, ob angesichts der bereits von der Verwaltung durchgeführten Ermittlungen noch ein Gutachten notwendig ist (Knittel, a.a.O., Rdnr. 18). Dies trifft insbesondere für pauschalen klägerischen Vortrag zu, wonach die Verwaltung nicht alle Gesundheitsstörungen berücksichtigt habe, also – ggf. auf anderen medizinischen Sachgebieten – weitere Gesundheitsstörungen vorlägen, nicht richtig untersucht worden sei, falsche Befunde erhoben worden seien, die Beurteilung der Beklagten falsch sei, die Gesundheitsstörungen sich verschlimmert hätten oder weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten seien. In diesen Fällen kann das Gericht eine Erfolgsprognose erst stellen, wenn dieser klägerische Vortrag durch entsprechende medizinische Unterlagen gestützt wird. Andernfalls hätte der Kläger durch pauschale Behauptungen der Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Ermittlungstätigkeit der Beklagten bzw. ihrer Bewertung des Gesundheitszustandes oder einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes die Gewährung von Prozesskostenhilfe selbst in der Hand. Dabei führt längst nicht jede Gesundheitsstörung zu einer relevanten Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Das Gegenteil ist die Regel.
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Dass anderes gilt, wenn beispielsweise aufgrund des Vortrages davon ausgegangen werden kann, dass eine weitere Gesundheitsstörung mit erheblichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit vorliegt oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes in einer Art oder einem Umfang eingetreten ist, der vor dem Hintergrund der bisherigen Beweiserhebungen den Schluss rechtfertigt, dass das Begehren möglicherweise Erfolg haben wird, der Kläger also unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen mit konkretem Inhalt selbst (an Stelle des Gerichts mit sachverständigen Zeugenanfragen) seinen Vortrag substanziiert – was dann in der Regel allerdings nicht zu sachverständigen Zeugenanfragen, sondern zur Beauftragung eines Sachverständigen führt – oder wenn die behauptete Tatsache allein, also weitgehend unabhängig von einer Wertung, die Entscheidung der Beklagten in Frage stellt (z. B. streitige Erwerbsminderungsrente und Vortrag, eine Querschnittslähmung sei zwischenzeitlich eingetreten verbunden mit dem Antrag, den behandelnden Chefarzt der Klinik zu befragen), bedarf keiner weiteren Darlegung.
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Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Grunde lediglich vorgetragen, seine Gesundheitsstörungen auf chirurgisch-orthopädischen Fachgebiet seien schwerwiegender als von der Beklagten angenommen und er leide auch an Depressionen. Er hat damit nur pauschal eine fehlerhafte Bewertung und das Vorliegen weiterer Gesundheitsstörungen (nämlich Depressionen) geltend gemacht. Allein aufgrund dieses Vortrages hätte keine Erfolgsaussicht angenommen werden können. Denn die Entscheidung des beklagten Rentenversicherungsträgers beruhte auf einem Gutachten nach ambulanter Untersuchung und beinhaltete klare Befunde auch auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet. Die vom Kläger behaupteten Funktionsstörungen stehen nicht im Gegensatz zu diesen Befunden. Das Gutachten enthält auch die ärztliche (wenn auch nicht nervenärztliche) Äußerung, es bestehe kein Anhalt für einen belangvollen depressiven Verstimmungszustand. Die Behauptung des Klägers, er leide an Depressionen vermag – abgesehen von der Frage der Richtigkeit – für sich genommen eine Erfolgsaussicht der Klage schon deshalb nicht zu begründen, weil auch bei Vorliegen eines derartigen Leidens Erwerbsfähigkeit die Regel ist.
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Im Zeitpunkt der Entscheidungsreife ist die Klage daher ohne Erfolgsaussicht gewesen. Hieran hat sich auch nach Eingang der sachverständigen Zeugenauskünfte nichts geändert, weil die Auskünfte der behandelnden Ärzte die Beurteilung des beklagten Rentenversicherungsträgers bestätigt haben. Deshalb ist die Beschwerde zurückzuweisen.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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