Landgericht Köln Urteil, 25. Juni 2014 - 25 O 153/12
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand:
2Der am 15.6.1972 geborene Kläger nimmt den Beklagten wegen Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie Feststellung aufgrund des Vorwurfs von ärztlicher Fehlbehandlung in Anspruch.
3Der Beklagte ist niedergelassener Orthopäde. Der Kläger, der von Beruf Steward ist, führte Schmerzen auf das häufige Bücken im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zurück. Der Kläger begab sich wegen Beschwerden in beiden Knien ab dem 08.02.2010 in die medizinische Behandlung im Medizinischen Versorgungszentrum für Orthopädie in Köln. Es wurden in der Folgezeit u.a. eine klinische Untersuchung, eine Blutuntersuchung sowie eine MRT-Aufnahme durchgeführt. Es wurde eine Chondropathia patellae (Erkrankung der knorpeligen Rückfläche der Kniescheibe) rechts sowie ein Hallux Rigidus (arthrotisch versteiftes Großzehengrundgelenk) diagnostiziert. Es erfolgten Injektionen mit Cortison, die die Beschwerden aber nicht wesentlich besserten. Am 15.6.2010 wurde eine zunehmende Schwellung des rechten Kniegelenks diagnostiziert.
4Beim Beklagten stellte sich der Kläger erstmals am 18.6.2010 wegen der Kniebeschwerden vor. Am 22.6.2010 erfolgte eine Aufklärung über konservative und operative Behandlungsmöglichkeiten. Am 23.6.2010 wurde beim Beklagten eine diagnostische und therapeutische Arthroskopie am rechten Kniegelenk durchgeführt. Es wurde eine Innenmeniskusteilresektion durchgeführt, eine Teilsynovektomie und eine mediale Abrasio.
5In den folgenden Wochen persistierte ein Erguss im rechten Knie. Am 07.09.2010 wurde zur Kontrolle ein MRT des rechten Kniegelenks im MVZ Solingen durchgeführt. Der Kläger begab sich in Behandlung in das Krankenhaus Köln-Merheim, wo am 23.09.2010 erneut eine Knie-Operation rechts durchgeführt wurde, in der unter anderem ein freier Gelenkkörper entfernt wurde. Auch danach persistierten die Schmerzen beim Hocken in den Knien.
6Der Kläger behauptet, dass die am 23.09.2010 vom Beklagten durchgeführte Knie-Arthroskopie nicht indiziert gewesen und nicht lege artis durchgeführt worden sei. Es seien gebotene Maßnahmen wie die Anlage einer Redondrainage, ein Shaving an der Patellarückseite, eine lokale Behandlung der Chondromalazie sowie eine Gelenkspülung fehlerhaft unterlassen worden, zudem seien fehlerhaft freie Meniskusanteile im Gelenk belassen worden. Der Kläger behauptet weiter, dass er nach dem Eingriff an starken Schmerzen gelitten habe und sein rechtes Kniegelenk über drei Monate geschwollen gewesen sei. Er leide bis heute selbst beim einfachen Gehen unter dauerhaften Schmerzen und insbesondere das Treppensteigen sei mit Schmerzen verbunden. Der Kläger habe Angst vor einer erneuten Operation und vor bleibenden gesundheitlichen Schäden.
7Der Kläger rügt, dass ihm im Rahmen der OP-Aufklärung vom Beklagten hätte gesagt werden müssen, dass es zum Belassen von Meniskusanteilen kommen könne. Er sei nicht adäquat und umfassend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden. Der Kläger behauptet, dass er in Kenntnis der tatsächlich bestehenden Risiken die Operation nicht hätte durchführen lassen. Er sei vom Beklagten regelrecht zur Arthroskopie gedrängt worden. Er habe sich damals in einer Ausbildung zum Chef-Stewart befunden, die er gerne hätte fortführen wollen, was ihm wegen der Beschwerden nicht möglich gewesen sei.
8Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,- € angemessen sei. Er macht zudem Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschaden sowie weiteren Schadenersatz für Kosten für Physiotherapie, das private Sachverständigengutachten etc. geltend; insoweit wird im Einzelnen auf die Ausführungen in der Klageschrift Bezug genommen.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an ihn aus der fehlerhaften Behandlung ab Juni 2010 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 30.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2011;
11den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 25.872,65 € zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, und zwar aus 11.176,18 € seit dem 21.02.2012, aus weiteren 1.955,17 € seit dem 16.02.2012, aus weiteren 12.741,30 € seit Rechtshängigkeit;
12festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche künftigen immateriellen sowie alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung ab Juni 2010 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Der Beklagte bestreitet Behandlungsfehler und die Forderungen des Klägers zum Grund und zur Höhe. Der Beklagte behauptet, es sei erst nach der streitgegenständlichen Operation zum Lösen weiterer Meniskusanteile im Knie des Klägers gekommen, weil der Kläger das rechte Knie am 4.07.2010 versehentlich stark gebeugt habe. Die Aufklärung sei vollständig erfolgt. Hilfsweise werde der Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben, weil der Kläger einen hohen Leidensdruck vor der Arthroskopie gehabt habe.
16Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.05.2013. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K sowie auf das Sitzungsprotokoll mit Anhörung des Sachverständigen verwiesen. In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger sowie der Beklagte persönlich angehört worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist nicht begründet.
19Der Kläger hat keine Behandlungsfehler des Beklagten beweisen können.
20Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K, Chefarzt der Abteilung von Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am M-Krankenhaus in Neuss, der wegen seiner hohen Sachkompetenz in dieser Sache berufen ist, liegen keine Behandlungsfehler des Beklagten vor. Die streitgegenständliche Knie-Arthroskopie (Kniegelenkspiegelung) war nach seinen Feststellungen eindeutig indiziert und wurde auch lege artis durchgeführt.
21Es ist nach seinen Feststellungen nicht zu erkennen, dass der später erneut diagnostizierte freie Gelenkkörper bei der Operation zurückgelassen wurde. Das intra-operative Vorgehen sei einwandfrei gewesen. Der Gelenkkörper könne sich auch post-operativ gebildet haben. Da eine histologische Untersuchung des in der zweiten Operation am 23.09.2010 entfernten Gelenkkörpers nicht durchgeführt worden sei, sei nicht festzustellen, ob es sich bei dem Gelenkkörper um Meniskusgewebe gehandelt habe, da post-operativ auch ein Abbrechen anderer vorgeschädigter Gelenkanteile von Tibia, Femur und Patella möglich sei. Die einzelnen vom Kläger vorgebrachten Maßnahmen seien teils nicht geboten gewesen (Bearbeitung der Patellarückfläche), teils kontra-indiziert gewesen (Shaving), teils durchgeführt worden (Spülung des Gelenks mit Aussaugen).
22Der Sachverständige hat kein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten während der Operation erkennen können. Die hierbei festgestellten Knorpelschädigungen hätten sich in einem frühen Stadium befunden, so dass noch erhebliche Knorpelsubstanz vorgelegenhabe. Ein Shaving dieses Restknorpels hätte nur tiefgreifendere Schäden verursacht. Eine Indikation zu Pridiebohrungen oder Dekompressionsbohrungen lag ebenfalls nicht vor. Auch für die Anlage einer Redondrainage bestand keine Indikation, denn aufgrund des Eingriffs war nicht mit größeren Blutungen zu rechnen, so dass die Anlage nachteilig gewesen wäre (Bl. 117 GA). Auch wurde das Gelenk hinreichend gespült. Der Beklagte benutzte nach Feststellungen des Sachverständigen ein sogenanntes „Shaversystem“, welches der Sachverständige der Kammer anhand einer Abbildung näher erläutert hat, durch dessen Verwendung es bereits während des Eingriffs automatisch zu einem Spül- und Saugeffekt kommt. Soweit der Privatgutachter Prof. Dr. T moniert, dass in dem Operationsbericht lediglich von einem Aussaugen und nicht von einem Ausspülen die Rede sei, erläutert der Sachverständige überzeugend, dass bei der Benutzung eines solchen Shaversystems grundsätzlich immer mit fünf bis zehn Litern steriler Flüssigkeit gespült werde, dies sei bei den dazu verwendeten Geräten so vorgesehen, und dabei würden ausgespülte Fragmente angesaugt, dann zerkleinert und sodann aus dem Gelenk gespült. Der Beklagte hat in seiner Anhörung bestätigt, dass er bei der Verwendung des Shavers bei der Operation des Klägers – so wie stets in diesen Fällen – ca. fünf Liter der sterilen Flüssigkeit verwendet habe. Daher geht die Kammer von einer ordnungsgemäßen Spülung des Gelenks durch den Beklagten aus und schließt sich den Feststellungen des Sachverständigen insgesamt an.
23Bezüglich des freien Gelenkkörpers, der in einer zweiten Operation entfernt werden musste, kommt der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass selbst wenn die palpatorisch getroffene Einschätzung des Zweitoperateurs Dr. I, dass es Meniskusgewebe gewesen sei, zutreffe, sich daraus keine abweichende Bewertung der Arthroskopie-Durchführung ergebe. Denn es sei durchaus denkbar, dass Meniskusgewebe erst nach der ersten Operation herausgebrochen ist. Auf einen freien Gelenkkörper könne nicht allein aufgrund postoperativer Beschwerden geschlossen werden. Ein typischer Hinweis hierfür seien Einklemmungserscheinungen. Diese hat der Kläger zwar im Rahmen seiner Anhörung behauptet, indes wurden Beschwerden dieser Art weder in den Behandlungsunterlagen des Beklagten noch des Zweitoperateurs Dr. I dokumentiert, so dass der Kammer eine hinreichende Grundlage dafür fehlt, ihr Vorliegen zu Grunde zu legen. Denn der beweisbelastete Kläger müsste die Behandlungsunterlagen widerlegen, z.B. indem er einigen Anbeweis erbringt, um die Voraussetzungen der Parteivernehmung von Amts wegen zu erfüllen. Dies ist hier aus Sicht der Kammer jedoch nicht gegeben. Hinzu kommt aber, dass der Sachverständigen es nicht für einen Fehler hält, wenn nach der Durchführung eines ordnungsgemäßen Saugvorgangs – der hier durchgeführt wurde – dennoch ein Partikel zurückbliebe (Bl. 177 GA). Auch dem schließt sich die Kammer an, denn die Beweisaufnahme hat nichts dahingehend ergeben, wie ein Zurückbleiben in einem Ausnahmefall anders als durch das unstreitig durchgeführte ordnungsgemäße Spülen verhindert werden könnte. Der Sachverständige hat insoweit keine weiteren Maßnahmen vermisst.
24Auch die Aufklärungsrüge des Klägers führt nicht zu einer Haftung des Beklagten. Die Aufklärung ist aus Sicht des Sachverständigen nicht zu bemängeln. Dies ist auch die Ansicht der Kammer. Der von beiden Seiten unterschriebene Aufklärungsbogen weist hinreichend auf die mit der Operation verbundenen Risiken hin. Der Beklagte hat hierzu anschaulich geschildert, mit welchen mündlichen Erläuterungen er diesen Bogen mit den Patienten stets bespreche; dies genügt den Anforderungen der Rechtsprechung. Teil des Aufklärungsgesprächs war nach seinen unwidersprochenen Ausführungen auch, dass schwere Schädigungen durch eine solche Operation hervorgerufen werden können und dass die Beschwerden nachher stärker als vorher sein können (Bl. 179 GA). Der Kläger hat in seiner Anhörung demgegenüber lediglich betont, dass er vermisse, darüber aufgeklärt worden zu sein, dass bei der Operation Fragmente im Gelenk zurückbleiben können. Die Kammer vermag indes hier keinen rechtlich erheblichen Widerspruch zu erkennen, da das Zurückbleiben von Fragmenten einer von mehreren Einzelfällen ist, der post-operativ zu stärkeren Beschwerden als zuvor führen kann, so dass der Beklagte den Kläger also offenbar zusammengefasst über diese mögliche Folge aufgeklärt hat und nicht über jede einzelne mögliche Ursache hierfür. Dies ist aus Sicht der Kammer hinreichend und nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass der Kläger über das Auftreten schwerer operationsbedingter Schädigungen aufgeklärt wurde und aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar ist, dass er davon nicht abgehalten wurde, die Operation durchzuführen, bei dem Einzelaspekt des Zurückbleibens von Fragmenten sich indes gegen die Operation entschieden hätte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vom Beklagten zur Operation gedrängt wurde in dem Sinne, dass er keine eigene Entscheidung habe fällen können, hat die Anhörung der Parteien nicht ergeben.
25Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 I 1, 1. Halbs. ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
27Streitwert: 105.872,65 €
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Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.