Landgericht München I Endurteil, 08. Sept. 2017 - 25 O 5978/17

published on 08/09/2017 00:00
Landgericht München I Endurteil, 08. Sept. 2017 - 25 O 5978/17
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Oberlandesgericht München, 25 U 3439/17, 16/11/2017

Gericht

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 13.754,77 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht bereicherungsrechtliche Ansprüche auf verzinsliche Rückzahlung sämtlicher Prämien infolge eines von ihr erklärten Widerspruchs gemäß § 5 a VVG a.F. einer im Policenmodell abgeschlossenen Kapital-Lebensversicherung geltend.

Die Klägerin beantragte am 04.11.1999 (vgl. Versicherungsantrag vom 04.11.1999, Anlage K 1) unter ihrem damaligen Namen ... bei der Beklagten den Abschluss einer Kapital-Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall. Bei Antragstellung wurde der Klägerin lediglich ein Durchschlag des Antragsformulars ausgehändigt. Vereinbarter Beginn der Versicherung war der 01.12.1999. Vereinbarter Ablauf der Beitragszahlung sowie der Versicherung war der 01.12.2031. Die vereinbarte monatliche Versicherungsprämie belief sich zunächst auf einen Betrag in Höhe von 200,– DM. Die Prämie sollte sich jährlich um mindestens 5 % des Vorjahresbeitrages erhöhen, wobei sich damit auch die Versicherungsleistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen sollten.

Die Beklagte policierte den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag unter der Versicherungsnummer ... (vgl. Versicherungsschein vom 07.02.2000, Anlage K 2). Mit dem zweiseitigen Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) wurde der Klägerin der Versicherungsschein zusammen mit den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, den Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung, Informationen zum Euro, Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen, der Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes, Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung sowie dem Merkblatt zur Datenverarbeitung (vgl. Anlagenkonvolut K 4) zugesandt.

Auf der ersten Seite des Anschreibens vom 04.11.1999 (Anlage K 3) heißt es u.a. folgendermaßen:

„(...) Mit diesem Schreiben erhalten Sie den Versicherungsschein und die für ihren Vertrag geltenden

  • Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung

  • Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung

Sie erhalten ebenfalls:

  • Informationen zum Euro

  • Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen

  • Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes

  • Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung

  • Das Merkblatt zur Datenverarbeitung

(...)“

Auf der zweiten Seite des Anschreibens vom 04.11.1999 (Anlage K 3) heißt es in einem abgesetzten Kasten folgendermaßen:

„Sie können dem Vertragsabschluss innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt dieser Unterlagen schriftlich widersprechen. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“

Von dem vorstehenden Widerspruchsrecht machte die Klägerin innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der als Anlagenkonvolut K 4 vorgelegten Unterlagen keinen Gebrauch.

Während der Vertragslaufzeit zahlte die Klägerin ohne Beanstandungen die vereinbarten Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 25.08.2008 (Anlage K 5) kündigte die Klägerin den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag gegenüber der Beklagten. Die Beklagte rechnete den Vertrag daraufhin mit Schreiben vom 02.10.2008 (Anlage K 6) gegenüber der Klägerin ab und zahlte entsprechend diesem Schreiben an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 10.522,60 € aus.

Mit Schreiben vom 04.04.2016 (Anlage K 7) erklärte die Klägerin den Widerspruch bzw. den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag und begründete dies damit, dass sie bei Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sein soll. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2016 (Anlage K 8) zurück. Daraufhin beauftragte die Klägerin ihre Prozeßbevollmächtigte mit der Durchsetzung der von ihr geltend gemachten Ansprüche. Mit Anwaltsschreiben vom 09.05.2016 (Anlage K 9) forderte die Klägerin die Beklagte vorgerichtlich zur Rückabwicklung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages auf. Die Beklagte wies dies erneut mit Schreiben vom 31.05.2016 (Anlage K 10) zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden bereicherungsrechtliche Ansprüche zu, da sie aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung dem Vertrag wirksam habe widersprechen können, so dass der Rechtsgrund für die Prämienzahlungen entfalle. Demzufolge habe sie insbesondere unter Berücksichtigung des aufgrund der Kündigung vom 25.08.2008 erhaltenen Rückzahlungsbetrages in Höhe von 10.522,60 € einen weiteren Rückabwicklungsanspruch in Höhe von 13.871,73 €, der nunmehr klageweise geltend gemacht werde.

Die Klägerin führt hierzu aus, dass die Widerspruchsbelehrung unwirksam sei. Zum einen werde die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung den Anforderungen an eine drucktechnische Hervorhebung nicht gerecht. Denn die vorliegende Belehrung sei lediglich umrahmt gewesen. Darüber hinaus seien seitens der Beklagten keine weiteren stilistischen Elemente der Hervorhebung verwendet worden. Bei der Belehrung sei keine größere Schriftgröße als bei dem übrigen Text des Schreibens verwendet worden. Auch sei die Belehrung nicht mit einem farblichen oder zumindest grauen Hintergrund hervorgehoben worden und die Beklagte habe keinen Fett- oder Kursivdruck verwendet. Zum anderen sei die Benennung der Frist auslösenden Unterlagen fehlerhaft. Die Belehrung lasse nicht erkennen, welche Unterlagen der Klägerin vorliegen müssen, um die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen.

Die Klägerin führt weiter aus, sie habe demzufolge wirksam ihr Widerspruchsrecht ausüben können. Insbesondere sei ihr Widerspruchsrecht bei richtlinienkonformer Auslegung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. nicht erloschen gewesen. Auch sei ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt oder dessen Ausübung rechtsmissbräuchlich gewesen. Nachdem die Beklagte es versäumt habe, sie ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht zu belehren, könne sie insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe. Demzufolge sei der Beklagten der Einwand der Verwirkung bzw. der Einwand der widersprüchlichen und damit unzulässigen Rechtsausübung bereits aus diesem Grunde und unter Berücksichtigung einer Einzelfallprüfung des vorliegenden Falles verwehrt.

Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass sie die ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus Verzugsgesichtspunkten beanspruchen könne.

Die Klägerin beantragt zuletzt Folgendes:

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 13.754,77 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2016 zu zahlen.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwalts kosten in Höhe von EUR 1.389,44 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche im Policen-Begleitschreiben enthaltene Widerspruchsbelehrung sowohl in formaler als auch in inhaltlicher Hinsicht ordnungsgemäß sei und mit Blick auf die seinerzeitigen Anforderungen des § 5 a VVG a.F. nicht zu beanstanden sei. Insbesondere sei die Belehrung, die sich auf der zweiten Seite des übersichtlichen Policen-Begleitschreibens befinde, optisch durch eine auffällige Rahmung hinreichend drucktechnisch hervorgehoben. Der Belehrungstext sei zusätzlich vom übrigen dortigen Text deutlich abgegrenzt. Der Springe bei der durchschaut des Versicherungsscheins dem Versicherungsnehmer und damit auch der Klägerin deutlich ins Auge und sei folglich auch bei einer noch flüchtigen Durchsicht der Vertragsunterlagen schlechterdings nicht zu übersehen. Des Weiteren sei es ausreichend, dass die Belehrung die fristauslösenden Unterlagen nicht im Einzelnen benannt, sondern auf den „Erhalt der Unterlagen“ abgestellt habe. Eine Aufzählung der Unterlagen in der Widerspruchsbelehrungen sei nicht erforderlich gewesen. Es reiche insoweit aus, wenn sich ohne weiteres aus dem Text des Policen-Begleitschreibens bzw. des Versicherungsscheines ergebe, welche Unterlagen gemeint seien. Die Auflistung der relevanten Unterlagen finde sich vorliegend im Anlagenverzeichnis auf S. 1 des Policen-Begleitschreibens. Damit sei der Klägerin hinreichend verdeutlicht worden, dass mit der Unterlassung der Unterlagen diejenigen gemeint seien, die dem Begleitschreiben und dem Versicherungsschein beigefügt gewesen seien. Einer weiteren Erläuterung habe es in der Belehrung selbst nicht bedurft.

Die Beklagte führt weiter aus, dass der Vertrag folglich wirksam zustande gekommen und dass das Widerspruchsrecht der Klägerin bereits seit dem Jahr 2000 erloschen sei. Somit stünden der Klägerin keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu.

Außerdem ist die Beklagte der Ansicht, dass die Klägerin dem Vertrag wegen Verfristung nicht mehr habe widersprechen könne. Die Ausübung des Widerspruchsrecht sei wegen Verwirkung gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, da solch eine Ausübung vorliegend rechtsmissbräuchlich sei. Sowohl Zeit- als auch Umstandsmoment seien unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erfüllt.

Die Beklagte führt weiter aus, dass darüber hinaus die von der Klägerin geltend gemachte Anspruchshöhe nicht korrekt sei und bestritten werde.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen und das Verhandlungsprotokoll vom 22.08.2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da der Klägerin kein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB oder aus einem anderen Grunde zusteht.

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf Grundlage des § 5 a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.

a) Auf den vorliegenden Versicherungsvertrag ist § 5 a VVG in seiner Fassung vom 21.07.1994, die bis zum 31.07.2001 Gültigkeit hatte, anzuwenden, da es sich um einen sogenannten Altvertrag handelt, Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVV.

b) Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen. § 5 a Abs. 1 VVG a.F. bestimmt für den Fall, dass der Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG unterlassen hat, dass der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn nicht der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen in Textform widerspricht. Nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Versicherungsschein und die sonstigen in Absatz 1 genannten Unterlagen vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.

c) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin zusammen mit dem zweiseitigen Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) der Klägerin der Versicherungsschein sowie die Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, die Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung, Informationen zum Euro, Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen, die Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes, Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung sowie das Merkblatt zur Datenverarbeitung (vgl. Anlagenkonvolut K 4) von der Beklagten erhalten hat. Demzufolge hat die Klägerin zusammen mit dem zweiseitigen Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) die nach § 5 a VVG a.F. erforderlichen Unterlagen mit dem Versicherungsschein und entsprechendem Anschreiben erhalten. Des weiteren hat die Klägerin unstreitig nicht binnen 14 Tagen nach Erhalt der vorstehenden Unterlagen den Widerspruch erklärt.

d) Die streitgegenständliche im Policen-Begleitschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) enthaltene Widerspruchbelehrung erfüllt die Anforderungen des § 5 a VVG a.F. und ist folglich ordnungsgemäß.

aa) ausreichend drucktechnisch hervorgehoben

Die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung, die sich in dem streitgegenständlichen Policen-Anschreiben vom 04.11.1999 (Anlage K 3) auf der zweiten Seite dieses Anschreibens befindet, ist gemäß § 5 a VVG a.F. ausreichend drucktechnisch hervorgehoben.

Der die Widerspruchsbelehrung betreffende Absatz ist hierbei anders als der restliche Text durch 4 Striche umrahmt und somit drucktechnisch deutlich hervorgehoben ist. Damit wurde die Klägerin in der erforderlichen drucktechnischen hervorgehobenen Form über ihr Widerspruchsrecht belehrt. Denn die Belehrung erfolgte in einem zweiseitigen und damit in einem für den Versicherungsnehmer überschaubaren Schreiben, wobei die Widerspruchsbelehrung als einziges durch Striche umrahmt und damit im Vergleich zum restlichen Text auf der Seite deutlich hervorgehoben ist und hervorsticht.

bb) inhaltlich ausreichend

Die streitgegenständliche Belehrung ist auch inhaltlich ausreichend und zutreffend. Der Inhalt der Belehrung muss nicht nur zutreffen, sondern auch unmissverständlich sein, um den Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht klar und eindeutig zu belehren. Hierbei dürfen aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.

Zum notwendigen Inhalt der Widerspruchsbelehrung gehört auch die Angabe des Fristbeginns, was im vorliegenden Fall erfolgt ist. Dabei ist jedoch nicht erforderlich, den Beginn der Widerspruchsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen. Es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich den Erhalt der Versicherungsunterlagen, die mit dem genannten Schreiben vollständig versandt wurden, so dass die Formulierung „ab Erhalt dieser Unterlagen“ korrekt ist. Die Grundsätze der Fristberechnung brauchen in der Belehrung nicht angegeben zu werden (vgl. BGH NJW 94, 1800).

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen insbesondere des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 07.09.2016, Az. IV ZR 306/14, auf das die Klägerin in diesem Zusammenhang verweist, ist die streitgegenständliche Belehrung, die hinsichtlich des Fristbeginnes auf den „Erhalt der Unterlagen“ abstellt, nicht fehlerhaft. Zu beachten ist insoweit, dass der Bundesgerichtshof in diesem Urteil insbesondere Folgendes ausführt:

„Die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen inhaltlichen Anforderungen nicht, weil sie den Fristbeginn nur an die „Überlassung der Unterlagen“ knüpft. Es fehlt eine eindeutige Benennung der nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. fristauslösenden Unterlagen. Danach beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. vollständig vorliegen; zu diesen Unterlagen gehören die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nach § 10 a VAG. Diese werden nicht benannt und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich für d. VN auch nicht unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens, welche Unterlagen ihm überlassen worden sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird. Denn auch dort werden sie nirgends aufgeführt.“

Entgegen dem Sachverhalt, der dem vorstehenden Urteil des Bundesgerichtshofes zugrunde gelegen ist, ergeben sich vorliegend aus dem streitgegenständlichen Policenbegleitschreiben (Anlage K 3) eindeutig und für den Versicherungsnehmer zweifelsfrei, welche konkreten Unterlagen ihm überlassen sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird. Denn die relevanten Unterlagen werden auf der ersten Seite des Policenbegleitschreibens (Anlage K 3) folgendermaßen aufgelistet:

„(...) Mit diesem Schreiben erhalten Sie den Versicherungsschein und die für ihren Vertrag geltenden

  • Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung

  • Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erbeute Gesundheitsprüfung

Sie erhalten ebenfalls:

  • Informationen zum Euro

  • Informationen über die garantierten Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen

  • Bescheinigung für die Einhaltung des Mindesttodesfallschutzes

  • Informationen über die derzeit geltende Steuerregelung

  • Das Merkblatt zur Datenverarbeitung

(...)“

Damit ist der Klägerin als Versicherungsnehmerin hinreichend verdeutlicht worden, dass mit dem „Erhalt der Unterlagen“ (vgl. entsprechende Formulierung in der Widerspruchsbelehrung auf der S. 2 des Policenbegleitschreibens) diejenigen gemeint sind, die auf der S. 1 des Begleitschreibens genannt waren und dem Versicherungsschein und dem Begleitschreiben auch unstreitig beigefügt waren. Eine konkrete Aufzählung der entsprechenden Unterlagen in der Belehrung selbst war angesichts dessen nicht erforderlich und wird auch nicht von dem Bundesgerichtshof gefordert (vgl. hierzu insbesondere Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.09.2016, Az. IV ZR 306/14). Ausreichend ist, dass alle maßgeblichen Unterlagen im streitgegenständlichen Policenbegleitschreiben ausdrücklich benannt wurden.

Etwas andere folgt auch nicht darauf, dass das Policenbegleitschreiben bzw. die im Policenbegleitschreiben enthaltene Belehrung nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei den genannten Unterlagen um eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a.F. handelt. Denn für den Versicherungsnehmer ist hinreichend deutlich, dass die genannten und übersandten Unterlagen die maßgeblichen Verbraucherinformationen enthalten müssen. Entgegen der klägerischen Auffassung ist der explizite Hinweis auf die Vorschrift des § 10 a VAG a.F. bzw. die konkrete Nennung des Wortes „Verbraucherinformation“ gerade nicht erforderlich; dies ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Vorschrift des § 5 a VVG a.F.

e) Der Widerspruch der Klägerin in dem Schreiben vom 04.04.2016 (Anlage K 7) ist somit verfristet, da er nicht innerhalb der in § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. normierten Frist erfolgte.

2. Unabhängig von den Ausführungen in vorstehender Ziffer 1. ist das streitgegenständliche Widerspruchsrecht der Klägerin darüber hinaus auch verwirkt, selbst wenn die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 5 a VVG a.F. erfolgt wäre.

a) Zwar hat der BGH mit Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11 zu § 5 a VVG a.F. und zur dortigen Fallgestaltung ausgeführt, dass es hinsichtlich einer Verwirkung am Umstandsmoment fehle, da sich die Beklagte mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Im Ausüben des Bereicherungsanspruchs liege aus demselben Grund auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten sei nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen ließen (BGH vom 07.05.2014, a.a.O., Rn. 39, 40 bei juris).

Der BGH hat allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass generell ein Rechtsmissbrauch bzw. Verstoß gegen Treu und Glauben immer dann ausscheidet, wenn ein Informations- oder Belehrungsverstoß vorliegt. Daher kann auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung eine Verwirkung bzw. unzulässige Rechtsausübung durch den Versicherungsnehmer in Betracht kommen, soweit besondere Umstände vorliegen. Es ist daher eine konkrete Einzelfallprüfung erforderlich, da die Rechtsinstitute nicht per se alleine wegen des Belehrungsverstoßes zwingend ausscheiden.

b) Vorliegend sind solche beachtlichen Einzelumstände gegeben, die sowohl das Umstandsmoment einer Verwirkung begründen als auch die Geltendmachung des Widerspruchsrechts bzw. des Bereicherungsanspruchs nach so langer Zeit als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, so dass dem Klageanspruch der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegensteht.

In zeitlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass die Klägerin ihren Widersprüche gegen ihre Vertragserklärungen erst nach rund 8 Jahre nach Kündigung und Abrechnung des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages und nach über 16 Jahren nach Vertragsschluss ausgesprochen hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages eine sogenannte Dynamik zwischen den Parteien vereinbart war, so dass die Beiträge und Leistungen jährlich automatisch angepasst wurden.

In der Gesamtschau der vorstehenden Umstände hat die Klägerin folglich bei der Beklagten den Eindruck erweckt, den Versicherungsvertrag durchführen zu wollen. Damit ist der von der Klägerin im Jahr 2016 ausgesprochene Widerspruch rechtsmissbräuchlich und die Klägerin hat ihre entsprechende Rechte verwirkt, ohne dass es darauf ankommt, ob die damals erteilte Widerspruchsbelehrungen ordnungsgemäß war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.