Landgericht Köln Urteil, 26. Aug. 2015 - 26 O 54/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T A T B E S T A N D :
2Der Kläger verlangt verzinsliche Rückzahlung der Beiträge, die er bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der I AG, auf eine mit Wirkung zum 1.12.2007 abgeschlossene fondsgebundene Rentenversicherung (Versicherungsschein Bl. 17 ff d.A.) geleistet hat.
3Das Übersendungsschreiben vom 27.12.2007 (Seite 1 vorgelegt Bl. 16 d.A., Rückseite vorgelegt Bl. 44 d.A.) enthält nach der Einleitung „wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen I Basisrente Dynamic“ auf der Rückseite unter der Unterschriftenleiste folgende fettgedruckte und unterstrichene Widerspruchsbelehrung:
4Widerspruchsrecht
5Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
6Insgesamt wurden – unter Berücksichtigung einer vom Kläger zwischenzeitlich beantragten Beitragsreduzierung sowie einer Beitragsfreistellung und späterer Wiederaufnahme der Prämienzahlung – Beiträge in Höhe von 6.200,- € entrichtet.
7Mit Schreiben vom 28.8.2014 (Bl. 24 f d.A.) erklärte der Kläger den Widerspruch gem. § 5a VVG unter Klarstellung, dass es sich (auch hilfsweise) nicht um eine Kündigung handeln solle. Diesen wies die Beklagte mit Schreiben vom 9.9.2014 (Bl. 26 d.A.) im Hinblick auf eine korrekte Widerspruchsbelehrung und demzufolge eingetretenen Fristablauf zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2014 (Bl. 28 d.A.) wurde die Aufforderung zur Zahlung von 8.461,93 € erhoben, die seitens der Beklagten erneut zurückgewiesen wurde (Bl. 32 d.A.)
8Der Kläger hält den ausgesprochenen Widerspruch für wirksam, da ihm die Verbraucherinformationen nicht vollständig i.S.v. Ziffer 2e des Abschnittes I der Anlage D zu § 10a VAG vorgelegen hätten und die erteilte Belehrung unzureichend sei, da sie sich lediglich auf der Rückseite des Übersendungsschreibens befunden habe und mithin nicht hervorgehoben sei; ferner sei nicht klar, worauf sich die Apposition „in Textform“ erstrecken solle.
9Er habe daher Anspruch auf Rückzahlung der eingezahlten Beiträge nebst Nutzungen, die die Beklagte mindestens in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB monatlich gezogen habe.
10Der Kläger beantragt
11die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.552,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält den Widerspruch im Hinblick darauf, dass die Widerspruchsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt sei und der Kläger auch die „Besonderen Bedingungen zu der Fondsgebundenen Rentenversicherung (Bl. 21 ff d.A.) und die „Verbraucherinformationen zu den Anlagemöglichkeiten I BasisRente Dynamik fondsgebundene Rentenversicherung“ (Bl. 121 ff d.A.) erhalten habe, für unwirksam, ferner für verwirkt, und erhebt die Einrede der Verjährung.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
17Die Klage ist nicht begründet.
18Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hat die von dem Kläger entrichteten Versicherungsbeiträge nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der mit Schreiben vom 28.8.2014 und 22.11.2014 erklärte Widerspruch ist nicht fristgerecht erfolgt.
19Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
20Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der seit dem 8.12.2004 in Kraft getretenen Fassung betrug die Widerspruchsfrist 30 Tage.
21Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
22An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier indes keine Zweifel. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Oberlandesgerichts Köln (z.B Urteil vom 21.11.2014 – 20 U 120/14, vorgelegt von der Beklagten etwa in der Anlage BLD 8) ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden: Sie ist in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt, indem sie in unterstrichenem Fettdruck auf der zweiten Seite des Übersendungsschreibens unmittelbar nach der Unterschriftenzeile platziert ist. Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Überlassung der Unterlagen"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung (vgl. BGH NJW 2010, 3503). Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auch noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Zwar erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF beginnt. Dies ist jedoch unschädlich, da in dem Begleitschreiben auf die übersandten Unterlagen, die wiederum im Versicherungsschein als Vertragsbestandteile genannt sind, Bezug genommen wird. Die Belehrung muss sich auch nicht darauf erstrecken, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erfolgen kann (BGH, IV ZR 204/12, Urteil vom 10.6.2015). Die Belehrung muss letztlich auch nicht auf die Rechtsfolgen eines Widerspruchs hinweisen; auch dies wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht gefordert (OLG Köln vom 3.2.2012 – 20 U 133/11).
23Den Zweifeln des Klägers, dass sich die Apposition „in Textform“ nicht auf den Widerspruch, sondern auf die Unterlagen beziehe, vermag die Kammer sich nicht anzuschließen.
24Es ist auch eine hinreichende Verbraucherinformation i.S.d. § 10a VAG übergeben worden, die den Anforderungen an Ziffer 2e) des Abschnittes I der Anlage D genügt. Danach sind bei fondsgebundenen Versicherungen Angaben über den der Versicherung zugrundeliegenden Fonds und die Art der darin enthaltenen Vermögenswerte erforderlich. Im Versicherungsschein ist unter „Ihre Anlagewahl“ enthalten, dass zu jeweils 50% in die ausgewählten Fonds „Managed Fund Konzept Sicherheit“ und „Managed Fund Konzept Total Return“ investiert wird. Nach diesen Konzepten überlässt es der Versicherungsnehmer dem Versicherer, die einzelnen Investmentfonds auszuwählen, so dass diese noch gar nicht im Einzelnen benannt werden können. Zu dem Konzept „Sicherheit“ wird in den Verbraucherinformationen zu den Anlagemöglichkeiten (Bl. 121 ff d.A.) erläutert, dass durchschnittlich 20% des Anlagevolumens in internationale Aktienfonds (Geldmarktfonds, Rentenfonds und vergleichbare Fonds sowie gemischte Fonds), In Länder- bzw. Regionenfonds und sonstige Fonds (wie Rohstofffonds, Edelmetallfonds, Branchenfonds, Themenfonds, Immobilienfonds, Futuresfonds und Hedgefonds) investiert werde, wobei die Anlage in Vermögenswerten, die in Euro oder anderen Währungen lauten, erfolgt. Bezüglich des Konzeptes „Total Return“ wird erläutert, dass als Anlageinstrumente alle in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Investmentfonds zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund der im einzelnen der Beklagten überlassenen Anlagestrategie sind diese erteilten Informationen ausreichend. Im übrigen würde ein Unterbleiben solcher „reinen“ Informationen das Widerspruchsrecht nicht auslösen können (Prölls-Martin, VVG, 27. Auflage, § 5a Rn 48, 21).
25Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins zu laufen; die Widersprüche aus dem Jahr 2014 konnten die Frist deshalb ersichtlich nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF ist verstrichen.
26Europarechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. und das sog. Policenmodell insgesamt bestehen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 und der vorausgegangenen einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht (vgl. etwa OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff.; OLG Hamm, VersR 2012, 745; zuletzt OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG München, VersR 2012, 1545; OLG München vom 20.6.2013 – 14 U 103/13).
27Letztlich kommt es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den insoweit in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich an. Denn hier ist es dem ordnungsgemäß belehrten Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung und Anpassung des Vertrages über nahezu 7 Jahre hinweg auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (s. BGH vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 – und BGH VersR 2015, 876).
28Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss; auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (BGH aaO mwN; BVerfG Beschlüsse vom 2.2.15 – 2 BvR 2437/14 – und vom 4.3.2015 – 1 BvR 3280/14 –).
29Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
30Streitwert: 6.200,00 €
31Grundsätzlich stellt eine als Anspruch auf Ersatz tatsächlich gezogener Nutzungen (§ 818 Abs. 1 BGB) aus den einem Versicherer überlassenen Versicherungsbeiträgen geltend gemachte Zinsforderung eine den Streitwert nicht erhöhende Nebenforderung i.S.d. § 43 Abs. 1 GKG dar (OLG Köln, Beschluss vom 28.1.2015, 20 W 72/14).
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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.