Landgericht Köln Urteil, 27. Juli 2015 - 26 O 471/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von in eine fondsgebundene Lebensversicherung eingezahlter Prämien nebst Nutzungen.
3Mit Antrag vom 27.08.2004, Bl. 7f. GA, beantragte der Kläger den Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn 01.12.2004, den die Beklagte mit Übersendung des Versicherungsscheins zur Versicherungsnummer #####, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen, Bl. 9 ff. GA, annahm.
4Am 01.08.2011 erfolgte eine Beitragsfreistellung und mit Schreiben Februar 2012, Anlage BLD 4, Bl. 105 GA, kündigte der Kläger die Lebensversicherung und verlangte die Auszahlung des Rückkaufswertes. Mit Schreiben vom 16.03.2012, Bl. 40 ff. GA, rechnete die Beklagte ab und zahlte einen Rückkaufswert in Höhe von 7.780,29 Euro an den Kläger aus.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2012, Bl. 43 GA, erklärte der Kläger den Widerspruch und erneut die Kündigung des Vertrages.
6Mit Schreiben vom 23.04.2013 nahm die Beklagte eine Korrektur der Abrechnung vor und zahlte an den Kläger m 26.04.2013 einen weiteren Betrag in Höhe von 554,11 Euro (Stornoabzug) aus.
7Insgesamt zahlte der Kläger Beiträge in Höhe von 18.672,00 Euro für den Zeitraum Dezember 2004 bis einschließlich Juli 2011.
8Der Kläger behauptet, eine ordnungsgemäße Belehrung nicht erhalten zu haben, die Belehrung im Policenbegleitschreiben sei nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben und enthalte nicht die erforderlichen Angaben zum Adressaten des Widerspruchs, zu den Rechtsfolgen und zu den maßgeblichen Unterlagen, die den Fristlauf auslösen. Den Erhalt des Begleitschreibens bestreitet er mit Nichtwissen, er könne in Anbetracht des Zeitablaufs nicht gänzlich ausschließen, dass er ein solches Schreiben erhalten habe. Nutzungen habe die Beklagte in Höhe von 5.557,80 Euro gezogen. Ihm stehe ein solcher Anspruch zudem als Schadensersatz zu, weil er mit der Beitragsfreistellung zu erkennen gegeben habe, dass er nicht an dem Vertrag festhalten möchte und daher eine Belehrung jedenfalls dann erforderlich gewesen wäre.
9Er beantragt daher,
10die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.895,40 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit dem 09.11.2014 zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie verteidigt die Belehrung als ordnungsgemäß. Der Kläger habe das Policenbegleitschreiben vom 15.12.2004, Bl. 87 f. GA, gemeinsam mit den Vertragsunterlagen erhalten. Sie beruft sich darüber hinaus auf Verjährung und Verwirkung.
14Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist unbegründet, dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Prämien zuzüglich gezogener Nutzungen zu, insbesondere nicht aus § 812 BGB. Erforderlich wäre insoweit, dass dem Kläger auch im Jahr 2011 noch ein Recht zum Widerspruch zustand, was vorliegend jedoch aufgrund der ordnungsgemäßen Belehrung nicht der Fall ist.
17An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden:
18- Sie ist durch Fettdruck und Unterstreichung in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt (vgl. OLG Köln, 20 U 202/11, Urteil vom 2.3.2012; zur Hervorhebung durch Einrücken und Kursivdruck; OLG Köln, 20 U 141/12, Urteil vom 12.10.2012 zur Hervorhebung durch Fettdruck). Sie ist darüber hinaus am Ende des Begleitschreibens an prominenter Stelle platziert, die ein vernünftiger Versicherungsnehmer schlichtweg nicht übersehen kann (vgl. BGH Urt. v. 27.05.2015, Az. IV ZR 36/13). Dass das Policenbegleitschreiben nicht schon mit der ersten Seite abgeschlossen ist, ergibt sich bereits völlig eindeutig daraus, dass sich auf der ersten Seite weder eine Grußformel, noch Unterschriften befinden. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird daher ohne Zweifel davon ausgehen, dass das Schreiben nicht bereits auf Seite 1 endet und somit unproblematisch auch die Belehrung auf Seite 2 zur Kenntnis nehmen. Die Belehrung ist durch ihre Gestaltung ohne Weiteres sofort erkennbar und fällt ins Auge. Die anders lautende Argumentation der Klägerseite ist derart abwegig, dass es hierzu weiterer Ausführungen nicht bedarf.
19- Ohne Erfolg rügt der Kläger, dass sich die Belehrung nicht „im Vertragsteil“ sondern im Begleitschreiben befindet. Das Gesetz macht insoweit keine Vorgaben, es muss lediglich sichergestellt werden, dass die Belehrung in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.
20- Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Erhalt der Versicherungsurkunde"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung (vgl. BGH NJW 2010, 3503; OLG Köln aaO.).
21- Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auch noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Zwar erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF beginnt. Dies ist jedoch unschädlich, da in dem Begleitschreiben in unmittelbarem Zusammenhang mit der Belehrung auf die nach § 10 a VAG erforderlichen Verbraucherinformationen, die im Antrag und der Urkunde enthalten sind, ausdrücklich Bezug genommen wird, indem es dort heißt „wir überreichen Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen H Variable Fondspolice“. Der Versicherungsschein wiederum benennt die beigefügten Unterlagen, insbesondere auch die Verbraucherinformationen, die u.a. ab S. 13 des Gesamtkonvoluts von Versicherungsschein und Bedingungen beigefügt sind.
22- Dass ein Adressat des Widerspruchs nicht in der Belehrung genannt wird ist gleichfalls unschädlich (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 141/12; OLG Hamburg, Beschluss vom 5.10.2011, 9 U 143/11). Ein solcher lässt sich aus dem Schreiben der Beklagten, in dem ihre Anschrift unübersehbar enthalten ist, unschwer entnehmen. Dass der Widerspruch an den Vertragspartner, die H AG, zu richten ist, erschließt sich dem Versicherungsnehmer ohne Weiteres bereits deshalb, weil nicht nachvollziehbar ist, weshalb ein solcher Widerspruch einer Vertragserklärung an jemand anderes als den Vertragspartner versendet werden sollte.
23- Schließlich muss sich die Belehrung auch nicht darauf erstrecken, dass der Widerspruch ohne Angabe von Gründen erfolgen kann. Im Gegensatz etwa zu § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB wird die von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht verlangt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.10.2012, 20 U 79/12; OLG München, Urteil vom 25.9.2012, 25 U 1828/12, bei juris).
24- Die Belehrung muss letztlich auch nicht auf die Rechtsfolgen eines Widerspruchs hinweisen; auch dies wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht gefordert (OLG Köln vom 3.2.2012 – 20 U 133/11).
25Es ist auch eine hinreichende Verbraucherinformation i.S.d. § 10a VVG a.F. übergeben worden. Diese Informationen müssen nicht in einem gesonderten, einheitlichen Formular erfolgen sondern können sich auch in dem Versicherungsschein, dem Antrag, dem Policenbegleitschreiben und den Bedingungen befinden. Vorliegend sind sämtliche Informationen gemäß § 10a VAG a.F. iVm. Anlage D Abschnitt 1 erteilt worden. Die Kammer hat dies im Einzelnen überprüft. Da vorliegend lediglich pauschal behauptet worden ist, die Verbraucherinformationen seien nicht vollständig, belässt es die Kammer dabei. Eine individuelle Auseinandersetzung ist mangels weiter gehenden Klägervortrag nicht möglich oder notwendig.
26Soweit der Kläger pauschal den Erhalt der Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.9.2011, 20 U 90/11, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12; OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11).
27Dass der Kläger das Policenbegleitschreiben, das die maßgebende Widerspruchsbelehrung enthält, erhalten hat, hat er nicht wirksam bestritten. Soweit lediglich behauptet wird, er könne sich an den Erhalt des Schreibens nicht mehr erinnern und habe ein solches in den Unterlagen nicht gefunden, ist dies der Sache nach ein Bestreiten mit Nichtwissen. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist es einer Partei aber grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Nur ausnahmsweise darf sich eine Partei dann zu eigenen Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen erklären, wenn nach der Lebenserfahrung glaubhaft ist, dass sie sich hieran nicht mehr erinnert (BGH NJW-RR 2002, 612, 613). Die bloße Behauptung, sich nicht erinnern zu können, reicht indes nicht aus (so bereits BGH NJW 1995, 130). Zwar liegt hier der Vertragsschluss bereits einige Zeit zurück. Alleine dieses Zeitmoment genügt aber nicht, um ein fehlendes Erinnerungsvermögen glaubhaft darzustellen. Unstreitig hat der Kläger den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhalten. Dann spricht alles dafür, dass ihn auch das zugehörige Begleitschreiben erreicht hat. Im Übrigen ist eine fehlende Erinnerung an den Zugang des Schreibens nicht fallbezogen glaubhaft vorgetragen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich darin auszuführen, an den Erhalt des Schreibens könne er sich nicht mehr erinnern. Das alleine genügt nicht (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12). Darüber hinaus hat der Kläger selbst behauptet, den Erhalt des Schreibens nicht ausschließen zu können. Insoweit räumt er also selbst ein, dass der Vortrag der Beklagten zutreffen kann. Sein Bestreiten erscheint unter diesem Gesichtspunkt als reine (treuwidrige) Behauptung wider besseren Wissens. Insoweit greifen auch nicht die vom Kläger ins Feld geführten „Ungereimtheiten“. Versicherungsbeginn war der 01.12.2004, eine Übersendung der Vertragsunterlagen mit Begleitschreiben vom 15.12.2004 ist nach Erfahrung der Kammer nicht unüblich und auch nicht problematisch. Der Kammer ist eine Vielzahl von Verfahren bekannt, bei denen der Versicherungsbeginn vor dem Erhalt der Unterlagen liegt. Soweit der Kläger darüber hinaus schriftsätzlich (zwar unstreitig) vorträgt, er habe Prämien ab Oktober 2004 gezahlt, stimmt dies weder mit der Aufstellung der gezahlten Prämien in der Anlage „Forderungskonto“ überein, noch mit dem im Versicherungsschein genannten Versicherungsbeginn. Das Forderungskonto beginnt mit einer Prämie für Dezember 2004. Anderes wäre angesichts der Tatsache, dass der Kläger ansonsten Prämien bereits vor Abschluss der Versicherung an die Beklagte gezahlt haben müsste, auch wenig lebensnah. Zwar hat der Kläger einen Versicherungsbeginn Oktober 2004 beantragt, dies hat die Beklagte jedoch nicht angenommen, sondern davon abweichend einen Versicherungsbeginn ab Dezember 2004 angeboten, den der Kläger jedenfalls mit Zahlung der ersten Prämie konkludent angenommen hat.
28Letztlich kommt es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den insoweit in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich an. Denn hier ist es dem ordnungsgemäß belehrten Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (s. BGH vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13). Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte. Das Verhalten des Klägers war hier objektiv widersprüchlich. Die bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahr 2004 verstreichen und zahlte bis Juli 2011 regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund 10 Monate verstreichen bis zur Entscheidung, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit dem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn nun geltend gemacht wird, ein Vertrag habe nie bestanden (BGH aaO mwN). Aufgrund der ordnungsgemäßen Belehrung war dem Kläger bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können die jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck des Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles auch in Anspruch genommen worden wäre. Dass die Beklagte keinen Versicherungsschutz gewährt hat, ist angesichts des abgeschlossenen Versicherungsvertrages, den die Beklagte lediglich durch eine Anfechtung hätte beseitigen können, bar jeder Grundlage. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre – der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust wegen widersprüchlichen Verhaltens kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH aaO mwN). Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden erforderlich; durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (BGH aaO mwN). Die jahrelangen Prämienzahlungen haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Das Vertrauen der Beklagten, die zwar durch die Wahl des Policenmodells die Ursache für die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt hatte, ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie eine den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts genügende Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde, weil es dem damals geltend nationalen Recht entsprach (BGH aaO mwN). Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte im Hinblick auf die jahrelange Prämienzahlung auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute. Insoweit ist aus einem Antrag auf Beitragsfreistellung auch keinesfalls ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr an dem Vertrag festhalten möchte. Vielmehr zeigt dies, dass der Versicherungsnehmer trotz ggf. bestehender finanzieller Engpässe den Versicherungsschutz weiter aufrecht erhalten möchte und sich gerade nicht vom Vertrag (bspw. durch Kündigung) lösen möchte.
29Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (BGH aaO mwN, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 02.02.2015).
30Schadensersatzansprüche bestehen ebenfalls nicht, es fehlt schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Warum diese allein aufgrund einer begehrten Beitragsfreistellung davon ausgehen soll, dass der Kläger sich vom Vertrag lösen möchte, ist schon nicht plausibel. Aus einer Vielzahl anderer Verfahren ist der Kammer bekannt, dass Beitragsfreistellungen häufig zur Überbrückung finanzieller Engpässe genutzt werden, um die Verträge nach diesem Zeitraum durch Wiederaufnahme der Beitragszahlungen weiter zu bedienen und den Versicherungsschutz auf diese Art und Weise zu erhalten.
31Die Klage ist darüber hinaus schon unschlüssig, soweit der Zahlungsanspruch auf Nutzungen beruht. Gemäß § 818 BGB sind nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben, so dass ersichtlich ein pauschaler Vortrag, die Beklagte habe 7% oder mehr an Nutzungen gezogen, jedenfalls aber 5 Prozentpunkte über Basiszins, offenkundig nicht ausreicht (vgl. BGH Urt. v. 30.07.2012, Az. IV ZR 134/11). Bevor der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast zufällt, ist es an dem Kläger, alles konkret dazu vorzutragen, was ihm möglich ist und darüber hinaus einzelfallbezogen darzulegen, warum ihm weiterer Vortrag nicht möglich ist. Der Kammer ist aus anderen Verfahren bekannt, dass – sobald eine Befassung mit dem konkreten Einzelfall erfolgt – von Klägerseite substantiierter Vortrag zur Höhe der Nutzungen erfolgen kann.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
33Streitwert: 15.895,60 Euro (Verrechnung des Rückkaufswertes zunächst auf die Zinsen, dann auf die Hauptforderung)
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(1) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen und liegen die Voraussetzungen für einen verbundenen Vertrag nicht vor, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines damit zusammenhängenden Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden. Auf die Rückabwicklung des zusammenhängenden Vertrags ist § 358 Absatz 4 Satz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Widerruft der Verbraucher einen Teilzeit-Wohnrechtevertrag oder einen Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt, hat er auch für den zusammenhängenden Vertrag keine Kosten zu tragen; § 357c Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Ein zusammenhängender Vertrag liegt vor, wenn er einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweist und eine Leistung betrifft, die von dem Unternehmer des widerrufenen Vertrags oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Unternehmer des widerrufenen Vertrags erbracht wird. Ein Darlehensvertrag ist auch dann ein zusammenhängender Vertrag, wenn das Darlehen, das ein Unternehmer einem Verbraucher gewährt, ausschließlich der Finanzierung des widerrufenen Vertrags dient und die Leistung des Unternehmers aus dem widerrufenen Vertrag in dem Darlehensvertrag genau angegeben ist.
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(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
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(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
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