Landgericht Köln Urteil, 01. Juni 2015 - 26 O 271/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Versicherungsprämien.
3Sie unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer ##### und Versicherungsbeginn 01.02.2006. Mit Policenbegleitschreiben vom 29.03.2006, Bl. 21 GA, erhielt die Klägerin den Versicherungsschein, Bl. 19 f. GA, sowie die Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen.
4Mit Schreiben vom 28.07.2010, Bl. 22 f. GA, erklärte die Klägerin den Widerspruch und hilfsweise die Kündigung des Vertrages. Die Beklagte akzeptierte lediglich die Kündigung zum 01.11.2010 und rechnete hierüber mit Schreiben vom 26.10.2010, Bl. 24 GA, ab. Hiernach ergab sich ein Rückkaufswert in Höhe von 2.027,54 Euro. In der Zeit Februar 2006 bis Oktober 2010 zahlte die Klägerin insgesamt Prämien in Höhe von 10.500,00 Euro (250,00 Euro monatlich).
5Die Klägerin ist der Ansicht, die Belehrung sei fehlerhaft, da nicht hinreichend deutlich über den Beginn der Frist belehrt werde. Es sei nicht klar, welche Unterlagen den Fristlauf auslösten. Auch der Begriff Textform sei zu erläutern. Ansprüche ergäben sich zudem aus cic. Nutzungen habe die Beklagte ebenso wie die Prämien zu erstatten, gezogen habe die Beklagte Nutzungen in Höhe von 4.450,87 Euro (7%).
6Nachdem die Klägerin mit Mahnbescheid vom 27.12.2010, zugestellt am 06.01.2014, noch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 861,60 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen beantragt hat, beantragt sie nunmehr,
7die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.923,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2010 zu zahlen, sowie
8die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 837,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie beruft sich auf die ständige Rechtsprechung des OLG Köln zur hiesigen Belehrung, zudem auf Verjährung und Verwirkung. Im Bezug auf die Nutzungen sei zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um eine fondsgebundene Versicherung handle.
12Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist nicht begründet.
15Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hat die von der Klägerin entrichteten Versicherungsbeiträge nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Der mit anwaltlichem Schreiben vom 28.07.2010 erklärte Widerspruch ist nicht fristgerecht erfolgt.
16Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
17Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der seit dem 8.12.2004 in Kraft getretenen Fassung betrug die Widerspruchsfrist 30 Tage.
18Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
19An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier indes keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden:
20- Sie ist durch Fettdruck und Unterstreichung in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt (vgl. OLG Köln, 20 U 202/11, Urteil vom 2.3.2012; zur Hervorhebung durch Einrücken und Kursivdruck; OLG Köln, 20 U 141/12, Urteil vom 12.10.2012 zur Hervorhebung durch Fettdruck).
21- Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Überlassung der Unterlagen"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung (vgl. BGH NJW 2010, 3503; OLG Köln a.a.O.).
22- Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auch noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Zwar erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. beginnt. Dies ist jedoch unschädlich, da in dem Begleitschreiben in unmittelbarem Zusammenhang mit der Belehrung auf die nach § 10 a VAG erforderlichen Verbraucherinformationen, die im Antrag und der Urkunde enthalten sind, ausdrücklich Bezug genommen wird.
23- Eine Erläuterung des Begriffs Textform bedarf es nicht.
24Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins vom 29.03.2006 zu laufen; der Widerspruch vom 28.07.2010 konnte die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist verstrichen.
25Europarechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 5a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. und das sog. Policenmodell insgesamt bestehen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 und der vorausgegangenen einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht (vgl. etwa OLG Köln, VersR 2011, 245 ff und 248 ff.; OLG Hamm, VersR 2012, 745; zuletzt OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG München, VersR 2012, 1545; OLG München vom 20.6.2013 – 14 U 103/13). Eine Vorlage dieser Frage an den EuGH ist demzufolge nicht geboten, da offenkundig ist, dass das Policenmodell mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (OLG Stuttgart, VersR 2012, 1373; OLG Köln, BeckRS 2013, 01056).
26Letztlich kommt es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den insoweit in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unvereinbar ist, auch nicht entscheidungserheblich an. Denn hier ist es der ordnungsgemäß belehrten Klägerin auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (s. BGH vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13, bestätigt durch BVerfG Beschluss vom 02.02.2015 – 2 BvR 2437/14). Die Klägerin verhielt sich treuwidrig, indem sie nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte. Das Verhalten der Klägerin war hier objektiv widersprüchlich. Die bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss im Jahr 2006 verstreichen und zahlte bis 2010 regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Mit ihrem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich die Klägerin in Widerspruch, wenn nun geltend gemacht wird, ein Vertrag habe nie bestanden (BGH a.a.O. m. w. N.). Aufgrund der ordnungsgemäßen Belehrung war der Klägerin bekannt, dass sie den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihr die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können die jahrelangen Prämienzahlungen (mehr als 4,5 Jahre) nur als Ausdruck des Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte die Klägerin bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles auch in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihr - wenn es so wäre – der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust wegen widersprüchlichen Verhaltens kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH a.a.O. m. w. N.). Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden erforderlich; durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (BGH a.a.O. m. w. N.). Die jahrelangen Prämienzahlungen haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Das Vertrauen der Beklagten, die zwar durch die Wahl des Policenmodells die Ursache für die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt hatte, ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie eine den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts genügende Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde, weil es dem damals geltend nationalen Recht entsprach (BGH a.a.O. m. w. N.). Für die Klägerin war die vertrauensbegründende Wirkung ihres Verhaltens auch erkennbar. Sie konnte bemerken, dass die Beklagte im Hinblick auf die jahrelange Prämienzahlung auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute.
27Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (BGH a.a.O. m. w. N.).
28Die Beiträge können auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 280 I BGB) hergeleitet werden.
29Ein Schadensersatzanspruch wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung scheidet gleichfalls aus. Die Widerspruchsbelehrung ist wirksam. Neben der abschließenden Regelung in § 5a VVG a.F. ist zudem für eine Schadensersatzhaftung aus c.i.c. kein Raum. Überdies ist von der Klägerin in keiner Weise dargetan worden, aus welchen Gründen sie bei einer von ihr geforderten Widerspruchsbelehrung denn überhaupt fristgerecht einen Widerspruch des statt dessen von ihr jahrelang beanstandungslos geführten Versicherungsvertrages erklärt hätte.
30Da ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge nicht besteht, scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.
31Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
32Streitwert: 10.500,00 Euro
33Der Rückkaufswert (2.027,54 €) ist auf die Zinsforderung von 4.450,87 € anzurechnen (§ 367 BGB), die verbleibende Zinsforderung ist als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend, so dass sich der Streitwert von 10.500,00 € ergibt (im Anschluss an Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 28.1.2015, 20 W 72/14).
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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.
(2) Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.