Landgericht Köln Urteil, 26. Feb. 2015 - 15 O 454/14
Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag zwischen den Parteien, Darlehenskontonummer #####/####, vom 08.07.2003, Nennbetrag 100.000 €, durch Widerrufserklärung des Klägers vom 28.04.2014 wirksam widerrufen wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und die Beklagte ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Parteien schlossen im Jahr 2003 einen Darlehensvertrag über 100.000 € ab, der 2008 prolongiert wurde. Für den Inhalt der Widerrufsbelehrung zum ursprünglichen Vertrag wird auf Bl. 11 GA Bezug genommen. Mit Schreiben vom 28.04.2014 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung.
3Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihm gezogene Nutzungen aus den erhaltenen Zinsen und Tilgungen, die sich auf 9.986,95 € belaufen. Hiermit erklärt er die Aufrechnung gegenüber dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten.
4Der Kläger beantragt,
51.) festzustellen, dass der Darlehensvertrag zwischen den Parteien Darlehenskontonummer #####/#### vom 08.07.2003, Nennbetrag 100.000 € durch Widerrufserklärung des Klägers vom 28.04.2014 wirksam widerrufen wurde;
62.) die Beklagte zu verpflichten, ihm das zum Widerrufszeitpunkt 28.04.2014 offene Restsaldo des Darlehensvertrags zwischen den Parteien Darlehenskontonummer #####/#### vom 08.07.2003, Nennbetrag 100.000 € sowie eine Kontoverbindung für die Zahlung dieses Restsaldos mitzuteilen;
73.) die Beklagte zu verpflichten, das Restsaldo des Klageantrags zu 2) in der Weise zu ermitteln, dass der unter Wegfall der vertraglichen Verzinsung vorzunehmende Nutzungsausgleich auf Seiten der Beklagten in Höhe von 3,430% p.a. auf Seiten des Klägers in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen aktuellen Basiszinssatz für jede an die Beklagte gezahlte Monatsrate ab Eingang der jeweiligen Monatsrate des Darlehens bei der Beklagten vorgenommen wird.
8hilfsweise zu den Anträgen 2 und 3: die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.986,95 € zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte ist der Ansicht, der Widerruf sei verwirkt und rechtsmissbräuchlich. Es fehle an einem Feststellungsinteresse. Sie sei nicht verpflichtet, anstelle des Klägers eine Abrechnung vorzunehmen. Ebenso bestehe kein Anspruch auf Mitteilung einer Kontonummer, weil diese dem Kläger ohnehin bekannt sei – #####/####. Die Beklagte behauptet, der Kläger sei als Rechtsanwalt, der auch selbst Verbraucher in Widerrufsfällen vertreten habe, seit langem über den Fristablauf im Bilde gewesen. Sie habe lediglich 0,622 % p.a. als Nutzungen gezogen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.
151.) Der Antrag zu 1. ist zulässig und begründet.
16Ein Feststellungsinteresse besteht, weil die Beklagte die Berechtigung des Widerrufs vorprozessual in Abrede gestellt hat. Die Klage ist auch nicht gegenüber einer Leistungsklage subsidiär, weil bei Abrechnung des Vertrags für den Kläger ein negativer Saldo verbleiben wird, weshalb er keine Möglichkeit hat, die Gesamtabrechnung im Wege der Leistungsklage zu betreiben.
17Der Kläger hat seinen Vertrag wirksam widerrufen. Das Widerrufsrecht ist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht erloschen, § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB. Die in der Widerrufsbelehrung enthaltene Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzureichend, weil der Verbraucher im Unklaren gelassen wird, welche weiteren Voraussetzungen für den Fristbeginn zu erfüllen sind (BGH, Urt. v. 01.12.2010, VIII ZR 82/10). Die Beklagte kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil diese Formulierung auch in dem damals gültigen Muster der BGB-InfoVO enthalten war. Vertrauensschutz kann jedenfalls dann nicht gewährt werden, wenn die verwendete Belehrung dem Muster nicht vollständig entspricht (BGH, Urt. v. 01.12.2010, VIII ZR 82/10). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Abweichungen für sich genommen geeignet sind, Unklarheit zu schaffen. Unabhängig vom Umfang der Änderung kommt Vertrauensschutz nicht in Betracht, weil sich sonst keine verallgemeinerungsfähige Grenze ziehen ließe (BGH, Urt. v. 28.06.2011, IX ZR 349/10, ebenso BGH, Urt. v. 01.03.2012, III ZR 83/11; demgegenüber entsprach in dem der Entscheidung BGH, Urt. v. 15.08.2012, VIII ZR 378/11, zugrunde liegenden Fall die Belehrung vollständig dem Muster). Ein Abgleich der verwendeten Belehrung mit dem damals gültigen Muster nach der BGB-InfoVO belegt, dass es an verschiedenen Punkten Unterschiede gibt. Insbesondere hat die Beklagte am Ende der ersten Zeile, wonach der Widerruf innerhalb von zwei Wochen zu erklären ist, eine Fußnote „²“ angebracht, die zur unten stehenden Erläuterung „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ führt. Damit hat die Beklagte das Muster nicht nur einer eigenständigen Bearbeitung unterzogen, sondern – auch wenn dies nicht erheblich ist – einen verwirrenden Zusatz aufgenommen.
18Das Widerrufsrecht ist auch nicht verwirkt oder wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ausgeschlossen. Allgemein gilt, dass es für den Fristablauf nicht auf einen Irrtum des Verbrauchers hierüber ankommt. Ein solches Tatbestandsmerkmal ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dementsprechend schließt auch ein gesteigertes Wissen des Verbrauchers aufgrund seines beruflichen Hintergrunds das wegen der fehlerhaften Belehrung fortbestehende Widerrufsrecht nicht aus. Der Kläger hat auch kein Vertrauensmoment geschaffen, etwa durch vollständige Rückführung des Darlehens, aus dem eine Verwirkung abgeleitet werden könnte.
192.) Die Anträge zu 2. und 3. sind nicht begründet.
20Für einen Auskunftsanspruch über den Darlehenssaldo zum Zeitpunkt des Widerrufs oder die Höhe eines Abrechnungssaldos fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Höhe des Saldos des Darlehenskontos kann der Kläger seinen Kontoauszügen entnehmen. Die Grundlagen für die Errechnung der infolge des Widerrufs entstehenden, wechselseitigen Ansprüche stehen dem Kläger zur Verfügung, wie die im Schriftsatz vom 07.01.2015 angestellten Berechnungen ergeben.
213.) Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Auszahlung der von der Beklagten aus Zinsen und Tilgungen gezogenen Nutzungen begehrt, ist nicht begründet. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 07.01.2015 die Aufrechnung mit dieser Forderung gegenüber den Rückzahlungsansprüchen der Beklagten aus § 346 BGB erklärt. Damit ist die Forderung erloschen und kann nicht mehr geltend gemacht werden, § 389 BGB.
224.) Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 04.02.2015 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
235.) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 709 ZPO. Auch wenn die Anträge 2), 3) und der Hilfsantrag den Streitwert nicht erhöhen, sind sie bei der Kostentscheidung im Wege der Bildung eines fiktiven Gesamtstreitwertes zu berücksichtigen.
24Streitwert: 45.000 €
25Der Wert des Antrags 1.) wird mit 80% der noch offenen Darlehensvaluta angesetzt, die mangels Angaben der Parteien ausgehend von der vertraglichen Vereinbarung geschätzt wird. Die Anträge 2), 3) und der Hilfsantrag, die letztlich alle auf das gleiche Ziel gerichtet sind, führen zu keiner Erhöhung des Streitwertes.
moreResultsText
Annotations
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.