Landgericht Wuppertal Urteil, 17. März 2015 - 11 O 37/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Kaufvertrages.
3Die Beklagte bot auf ihrer Internetseite Generatoren des Typs „Makita G 4300 IS“ zum Preis von 24 € zzgl. MwSt. an. Diese Preisauszeichnung war -auch für die Klägerin erkennbar- eklatant zu niedrig. Über den genauen angemessenen Preis besteht aber Uneinigkeit.
401.02.3014 bestellte die Klägerin 10 Generatoren dieser Art im Onlineshop der Beklagten. Daraufhin erhielt sie um 20.48 Uhr per E-Mail eine automatisch versandte „Auftragsbestätigung“ der Beklagten, in der eine Übersicht über die bestellten Artikel gegeben wurde. Die Beklagte bedankte sich hierin für den Auftrag und teilte mit, dass die Bestellung umgehend bearbeitet werde. Zudem wurden die Versandmodalitäten beschrieben und darauf hingewiesen, dass die Klägerin über den Warenausgang per E-Mail informiert werde. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 64 GA verwiesen.
5Am nächsten Tag erhielt der Geschäftsführer der Klägerin von der Geschäftsführerin der Beklagten um 17.58 Uhr eine E-Mail, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Bestellung des Klägers aufgrund einer Systemstörung nicht ausgeführt werden könne und die Beklagte den Auftrag storniere. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3,Bl. 9 GA verwiesen.
6Die Klägerin forderte die Beklagte mehrmals, zuletzt durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 07.04.2014 zur Lieferung der Generatoren auf.
7Die Klägerin beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10 Makita G 4300 IS Generatoren Zug um Zug gegen Zahlung in Höhe von 285,60 € herauszugeben;
92. festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug befindet;
103. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte behauptet, der Nettoeinkaufspreis der streitgegenständlichen Generatoren betrage 2.642 € pro Stück.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16A) Klageantrag zu 1
17Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übergabe von 10 Generatoren des Typs „Makita G 4300 IS“ gem. § 433 I BGB.
18I.
19Dabei kann dahinstehen, ob ein Kaufvertrag, der durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande kommt, zwischen den Parteien überhaupt wirksam geschlossen wurde. Problematisch ist dies deshalb, weil es sich bei der automatisch als Reaktion auf die Bestellung erstellten E-Mail nicht um eine Annahme des Vertragsangebotes der Klägerin gehandelt haben könnte, sondern um eine gesetzlich verpflichtende Eingangsbestätigung i.S. des § 312 i 1 Nr. 3 BGB und damit nicht um eine Willens- sondern um eine Wissenserklärung ( vgl. dazu Heckmann in: jurisPK-Internetrecht, Kapitel 4.1 Rn. 54). Hiervon ging jedenfalls das Gericht gemäß Hinweis vom 21.01.2015 auf der Basis des Anlage K 2, Bl. 7 GA (ohne die Überschrift „Auftragsbestätigung zu ihrer Bestellung…“) aus.
20II.
21Einen etwaigen Kaufvertrag hat die Beklagte nämlich jedenfalls gemäß § 119 Abs. 1 BGB wirksam angefochten.
221.
23Ihre Geschäftsführerin hat mit der E-Mail vom Folgetag der Bestellung und damit unverzüglich die Anfechtung der etwaigen Annahme erklärt, §§ 143 Abs. 1, 121 Abs. 1 BGB. Zwar wurde ausdrücklich nicht von Anfechtung, sondern von „stornieren“ geschrieben. Es ist aber unschädlich, wenn das Wort „Anfechtung“ nicht vorkommt, solange der Anfechtungsgegner erkennen kann, dass sich der Erklärende wegen eines Willensmangels nicht an dem Erklärten festhalten lassen will (vgl. Palandt, 74. Aufl., § 143, Rn. 3 mwN). Der Anfechtungsgrund braucht nicht genannt zu werden (vgl. Palandt .a.aO.)
24Hier hat die Beklagte durch das Wort „stornieren“ eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an dem Erklärten nicht festhalten lassen will. Durch die Bezugnahme auf einen „Systemfehler“ wurde auch deutlich, dass es sich bei der „Stornierung“ nicht etwa um einen „Rücktritt“ handelte. Für die Klägerin war bei verständiger Würdigung auch offensichtlich, dass der Grund für die Stornierung der eklatant zu geringe Preis darstellte.
252.
26Die Beklagte hatte auch ein Recht zur Anfechtung, denn sie befand sich in einem Erklärungsirrtum. Dabei kann dahinstehen, wie es zu der Anzeige des fehlerhaften Preises im Onlineshop gekommen ist; ob es sich um eine Fehleingabe handelte oder um einen Fehler in der technischen Übertragung. Beide Ursachen sind gleich zu behandeln (vgl. BGH NJW 2005, 976, 977). Unerheblich ist auch, dass der Irrtum bereits bei der invitatio ad offerendum erfolgte, wenn er sich -wie hier- in der auf den Vertragsschluss gerichteten Annahmeerklärung fortsetzt (vgl. BGH a.a.O.)
27III.
28Falls man annehmen wollte, dass der fehlerhaften Preisauszeichnung ein Kalkulationsfehler zugrunde gelegen habe, der als unbeachtlicher Motivirrtum nicht zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigte -hiergegen spricht allerdings der eklatant falsche Preis- so wäre das Beharren der Klägerin auf die Vertragsdurchführung jedenfalls rechtsmissbräuchlich (vgl. zum Rechtsmissbrauch Palandt, § 119, Rn. 19 mwN.).
29B) Klageantrag zu 2 und 3
30Mangels Vertragsschlusses sind auch Verzug und Verzugsschaden nicht gegeben.
31Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 I ZPO.
32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
33Streitwert: 26.420,00 €
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(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
(1) Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner.
(2) Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der andere Teil, im Falle des § 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat.
(3) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, das einem anderen gegenüber vorzunehmen war, ist der andere der Anfechtungsgegner. Das Gleiche gilt bei einem Rechtsgeschäft, das einem anderen oder einer Behörde gegenüber vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegenüber vorgenommen worden ist.
(4) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art ist Anfechtungsgegner jeder, der auf Grund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung gegenüber der Behörde erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen mitteilen, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist.
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.