Landgericht Köln Urteil, 28. Juli 2016 - 22 O 88/16
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Über einen Finanzvermittler stellten die Kläger einen Darlehensantrag verbunden mit dem Antrag auf Abschluss eines Bausparvertrages an ihrem Wohnort in Oberhausen, der über den Finanzvermittler an die Beklagte übersandt wurde. Von der Niederlassung der Beklagten in Köln erhielten die Kläger unmittelbar die streitgegenständliche Vertragsausfertigung vom 11.12.2003 mit einer geänderten Bausparprämie per Post übersandt. Dieses Angebot war nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger bereits durch den Sachbearbeiter der Beklagten an der Niederlassung in Köln unterzeichnet worden. Die Kläger ihrerseits unterzeichneten das übersandte Angebot am 20.12.2003 und übersandten es per Post an die Beklagte zu deren Niederlassung in Köln. Der Darlehensvertrag beläuft sich über eine Nettodarlehenssumme von 83.000,00 € zu einem effektiven Zins von 5,11 %, wobei die Konditionen bis zum 31.12.2013 festgeschrieben wurden. Das über eine von den Klägern bewilligte Grundschuld abgesicherte endfällige Darlehen, welches durch die Bausparsumme des Bausparvertrages abgelöst werden sollte, war mit einer Widerrufsbelehrung versehen, wie sie sich aus Bl. 33 GA (Anlage zur Klage) ergibt. Auf den Inhalt der Widerrufsbelehrung wird Bezug genommen.
3Unter dem 07.01.2013 erhielten die Kläger ein neues Darlehensangebot zum 01.01.2014 über einen Nettodarlehensbetrag von 83.000,00 € und einem effektiven Jahreszins von 2,09 % (vgl. Anlage B a.F). Gemäß Ziffer II des Darlehensvertrages vom 20.12.2003 war das Darlehen nach Ablauf von maximal 10 Jahren, frühestens jedoch zum Ende der vereinbarten Zinsfestschreibung abzulösen. Diese Ablösung erfolgte durch das Darlehen gemäß Darlehensvertrag vom 22.01.2013 zum Ablauf des ersten Darlehens am 31.12.2013.
4Mit Anwaltsschreiben vom 24.12.2014 widerriefen die Kläger ihre Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrages vom 20.12.2003.
5Die Kläger sind der Rechtsauffassung, dass ihr Widerrufsrecht nicht verfristet sei, weil die Belehrung zum Darlehensvertrag vom 20.12.2003 fehlerhaft sei. Insbesondere werde in der Belehrung der Eindruck vermittelt, dass die Widerrufsfrist am Tag nach Zugang des Angebotes der Beklagten zu laufen beginne. Die Verwendung der Worte „Jeder Darlehensnehmer/Gesamtschuldner“ suggeriere, dass es ausreiche, wenn nur einer der beiden Darlehensnehmer den Darlehensvertrag widerrufe. Auch der Rechtsfolgenhinweis auf § 357 Abs.1 und Abs. 2 BGB a. F. sei unzureichend.
6Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufes vertreten die Kläger die Auffassung, dass ihnen eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf alle erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zustehe.
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.130,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.524,15 € brutto zu zahlen.
9Hilfsweise,
10die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 10.545,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.173,82 € brutto zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie vertritt die Rechtsauffassung, dass der Widerruf der Kläger verfristet sei. Die Beklagte könne sich auf Vertrauensschutz berufen, da die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung nur in unwesentlichen Punkten, die keine inhaltliche Bearbeitung darstellten von der damals gültigen Musterbelehrung abweiche. Im Übrigen sei die Widerrufsbelehrung korrekt und informiere die Kläger zutreffend über das ihnen zustehende Widerrufsrecht.
14Jedenfalls stelle das Verhalten der Kläger eine unzulässige Rechtsausübung dar, nachdem diese den Erstvertrag 10 Jahre anstandslos bedient hätten und in der Folge zur Ablösung des zum 31.12.2013 fälligen Darlehens ein neues Darlehen zu wesentlich günstigeren Bedingungen aufgenommen hätten. In der Folge sei dann erst rund 2 Jahre nach Abschluss des neuen Darlehensvertrages der Widerruf erklärt worden und zwar nur bezüglich des Erstdarlehens vom 20.12.2003, wobei der ihnen günstige Bausparvertrag weiter bestehen solle. Neben diesem rechtsmißbräuchlichen Verhalten der Kläger sei in jedem Falle der Verwirkungseinwand gegeben. Nach Ablösung des Erstdarlehens und auch dessen anstandsloser Bedienung habe die Beklagte nicht mehr mit einem Widerruf hinsichtlich des Erstdarlehens rechnen müssen.
15Die Kammer hat mit Verfügung vom 09.06.2016 (Bl. 126 GA) einen Hinweis erteilt, der Anlass für die Stellung des Hilfsantrages durch die Kläger war. Auf den Inhalt des Hinweises wird Bezug genommen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Klage ist unbegründet.
19Die Kläger können unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung von der Beklagten verlangten, und zwar weder in Höhe des Hauptantrages noch nach Maßgabe des Hilfsantrages.
20Es ist bereits fraglich, ob den Klägern überhaupt noch ein Widerrufsrecht zusteht. Es spricht vieles dafür, dass der von den Klägern mit Schreiben vom 24.12.2014 erklärte Widerruf bereits verfristet ist, weil die von der Beklagten erteilte Belehrung zum Widerrufsrecht ordnungsgemäß sein dürfte. Ob insoweit den Ausführungen des Landgerichts Stade in dem von der Beklagten eingereichten Urteil vom 11.02.2016 gemäß Anlage B 4, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, insgesamt gefolgt werden kann, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht in allen Punkten ordnungsgemäß gewesen sein sollte, ist der nunmehr von den Klägern erklärte Widerruf gemäß § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen.
21Vorliegend ist nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger davon auszugehen, dass ihnen mit dem Vertrag vom 22.01.2013 ein neues Kapitalnutzungsrecht zum 01.01.2014 eingeräumt worden ist. Bereits dieser Umstand spricht dafür, dass zwar für den neuen Vertrag ein Widerrufsrecht stehen kann, aber nicht mehr für den alten Vertrag (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 06.02.2015 – 322 O 282/14 -, zitiert nach juris). Jedenfalls aber ist dieser Umstand im Rahmen des Verwirkungseinwandes zu berücksichtigen. Die Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.
22Vorliegend ist das Zeitmoment erfüllt, da zwischen der erstmaligen Widerrufsmöglichkeit mit Vertragsschluss und dem Widerruf vom 24.12.2014 mehr als elf Jahre verstrichen sind. Das Umstandsmoment ist angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen im Darlehensvertrag ebenfalls erfüllt. Den Klägern ist durch den Vertrag vom 22.01.2013 ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden. Durch diesen Vertrag ist zum 01.01.2014 der ursprüngliche Vertrag vollständig abgelöst worden. Demzufolge gehen die Kläger bei ihrer Berechnung auch davon aus, dass sie nach Widerruf des vollständig abgewickelten Vertrages vom 20.12.2003 eine Rückzahlung der Darlehensvaluta nicht mehr schulden. Sowohl aus der Sicht der Kläger als auch aus der Sicht der Beklagten hat es sich mit Ablösung des ursprünglichen Darlehensvertrages zum 01.01.2014 um einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt gehandelt. Die Beklagte musste im Anschluss daran nicht mehr damit rechnen, dass nunmehr noch im Wege einer „Rosinentheorie“ der damals abgeschlossene Darlehensvertrag widerrufen wird, während die Kläger an dem parallel dazu abgeschlossenen Bausparvertrag - weil er ihnen günstig ist – festhalten wollen.
23Die Beklagte musste auch deshalb nicht mehr mit einem Widerruf des Darlehensvertrages vom 20.12.2003 rechnen, weil die den Klägern erteilte Widerrufsbelehrung jedenfalls grundsätzlich geeignet war – sofern man sie nicht ohnehin in jeder Beziehung als ordnungsgemäß ansieht, siehe oben – einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechtes aufzuklären. Für die Frage eines schutzwürdigen Vertrauens der Beklagten ist es ohne Bedeutung, ob den Klägern eine eventuelle – hier unterstellte – Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und das daraus folgende - grundsätzliche – Fortbestehen des Widerrufsrechtes bis zur vollständigen Erfüllung der Vertragspflichten bekannt war. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Kläger Widerrufsbelehrungen enthalten haben, welche einen durchschnittlichen Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solches nicht im Unklaren lassen konnten (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 10.03.2014, 17 U 11/14). Nachdem die Kläger sich auf den Abschluss eines neues Vertrages verbunden mit der Gewährung eines neuen Kapitalnutzungsrechtes zu wesentlich verbesserten Bedingungen eingelassen hatten, musste die Beklagte nicht mehr damit rechnen, dass die Kläger ihre Willenserklärung zu diesem vollständig abgelösten Vertrag noch widerrufen würden. Ein den Klägern eventuell noch zustehendes Widerrufsrecht ist deshalb jedenfalls verwirkt.
24Darüber hinaus dürfte dem nunmehr von den Klägern erklärten Widerruf auch der Einwand des Rechtsmissbrauches entgegenstehen. Die Kläger, die unwidersprochen über keinerlei Eigenkapital verfügten, waren zwingend auf die Gewährung des Erstdarlehens und auf die Einräumung eines neuen Kapitalnutzungsrechts zum Zeitpunkt des Ablaufes des Erstdarlehens angewiesen. Darüber hinaus waren sie darauf angewiesen, die Tilgung des endfälligen Darlehens entweder durch den in der Zwischenzeit angesparten Bausparvertrag vorzunehmen zu können oder aber zum Ablaufzeitpunkt ein neues Kapitalnutzungsrecht zu erhalten. Unter diesen Umständen ist es rechtsmissbräuchlich, dass die Kläger nur das Darlehen vom 20.12.2003 widerrufen haben, um hieraus finanzielle Vorteile ziehen zu können, und an dem in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Bausparvertrag aber – weil sie darauf angewiesen sind – festhalten wollen. Unter Ausnutzung einer ihnen angeblich zustehenden formalen Rechtsposition soll im Wege der „Rosinentheorie“ der ihnen ungünstige Teil des Vertrages zwecks Realisierung finanzieller Vorteile herausgelöst werden, während sie an dem ihnen günstigen Teil festhalten wollen. Dieses Verhalten ist rechtsmissbräuchlich und steht dem erklärten Widerruf ebenfalls entgegen.
25Nach alledem musste die Klage der Abweisung unterliegen.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
27Streitwert: 23.130,76 €
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(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.