Die Nebenintervention war zurückzuweisen. Die Beitrittswillige hat kein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Absatz 1 ZPO daran, die Antragstellerseite zu unterstützen.
I.
Rechtliches Interesse ist anerkanntermaßen nicht eine erstrebte Kostenfolge (BGH 5.12.2013, VI ZB 15/12, Rn. 21); das will auch die Beitrittswillige nicht behaupten. Der BGH schreibt dazu:
„Die Vorschriften über die Nebenintervention sollen einem Dritten die Möglichkeit eröffnen, sich an einem Rechtsstreit zu beteiligen, an dessen inhaltlicher Entscheidung er ein rechtliches und nicht lediglich ein wirtschaftliches Interesse hat. Ein Beitritt mit dem ausschließlichen Ziel, eine günstige Kostenentscheidung herbeizuführen, entspricht diesem Rechtsgedanken nicht. Ob ein Beitritt zu diesem Zweck daher sogar unzulässig ist … braucht hier nicht entschieden zu werden“.
II.
Schon dem Wortlaut nach nicht ausreichend ist ferner ein bestimmtes Sachaufklärungsinteresse (LG München I 29.11.2011, 11 O 25452/10), sondern das „rechtliche Interesse“ kann nur am „Obsiegen“ der unterstützten Partei bestehen (OLG München 27.1.2011, 13 W 2806/10; OLG München 19.3.2003, 13 U 4063/02).
Das gilt auch dann, wenn der Streitverkündete nicht dem Verkünder beitritt, sondern dessen Gegner. Das ist nicht generell unzulässig, sondern dann zulässig, wenn der Streitverkündete sinnvollerweise auf ein Obsiegen des Gegners hofft (so auch BGH 18.11.2015, VII ZB 2/15).
III.
Anwendung auf das selbständige Beweisverfahren.
Im selbständigen Beweisverfahren besteht die Besonderheit, dass niemand dieses Verfahren „gewinnen“ kann. Es gibt es kein Obsiegen und kein Unterliegen. Die Streitverkündung wird dennoch als zulässig angesehen.
Dem stimmt das Landgericht München I in ständiger Rechtsprechung (einschließlich derer dieser Kammer) zu. Die Kammer tut es mit folgender Begründung: „Lage des Rechtsstreits“ im Sinne von §§ 66 Abs. 2, 67, 68 ZPO kann auch die vorgezogene Beweiserhebung sein.
Ist nun ein Beitritt bereits im selbständigen Beweisverfahren gangbar, dann sind umgekehrt auch im selbständigen Beweisverfahren Anträge auf Zurückweisung einer Nebenintervention möglich. Darüber kann das Gericht schon im ßeweisverfahren entscheiden. Eine frühzeitige Klärung erscheint in der Regel sinnvoll, zumal ex ante unsicher ist, ob der Nebenintervenient später dem Hauptsacheverfahren (nochmals) beitritt und/oder daran noch mitwirkt.
Darum ist die Kammer auch vorliegend (von den Beteiligten für sich genommen unbeanstandet) der Auffassung gewesen, über die Zulässigkeit der neuen Nebenintervention zügig entscheiden zu sollen.
IV.
Das hatte die Kammer durch Zwischenurteil zu tun.
1. Auch im selbständigen Beweisverfahren kann ohne weiteres ein Zwischenurteil im Sinne von § 71 Abs. 2 ZPO ergehen. Die Kammer hält das sogar für die einzig richtige Entscheidungsart. Denn „Zwischenurteile“ setzen nicht voraus, es werde irgendwann ein End- oder Schlussurteil ergehen: Auch im normalen Streitverfahren weiß man a priori nicht, ob einem Zwischenurteil dermaleinst ein Endurteil folgt.
2. Nach anderer Ansicht soll im selbständigen Beweisverfahren stattdessen durch Beschluss zu entscheiden sein; dazu führe eine „entsprechende“ Anwendung von § 71 ZPO (BGH 18.11.2015, VII ZB 2/15 = NJW 2015, 1020).
Das überzeugt die Kammer schon in sich (rechtssystematisch) nicht. Davon abgesehen folgt die Kammer nicht der Auffassung, dass eine „analoge“ Anwendung überhaupt nötig sei („Analogie-These“). Dazu im einzelnen:
2.1 In der Rechtssystematik beschreibt das Wort „Analogie“ einen Vorgang, bei dem der Rechtsanwender eine Rechtsfolge heranzieht, ungeachtet dessen, dass die positiv geregelten Voraussetzungen dieser Rechtsfolge nicht vorliegen. Analogie hilft, so verstanden, denknotwendig stets nur über fehlende Voraussetzungen einer Norm hinweg, führt aber nicht dazu, dass der Rechtsanwender dieser Norm kurzerhand eine andere Rechtsfolge „aufpfropfen“ dürfte. Vorliegend lautet die gesetzlich normierte Rechtsfolge, dass das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 71 Abs. 1 S. 1 ZPO) und durch Zwischenurteil (§ 71 Abs. 2 ZPO) zu entscheiden hat.
Erließe die Kammer stattdessen einen Beschluss (womöglich noch ohne mündliche Verhandlung), dann wäre ein solcher Beschluss kein „analoges Zwischenurteil“, sondern als Rechtsfolge aus § 71 ZPO schlicht nicht ableitbar.
Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung OLG München 28.4.2016, 23 U 1774/15 (Rn. 19): Dort war im Verfahren des § 522 ZPO u.a. über die Zurückweisung einer Nebenintervention zu entscheiden. Eine analoge Anwendung von § 66 ff ZPO kam dort nicht in Betracht, da eine Streitsache vorlag und kein selbständiges Beweisverfahren. Der Senat sah sich gleichwohl nicht gedrängt, nach § 71 ZPO mündlich zu verhandeln, sondern verband seinen Ausspruch zur Zulässigkeit der Nebenintervention mit der Endentscheidung (= dem Beschluss nach § 522 ZPO). Das begründete er tragend damit, dass das Verfahren nach § 522 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht „kennt“; dem stimmt die Kammer zu: § 522 ZPO will die mündliche Verhandlung gerade vermeiden. Für das selbständige Beweisverfahren gilt das so nicht - auch wenn der Senat zur Stützung seines Ergebnisses zuletzt ergänzend die „Analogie-These“ zitiert und heranzieht (Rn. 20).
2.2 Die Analogie braucht es - auch im selbständigen Beweisverfahren - nicht. Denn entgegen verbreiteter Ansicht ist das Nebeninterventionsrecht im selbständigen Beweisverfahren direkt anzuwenden. Der Beitritt ist (s.o.) grundsätzlich „in jeder Lage des Verfahrens“ zulässig, also auch schon in der vorgelagerten Beweiserhebung.
2.3 Geistige Grundlage der „Analogie-These“ ist zum großen Teil die Vorstellung, hier müsse das Problem gelöst werden, dass es im selbständigen Beweisverfahren noch kein „rechtliches Obsiegensinteresse“ im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 71 Abs. 1 S. 2 ZPO geben könne, weil es auch kein „Obsiegen“ geben kann. Die Kammer hält das bereits rechtslogisch für einen Fehlschluss (dazu später). Zudem wird man damit der anwaltlichen und erstinstanzlichen Praxis ersichtlich nicht gerecht (auch dazu später).
2.4 Bekanntlich (BGH 5.12.2015, VII ZB 15/12) beansprucht ein im selbständigen Beweisverfahren erklärter Beitritt Wirksamkeit auch für das nachfolgende Häuptsacheverfahren; d.h. wer dem Beweisverfahren als Streithelfer beigetreten ist, muss nicht nochmals im Hauptsacheverfahren den Beitritt erklären, sondern bekommt auch ohne neue Erklärung einen nach § 101 ZPO veranlassten Kostenausspruch über seine Nebenintervention.
Diesem Ergebnis stimmt die Kammer zu. Es ist ohne jede Mühe begründbar, wenn und solange man § 66 Abs. 1 ZPO direkt auf das selbständige Beweisverfahren anwendet: Einmal erklärt, wirkt dieser Beitritt für das ganze Verfahren - wovon das Beweisverfahren nur ein erstes Stadium ist.
Viel schwerer tut sich hier, wer § 66 Abs. 1 ZPO nur „analog auf das selbständige Beweisverfahren“ anwenden will. Denn damit erzielt man nur für das selbständige Beweisverfahren eine Rechtsfolge, nicht aber für die anschließende Hauptsache; Das Gesetz hat bereits keine Regelungslücke (erst recht keine planwidrige Regelungslücke), betreffend die Frage, unter welchen Voraussetzungen man einem normalen Streitverfahren beitreten kann. Darum war im Fall BGH 5.12.2015 (VII ZB 15/12) die Vorinstanz sogar der Ansicht: Eine analoge Anwendung von § 66 Abs. 1 ZPO stehe der Annahme entgegen, dass der Beitritt automatisch auch für das nachfolgende Hauptsacheverfahren gelte (so OLG Nürnberg14.2.2012, 13 W 2249/11).
Der BGH (a.a.O.) sieht das ein, möchte aber an der Analogie festhalten. Das erreicht er unter Mühen, nämlich indem er eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz eröffnet, wonach die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens „Kosten der Hauptsache“ sind. Denn der BGH sagt: Auch § 101 Abs. 1 ZPO sei auf das selbständige Beweisverfahren (nur) „analog“ anzuwenden (Rn. 18):
„Die entsprechende Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO für das selbständige Beweisverfahren führt unabhängig von einem zusätzlichen Beitritt des Streithelfers im Hauptsacheverfahren zu einer Entscheidung über dessen Kosten im selbständigen Beweisverfahren“.
Diese Entscheidung verdient im Ergebnis Zustimmung. Sie ist vertretbar, weil in dieser speziellen Konstellation der Nebenintervenient auch nur im selbständigen Beweisverfahren überhaupt Kosten gehabt haben wird. Weniger überzeugend ist indes der Versuch, diese Entscheidung rechtshistorisch zu begründen. Der BGH sagt nämlich:
„Diese Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des § 101 Abs. 1 ZPO ist notwendig, um die Lücken auszufüllen, deren Schließung der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen hat“.
Damit meint der BGH die BT-Drs. 11/8283 S. 47 f zu Nr. 31 a, die er sogleich zitiert. Diese BT-Drs. entstand im Jahre 1990. Die Kammer findet darin nirgends ein Gebot, gesondert über die Kosten einer Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren zu entscheiden und hierzu kostenrechtliche Vorschriften analog anzuwenden; im Gegenteil sah die BT-Drs. 11/8283 ein Bedürfnis, den damals neuen § 494 a ZPO zu schaffen und auf das Problem zu reagieren, dass es im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidung gab, weil dessen Kosten solche des Hauptsacheverfahrens sind; diese Grundregel hat der Gesetzgeber mit § 494 a ZPO durchbrochen, aber nicht aufgegeben.
2.5 Die BT-Drs. 11/8283 ist dennoch einer Betrachtung wert. Denn sie ist trotz obiger Einschränkung wohl der rechtsgeschichtliche Urgrund, auf den die „Analogie-These“ sich stützen möchte. Die BT-Drs. enthält auf Seite 47 zu Nr. 31 a den folgenden Satz:
„Eine Ergänzung der Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren mit Rücksicht auf die wünschenswerte Möglichkeit der Beteiligung Dritter (etwa im Wege der Streitverkündung oder Nebenintervention) hat der Ausschuß nicht für erforderlich gehalten, weil zu erwarten ist, daß die Rechtsprechung in diesen Fällen §§ 66 ff ZPO entsprechend anwendet“.
Diese Erwartung des damaligen Bundestagsausschusses hat die Kammer sorgsam erwogen und erfüllt sie auch, jedoch in Reinform - nicht in Form der „Analogie-These“:
- Die „Analogie-Erwartung“ des Ausschusses in Erfüllung gehen zu lassen, ist dem Rechtsanwender bereits rechtslogisch nicht möglich, denn die BT-Drs. stellt den Rechtsanwender vor ein Paradox: Um § 66 ff ZPO „analog“ anzuwenden, brauchte er zuvörderst eine planwidrige Regelungslücke; hinterlässt ihm der Gesetzgeber indes bewusst eine Regelungslücke (wie hier), so ist diese Lücke sorgsam geplant und nach der klassischen Dogmatik kein Raum für eine Analogie. Die Kammer hat im Termin hierauf hingewiesen (Protokoll Seite 5).
– Davon unabhängig gilt: Die Kammer braucht heute (2017) eine Regelungslücke nicht bereits deshalb zu sehen, weil der zuständige Ausschuss des Deutschen Bundestages vor mehr als einem Vierteljahrhundert (1990) eine solche Lücke (wohl) noch annahm. Gerade indem die Kammer § 66 ff ZPO direkt anwendet, verwirklicht sie desto genauer die Vorstellungen des 1990er Gesetzgebers: Der hielt (s.o.) die Beteiligung Dritter für „wünschenswert“ und begrüßte ausdrücklich Streitverkündung und Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren. Berücksichtigt man das, so kann man nach allgemeinen Vorschriften (eben § 66 ff ZPO direkt) die Streitverkündung und Nebenintervention bereits im selbständigen Beweisverfahren ohne weiteres für möglich halten, auch wenn sich diese Ansicht im Jahre 1990 noch nicht durchgesetzt haben konnte, weshalb der Ausschuss sich eine Anwendung auf das selbständige Beweisverfahren nur „analog“ vorstellen mochte. Der Ausschuss wäre mutmaßlich erfreut gewesen, wenn ihm damals jemand in Aussicht gestellt hatte, die Rechtsprechung werde allgemeine Regeln wie § 66 ff ZPO unmittelbar bereits im Stadium des selbständigen Beweisverfahrens anwenden. Die Kammer hat im Termin darauf hingewiesen (Protokoll Seite 5).
3. Die Anwendung des Nebeninterventionsrechts - gleich ob analog oder direkt - auf das selbständige Beweisverfahren hat dazu geführt, dass Gerichte vereinzelt (LG Köln 3.8.2010, 5 OH 1/10; LG Mannheim 25.9.2007, 3 OH 4/07) darauf abgestellt haben, wie der Beitrittswillige am ehesten Beweisergebnisse erzielen könnte, die ihn für den befürchteten Rückgriffsprozess wappnen. Köln und Mannheim haben den Beitritt als wirksam angesehen, obgleich zwischen dem Streithelfer und der unterstützten Partei keine Vertragsbeziehungen bestanden.
Solchen Vorstellungen folgt die Kammer nicht, sondern hängt der „Theorie der gedachten Hauptsache“ an: Sie stellt darauf ab, was für ein Hauptprozess durch das selbständige Beweisverfahren vorbereitet werden soll. Alsdann ist zu fragen, auf wessen Obsiegen in diesem Hauptprozess der Beitrittswillige hoffen muss.
Das wird sich - umrisshaft - bestimmen lassen, da der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren Angaben machen muss, woher er ein Interesse an der Beweiserhebung nimmt (§ 485 Abs. 2 ZPO). Er wird daher regelmäßig auch kennzeichnende Angaben machen, was für ein Rechtsstreit das denn sei, der hier vermieden oder aber vorbereitet werden soll. Auf wessen Obsiegen der Beitrittswillige hoffen muss, hängt von den materiellrechtlichen (insbesondere vertraglichen) Beziehungen ab (dazu später eingehender).
4. Dle Kammer verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof zum Teil andere Lösungsansätze vertritt (18.11.2015, VII ZB 57/12 = NZBau2016, 158 und 18.11.2015 VII ZB 2/15 = NJW 2016, 1020).
Die Kammer hat sich dazu durchgerungen, ungeachtet der Vorstellungen des Bundesgerichtshofs bei ihrem eigenen Ansatz zu bleiben (Theorie der „gedachten Hauptsache“). Damit liegt hier ein atypischer Fall vor, denn normalerweise folgt die Kammer dem Bundesgerichtshof und nennt den Parteien (Wenn die Rechtsfrage zwischen ihnen umstritten war) hierfür kurz ihre Gründe. Da die Kammer hier ausnahmsweise dem BGH nicht folgt, sieht sie sich gedrängt, ihre Theorie ausführlich zu begründen (dazu nachfolgend Abschnitt 4.1).
Anschließend (Abschnitt 4.2) wird darzustellen und anhand von Beispielsfällen zu belegen sein, dass die Theorie der „gedachten Hauptsache“ zum selben Ergebnis führen wird wie die Auffassung des BGH, soweit letzterer (mit Teil-1 seiner „Formel“) darauf abstellt ob
– ein Rechtsverhältnis besteht zwischen dem Beitrittswilligen und der Hauptpartei, die er unterstützen will und ob
– durch das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahren auf dies Rechtsverhältnis rechtlich eingewirkt wird.
4.1 Der BGH meint; In einem selbständigen Beweisverfahren kann § 66 Abs. 1 ZPO bloß entsprechend angewandt werden, weil es ein „Obsiegen“ im engeren Sinne nicht gibt.
Das hat die Kammer erwogen und hält es für nicht folgerichtig.
4.1.1 Obsiegen und Obsiegensinteresse sind zweierlei.
Es liegt auf der Hand, dass im selbständigen Beweisverfahren (noch) niemand „obsiegen“ kann (und zwar weder im engeren noch im weiteren Sinne). Daraus folgt aber nicht, dass es kein „Interesse“ am (späteren) Obsiegen geben könnte. § 66 Abs. 1 ZPO spricht vom „Obsiegen“ nur im Konjunktiv, als Gegenstand des Interesses.
Der Konjunktiv steht in der deutschen Sprache bekanntlich für Aussagen, die nicht beanspruchen, Realität zu sein. Für die Wahrheit der Aussage will der Konjunktiv nicht bürgen. Darum markiert der Konjunktiv die indirekte Rede („Der Kläger bringt vor, er habe …“) und wird verwendet, um Hypothesen oder sogar Irreales in den Raum zu stellen („Obsiegte der Antragsteller so wäre mir gedient“). Der Gesetzgeber fordert in § 66 Abs. 1 ZPO nicht ein reales „Obsiegen“, sondern nur das „rechtliche Interesse“ daran.
Soweit ein Obsiegensinteresse jemals besteht, ist es im Zeitraum des selbständigen Beweisverfahrens bereits vorhanden - soweit das Beweisverfahren zulässig ist. Hier gilt nichts anderes als beim „rechtlichen Interesse“, das der Antragsteller an der Beweisaufnahme haben muss, wejl anderenfalls der Antrag als unzulässig abgewiesen werden müsste, § 485 Abs. 2 ZPO. Beide will der Gesetzgeber zumindest „glaubhaft gemacht“ wissen.
4.1.2 Gerade § 485 Abs. 2 ZPO unterstreicht, dass der nachfolgende Hauptsacherechtsstreit hinreichend umrissen werden kann. Sonst würde der Gesetzgeber dies nicht zur Zulässigkeitsvoraussetzung erheben, von der die Einleitung des gesamten Verfahrens abhängt:
Schon der Antrag auf Einleitung ist nämlich unzulässig, falls der Antragsteller nicht beschreibt, was für ein Rechtsstreit durch eine Beweiserhebung „vermieden werden kann“ (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO) und wenn er auch nicht in sonstiger Weise zu schildern vermag, worin sein „rechtliches Interesse“ bestehe, das § 485 Abs. 1 S. 1 ZPO ausdrücklich bei ihm abfragt.
Der Begriff „rechtliches Interesse“ ist dem Recht des selbständigen Beweisverfahrens somit tief verwurzelt, indem er sogar die zentrale Zulässigkeitsvoraussetzung für das Verfahren im ganzen bildet - und das ausdrücklich mit Blick auf das spätere Hauptsacheverfahren. Dieses spätere Hauptsacheverfahren möchte der Antragsteller in der Regel auch „gewinnen“ (nicht einfach bloß führen oder bloß „dabeisein dürfen“); der Antragsteller beantragt das selbständige Beweisverfahren mit dem Ziel, in einem denkbaren späteren Hauptsacheprozess zu obsiegen. Desto weniger leuchtet ein, warum dieses spätere Hauptsacheverfahren nicht auch den Bezugspunkt sollte abgeben können für die Frage, an wessen Obsiegen der Beitrittswillige ein „rechtliches Interesse“ im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO haben müsse.
4.1.3 Mit „nicht folgerichtig“ (s.o.) meint die Kammer ferner, dass die Gegenauffassung den Begriff des „Obsiegens“ verwechselt mit der Frage, wann sich ein Obsiegen (anhand geeigneter „Kriterien“) erkennen lässt.
Für die Frage, was wir überhaupt „erkennen“ können, hält sich im Grundsatz die Philosophie für zuständig. Die Kammer unternimmt es daher ausnahmsweise, das Problem philosophisch anzugehen: Karl Popper („Tatsachen, Maßstäbe und Wahrheit: eine weitere Kritik des Relativismus“ - abgedruckt in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, Band II, Verlag Mohr Siebeck in Tübingen, 8. Auflage 2003) hat schon 1961 die Auffassung widerlegt, wonach „wir Kriterien haben müssen, um zu wissen, worüber wir reden“.
Die Fehlerhaftigkeit dieser (gleichwohl streckenweise beliebten) Annahme zeigt Popper an mehreren Beispielen, u.a. am Begriff „Wahrheit“: Wir haben eine Vorstellung davon, was „Wahrheit“ ist, nämlich: „Übereinstimmung mit den Tatsachen“. Daran ändert sich nichts, wenn wir bedenken, dass wir im Einzelfall nicht immer feststellen können, ob eine Aussage wahr ist oder nicht.
Das Streben nach Wahrheit ergibt dennoch einen Sinn - darum ermahnen Richterinnen und Richter allwöchentlich Zeugen und Sachverständige, bei dieser Wahrheit zu bleiben.
Der Denkfehler der „Kriteriumsphilosophie“ besteht darin, so zu tun, als ergäbe das Bemühen um ein Gut (z.B. um Wahrheit) keinen Sinn, solange kein Testverfahren zur Verfügung steht, um im Einzelfall zu prüfen, ob dieses Gut vorliegt (also z.B. eine Aussage wahr ist).
Strukturell vergleichbar fehl geht die Annahme, es ergebe im selbständigen Beweisverfahren die Vorstellung des „Obslegens“ keinen Sinn, weil in diesem Stadium des Prozesses noch keine Sachanträge gestellt sind und schon deshalb nicht überprüft werden kann, wer „obsiegt“. Richtig ist: Hätte man die (letzten) Sachanträge und ein darauf ergangenes Urteil vorliegen, dann wären das die „Kritierien“, um zuverlässig zu bestimmen, wer hier obsiegt oder verloren hat - also gleichsam das „Testverfahren“. Richtig ist auch: Was dem Richter im jeweiligen Verfahrensstadium an Kriterien zur Verfügung steht, damit sollte er auch arbeiten - z.B. im Hauptsacheverfahren alles Vorbringen an den Anträgen messen und so gleichsam auf Relevanz „testen“. Daraus folgt aber nicht, dass ohne diese Kriterien die Vorstellung eines „Obsiegens“ nichts besagen würde oder es keinen Sinn hätte, darüber nachzudenken. Auch solange man noch nicht genau wissen kann, was wir mit „Obsiegen“ im einzelnen gemeint ist, steht immerhin bereits fest; Es wird um die Durchsetzung von mängelassoziierten Ansprüchen gehen. Eine größere begriffliche Präzision ist im Stadium des selbständigen Beweisverfahrens nicht nötig. Sie wird insbesondere nicht erfordert für die hier zu treffende Entscheidung. Schließlich geht es nicht um die Feststellung, wer „obsiegt habe“, sondern nur um die - recht generische - Frage, welche Hauptpartei „obsiegen“ müsste, damit der Beitrittswillige hiervon rechtlich profitieren könnte.
4.1.4 Deswegen hat sich die Kammer entschlossen, an einer direkten Anwendung des Nebeninterventionsrechts auf das selbständige Beweisverfahren entgegen wohl herrschender Ansicht festzuhalten. Sie vermeidet damit prozedurale Anschlussprobleme. Zudem soll nachfolgend (Abschnitt 5.-) gezeigt werden, dass die direkte Anwendung auch am ehesten der Alltagspraxis gerecht wird.
4.2 Der BGH lehnt zwar die „hypothetische Hauptsache-Betrachtung“ ausdrücklich ab, kommt aber anhand sehr ähnlicher (nur bedeutend abstrakterer) Erwägungen zum gleichen Ergebnis:
4.2.1 Der BGH sagt zunächst:
„Bei der Prüfung eines rechtlichen Interesses ist nicht auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess abzustellen. Eine derartige hypothetische Prüfung ist in diesem Stadium des Verfahrens schon deshalb nicht möglich, weil noch nicht feststeht, mit welchen Anträgen ein solches Hauptsacheverfahren durchgeführt werden würde“.
Diese Anschauung überrascht den erstinstanzlichen Praktiker. Denn der ist durchaus fähig, sich den nachfolgenden Hauptsacheprozess vorzustellen. Dazu braucht er dessen konkrete Anträge nicht zu kennen (die ändern sich im Verlauf eines Streitverfahrens ohnehin oft noch mehrfach).
Der Praktiker muss sich - in Umrissen - diesen Hauptsacheprozess auch vorstellen. Kann er das nicht, wird er gleich zu Beginn des selbständigen Beweisverfahrens scheitern:
Wer schon einmal als Anwalt einen zulässigen Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens zu stellen unternommen hat, der weiß, dass er mitteilen muss, was denn das ungefähr für ein Hauptsacherechtsstreit sein wird, den er mit dem Beweisverfahren verhindern oder vorbereiten will. Er wird dem Gericht mitteilen, was für (mögliche) Ansprüche das seien, die er mit den Beweistatsachen untermauern will, damit er einen späteren Rechtsstreit - sollte der nötig werden - möglichst gewinnt.
Und wer als Richter einen solchen Antrag prüft, schaut ebenfalls auf diese Frage. Denn: Ließe die Antragsschrift nicht einmal in Umrissen erkennen, was Gegenstand eines nachfolgenden Hauptsacherechtsstreits sein würde, dann wäre der Antrag schlicht unzulässig. Das ist er selten; der Rechtsverkehr bewältigt die Aufgaben des § 485 Abs. 2 ZPO im allgemeinen recht gut.
4.2.2 Der BGH führt weiter aus:
„Ein Antragsteller ‚obsiegt‘ in einem selbständigen Beweisverfahren vielmehr dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustands einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt“.
Zwar wird selbst im Bauprozess ein selbständiges Beweisverfahren nicht immer nur um Mängel geführt und ist nicht immer deren Verursachung streitig - aber desto griffiger wirkt dieser Passus in seiner Fokussierung auf Mangelthemen und die Verursacher-Frage. Die Kammer sieht hier keinen durchgreifenden Unterschied zur Theorie der „gedachten Hauptsache“: Wo eine „Haftung des Antragsgegners“ gegenüber dem Antragsteller „in Betracht kommt“ wegen „Verursachung“ von „Mängeln“, da weiß der Praktiker ausreichend genau, worum es im Hauptsacherechtsstreit später gehen wird.
4.2.3 Abstellen will der BGH darauf,
„ob der Nebenintervenient (1) zu der unterstützten Partei (2) oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in diesem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt“
Diese Betrachtung lenkt den Blick (in „Teil-1“ der Formel) zunächst auf die materiellrechtlichen Beziehungen (in Bausachen also regelmäßig die Vertragsverhältnisse). Man wird - mit dem BGH - zuvörderst fragen: „Welche materiellen oder prozessualen Folgewirkungen (insbesondere Bindungswirkungen) hätte das Beweisergebnis für einen Rechtsstreit zwischen dem Beitrittswilligen und dem, den er unterstützen will?“.
Das lässt sich gut handhaben. Nebenbei führt es zu einem Gleichlauf mit den Ergebnissen, die die Kammer mit ihrer „Theorie der hypothetischen Hauptsache“ erzielen würde. Das soll nachfolend exemplarisch dargestellt werden:
4.2.3.1 In dem vom BGH entschiedenen Fall VII ZB 2/15 („Gesamtschuld-Fall“) waren solche Folgewirkungen anzunehmen und der Beitritt zulässig:
Der Bauherr (B) betrieb gegen mehrere Baubeteiligte ein selbständiges Beweisverfahren darunter auch gegen einen Planer (P). Der verkündete weiteren Planern (WP) den Streit mit der Begründung: Die Aufgabenbereiche der Planer hätten sich überschnitten, so dass er (P) gegen die Kollegen (WP) Rückgriffsansprüche nach § 426 BGB haben könne, wenn sich erweise, dass Mängel vorlägen und sowohl von P verursacht seien als auch von WP.
Die Streitverkundeten (WP) treten hierauf dem Verfahren bei. Zum Leidwesen des P treten sie nicht ihm zur Seite, sondern dem Bauherrn (B).
Diesen Beitritt hat der BGH für zulässig erachtet mit folgender Begründung, der die Kammer zustimmt:
Die WP stehen zum Bauherrn (B) in einem Rechtsverhältnis, das möglicherweise zu einer Gesamtschuldnerhaftung von WP zusammen mit P führt (Rn. 17). Dann haben sie ein „rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat“ (Rn. 17), denn wenn daraus der B gegen P vollstreckt, dann wird das die Nebenintervenienten (WP) entlasten (§ 422 Abs. 1 S. 1 BGB) - zumindest vorläufig.
Auffällig ist: An dieser Stelle (Rn. 17) tut der BGH nichts anderes als auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess der Hauptparteien abzustellen - samt anschließendem Vollstreckungsverfahren. Inhaltlich ist das die „Theorie der hypothetischen/gedachten Hauptsache“ in Reinform und zeigt: Der BGH scheut sich keineswegs, darauf abzustellen, wie der nachfolgende Hauptsacheprozess wohl laufen wird (Rn. 17).
Zwar folgt in Rn. 20 dann wieder derselbe Textbaustein wie zuvor in VII ZB 57/12: Auf das „Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess“ sei „nicht abzustellen“. Doch da ist es schon zu spät, denn bereits in Rn. 17 hat der BGH hierauf abgestellt (samt Urteil und Vollstreckung).
Mit einem Wort: Aus Sicht der Kammer ist die Entscheidung im Ergebnis überzeugend und verdient in der Gedankenführung ganz überwiegend Beifall. Das Ergebnis des BGH ist identisch mit jenem, das die Kammer und aus der „Theorie der hypothetischen Hauptsache“ heraus zu begründen versucht.
4.2.3.2 Im Fall BGH VII ZB 57/12 („Hallenfall“) war der Beitritt unzulässig. Auch hier lag die gleiche Grundkonstellation vor:
Der Bauherr (B) überzieht den GU und den Planer (P) mit einem selbständigen Beweisverfahren, betreffend eine Halle. Die Nebenintervention kommt hier von der Nutzerin (N) der Halle. Die Nebenintervenientin (N) hat über die Nutzung einen Vertrag mit B. Nun erklärt sie den Beitritt auf Seiten des B, um einen Prozess gegen B vorzubereiten und dazu beizutragen, dass die von GU und P verursachten Mängel richtig festgestellt werden.
Den Beitritt erachtet der BGH für unzulässig:
N steht zwar in einem Rechtsverhältnis mit dem B, den sie unterstützen will. Aber einerlei wie die Beweiserhebung ausgehen wird: Das Ergebnis beeinflusst dieses Rechtsverhältnis nicht - jedenfalls nicht „rechtlich“. Denn N wird an das Gerichtsgutachten nicht gebunden sein (Rn. 21): Die Bindungswirkung tritt ja nie zugunsten des Beitretenden ein. Das Beweisverfahren wirkt also auf den Nutzungsvertrag weder unmittelbar noch mittelbar ein.
Daran ändert sich auch nichts durch die theoretische Möglichkeit, dass ein Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren womöglich später einmal auch der N entgegengehalten würde nach § 411 a ZPO. Denn diese Aussicht ist vage, und selbst wenn: Da wird die N schon noch Ergänzungsfragen anbringen - wie der BGH in kundiger Einschätzung voraussieht (Rn. 22).
Auch hier hat der BGH (Rn. 15) es ausdrücklich abgelehnt, auf ein Obsiegen in einem gedachten Hauptsacheprozess [der Hauptparteien] abzustellen. Das hält der BGH in dieser Entscheidung formal durch, d.h. er gönnt sich keinen Seitenblick auf den späteren Prozess der Hauptparteien (Streitverfahren B ./. GU + P), sondern konzentriert sich bloß auf das Rechtsverhältnis N ./. B samt dortigem Folgeprozess. Aber: Kann man sich letzteren plastisch vorstellen, so könnte man vergleichbar konturiert den Folgeprozess der Hauptparteien „vorausdenken“. Die Kammer leitet auch hieraus ab, dass die „Theorie der gedachten Hauptsache“ nicht allzuweit entfernt davon ist, was der BGH tut; die Zurückweisung des BGH ist eine bloß verbale.
Bearbeitet man den Fall (VII ZB 57/12) mit der Theorie der „hypothetischen/gedachten Hauptsache“ zu lösen, so käme man zügig zum selben Ergebnis wie der BGH.
Denn der N kann es einerlei sein, ob B den nachfolgenden Hauptsacheprozess gegen GU und P gewinnt oder verliert. Das würde N rein rechtlich weder nutzen noch schaden.
V.
Entscheidung im vorliegenden Fall Gerade im hier zu entscheidenden Fall sieht sich die Kammer gedrängt, an ihrer Theorie der „hypothetischen Hauptsache“ festzuhalten. Dem BGH vermag sie sich nicht anzuschließen, soweit dessen „Formel“ (in ihrem „Teil-2“) damit endet, für ein Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO (analog) genüge es sogar, wenn
– der Beitrittswillige in einem „Rechtsverhältnis zu dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens“ steht und
– das Ergebnis der zulässigen Beweisaufnahme auf dieses Rechtsverhältnis rechtlich einwirkt.
Dieser letzte Teil der BGH-„Formel“ interessiert die Beitrittswillige hier insofern, als es vorliegend keine vertragliche Beziehung gibt zwischen der Beitrittswilligen und der Antragstellerseite, die sie jetzt unterstützen will - hier liegt der Unterschied zu den vorgenannten BGH-Entscheidungen (VII ZB 2/15 und VII ZB 57/12).
Die Kammer kann den „Teil-2“ der BGH-Formel nicht als juristisch sinntragend erachten. Im einzelnen:
1. „Rechtsverhältnis zu dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens“ Gegenstand des Beweisverfahrens ist gemäß § 485 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO, soweit in Bausachen relevant, der Zustand oder Wert einer Sache oder/und die Ursache eines Mangels oder Schadens oder/und der Aufwand für dessen Beseitigung.
In jedem Fall besteht der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens aus puren Tatsachen, solange das Verfahren in zulässiger Weise betrieben wird (letzteres setzt ausdrücklich auch der BGH bei seinen Überlegungen voraus). Weder die Kammer noch die im Termin befragten Verfahrensbeteiligten konnten sich juristisch irgendetwas darunter vorstellen, dass ein „Rechtsverhältnis einer Person zu einer Tatsache“ existieren solle (Protokoll vom 10.1.2017 Seite 5 oben).
Das liegt daran, dass der Begriff „Rechtsverhältnis“ in der juristischen Terminologie mit folgender Bedeutung „belegt“ ist: Rechtsverhältnisse können bestehen zwischen Rechtssubjekten oder zwischen (mindestens) einem Rechtssubjekt und (mindestens) einem Rechtsobjekt.
Rechtsobjekte können Sachen oder Rechte sein. Eine blanke Beweistatsache ist jedenfalls kein Rechtsobjekt. Erst recht ist eine Beweistatsache kein Rechtssubjekt.
Zwischen einer Tatsache und dem Beitrittswilligen ist daher nichts vorstellbar, was ein „Rechtsverhältnis“ genannt zu werden verdiente. Sondern umgekehrt: Geeignete Tatsachen können in Verbindung mit einem Rechtssatz eine Rechtswertung ausfüllen, die u.U. ein Rechtsverhältnis ergeben mag, an dem u.U. der Beitrittswillige beteiligt sein mag.
Die Kammer konnte sich daher folgendem logischem Schlüsse nicht entziehen:
Der Beitrittswillige wird niemals „in einem Rechtsverhältnis zum Gegenstand einer (zulässigen) Beweiserhebung des Verfahrens stehen“ - solange der Rechtsanwender in geläufigen juristischen Kategorien denkt. Das Merkmal ist rechtlich unvorstellbar. Darum kann die Kammer das Merkmal nicht als erfüllt ansehen. Das liegt nicht etwa daran, dass „Kriterien“ dafür „fehlen“ würden, wann dieses neuartige „Rechtsverhältnis“ gegeben sein mag. Es liegt allein daran, dass in den Denkkategorien des Rechts kein Weg gebahnt ist, mit dem vorgenannten Begriff irgendeine juristische Vorstellung zu verknüpfen.
Umgekehrt ist es auch nicht etwa die Absicht des BGH einen solchen („neuen“) Weg nunmehr zu bahnen und einen neuartigen „Rechtsverhältnisbegriff“ zu erschaffen: Er hätte sonst in den o.g. Entscheidungen erklärt, was damit gemeint sein solle, dass ein Rechtssubjekt zu einer Tatsache in einem „Rechtsverhältnis“ stehen solle und diese Tatsache alsdann auf dieses „Rechtsverhältnis“ auch noch „rechtlich einwirkt“.
2. „rechtliche Einwirkung des Beweisergebnisses“ (auf selbiges Rechtsverhältnis) Unabhängig von obigen Erwägungen mag man fragen, wie das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens auf dieses „Rechtsverhältnis“ wiederum „rechtlich einwirken“ soll können.
Auch hier gilt: Das Ergebnis des (zulässigen) selbständigen Beweisverfahrens besteht denknotwendig aus Tatsachen (siehe oben), nämlich festgestellten oder nicht festgestellten Beweisbehauptungen. Im Repertoire juristischer Begriffe gibt es keine Vorstellung, wonach Tatsachen jemals auf Rechtsverhältnisse „rechtlich einwirken“ könnten.
Auf Rechtsverhältnisse „rechtlich eingewirkt“ wird durch Verträge, Verfügungen, sonstige Rechtsgeschäfte. Tatsachen wirken nicht auf etwas „ein“, sondern sie wirken sich allenfalls „aus“: Tatsachen vermitteln in Verbindung mit Rechtssätzen ein Rechtslage, die u.U. ein Rechtsverhältnis darstellen kann. Die Rechtswirkung einer Tatsache ist nicht der Tatsache immanent, sondern wird erst durch den Rechtssatz hervorgerufen. Eine „Einwirkung“ entsteht dabei nicht.
Nach alldem kann sich die Kammer auch eine „rechtliche Einwirkung des Beweisergebnisses“ anhand etablierter Rechtsbegriffe und einschlägigen Sprachgebrauchs nicht vorstellen und das Merkmal daher in keinem denkbaren Fall bejahen.
3. Kontrollüberlegungen
Die Kammer sieht sich auch nicht etwa aus anderen Gründen gedrängt, Teil-2 der BGH-Formel anzuwenden. Insbesondere dient es nicht der Prozessökonomie oder sonstiger Praktikabilität von selbständigen Beweisverfahren, wenn im Nebeninterventionsrecht nunmehr mit einem „Rechtsverhältnis“-Begriff operiert wird, der mit juristischen Denkkategorien nicht fassbar ist. Es ist kein besonderer Nutzen für den deutschen Zivilprozess darin erkennbar.
Eher würde Schaden entstehen in Form überflüssiger und zeitraubender Auseinandersetzungen und der Gefahr, dass die Konturen des Nebeninterventionsrechts verschwimmen. Entscheidungen der Gerichte wären am Ende kaum mehr prognostizierbar.
Zu befürchten ist nämlich, dass Streithelfer sich zunehmend versucht sehen werden, den neuartigen „Rechtsverhältnisbegriff“ für sich fruchtbar zu machen. Sie werden daraus die Folgerung abzuleiten trachten, dass sie im jeweiligen Fall unter jeglichen Beitrittsvarianten frei wählen könnten: Vielfach werden sie meinen, sie hätten immerhin ein „Rechtsverhältnis zu dem Gegenstand des Beweisverfahrens“, und darauf „wirke“ dessen Ergebnis ebenso „rechtlich ein“. Dieser Teil-2 der BGH-Formel wird, gerade weil er juristisch nicht fassbar ist, hohe Faszination ausüben, zahlreiche Beitrittswillige „ansprechen“ und ihnen das Gefühl vermitteln, sie seien damit gemeint.
Dieser Vorstellung verhaftet ist bereits im vorliegenden Fall die Beitrittswillige, wie sie mit Schriftsatz vom 9.1.2017 bekräftigt (dort fünfte Seite, vom Gericht nummeriert rechts unten mit „5“). Im Termin gab sie (wie alle anderen Erschienenen) klar zu erkennen, dass sie sich unter Teil-2 der Formel nichts vorstellen kann (Protokoll vom 20.1.2017, Seite 5). Aber sie folgert aus der bloßen Existenz von Teil-2 der Formel, dass der Beitritt selbst dann zulässig sein könne oder müsse, wenn er nicht unter Teil-1 der Formel passt (Protokoll vom 20.1.2017, Seite 4).
Zu befürchten steht, dass in Verfahren dieser Art zahlreiche Beitrittswillige versuchen werden, den Teil-2 der BGH-Formel als neuartigen „Rechtsverhältnisbegriff“ für sich zu reklamieren und gegen (obige) juristische Einwände damit zu verteidigen, wenn der BGH derartiges schreibe, dann müsse der Begriff schon deshalb irgendetwas bedeuten. Das wäre zwar ein unschlüssiges argumentum ad personam, kann aber dennoch erhebliche Prägekraft entfalten, namentlich am unteren und untersten Ende des Instanzenzuges.
Die Ansicht der Kammer bietet demgegenüber den Vorteil, dass § 66 Abs. 1 ZPO rechtssicher anwendbar bleibt und eine Reihe überflüssiger Komplikationen vermieden wird.
4. So ist nach der hier vertretenen „Theorie vom gedachten Hauptsacheprozess“ die Lösung des vorliegenden Falles einfach und kurz:
Der Beitritt ist unzulässig. Die Beitrittswillige kann rechtlich bloß daran interessiert sein, dass die eigene Hauptauftraggeberin (= Antragsgegnerin zu 1) in einem Hauptsacheprozess gegen die Antragsteller möglichst weitgehend obsiege.
4.1 Anders ergibt sich auch nicht aus dem „Gesamtschuld“-Argument.
Dieses Argument verfängt nicht: Gerade soweit die Antragsgegner sämtlich als Gesamtschuldner haften, wird es im Hauptsacheprozess der Antragsteller gegen die Antragsgegner nicht darauf ankommen, ob ein Mangel von der Baufirma (= Antragsgegnerin zu 1) allein verursacht ist oder aber von den Planern (= übrigen Antragsgegnern) oder aber etwa von der Beitrittswilligen.
4.2 Ferner fordert § 66 Abs. 1 ZPO ein Interesse daran, dass der Unterstützte obsiege, nicht: wie er obsiege. Ein Interesse an bestimmten Obsiegensgründen gibt es in § 66 Abs. 1 ZPO nicht. Am Obsiegen der Antragsteller (für sich genommen) kann die Beitrittswillige nicht interessiert sein. Die blanke Aussicht, dass die Antragsteller obsiegen, ist für die Beitrittswillige nicht „am zweitbesten“, sondern einfach nur ungünstig.
Was die Beitrittswillige in Wahrheit umtreibt, ist (etwaige Kosteninteressen einmal ausgeblendet) der Wunsch, es möge der Hauptsacheprozess bitte ein bestimmtes sachliches Ergebnis bringen, und hierfür möge bitte das Beweisverfahren einen bestimmten Gutachtensinhalt bereitstellen. Die Beitrittswillige will, dass sich im Urteil bestimmte Inhalte durchsetzen. Obsiegen können aber im Prozess nicht Inhalte, sondern nur Personen. Solche Personen nennt man „Partei“. So tut das auch § 66 Abs. 1 ZPO.
5.Hilfserwägung
Nach der (u.a. im vorigen Abschnitt 5.- kritisierten) Rechtsprechung des BGH lässt sich im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis erzielen. Auch mit der BGH-„Formel“ prosperiert die Beitrittswillige nicht.
Ihren Beitritt erachtet der BGH nur dann für zulässig, wenn sie in einem Rechtsverhältnis steht, und zwar (1) zu der unterstützten Partei oder (2) zu dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens; ferner müsste das Ergebnis des Beweisverfahrens auf dieses Rechtsverhältnis einwirken, und zwar entweder unmittelbar oder mittelbar, jedenfalls aber müsste diese Einwirkung „rechtlicher“ Art sein.
Nach diesen Maßstäben des BGH ist der Beitritt ebenfalls unzulässig.
5.1. Die Beitrittswillige steht in keinem Rechtsverhältnis zur unterstützten Partei.
5.2. Sie steht auch nicht in einem Rechtsverhältnis zum Gegenstand der Beweiserhebung:
Sie hat (als Subunternehmern der Antragsgegnerin zu 1) an dem Gebäude mitgebaut, dessen Zustand untersucht wird. Ein „Rechtsverhältnis“ zum Zustand entstand dadurch nicht - nur eine tatsächliche Beziehung. Ein Rechtsverhältnis entstand zur Antragsgegnerin zu 1 - das ist hier aber nicht „gefragt“, denn die Beitrittswillige will nicht mehr auf deren Seite stehen.
5.3 Zudem würde es an einer „rechtlichen Einwirkung fehlen. Im einzelnen:
5.3.1 Ließe man (vorbei am BGH und arguendi causa) ein rein tatsächliches Verhältnis der Beitrittswilligen zum Gebäudezustand ausreichen oder würde man kurzerhand ein „Rechtsverhältnis“ bejahen, dann könnte das Ergebnis der Beweiserhebung auf ein so verstandenes Verhältnis sicherlich auch (irgendwie) „einwirken“: Es könnte sich etwa herausstellen, dass die Beitrittswillige Mängel am Gebäude verursacht hat oder nicht.
5.3.2 Ob man diese „Einwirkung“ als „unmittelbare“ oder als eine „mittelbare“ verstünde, wäre einerlei, da beides laut BGH ausreichen soll.
5.3.3 Es würde sich aber um keine Einwirkung rechtlicher Art handeln.
Im selbständigen Beweisverfahren festgestellt werden nur Tatsachen. Betrachtet man irgendein „Verhältnis der Beitrittswilligen zum Gebäudezustand“, dann ändert sich dieses nicht durch Erkenntnisse über die Mangelverursachung. Solche wären von Einfluss ausschließlich auf das Rechtsverhältnis des Beitrittswilligen zur Antragsgegnerin zu 1. Die Antragsgegnerin zu 1 ist aber nicht der „Gegenstand der Beweiserhebung“ und nicht der, den die Beitrittswillige aktuell unterstützen will.
5.3.4. Die übrigen Argumente der Beitrittswilligen verfangen nicht.
Sie wären nach beiden Lösungen irrelevant. Zudem überzeugen sie schon in sich selbst nicht. Der BGH (VII ZB 2/15) bekam sie vom Vorgericht geliefert und hat sie nicht kommentiert - sondern dürr bemerkt, „im Ergebnis“ halte das der rechtlichen Überprüfung stand. Stimmig waren die Argumente keinesfalls. Im einzelnen:
5.3.4.1 Das „Gehörs-Argument“ verkennt die Systematik der ZPO:
Schneidet die Antragsgegnerin zu 1 ihren Streithelfern Fragen ab, so ist die Beitrittswillige (auch wenn sie die Antragsgegnerin zu 1 weiterhin unterstützen würde) nicht „gebunden“ an ein darauf beruhendes „nachteiliges Gutachten“, denn § 68 ZPO beließe ihr im Rückgriffsprozess jene Angriffs- und Verteidigungsmittel, mit denen die unterstützte Hauptpartei sie jemals nach § 67 am Ende ZPO gesperrt hätte.
Keine rechtliche Relevanz hätte es, dass „als Zwischenergebnis schon mal ein [für die Beitrittswillige] negatives“ Gerichtsgutachten entstehen mag (Protokoll vom 10.1.2017), denn dessen Prägekraft wäre erstens rein faktisch und zweitens bloß vorläufig. Dem BGH würde das nicht ausreichen, denn sonst hätte der BGH sich im Hallen-Fall (s.o.) beeindrucken lassen von der (vagen, aber immerhin nicht außerrechtlichen) Erwägung, das Gutachten des selbständigen Beweisverfahrens könnte später anderswo verwertet werden gemäß § 411 a ZPO.
Wenn die Beitrittswillige gegen die Antragsgegnerin zu 1 Beweise sichern und sich von ihr nicht nach § 67 ZPO behindern lassen will, dann kann sie gegen die Antragsgegnerin zu 1 ein eigenes selbständiges Beweisverfahren beantragen. Hier wird sie auch das nach § 485 Abs. 2 ZPO nötige „rechtliche Interesse“ leicht begründen können.
5.3.4.2 Das „Gesamtschuld-Argument“ verfängt nicht:
Obsiegt die Antragstellerseite gegen die Planer und vollstreckt dort, dann entlastet das zwar (vorläufig) den die Antragsgegnerin zu 1 als Mit-Gesamtschuldner. Die Kammer räumt ein: Damit ist auch mittelbar auf das Rechtsverhältnis „Antragsgegnerin zu 1 ./. Beitrittswillige“ eingewirkt, denn jeden Euro, den die Antragsteller bei den Planern vollstrecken würden, könnten sie sich anschließend nicht ein weiteres Mal von der Antragsgegnerin zu 1 „holen“. Die Antragsgegnerin zu 1 wird in dieser Höhe vermutlich auch nicht mehr auf die Beitrittswillige zukommen. Mittelbar mindert das den Rückgriff der Antragsgegnerin zu 1 auf die Beitrittswillige. Anders nur, wenn die Antragsgegnerin zu 1 von den Planern in Gesamtschuldnerinnenregress genommen wird und dadurch das Bedürfnis der Antragsgegnerin zu 1 doch wieder gesteigert würde, Rückgriff bei der Beitrittswilligen zu nehmen.
Betrachtet man - dieser folgend - dennoch einmal bloß die entlastende Wirkung, so ist diese aus Sicht der Beitrittswilligen dennoch eine bloß faktische (nämlich Zufall); rechtliche Qualität hat der Vorgang für die Beitrittswillige nicht. Der Vorgang erzeugt auch nicht etwa irgendein Verhältnis zwischen der Beitrittswilligen und den Antragstellern, die sie jetzt unterstützen möchte.
5.3.4.3 Das „Zweck-Argument“ ist haltlos.
Soweit „Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens“ hier von Interesse sind, bestehen sie darin, den Hauptsacheprozess zwischen den Parteien vorzubereiten oder entbehrlich zu machen. (§ 485 Abs. 2 ZPO).
Der Gesetzgeber erachtete 1990 eine „Beteiligung Dritter“ am selbständigen Beweisverfahren für „wünschenswert“, insbesondere Streitverkündung und Nebenintervention. Beides regelte er aber bewusst nicht, sondern überließ die Frage der Rechtsprechung (siehe oben). Nichts spricht dafür, als habe der Gesetzgeber dem selbständigen Beweisverfahren die Aufgabe zugedacht, gleich noch sämtliche Rückgriffsprozesse innerhalb der Leistungskette zu vermeiden (oder vorzubereiten). Denn dadurch würde das Verfahren überfrachtet mit technischen Fragen, die im Verhältnis der Hauptparteien nichts zu suchen hätten. Nichts deutet darauf hin, dass das die Intention des Gesetzgebers von 1990 war - auch wenn es zu einer solchen Überfrachtung in der Praxis mittlerweile häufig kommt und das selbständige Beweisverfahren hierüber zu einer schwerfälligen und oft ineffizienten Prozessart geworden ist. Die Schuld daran mag man dem Gesetzgeber anlasten. Gewollt hat er das aber nicht. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber das selbständige Beweisverfahren seinerzeit als eine Art „Eilverfahren“ ausgemalt.
VI.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.